„Ein Unfall im AKW Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben als das Desaster in Japan“


„Tour de Fessenheim“: Atomkraft-Gegner protestieren gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW

Am kommenden Wochenende findet die Tour de Fessenheim 2013 statt – in diesem Jahr auf der Strecke von Mulhouse nach Colmar. Nach wie vor gilt die Fahrrad-Demonstration dem Protest gegen das an der deutsch-französischen Grenze gelegene AKW Fessenheim. Frankreichs neuer Präsident François Hollande hat zwar versprochen, das mit rund 36 Jahren älteste französische Atomkraftwerk gegen Ende seiner vierjährigen Amtszeit stillzulegen, doch die Atomkraft-Gegner dies- und jenseits des Rheins haben da ihre Zweifel und drängen auf eine sofortige Stilllegung. Außerdem stehen bei der diesjährigen Tour de Fessenheim die erneuerbaren Energien im Zentrum.

Die Tour de Fessenheim stellt gleich in dreierlei Hinsicht zu schnelle Urteile über die Anti-AKW-Bewegung infrage. Da gibt es die in den Medien immer wieder verwendete Behauptung, dass mit dem langsamen Ausstiegsbeschluss aus der Atomkraft auch die Anti-AKW-Bewegung ihre Funktion verloren habe, und es jetzt nur noch darum gehe, einen Platz für den atomaren Müll zu finden. Eine zweite Behauptung in vielen deutschen Medien besagt, dass die Bevölkerung in Frankreich mehrheitlich gegenüber AKW-kritischen Bestrebungen resistent sei.

Schließlich wird immer wieder behauptet, dass ein Desaster wie in Fukoshima in Europa nicht möglich wäre. Die Proteste gegen das AKW Fessenheim haben in den letzten zwei Jahren nach den Gau in Japan neuen Zulauf bekommen, die Kooperation mit französischen Mitstreitern wurde ausgebaut. Ein Unfall in Fessenheim könnte gravierendere Auswirkungen haben, als das Desaster in Japan, meint Ingo Falk vom Organisationsteam der Tour de Fessenheim im Gespräch mit Telepolis.

„Ein AKW in einem mitteleuropäischen Erdbebengebiet ist unverantwortlich“

Lässt das Interesse am Protest nicht nach, wenn nun viele im Elsass meinen, das AKW Fessenheim werde in wenigen Jahren stillgelegt?

Ingo Falk: Zum einen wollen wir dieser trügerischen Hoffnung etwas entgegensetzen, zum anderen zeigt uns die Zahl der Anmeldungen, dass gerade die Zahl der französischen Teilnehmer in diesem Jahr sicher höher liegen wird als im vergangenen Jahr.

Welche Risiken sehen Sie für das AKW-Fessenheim?

Ingo Falk: Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die von Fessenheim rund 35 Kilometer entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist.

Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Und auch ein solcher Dammbruch kann durch ein Erdbeben ausgelöst werden.

Wären die Folgen eines Super-GAU im AKW Fessenheim mit jenen in Japan vergleichbar?

Ingo Falk: Sie könnten weitaus verheerender ausfallen. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden.

Das AKW Fessenheim enthält ein radioaktives Inventar, das 1.760 Hiroshima-Bomben entspricht. Im Februar erklärte Jean-Louis Basdevant, hochrangiger französischer Kernphysiker und Professor an der polytechnischen Hochschule, dass ein schwerer Unfall im AKW Fessenheim eine dramatische Katastrophe für ganz Europa wäre, die – so wörtlich – das Leben der zentraleuropäischen Region bis nach Rotterdam für mehr als 300 Jahre vernichten würde. Er erinnerte daran, dass sich das AKW an der Basis des Rheintals zwischen Basel und Rotterdam befindet, dem am dichtesten besiedelten Gebiet Europas mit einer hohen Konzentration von Industrieanlagen – und dass Fessenheim an der Basis des Oberrhein-Aquifers, einem der größten Trinkwasservorkommen Europas liegt.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW dennoch am Netz?

Ingo Falk: In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandszeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb.

Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Es ist bekannt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Strom-Konzerns EDF finanziert. Zudem müssen wir sehen, dass die politische Kaste in Frankreich unbeirrt an der atomaren Bewaffnung, der „force de frappe“, festhält.

Atomkraftwerk und Atombombe sind siamesische Zwillinge. Ohne eine Abkehr von der Atombombe ist daher das Versprechen Hollandes, einen Atomausstieg in Frankreich einzuleiten, wenig glaubwürdig – zumal wenn ein Krieg geführt wird wie in Mali, der der Sicherung von Uranminen im benachbarten Niger dient, und wenn weiterhin Milliarden Euro staatlicher Gelder in die Förderung der Atomenergie fließen.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/154529
Peter Nowak

Zertifikate vernichten

Peter Nowak über den Handel mit Verschmutzungsrechten

Der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten wurde einst als Wunderwaffe zur Senkung des Ausstoßes von Treibhausgasen in der EU angepriesen. Wären diese Zertifikate nicht anfangs komplett, später überwiegend kostenlos ausgegeben worden, hätte das System vielleicht auch funktioniert. Doch derzeit sind infolge der inflationären Ausgabemengen und der aktuellen Rezession die Zertifikate um Größenordnungen billiger als jede Klimaschutzmaßnahme. Ein erster Versuch, das System zu reformieren, scheiterte vor einigen Monaten am EU-Parlament. In der letzten Woche hat der Umweltausschuss den Weg freigemacht, um einen neuen Antrag im Parlament einzubringen, der eine Reduzierung der Zertifikate ermöglicht. So soll der Preis wieder steigen. Wie das Parlament entscheidet, ist noch völlig offen. Gralshüter der Marktwirtschaft wie Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler sehen in der versuchten Steuerung einen Eingriff in die Wirtschaft.

Eine kleine Gruppe von Umweltaktivisten – überwiegend Wissenschaftler – wollte nicht darauf warten, dass sich das EU-Parlament einigt. Nach der Devise »Umweltschutz zum Selbermachen« kauft der von ihnen gegründete Verein »TheCompensators« (die Kompensatoren) freiwillig Verschmutzungsrechte und bezahlen so für den privaten CO2-Ausstoß. Anschließend löschen sie die Zertifikate. Damit setzen sie im Kleinen um, was im EU-Parlament beschlossen werden soll. Bisher seien auf diese Weise bereits Verschmutzungsrechte für 5000 Tonnen CO2 gelöscht worden. Das bedeutet, dass 5000 Tonnen weniger CO2 ausgestoßen werden darf. Diese Menge produzieren 450 Menschen jährlich in Deutschland. Die Größenordnung macht die Grenzen des Projekts klar. Denn es basiert letztlich auf freiwilligen Spenden einzelner, die so versuchen klimaneutral einzukaufen oder zu verreisen.

Wenn die Initiative jetzt fordert, jeder Mensch solle diesem Beispiel folgen und vermeidbare Reisen unterlassen und bei unvermeidbaren Verschmutzungsrechte zu kaufen, geht das aber an der sozialen Lebenswirklichkeit von immer mehr Menschen vorbei.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/825287.zertifikate-vernichten.html
Peter Nowak

Nie wieder Hiroshima, Fukushima und Bikini


Japanische Gewerkschaft im Kampf gegen Atomkraft
Nach Fukushima bildete sich in Japan eine Anti-AKW-Bewegung. Bei ihren Protesten ganz vorne mit dabei sind die Eisenbahner von Doro Chiba.

»Leben geht vor Profit« und »Arbeiten in verstrahlten Zügen – nicht mit uns« lauten die Slogans, die japanische Eisenbahnbeschäftigte skandieren. Sie haben sich erfolgreich geweigert, einen durch die AKW-Havarie von Fukushima radioaktiv verstrahlten Eisenbahnwagen zu reparieren, den die Bahngesellschaft wieder in Betrieb nehmen wollte. »Das gehört zum Konzept der Normalisierung, das die japanische Regierung der Gesellschaft verordnet hat«, erklärt Nobuo Manabe vom Internationalen Solidaritätskomitee der japanischen Eisenbahngewerkschaft Doro Chiba. Bei einer Rundreise durch verschiedene deutsche Städte berichtete er gemeinsam mit Chieko Shiima von »Frauen aus Fukushima gegen Atomkraft« über ihre Arbeit.

»Es ist erstaunlich, dass wir bei unserer Arbeit gerade aus Deutschland so viel Unterstützung bekommen«, freut sich Manebe. Als beispielhaft für die große Spendenbereitschaft erwähnt er die Unterstützung für die von Dora Chiba mitinitiierte selbstverwaltete Klinik für die Opfer von Fukushima. Mit diesem Krankenhaus wolle man Menschen eine Alternative bieten, die kein Vertrauen in die staatlichen Kliniken haben, betont der Gewerkschafter. In der Solidaritätsklinik würden sich die Ärzte wesentlich mehr Zeit für die Untersuchungen der Hilfesuchenden nehmen als in den anderen Hospitälern.

Neben der Beteiligung am Projekt der Solidaritätsklinik und dem Widerstand gegen die Arbeit in radioaktiv kontaminierten Zügen beteiligte sich Dora Chiba auch an der Organisation der diesjährigen Proteste zum Jahrestag der Atomkatastrophe am 11. März 2011, an denen einige Tausend Menschen in verschiedenen Städten teilnahmen. »Für Japan ist es ein Erfolg, aber im Vorjahr war die Zahl der Teilnehmer erheblich größer«, berichtet Chieko Shiina ein wenig enttäuscht.

Während die großen Gewerkschaften die Veranstaltungen nicht mehr am oft noch winterlichen Jahrestag veranstalten, sondern in den Sommer verschieben wollen, hält Doro Chiba gemeinsam mit Anti-AkW-Initiativen und kleinen linken Gruppen am 11. März als Protestdatum fest. Die Konsequenzen aus der AKW-Havarie fassen sie in der Parole »Nie wieder Hiroshima, Fukoshima und Bikini« zusammen. Damit ist der Kampf gegen Atombomben, AKW und alle Atombombenversuche gemeint, für die das Bikiniatoll steht.

Dora Chiba kann auch andere Themen in die japanische Anti-Atom-Bewegung tragen: Oft werden auf den Umweltschutzdemonstrationen Parolen für die Einheit aller Lohnabhängigen skandiert. Dass jetzt allerdings der Anti-AKW-Widerstand im Zentrum der Arbeit der 1987 gegründeten Eisenbahnergewerkschaft steht, ist für Manabe kein Zufall. »Wir haben den Anspruch, neben gewerkschaftlichen Forderungen auch politische Ziele zu formulieren, und daher ist nach dem Gau der Kampf gegen AKW für uns zentral«, so Manabe.

www.neues-deutschland.de/artikel/824819.nie-wieder-hiroshima-fukushima-und-bikini.html
Peter Nowak

Am Ohr der Kanzlerin

Das Auto ist der Deutschen liebstes Kind. Das gilt offenbar auch für ihre Regierung. Da muss es nicht verwundern, wenn der Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), aus dem Kabinett in das Daimler-Management wechselt (sein dortiger Vorgänger kommt in die Politik zurück). Nach Kritik von Opposition und der Organisation Lobbycontrol verzichtet er auf seine Versorgungsansprüche als Politiker. Der frühere CDU-Politiker Matthias Wissmann hat den Wechsel von der Politik zur Automobilindustrie schon 2007 vollzogen. Der langjährige Bundestagsabgeordnete war zuvor unter anderem Bundesverkehrs- und -forschungsminister.

Dass Wissmann bei der Bundesregierung ein offenes Ohr für seine Anliegen findet, machte die Umweltorganisation Greenpeace jetzt deutlich. Sie veröffentlichte einen Brief, den Wissmann als Präsident des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie (VDA) an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben hat.

Dort hat er die Kanzlerin darum gebeten, sich in Brüssel gegen langfristige CO2-Einsparziele für Autos einzusetzen und das Messverfahren beim Spritverbrauch für Neuwagen (das den realen Verbrauch kräftig untertreibt) unangetastet zu lassen. Den Vorstoß des VDA-Präsidenten kommentiert Stefan Krug von Greenpeace Deutschland mit dem Ratschlag: »Die Kanzlerin sollte sich vom Wehklagen der deutschen Autohersteller nicht beeindrucken lassen.« Mit Sprit sparenden Autos und Elektromobilität werde Deutschland als Standort der Autoindustrie sogar profitieren, ist Krug überzeugt.

Allerdings bedarf es dazu mehr als guter Ratschläge. In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass sich Politiker unterschiedlicher politischer Couleur den Interessen der Automobillobby gegenüber ausnehmend offen gezeigt haben. Auch Gerhard Schröder, der Kanzler einer rot-grünen Koalition, verstand sich als Automann.
Von außerparlamentarischen Aktionen gegen diese Symbiose hört man bisher wenig, auch von Greenpeace.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/823274.am-ohr-der-kanzlerin.html

Peter Nowak

Dabei sein ist nicht alles

Die Suche nach einem Endlager für stark radioaktiven deutschen Atommüll hat eine neue Grundlage. Nachdem das Endlagergesetz diese Woche vom Bundeskabinett abgesegnet wurde, soll es noch vor der Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden. Für die Umweltverbände bietet das Gesetz allerdings einigen Konfliktstoff, denn es sieht ihre Mitwirkung in der Bund-Länder-Kommission vor, in der Kriterien für die Endlagersuche erarbeitet werden sollen. Doch ist eine Zusammenarbeit wirklich sinnvoll? Mit lediglich zwei der 24 Sitze in dem Gremium wäre der Einfluss der Umweltverbände auf die Ergebnisse wohl eher gering. Zudem hatten sie schon am Gesetztgebungsverfahren zurecht kritisiert, das ein neues Endlagergesetz verabschiedet wurde, ehe überhaupt Suchkriterien definiert worden waren. »Erst ein Gesetz, dann Dialog, das ist doch eine Farce«, erklärt der Energiereferent von Robin Wood, Dirk Seifert. Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg plädiert dafür, die Arbeit der Kommission besser kritisch von außen zu begleiten. Die BI stört schon, dass ihre zentrale Forderung, Gorleben ganz von der Liste der Endlagerkandidaten zu streichen, nicht umgesetzt wurde. So mancher Aktivist mag da fürchten, als ökologisches Feigenblatt der Endlagerkommission missbraucht zu werden. Bei Greenpeace und BUND gibt es dennoch interne Debatten über den Umgang mit der Kommission. Dort befürchtet man offenbar, dass bei einer Verweigerung pragmatischere Organisationen in der Kommission für die Umweltorganisationen sprechen könnten. Die Deutsche Umwelthilfe hat zwar ihre Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit erklärt, hält den Gesetzentwurf gleichwohl für lückenhaft.

Nun werden die Umweltverbände wieder von einer alten Debatte eingeholt, die sie seit ihrer Gründung begleitete. Konstruktive Einbindung oder grundsätzliche Opposition? Womöglich geht es in der Endlagerfrage um die Perspektiven der Umweltbewegung. Anders als beim Widerstand gegen die Castortransporte wäre »dabei sein« hier wohl doch nicht alles.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/820204.dabei-sein-ist-nicht-alles.html

Peter Nowak

Kritik an Lex Monsanto


Peter Nowak über genmanipuliertes Saatgut

Der Agrochemie und Saatgutkonzern Monsanto steht als Hauptproduzent genmanipulierten Saatguts weltweit in der Kritik. Setzen ihm in Europa die Kennzeichnungspflicht und die recht zurückhaltende Sortenzulassung zu, so sind es in den USA vor allem Klagen gegen solche Zulassungen. Dem schiebt nun der im unter Zeitdruck verabschiedeten Haushaltsgesetz versteckte Zusatz 735 einen Riegel vor. Ist das Saatgut vom Landwirtschaftsministerium zugelassen, sind danach Gerichte nicht mehr für Klagen wegen Zweifeln an der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit zuständig.

Kritiker sprechen von einer Lex Monsanto und sehen darin das Ergebnis der Lobbyarbeit des US-Senators Roy Blunt aus dem Bundesstaat Missouri, in dem Monsanto seinen Hauptsitz hat. Blunt ist auch einer von elf Abgeordneten, die nach Recherchen von US-Medien finanzielle Zuwendungen in fünfstelliger Höhe für den Wahlkampf von dem Konzern bekommen haben sollen. Doch noch ist nicht klar, ob sich für Monsanto die Investitionen in die Politiker langfristig wirklich auszahlen. Denn das Haushaltsgesetz gilt nur bis zum Sommer 2013. Kritiker wollen nun verhindern, dass in den Folgegesetzen wieder ähnliche Paragrafen auftauchen.

Die einflussreiche Nichtregierungsorganisation Food Democracy Now hat bereits einen Aufruf gegen die Lex Monsanto gestartet. Für den Sprecher der Organisation David Murphy fördert das Gesetz die Aushöhlung des Rechts auf juristische Prüfung und ist damit ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung. Auch vor dem Weißen Haus gab es bereits Protest gegen das Gesetz. Mittlerweile haben sich auch mehrere Politiker der Demokratischen Partei gegen die Lex Monsanto ausgesprochen.

Die Methode, durch geschickte Lobbyarbeit wirtschaftsfreundliche Gesetze ohne großes Aufsehen durch das Parlament zu bringen, ist auch in Deutschland nicht unbekannt. Von großen Protesten hört man dagegen hierzulande weniger. Die hiesigen NGO können von den Freunden in den USA lernen, wie man dagegen kampagnenfähig wird.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/817966.kritik-an-lex-monsanto.html
Peter Nowak

Immobilien und andere Immobilitäten

Die Kritik an der Gentrifizierung sollte mit der Kritik der Verkehrspolitik verbunden werden, nicht nur aus Gründen des Umweltschutzes.

Hat die Gentrifizierungskritik in Berlin jetzt auch die CDU und die Boulevardmedien erreicht? Diesen Eindruck konnte man angesichts der ganz großen Volksfront der Berliner Mauerretter bekommen, die Anfang März auf den Plan getreten war. Für ein Bauprojekt am Spreeufer sollten einige bemalte Mauerstücke versetzt werden, die in den Reiseführern als East Side Gallery firmieren. Die Boulevardzeitungen sahen eine neue »Mauerschande« heraufziehen und der Generalsekretär der Berliner CDU, Kai Wegner, legte die Platte aus alten Frontstadtzeiten wieder auf. Während er tönte: »Nur ein zusammenhängendes Mauerstück verdeutlicht authentisch, wie brutal der Todesstreifen Berlin einst zerschnitten hat«, lieferte »Mediaspree Versenken« die passende Kampa­gnenlosung: »Keine Luxuswohnungen auf dem ehemaligen Todesstreifen!« Ein Sprecher dieser als links geltenden Stadtteilinitiative wollte sich sogar schämen, ein Berliner zu sein, wenn die Mauerstücke einige Meter verrückt würden. Vor zwei Jahrzehnten nahmen Linke und Alternative noch mit Stolz das Label »Anti-Berliner« an, das ihnen die Lokalmedien und die Regierungsparteien aller Couleur angeheftet hatten.

Damals errichteten die frühen Gentrifizierungskritiker, die sich noch gar nicht als solche verstanden, unter der Parole »Oberbaumbrücke bleibt Stadtringlücke« mitten auf der Brücke ein Hüttendorf. Sie wollten verhindern, dass die bis dahin von der Mauer zerteilte Brücke zu einer vierspurigen Autostraße ausgebaut wird und sich folglich rund um die Uhr eine Blechlawine durch Kreuzberg wälzt. Die damalige Entwicklung von grünbepflanzten Mauernischen zu innerstädtischen Verkehrsinseln hat den schnellen Widerstand sicher sehr befördert. Bereits im Sommer 1990 gründeten Bewohner der benachbarten Schlesischen Straße die »BI Blechlawine« und organisierten Protestfrühstücke auf der Fahrbahn. Als dann die Ausbaupläne immer konkreter wurden, entwickelte sich ein Widerstand, an dem sich viele Umweltverbände wie BUND, Robin Wood Liga, ADFC, Grüne Radler, Stadtteilgremien von Alternativer Liste und PDS und zuletzt Basisgruppen wie WBA Prenzlauer Berg und die RADikalen, wie sich autonome Fahrradfahrer nannten, beteiligten. So unterschiedlich wie die am Bündnis beteiligten Gruppen waren auch die Aktionsformen. Während sich die einen mehr auf symbolische Proteste konzentrierten, wurde auch schon mal ein Bagger beschädigt und ein Bauschiff in der Spree versenkt. Zur Spaltung kam es deshalb aber nicht. Erst 1994, als die Oberbaumbrücke eröffnet wurde, versandete der Widerstand. Sollten Veranstaltungen zum 20. Jubiläum geplant sein, wäre es wünschenswert, dass nicht nur nostalgische Erinnerungsveranstaltungen angeboten würden – nach dem Motto: »die autonomen Großeltern erzählen«.

Denn Anfang der neunziger Jahre wurde von den Kritikern der Stadtentwicklung noch ein Zusammenhang zur Verkehrspolitik hergestellt, den man in der gegenwärtigen Gentrifizierungskritik vergeblich sucht. Diese Leerstelle ist schon deshalb verwunderlich, weil die in den vergangenen Jahren intensivierte Umweltdebatte eigentlich eine radikale Kritik der Autogesellschaft herausfordern würde. Dabei geht es nicht nur um das Ozonloch und den Klimawandel. Der Autoverkehr ist wesentlich für eine akute Luftverschmutzung verantwortlich, die extrem gesundheitsschädlich ist. Am 20. Februar stellte die EU-Kommission fest, dass die Luftbelastung in vielen deutschen Städten erheblich ist, so dass die lokalen Behörden aufgefordert wurden, unverzüglich Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um die Stickoxid-Werte zu reduzieren.

Es ist schon auffallend, dass in einem Land, in dem selbst die Lagerung von leicht kontaminierter Molke in den neunziger Jahren einen Sturm der Empörung auslöste, kein wahrnehmbarer Widerstand gegen eine Verkehrspolitik entsteht, die nachweislich für schwere gesundheitliche Schäden bei vielen Menschen sorgt. Selbst die Steilvorlagen, die die EU-Behörden hierfür liefern, wurden weitgehend ignoriert. Nur in wenigen Zeitungen wurde überhaupt darüber berichtet. Dabei war es nicht das erste Mal, dass die EU-Kommission die deutsche Regierung wegen der Verletzung der Feinstaubverordnung kritisierte und Untersuchungen anordnete.

An mangelnden Informationen kann das Desinteresse an diesem Thema nicht liegen. Mittlerweile belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass in besonders von Feinstaub belasteten Gegenden das Krebsrisiko ebenso wie die Gefahr von Herzkreislaufkrankheiten steigt. Die Giftpartikel machen praktisch 82 Millionen Menschen zu »Passivrauchern«, warnen Umweltexperten. Doch während eine starke Nichtraucherlobby am liebsten noch aus jedem historischen Film die Glimmstängel nachträglich wegretuschieren würde und die Hellenische Gemeinde in Berlin-Steglitz um ihre finanzielle Unterstützung fürchten muss, weil das Rauchverbot in ihren Räumen nicht strikt eingehalten worden sein soll, scheint sich kaum jemand darüber zu empören, dass Autos die Luft verpesten. Dabei würde sich doch ein fast unbegrenztes Reservoir an Maßnahmen des zivilen Ungehorsams anbieten, um den Besitzern der vierrädrigen Dreckschleudern die Nutzung zumindest in den Innenstädten zu verleiden.

Die Raucher bekommen heute auf jeder Zigarettenpackung zu lesen, wie lebensgefährlich ihr Tun sei. In der Öffentlichkeit werden sie mit strafenden Blicken und Gesten bedacht, selbst wenn sie sich ganz gesetzeskonform in die ihnen zugewiesenen Reservate drängen. Die Autofahrer hingegen, die nicht nur für dicke Luft in den Städten sorgen, sondern auch den öffentlichen Straßenraum in Beschlag nehmen, bekommen von Politik und Öffentlichkeit grünes Licht. Das belegen die Ampelschaltungen an zahlreichen Verkehrsknotenpunkten deutscher Städte. Während Fußgänger und Radfahrer manchmal minutenlang in der Feinstaub- und Benzinwolke ausharren müssen, bis ihnen auch mal gnädig der Weg freigeschaltet wird, rauschen die Autos ungebremst vorbei.

In einem Land, in dem der ADAC 16 mal mehr Mitglieder hat als CDU, SPD, Linkspartei, Grüne und FDP zusammen, wird sich keine Partei, die in der Mitte der Gesellschaft Stimmen sammeln möchte, mit den Autofahrern anlegen. Für den Teil der Gentrifizierungskritiker, der nicht auf Parlaments- oder Beraterposten schielt, bestände hingegen in der Einbeziehung der Verkehrspolitik eine große Chance, verschiedene Teilbereiche miteinander zu verbinden. Dabei geht es neben den schon beschriebenen Umweltaspekten auch um die Frage, wie die Stadt der Zukunft aussehen soll. Sie zerfällt immer mehr in zwei getrennte Sektoren. Da gibt es die kinderfreundlichen, verkehrsberuhigten Stadtteile der Mittelschicht mit hohem Fahrradaufkommen. Die Anwohner haben meist dennoch irgendwo einen PKW geparkt, schließlich will man so flexibel wie möglich und nicht auf den unattraktiven ÖPNV angewiesen sein. Keine Wahl haben die einkommensschwachen Menschen, die an die Stadtränder verdrängt werden, wo es in der Regel keine Arbeitsplätze gibt. Überteuerte und überfüllte Bahnen und Busse sowie die alltägliche Blechlawine an den Ausfallstraßen sind die logischen Konsequenzen.

Für die wachsende Schar der ganz Armen bedeutet die Vertreibung aus den Citys oft auch ein Leben in den Schlafstädten, wo es statt Eckkneipen nur noch Stehimbisse gibt. Als Hartz-IV-Empfänger ist man zur Immobilität verdammt, obwohl doch gerade Mobilität und Flexibilität von Jobcentern immer mehr erwartet wird. Ein Blick in die Gefängnisse zeigt zudem, wohin es immer häufiger führt, wenn Menschen ihr Recht auf Mobilität wahrnehmen, ohne zu bezahlen. Ihr Anteil unter den Häftlingen wächst. In der JVA Berlin-Plötzensee sitzt fast jeder Dritte wegen Schwarzfahrens ein. Trotzdem erhalten Initiativen zur Entkriminalisierung der unentgeltlichen ÖPNV-Benutzung, wie sie im vorigen Jahr von der Berliner Piratenpartei gestartet wurden, wenig Unterstützung. Auch die aus dem Umfeld des ehemaligen Berliner Sozialforums initiierte Kampagne »Berlin fährt frei«, die für einen berlinweiten kostenlosen ÖPNV eintrat, versandete.
20 Jahre nach der Niederlage an der Oberbaumbrücke scheint die Verkehrspolitik in der außerparlamentarischen Linken kaum jemanden zu interessieren. Dabei läge in Berlin mit dem bevorstehenden Ausbau der Stadtautobahn A 100 ein kampagnenfähiges Thema im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße. Anfang März verhinderten 30 Umweltaktivisten das Fällen einiger Pappeln für dieses Straßenprojekt. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die Initiative größere Kreise ziehen kann. Garantiert wird man dafür kein Lob aus der Union und der Boulevardpresse bekommen. Dafür dürfte der alte Vorwurf an die »Anti-Berliner« dann wieder erhoben werden. Aber gerade das müsste für radikale Gentrifizierungsgegner eher ein zusätzlicher Ansporn sein.
http://jungle-world.com/artikel/2013/14/47441.html
Peter Nowak

Widerstand gegen Lex Monsanto

In den USA protestieren Umweltorganisationen gegen einen Zusatz im Haushaltsgesetz, der den Saatgutkonzern Monsanto vor Gerichtsverfahren schützen soll

Seit Jahren ist der Saatgutkonzern Monsanto bei Umweltschützern und Landwirten in der Kritik. Unter anderem wegen des Anbaus und Vertriebs von genmanipulierten Saatgut beschäftigen sich auch Gerichte verschiedener Länder immer wieder mit dem Konzern. Jetzt hat der US-Senat versteckt im Haushaltsgesetz den Zusatz 735 verfasst, der Monsanto vor lästigen juristischen Verfahren schützen soll. Kritiker sprechen daher von der Lex Monsanto. US-Präsident Obama hat das Gesetz am 26. März bereits unterzeichnet.

Der Zusatz sieht vor, dass Gerichte den Vertrieb und Anbau von genmanipulierten Saatgut auch dann nicht mehr verhindern können, wenn Zweifel an der Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit besteht. Voraussetzung ist, dass das Landwirtschaftsministerium den Anbau genehmigt hat. Kritiker sehen in der erfolgreichen Klausel das Werk einer guten Lobbyarbeit. So wird dem US-Senator aus dem Bundesstaat Missouri Roy Blunt eine wesentliche Rolle bei dem Gesetzeszusatz zugeschrieben. In Missouri hat Monsanto seinen Hauptsitz und Blunt wird als einer von elf Kongress-Abgeordneten genannt, die von Monsanto mit hohen finanziellen Zuwendungen bedacht werden. So soll Blunt erst kürzlich persönlich eine Spende in fünfstelliger Höhe erhalten haben.

Pyrrhussieg für Monsanto?

Doch noch ist nicht klar, ob sich für den Konzern die Investitionen in die Politiker wirklich auszahlen. Gerade an dem Prozedere, möglichst versteckt im Haushaltszusatz eine Schutzklausel einzubauen, regt sich Widerstand in den USA. Zu den Initiatoren gehört die einflussreiche Organisation Food Democracy Now, die einen Aufruf gegen die Lex Monsanto gestartet hat. Für David Murphy von Food Democracy Now fördert das Gesetz die „Aushöhlung des Rechts auf juristische Prüfung“ und stellt einen klaren Verstoß gegen die Gewaltenteilung“ da.

Es gab bereits erste Demonstrationen gegen das Gesetz vor dem Weißen Haus. Der schnelle Widerstand hat bereits zu Reaktionen von Politikern geführt. So rechtfertigte die demokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses im US-Senat Barbara Mikulski ihre Zustimmung zu der umstrittenen Klausel mit ihren Willen, das Haushaltsgesetz durchzubringen und so die Funktionsfähigkeit der Regierung sicherzustellen. Sie sei gegen das Gesetz, setze sich für Nahrungsmittelsicherheit ein und wolle dafür eintreten, dass die Lex Monsanto nicht auch in die Folgegesetze übernommen wird.

Dass ist auch das erklärte Ziel der zahlreichen Monsanto-Kritikern. Tatsächlich stehen ihre Chancen nicht so schlecht. Dass von der Zustimmung oder Ablehnung zum monsantofreundlichen Zusatz die Funktionsfähigkeit der US-Regierung abhängen soll, dürfte den Kreis der Kritiker des Konzern noch beträchtlich erhöht haben. Auch die Stiftung Ethecon gehört dazu. Deren Gründer und Vorstandsmitglied Axel Schnurra Köhler sieht in der Lex Monsanto ein Beispiel für die Aushöhung der Demokratie zugunsten privater Profite.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154039
Peter Nowak

Castorgegner vor Gericht

Am heutigen Montag beginnt vor dem Potsdamer Amtsgericht der Prozess gegen einen AKW-Gegner. Ihm wird vorgeworfen, 2010 in der Nähe von Kassel zwei Personen unterstützt zu haben, die mit Seilen an einer ICE-Strecke gegen den damaligen Castortransport protestiert haben. Der zweite Vorwurf ist bereits fünf Jahre alt. Beim Castortransport 2008 soll der Angeklagte in der Pfalz Aktivisten unterstützt haben, die sich in einem Betonblock anketteten und damit den Atomzug 12 Stunden aufhielten. Der Vorgang ist in mehrerlei Hinsicht bizarr. Zum einen ist es der Gerichtsort, der weder mit dem vermeintlichen Tatort noch dem Wohnort des angeblichen Täters zu tun hat. Denn seit einer internen Reform der Bundespolizei werden sämtliche Verfahren zu Ordnungswidrigkeiten im Bereich der Bahnanlagen nur noch vor dem Potsdamer Amtsgericht verhandelt. Zum anderen moniert der Beschuldigte, er habe sich beide Male lediglich in der Nähe einer Aktion zivilen Ungehorsams befunden.
Fracking

Die merkwürdige Regelung über den Gerichtsort bringt nicht nur lange Anfahrtswege für Beklagte – im aktuellen Fall 500 Kilometer, mit sich. Juristen sehen auch eine Beeinträchtigung der Rechte der Angeklagten, wenn der Gerichtsort für sämtliche Verfahren Potsdam ist. Nun regt sich Widerstand: Bereits im Februar organisieren zahlreiche außerparlamentarische Gruppen in der brandenburgischen Landeshauptstadt Aktionstage gegen Repression und enterten in diesem Rahmen auch das Brandenburger Tor in Potsdam.

Immerhin konnte in der vergangenen Woche die Robin-Wood-Aktivistin Cecile Lecomte, die wegen ihrer Kletteraktionen Eichhörnchen genannt wird, vor Gericht einen Erfolg erzielen. Sie war am 17. Mai 2011 bei einer Protestaktion gegen die Tagung des Deutschen Atomforums in Berlin von der Polizei festgenommen worden. Jetzt hat ihr die Polizei schriftlich bestätigt, dass ihre Festnahme ebenso rechtswidrig war wie der anschließende Platzverweis. Ob das Verfahren heute in Potsdam ebenso ausgeht, wird sich zeigen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/816061.castorgegner-vor-gericht.html
Peter Nowak

Sind Nahrungsmittelspekulationen doch für Hunger in der Welt verantwortlich?

Foodwatch veröffentlicht Forschungsergebnisse von Deutscher Bank und Allianz

„Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.“ Diese Einschätzung der Nahrungsmittelspekulation wurde von DB-Research, der Forschungsabteilung der Deutschen Bank verfasst. Bekannt gemacht wurde es von der Organisation Foodwatch, die seit langen gegen Nahrungsmittelspekulation agiert.

Sechs von Forschungsabteilungen der Deutschen Bank und der Allianz verfasste Papiere zu den Folgen von Nahrungsmittelspekulation hat die NGBO ins Netz gestellt. Foodwatch zitiert aus einem bei DB-Research verfassten Papier diese Einschätzung: „Bedenkt man jedoch […] den massenhaften Zustrom von Fonds und nicht-traditionellen Teilnehmern auf die Rohstoffmärkte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Spekulation übermäßige Preisentwicklungen zumindest fördert, und zwar in beide Richtungen. Selbst wenn spekulative Kapitalströme nicht unbedingt der Auslöser für die Preisbewegungen der Jahre 2007 und 2008 waren, so ist es doch wahrscheinlich, dass sie die Preisentwicklung zumindest verstärkt haben.“

Kein empirischer Beleg?

Sie erhält ihre Brisanz vor allem durch die Auftraggeber der Forschung. Schließlich haben Vertreter der Deutschen Bank in der Öffentlichkeit immer den Eindruck erweckt, dass es die Nahrungsmittelspekulation keinen Einfluss auf die Nahrungsmittelpreise hat. So heißt es in einer Stellungnahme von Deutsche-Bank-Chefvolkswirt David Folkerts-Landau vor dem Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit im Deutschen Bundestag am 27. Juni 2012:

„Es gibt kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung, dass die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten zu Preissteigerungen oder erhöhter Volatilität geführt hat.“

Noch deutlicher wurde DB-Co-Vorstandschef Jürgen Fitschen bei der diesjährigen „Grünen Woche“ in Berlin. Dort erklärte er nicht nur, dass Untersuchungen „kaum stichhaltige Belege für einen Zusammenhang dieser Geschäfte mit dem Hunger in der Welt“ erbracht hätten. „Im Gegenteil: Agrar-Derivate erfüllten für Nahrungsmittelproduzenten eine wichtige Funktion im weltweiten Handel. Mit dem Kauf dieser an Börsen gehandelten Papiere können sich Landwirte gegen fallende Preise absichern und ihr Angebot besser planen. Deshalb hat die Deutsche Bank entschieden, dass sie im Interesse ihrer Kunden weiterhin Finanzinstrumente auf Agrarprodukte“, wird Fitschen von der FAZ zitiert. Hier wird eine Entscheidung, die die Bank zur Mehrung ihrer Gewinne getroffen hat, so dargestellt, als wäre sie im Interesse der Landwirte.

Die Forschungsergebnisse aus dem eigenen Haus, die Zusammenhänge zwischen den Agrarderivaten und der Preisentwicklung herstellen, werden in den Erklärungen ignoriert. Organisationen wie Foodwatch können die nun bekannt gewordenen Papiere gut für ihre Kampagne gegen Agrarderivate nutzen – und das ist auch sinnvoll.

Allerdings sollte man sich vor zu großer moralischer Verve hüten. Wenn Foodwatch jetzt David Folkerts-Landau vorwirft, bei seiner Erklärung im Parlament gelogen zu haben und der Foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode den eigentlichen Skandal darin sieht, „dass Deutsche Bank und Allianz ganz genau wissen, welchen Schaden sie mit ihren Finanzprodukten anrichten – aber die Öffentlichkeit täuschen und sogar den Bundestag belügen, um weiterhin ohne Skrupel Geschäfte auf Kosten Hungernder zu machen“, wird die Verwertung, der die Nahrungsmittel wie alle Waren im Kapitalismus unterliegen, auf das als moralisch verwerflich bezeichnete Handeln von Managern simplifiziert.

Natürlich werden in Forschungsabteilungen großer Firmen unterschiedliche Hypothesen untersucht. So ist auch anzunehmen, dass Forschungsabteilungen von Energiekonzernen im AKW-Geschäft über die Gefährlichkeit der Radioaktivität forschen. In den Erklärungen der Konzernverantwortlichen aber werden natürlich die Aspekte im Mittelpunkt gestellt, die ihren Geschäftsinteressen dienen. So gehen übrigens auch die Nichtregierungsorganisationen bei der Verfolgung ihrer Interessen vor. Die Frage ob die Agrar-Derivate abgeschafft werden, ist denn auch eine Frage von gesellschaftlichem Druck möglichst auf internationaler Ebene. Forschungsergebnisse können ihn verstärken. Dabei könnte aber auch die Frage gestellt werden, warum Nahrungsmittel überhaupt eine Ware sein müssen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153799
Peter Nowak

Zweifelhafte Klimahelden

Peter Nowak über den Cleantech-Kongress
Der Stromverbrauch muss enorm gewesen sein beim diesjährigen europäischen Cleantech-Kongress, der Mitte Februar in Frankfurt am Main stattfand. Dafür spricht nicht zuletzt die riesige Wand aus blinkenden Monitoren im Kongresssaal, die auf der Startseite der Kongress-Homepage zu sehen ist. Bereits zum dritten Mal fanden sich hier Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport zusammen.
Star der diesjährigen Veranstaltung war der Hollywoodstar und ehemalige kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger, der das Publikum mit seiner Rede zu Begeisterungsstürmen hinriss. Er machte auch deutlich, was die Kongressteilnehmer an Klimaveränderungen und Energiewende vor allem interessiert: neue Möglichkeiten, hohe Gewinne zu realisieren. Wie bei seinen Kinorollen schwärmt der einstige Kraftsportler auch im richtigen Leben für Helden. Unter großem Applaus erklärte Schwarzenegger: »Klimahelden sind die Investoren, die die Klimawende finanzieren«. Ein solches Statement kommt natürlich gut an, bei einem Kongress, der von dem Unternehmen Thomas Lloyd organisiert wurde. Dieses ist nämlich auf Investments in erneuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien (Cleantech) spezialisiert. Und da lässt man sich das rein gewinnorientierte Herangehen an erneuerbaren Energien gerne mit einer Prise höherer Moral würzen. Und wenn man dann dank guter Vernetzung gegenüber den vielen Konkurrenten in aller Welt die Nase vorn haben kann, um so besser.

Deswegen hat sich die Zahl der geladenen Gäste auf dem Kongress gegenüber den Vorjahren erhöht. Mit ökologischem Bewusstsein hat das allerdings wenig zu tun. Die wahren Klimahelden sind die Menschen und Initiativen überall auf der Welt, die sich für eine Bewegung von unten einsetzen, die Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit zusammenbringen wollen. Solche Forderungen können aber oft nur im Widerstand gegen jene Kräfte durchgesetzt werden, die Kongresse wie Cleantech veranstalten urd sich dort selber zu Klimahelden ausrufen lassen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/813202.zweifelhafte-klimahelden.html

Peter Nowak

BP-Konzern sponsort Protestforscher

Das Institut für Demokratieforschung an der Göttinger Universität ist eine wichtige Institution, wenn es um die wissenschaftliche Protestforschung in Deutschland geht. Nachdem kürzlich bekannt wurde, dass der Energiekonzern BP eine Studie des Instituts zu aktuellen Bürgerprotesten in Auftrag gegeben hat, ist die Einrichtung allerdings in die Kritik geraten. Institutsleiter Franz Walter warnt vor einer Verdachtskultur und betont, dass die Forschungsergebnisse nicht von BP beeinflusst gewesen seien. Freilich hat diesen Vorwurf auch niemand erhoben. Die NGO LobbyControl monierte allerdings, dass die teilnehmenden Protestgruppen nicht von Anfang an über den Auftraggeber der Studie informiert gewesen seien. Zudem dürfte das Interesse von BP an einer Studie über Umweltbewegungen nicht nur theoretischer Natur gewesen sein. Der Kontakt zwischen BP und dem Institut lief über das kmw outrage Management, das es sich laut Selbstdarstellung zur Aufgabe macht, Krisen und Risiken für das Unternehmen im Vorfeld zu erkennen und zu minimieren. Bürgerinitiativen, die gegen Projekte des Konzerns protestieren, gehören zu diesen Risiken.

Das Göttinger Demokratieindustrie hat die neueren Protestbewegungen unter den Oberbegriff Wutbürger gefasst und das Bild von nörgelnden egoistischen Rentnern gezeichnet, die die Forderung nach direkter Demokratie oft nur aus taktischen Gründen verwendet würden. Nun soll nicht behauptet werden, dass ein solches Bild von den Protestgruppen, das dem Auftraggeber BP gefallen wird, durch direkte Einflussnahme des Konzerns zustande gekommen ist. Eine direkte Einflussnahme ist auch gar nicht nötig, wenn Forscher wissen, wer ihre Studie bezahlt.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/812963.bp-konzern-sponsort-protestforscher.html
Peter Nowak

Mobil oder Auto-mobil?

Die Grünen und das Auto – in der Vergangenheit war das eher eine schwierige Verbindung. Noch vor einem Jahrzehnt galten die Grünen als Autohasser und waren ein rotes Tuch für die Automobilindustrie. . Die hatte auch wenig Interesse an ökologischen Konzepten für den Automobilverkehr, solange das Benzin scheinbar unbegrenzt verfügbar war und gute Profite brachte Noch in den 70er Jahren wurde die Forschung an Elektroautos in den USA von der Automobillobby massiv behindert.. Das hat sich heute grundlegend verändert. Doch ist das nur positiv zu bewerten? Auf dem Kongress der Böllstiftung war selbst von einer leisen Kritik an dem Automobilverkehr nichts mehr zu lesen. In der Einladung zum Kongress wird die Automobilindustrie unkritisch als tragende Säule der deutschen Wirtschaft bezeichnet, ohne diesen Zustand auch nur mit einem Nebensatz zu kritisieren.
Das Auto 3.0, das auf dem Kongress beworben wird, soll effizienter und nachhaltiger werden, damit der Autostandort Deutschland stark bleibt. Dabei wird weitgehend ausgeblendet, dass auch ein wesentlich ökologisches Auto immer noch eine Belastung für die Umwelt darstellt. Schließlich werden auch für die Produktion eines noch so umweltfreundlichen Autos Rohstoffe aller Art gebraucht. Es besteht die Gefahr, dass bei der Konzentration auf das Auto 3.0 Modelle eines Transportsystems jenseits des Individualverkehrs aus dem Blick geraten. Dabei wäre das die umweltfreundlichste Variante des Transports und gerade jetzt die Chance günstig, solche Konzepte in die Diskussion zu bringen. Selbst unter Beschäftigten der Automobilbranche gibt es solche Initiativen. Genannt sei die Umweltgewerkschaft, in der sich Beschäftigte von Opel-Bochum Gedanken darüber machen, wie sie statt Autos Fahrzeuge für den Nahverkehr produzieren könnten. Auf dem Kongress der Böllstifung war sie nicht eingeladen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/811836.mobil-oder-auto-mobil.html
Peter Nowak

Der unbekannte Reaktor am Rande Berlins

Berliner Oberverwaltungsgericht hält Flugrouten über Forschungsreaktor für zu gefährlich und bestätigt damit eine Initiative, die sich für dessen Schließung einsetzt

Schon wieder sorgt der zukünftige Berliner Flughafen für Schlagzeilen. Dieses Mal geht es aber nicht um Baumängel, sondern um die Flugrouten. Die müssen nach einem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgericht geändert werden. Grund ist der Forschungsreaktor BER II auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums. Die Richter schreiben dazu:

„Der 11. Senat ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Festsetzung der Flugroute rechtswidrig ist und die Kläger in ihren abwägungserheblichen Belangen (Gesundheit, Planungshoheit) verletzt. … Das Risiko eines Flugunfalls und eines terroristischen Anschlags auf den Luftverkehr und der dadurch ausgelösten Freisetzung ionisierender Strahlung des Forschungsreaktors wurde nicht hinreichend in den Blick genommen. Eine solche fallspezifische Risikoermittlung wäre notwendige Grundlage einer Abwägung gewesen. Die Risikoermittlung war auch deshalb geboten, weil die Risikobetrachtungen für den Reaktor in Bezug auf den Flugverkehr veraltet waren und die Beklagte darauf durch die Atomaufsichtsbehörde hingewiesen wurde.“

Dieses Mal wurde allerdings nicht die Flughafengesellschaft, sondern das dem Bundesverkehrsministerium unterstehende Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung vom Gericht gerügt. In einer kurzen Mitteilung zum Urteil wird darauf hingewiesen, dass Revision gegen das Urteil zugelassen ist und das Amt die weiteren Schritte noch prüfe. Das Bundesamt könnte in Revision gehen, eine andere Flugroute wählen oder die vom Gericht angemahnte Risikoberechnung nachreichen. Sollte es dann aber bei der bisherigen Route bleiben, werden garantiert neue Klagen folgen.


Neustart beim Flughafen oder Schließung des Reaktors?

Das jüngste Urteil bestärkt Gegner des bisherigen Flughafen, die für eine komplette Neuplanung eintreten. So fordert eine Initiative „die Forcierung, Bekanntmachung und Durchsetzung eines sachgerechten Nachnutzungskonzepts für den BER und damit verbunden die Forderung zum unverzüglichen Beginn einer Neuplanung eines privat finanzierten und zu betreibenden Großflughafens an einem Standort, der raumverträglich ist, die gesellschaftliche Akzeptanz hat und gleichzeitig den Forderungen der Flugbetriebswirtschaft nach einem europäisch wettbewerbsfähigen Zukunftsflughafen ohne Flugbeschränkungen entspricht“.

Allerdings käme für die Frage der Flugrouten auch eine ganz andere Lösung in Betracht. Das Anti-Atomplenum Berlin-Brandenburg fordert seit Längerem die Schließung des Forschungsreaktors. Es bezeichnet ihn als Deutschlands gefährlichsten Reaktor.

Dabei stützt es sich auf eine auch Stresstest genannte Sicherheitsüberprüfung der Reaktorsicherheitskommission von 2012. Hauke Benner vom Bündnis für die Schließung des Reaktors sieht nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Handlungsbedarf. Gegenüber Telepolis erklärt sie:

„Täglich überfliegen schon jetzt bis zu 100 Flugzeuge den Reaktor, der auch nach dem Bericht der Reaktorsicherheitskommission vom Mai 2012 wegen seiner fehlenden Reaktorsicherheitshülle (Containment) hochgradig gefährlich ist. Für einen Weiterbetrieb ist nach Ansicht der RSK dieses Containment unbedingt erforderlich, denn das berühmt berüchtigte „Restrisiko“ ist im Falle eines Flugzeugabsturzes nicht kalkulierbar oder mit irgendwelchen Wahrscheinlichkeitsrechnungen bagatellisierbar. Deshalb ist die Forderung nach sofortiger Abschaltung im Interesse der Bevölkerung von Berlin und Potsdam überfällig.“

Mit dem Urteil ist der weitgehend unbekannte Forschungsreaktor am Rande Berlins in den Fokus der Diskussion gerückt. Selbst zu Hochzeiten der Anti-AKW-Bewegung setzte sich nur ein kleiner Kreis kritisch mit dem Betrieb des Reaktor auseinander.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153615
Peter Nowak

Wie lange können wir uns den Autoverkehr noch leisten?


Eine Studie errechnet die hohen gesellschaftlichen Kosten des Automobilverkehrs

Immer, wenn der Spritpreis steigt, wird von der Automobillobby und den Boulevardmedien das Bild vom Autofahrer als Melkkuh der Nation bemüht. Nun hat eine von dem Verkehrswissenschaftler Udo Becker erstellte Studie der TU-Dresden mit diesem Bild gründlich aufgeräumt. Vielmehr ist der Autoverkehr ein teures Zuschussgeschäft für die Gesellschaft. Jedes in der EU angemeldete Auto verursacht jährlich Kosten von durchschnittlich 1.600 Euro.

Im EU-Schnitt muss demnach jeder Bürger 750 Euro für den Autoverkehr zuschießen. Deutschland gehört zu den fünf EU- Ländern, in denen die Subventionen für den Individualverkehr mit mehr als 2.000 Euro besonders hoch sind. Der Betrag errechnet sich aus den Folgekosten der Autounfälle, der medizinischen Behandlung von Lärm, Schadstoffausstoß und andere durch den Autoverkehr verursachte Umweltschäden. Die Datenbasis stammt aus zahlreichen Teilstudien, die in den letzten Jahren in europäischen Ländern erstellt wurden und im ersten Teil der Studie vorgestellt werden.

Auf dieser Grundlage der kommen die Verfasser zu dem Fazit, dass im EU-Raum durch den Autoverkehr jährlich Kosten in der Größenordnung von ca. 373 Milliarden pro Jahr nach der hohen Schätzung und 258 Milliarden Euro nach einer niedrigen Schätzung entstehen. Bei der Größenordnung liegt es auf der Hand, dass die Beträge nicht durch die Autobenutzer selber getragen werden können. In der Zusammenfassung der Studie heißt es: „Gleichzeitig ist anzumerken, dass der Autoverkehr in der EU durch andere Personen und Regionen hoch subventioniert wird und dass dieser auch durch künftige Generationen subventioniert werden wird: Anwohner von Hauptverkehrsstraßen, Steuerzahler, ältere Menschen, die kein Auto besitzen, Nachbarländer und Kinder, Enkel und alle künftigen Generationen subventionieren den heutigen Verkehr. Sie müssen einen Teil der Rechnung bezahlen oder werden einen Teil der Rechnung bezahlen müssen.“

Sanfte Preiserhöhungen für Autofahrer

An die Adresse der Politik richten die Verfasser der Studie die Empfehlung, die externen Kosten des Autoverkehrs nun regelmäßig schätzen zu lassen und „sanfte Wege zur Einbeziehung dieser Kosten in die Verkehrspreise“ zu entwickeln. Das ist ganz im Sinne des grünen Europapolitikers Michael Cramer, der nun keinesfalls einen Konfrontationskurs gegen die Autolobby propagiert, zu der immerhin in Form des ADAC auch Millionen Autobesitzern gehören. Schließlich erinnern sich noch manche Grüne an die Zeit vor fast 15 Jahren, als die Diskussion über die Erhöhung des Benzinpreises auf 5 DM pro Liter als Grund für die damalige Wahlniederlage ausgegeben wurde.

Dabei gäbe es durchaus berechtigte Kritik an einer Zielrichtung der Studie, die nur den Autofahrer und nicht auch die Automobilkonzerne in den Blick nimmt. Warum sollten die sich nicht ebenso an den gesellschaftlichen Kosten des von ihnen so sehr beworbenen Produkts beteiligen, wie es die Umweltbewegung von den Atomkonzernen bei der Entsorgung des Atommülls mit Recht fordert? Auch in diesem Fall dauerte es viele Jahre, bis in der Gesellschaft anerkannt wurde, dass zu den Kosten des AKW-Betriebs auch die Aufwendungen für die Zwischenlagerung des Atommülls und viele weitere Posten gehören.

Umdenken bei der Opel-Belegschaft?

Natürlich mag es gerade in Zeiten der Automobilkrise nicht einfach sein, relevante Teile der Beschäftigten für Diskussionen über Alternativen zu den Autos zu begeistern. Doch vielleicht ist es auch eine positive Nachricht, dass die Mehrheit der Opel-Belegschaft im von Schließung bedrohten Werk in Bochum nun nicht die Parole ausgibt, dass dort Autos um jeden Preis gebaut werden müssen.

Wie der langjährige oppositionelle Opel-Betriebsrat Wolfgang Schaumberg in einem Interview erklärte, können sich vor allem viele der älteren Beschäftigten mit Abfindungen anfreunden, eine linke Minderheit im Betrieb diskutiert sogar, dass sie gerne auf das Autoproduzieren verzichten würde, wenn sie weiter bezahlt werden. Es geht eben nicht um Produzentenstolz, sondern um ihren Lebensunterhalt. Eine andere Initiative tritt für eine enge Kooperation von Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung ein. Solche Äußerungen in einem von der Schließung bedrohten Automobilbetrieb lassen zumindest hoffen, dass an den Beschäftigten ein Ausstieg aus der Autogesellschaft nicht scheitern muss.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153423
Peter Nowak