BP-Konzern sponsort Protestforscher

Das Institut für Demokratieforschung an der Göttinger Universität ist eine wichtige Institution, wenn es um die wissenschaftliche Protestforschung in Deutschland geht. Nachdem kürzlich bekannt wurde, dass der Energiekonzern BP eine Studie des Instituts zu aktuellen Bürgerprotesten in Auftrag gegeben hat, ist die Einrichtung allerdings in die Kritik geraten. Institutsleiter Franz Walter warnt vor einer Verdachtskultur und betont, dass die Forschungsergebnisse nicht von BP beeinflusst gewesen seien. Freilich hat diesen Vorwurf auch niemand erhoben. Die NGO LobbyControl monierte allerdings, dass die teilnehmenden Protestgruppen nicht von Anfang an über den Auftraggeber der Studie informiert gewesen seien. Zudem dürfte das Interesse von BP an einer Studie über Umweltbewegungen nicht nur theoretischer Natur gewesen sein. Der Kontakt zwischen BP und dem Institut lief über das kmw outrage Management, das es sich laut Selbstdarstellung zur Aufgabe macht, Krisen und Risiken für das Unternehmen im Vorfeld zu erkennen und zu minimieren. Bürgerinitiativen, die gegen Projekte des Konzerns protestieren, gehören zu diesen Risiken.

Das Göttinger Demokratieindustrie hat die neueren Protestbewegungen unter den Oberbegriff Wutbürger gefasst und das Bild von nörgelnden egoistischen Rentnern gezeichnet, die die Forderung nach direkter Demokratie oft nur aus taktischen Gründen verwendet würden. Nun soll nicht behauptet werden, dass ein solches Bild von den Protestgruppen, das dem Auftraggeber BP gefallen wird, durch direkte Einflussnahme des Konzerns zustande gekommen ist. Eine direkte Einflussnahme ist auch gar nicht nötig, wenn Forscher wissen, wer ihre Studie bezahlt.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/812963.bp-konzern-sponsort-protestforscher.html
Peter Nowak

Mobil oder Auto-mobil?

Die Grünen und das Auto – in der Vergangenheit war das eher eine schwierige Verbindung. Noch vor einem Jahrzehnt galten die Grünen als Autohasser und waren ein rotes Tuch für die Automobilindustrie. . Die hatte auch wenig Interesse an ökologischen Konzepten für den Automobilverkehr, solange das Benzin scheinbar unbegrenzt verfügbar war und gute Profite brachte Noch in den 70er Jahren wurde die Forschung an Elektroautos in den USA von der Automobillobby massiv behindert.. Das hat sich heute grundlegend verändert. Doch ist das nur positiv zu bewerten? Auf dem Kongress der Böllstiftung war selbst von einer leisen Kritik an dem Automobilverkehr nichts mehr zu lesen. In der Einladung zum Kongress wird die Automobilindustrie unkritisch als tragende Säule der deutschen Wirtschaft bezeichnet, ohne diesen Zustand auch nur mit einem Nebensatz zu kritisieren.
Das Auto 3.0, das auf dem Kongress beworben wird, soll effizienter und nachhaltiger werden, damit der Autostandort Deutschland stark bleibt. Dabei wird weitgehend ausgeblendet, dass auch ein wesentlich ökologisches Auto immer noch eine Belastung für die Umwelt darstellt. Schließlich werden auch für die Produktion eines noch so umweltfreundlichen Autos Rohstoffe aller Art gebraucht. Es besteht die Gefahr, dass bei der Konzentration auf das Auto 3.0 Modelle eines Transportsystems jenseits des Individualverkehrs aus dem Blick geraten. Dabei wäre das die umweltfreundlichste Variante des Transports und gerade jetzt die Chance günstig, solche Konzepte in die Diskussion zu bringen. Selbst unter Beschäftigten der Automobilbranche gibt es solche Initiativen. Genannt sei die Umweltgewerkschaft, in der sich Beschäftigte von Opel-Bochum Gedanken darüber machen, wie sie statt Autos Fahrzeuge für den Nahverkehr produzieren könnten. Auf dem Kongress der Böllstifung war sie nicht eingeladen.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/811836.mobil-oder-auto-mobil.html
Peter Nowak

Der unbekannte Reaktor am Rande Berlins

Berliner Oberverwaltungsgericht hält Flugrouten über Forschungsreaktor für zu gefährlich und bestätigt damit eine Initiative, die sich für dessen Schließung einsetzt

Schon wieder sorgt der zukünftige Berliner Flughafen für Schlagzeilen. Dieses Mal geht es aber nicht um Baumängel, sondern um die Flugrouten. Die müssen nach einem Urteil des Berliner Oberverwaltungsgericht geändert werden. Grund ist der Forschungsreaktor BER II auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums. Die Richter schreiben dazu:

„Der 11. Senat ist der Auffassung, dass die streitgegenständliche Festsetzung der Flugroute rechtswidrig ist und die Kläger in ihren abwägungserheblichen Belangen (Gesundheit, Planungshoheit) verletzt. … Das Risiko eines Flugunfalls und eines terroristischen Anschlags auf den Luftverkehr und der dadurch ausgelösten Freisetzung ionisierender Strahlung des Forschungsreaktors wurde nicht hinreichend in den Blick genommen. Eine solche fallspezifische Risikoermittlung wäre notwendige Grundlage einer Abwägung gewesen. Die Risikoermittlung war auch deshalb geboten, weil die Risikobetrachtungen für den Reaktor in Bezug auf den Flugverkehr veraltet waren und die Beklagte darauf durch die Atomaufsichtsbehörde hingewiesen wurde.“

Dieses Mal wurde allerdings nicht die Flughafengesellschaft, sondern das dem Bundesverkehrsministerium unterstehende Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung vom Gericht gerügt. In einer kurzen Mitteilung zum Urteil wird darauf hingewiesen, dass Revision gegen das Urteil zugelassen ist und das Amt die weiteren Schritte noch prüfe. Das Bundesamt könnte in Revision gehen, eine andere Flugroute wählen oder die vom Gericht angemahnte Risikoberechnung nachreichen. Sollte es dann aber bei der bisherigen Route bleiben, werden garantiert neue Klagen folgen.


Neustart beim Flughafen oder Schließung des Reaktors?

Das jüngste Urteil bestärkt Gegner des bisherigen Flughafen, die für eine komplette Neuplanung eintreten. So fordert eine Initiative „die Forcierung, Bekanntmachung und Durchsetzung eines sachgerechten Nachnutzungskonzepts für den BER und damit verbunden die Forderung zum unverzüglichen Beginn einer Neuplanung eines privat finanzierten und zu betreibenden Großflughafens an einem Standort, der raumverträglich ist, die gesellschaftliche Akzeptanz hat und gleichzeitig den Forderungen der Flugbetriebswirtschaft nach einem europäisch wettbewerbsfähigen Zukunftsflughafen ohne Flugbeschränkungen entspricht“.

Allerdings käme für die Frage der Flugrouten auch eine ganz andere Lösung in Betracht. Das Anti-Atomplenum Berlin-Brandenburg fordert seit Längerem die Schließung des Forschungsreaktors. Es bezeichnet ihn als Deutschlands gefährlichsten Reaktor.

Dabei stützt es sich auf eine auch Stresstest genannte Sicherheitsüberprüfung der Reaktorsicherheitskommission von 2012. Hauke Benner vom Bündnis für die Schließung des Reaktors sieht nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Handlungsbedarf. Gegenüber Telepolis erklärt sie:

„Täglich überfliegen schon jetzt bis zu 100 Flugzeuge den Reaktor, der auch nach dem Bericht der Reaktorsicherheitskommission vom Mai 2012 wegen seiner fehlenden Reaktorsicherheitshülle (Containment) hochgradig gefährlich ist. Für einen Weiterbetrieb ist nach Ansicht der RSK dieses Containment unbedingt erforderlich, denn das berühmt berüchtigte „Restrisiko“ ist im Falle eines Flugzeugabsturzes nicht kalkulierbar oder mit irgendwelchen Wahrscheinlichkeitsrechnungen bagatellisierbar. Deshalb ist die Forderung nach sofortiger Abschaltung im Interesse der Bevölkerung von Berlin und Potsdam überfällig.“

Mit dem Urteil ist der weitgehend unbekannte Forschungsreaktor am Rande Berlins in den Fokus der Diskussion gerückt. Selbst zu Hochzeiten der Anti-AKW-Bewegung setzte sich nur ein kleiner Kreis kritisch mit dem Betrieb des Reaktor auseinander.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153615
Peter Nowak

Wie lange können wir uns den Autoverkehr noch leisten?


Eine Studie errechnet die hohen gesellschaftlichen Kosten des Automobilverkehrs

Immer, wenn der Spritpreis steigt, wird von der Automobillobby und den Boulevardmedien das Bild vom Autofahrer als Melkkuh der Nation bemüht. Nun hat eine von dem Verkehrswissenschaftler Udo Becker erstellte Studie der TU-Dresden mit diesem Bild gründlich aufgeräumt. Vielmehr ist der Autoverkehr ein teures Zuschussgeschäft für die Gesellschaft. Jedes in der EU angemeldete Auto verursacht jährlich Kosten von durchschnittlich 1.600 Euro.

Im EU-Schnitt muss demnach jeder Bürger 750 Euro für den Autoverkehr zuschießen. Deutschland gehört zu den fünf EU- Ländern, in denen die Subventionen für den Individualverkehr mit mehr als 2.000 Euro besonders hoch sind. Der Betrag errechnet sich aus den Folgekosten der Autounfälle, der medizinischen Behandlung von Lärm, Schadstoffausstoß und andere durch den Autoverkehr verursachte Umweltschäden. Die Datenbasis stammt aus zahlreichen Teilstudien, die in den letzten Jahren in europäischen Ländern erstellt wurden und im ersten Teil der Studie vorgestellt werden.

Auf dieser Grundlage der kommen die Verfasser zu dem Fazit, dass im EU-Raum durch den Autoverkehr jährlich Kosten in der Größenordnung von ca. 373 Milliarden pro Jahr nach der hohen Schätzung und 258 Milliarden Euro nach einer niedrigen Schätzung entstehen. Bei der Größenordnung liegt es auf der Hand, dass die Beträge nicht durch die Autobenutzer selber getragen werden können. In der Zusammenfassung der Studie heißt es: „Gleichzeitig ist anzumerken, dass der Autoverkehr in der EU durch andere Personen und Regionen hoch subventioniert wird und dass dieser auch durch künftige Generationen subventioniert werden wird: Anwohner von Hauptverkehrsstraßen, Steuerzahler, ältere Menschen, die kein Auto besitzen, Nachbarländer und Kinder, Enkel und alle künftigen Generationen subventionieren den heutigen Verkehr. Sie müssen einen Teil der Rechnung bezahlen oder werden einen Teil der Rechnung bezahlen müssen.“

Sanfte Preiserhöhungen für Autofahrer

An die Adresse der Politik richten die Verfasser der Studie die Empfehlung, die externen Kosten des Autoverkehrs nun regelmäßig schätzen zu lassen und „sanfte Wege zur Einbeziehung dieser Kosten in die Verkehrspreise“ zu entwickeln. Das ist ganz im Sinne des grünen Europapolitikers Michael Cramer, der nun keinesfalls einen Konfrontationskurs gegen die Autolobby propagiert, zu der immerhin in Form des ADAC auch Millionen Autobesitzern gehören. Schließlich erinnern sich noch manche Grüne an die Zeit vor fast 15 Jahren, als die Diskussion über die Erhöhung des Benzinpreises auf 5 DM pro Liter als Grund für die damalige Wahlniederlage ausgegeben wurde.

Dabei gäbe es durchaus berechtigte Kritik an einer Zielrichtung der Studie, die nur den Autofahrer und nicht auch die Automobilkonzerne in den Blick nimmt. Warum sollten die sich nicht ebenso an den gesellschaftlichen Kosten des von ihnen so sehr beworbenen Produkts beteiligen, wie es die Umweltbewegung von den Atomkonzernen bei der Entsorgung des Atommülls mit Recht fordert? Auch in diesem Fall dauerte es viele Jahre, bis in der Gesellschaft anerkannt wurde, dass zu den Kosten des AKW-Betriebs auch die Aufwendungen für die Zwischenlagerung des Atommülls und viele weitere Posten gehören.

Umdenken bei der Opel-Belegschaft?

Natürlich mag es gerade in Zeiten der Automobilkrise nicht einfach sein, relevante Teile der Beschäftigten für Diskussionen über Alternativen zu den Autos zu begeistern. Doch vielleicht ist es auch eine positive Nachricht, dass die Mehrheit der Opel-Belegschaft im von Schließung bedrohten Werk in Bochum nun nicht die Parole ausgibt, dass dort Autos um jeden Preis gebaut werden müssen.

Wie der langjährige oppositionelle Opel-Betriebsrat Wolfgang Schaumberg in einem Interview erklärte, können sich vor allem viele der älteren Beschäftigten mit Abfindungen anfreunden, eine linke Minderheit im Betrieb diskutiert sogar, dass sie gerne auf das Autoproduzieren verzichten würde, wenn sie weiter bezahlt werden. Es geht eben nicht um Produzentenstolz, sondern um ihren Lebensunterhalt. Eine andere Initiative tritt für eine enge Kooperation von Umwelt- und Gewerkschaftsbewegung ein. Solche Äußerungen in einem von der Schließung bedrohten Automobilbetrieb lassen zumindest hoffen, dass an den Beschäftigten ein Ausstieg aus der Autogesellschaft nicht scheitern muss.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/153423
Peter Nowak

Nichtfahrer zahlen mit

Peter Nowak über Subventionen an die Mineralölindustrie

Die deutsche Mineralölindustrie präsentierte sich zum Jahresende als Stütze des Staatshaushalts. Das Steueraufkommen aus dem Verkauf von Benzin, Diesel und leichtem Heizöl trage mit 53,5 Milliarden Euro ungefähr ein Sechstel zum Steueraufkommen bei. Abgesehen von der »Kleinigkeit«, dass der Branchenverband dies als Beitrag seiner Unternehmen und nicht der Autofahrer deklarierte, zeigt eine Studie der Technischen Universität Dresden noch einen weiteren Denkfehler. Denn diese imposant klingende Steuersumme deckt nicht annähernd die externen Kosten des Autoverkehrs. Die, so die kürzlich in Brüssel vorgestellte Studie, liegen allein in Deutschland bei ca. 88 Milliarden Euro. Im Schnitt verursacht jedes in der EU angemeldete Auto jährlich Kosten von 1600 Euro. Diese entstehen als Folge von Lärm, Umweltverschmutzung und Unfällen, erklärt der Autor der Studie, Udo Becker. In seine Untersuchungen waren Unfalldaten, Schadstoff- und CO2-Werte sowie Lärmkarten aus anderen wissenschaftlichen Studien eingeflossen.
Der Dresdner Verkehrsökologe fordert deshalb, dass die Politik durch Preissignale in kleinen Schritten dafür sorgen müsse, dass die Bürger häufiger auf das Auto verzichten. Seine Argumente sind einleuchtend. Denn letztlich wird jeder Autofahrer gesellschaftlich subventioniert. In den 27 EU-Staaten gibt es laut Studie rund 234 Millionen Autos. Insgesamt kommen so bis zu 373 Milliarden Euro Kosten zusammen, die die Gesellschaft tragen muss. Im EU-Schnitt muss demnach jeder Bürger 750 Euro für den Autoverkehr zuschießen. In Deutschland sind diese Subventionen mit mehr als 2000 Euro besonders hoch.

In einem Land, in dem die Autolobby noch immer großen Einfluss hat, können solche Zahlen nicht verwundern. Schon hat sich der ADAC zu Wort gemeldet und vor weiteren Belastungen gewarnt. Tatsächlich sollten auch die großen Autokonzerne zur Kasse gebeten werden, wenn es um die Folgekosten ihrer Produkte geht. Und die Politik muss endlich aufhören, den öffentlichen Nahverkehr finanziell auszubluten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/808169.nichtfahrer-zahlen-mit.html
Peter Nowak

Eine Anfrage bei Lichtblick mit Folgen

Ein von einer energetischen Modernisierung betroffener Mieter erkundigte sich nach einer alternativen Beheizung und wurde gekündigt
Wer auf das Klingelbrett am Eingang des Gebäudes Simon-Dach-Straße 31 im Milieuschutzgebiet Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain blickt, bekommt den Eindruck, dass das Haus trotz Baugerüst zum größten Teil bewohnt ist. Auf mehr als zwei Dritteln der Klingelschilder stehen Namen. Der Eindruck täuscht, denn seitdem der Eigentümer des Hauses, die SD-31 GmbH & Co. KG mit Sitz in München, mit der Sanierung begonnen hat, sind die meisten Mieter/innen ausgezogen. Doch es gibt noch einige Altmieter/innen, die ihre Wohnung im begehrten Teil von Friedrichshain nicht verlassen wollen.
Zu den Mieter/innen, die immer noch im Gebäude wohnen, gehört Wolfgang Brieske*. Ihm wurde vom Eigentümer mit einer originellen Begründung gekündigt. Dem Mieter wird unter anderem vorgeworfen, ohne Erlaubnis mit dem Ökostromanbieter Lichtblick Verhandlungen über den Einbau eines Blockheizkraftwerks im Keller des Hauses aufgenommen zu haben. Tatsächlich hat sich der Mieter nach Erhalt der Modernisierungsankündigung über unterschiedliche Angebote auf dem Gebiet der energetischen Sanierung informiert. Mit Lichtblick war er in Kontakt getreten, nachdem er sich mit dem vom Eigentümer geplanten Gebäudesanierungskonzept auseinandergesetzt hat. In einem Schreiben machte die SD-31 GmbH & Co. KG deutlich, dass sie an ihrem energetischen Sanierungskonzept unbedingt festhalten will. Man verwies darauf, dass von der Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 5 bis 7,5% der Gesamtkosten bezuschusst würden, was sich auf die künftigen Mieten günstig auswirke. „Diesen Zuschuss werden wir allerdings nur erhalten, wenn wir das energetische Sanierungskonzept wie geplant umsetzen“, so die Eigentümer. Im Schreiben wurde betont, dass man etwaigen „Ressentiments gegenüber einer Fernheizung von Vattenfall“ Rechnung getragen habe und daher ein Blockheizkraftwerk, das im Keller des Hauses errichtet werden kann, in die Pläne einbezogen habe.

Vor- und Nachteile von Blockheizkraftwerken
Allerdings gibt es über die Vor- und Nachteile von Blockheizkraftwerken durchaus kontroverse Diskussionen. Mittlerweile wird von Umweltfachleuten die Effektivität bestimmter für die energetische Sanierung verwendeter Blockheizkraftwerke angezweifelt. So heißt es in einer Studie der Deutschen Physikalischen Stiftung: „Politik und öffentliche Meinung haben die Vorzüge der Blockheizkraftwerke stark überhöht und ihre Nachteile nicht ausreichend einbezogen.“ Zudem ist die Branche der Blockheizkraftwerk-Betreiber zum großen Teil in der Hand der Automobilindustrie. Der Marktführer heißt mittlerweile Honda. Das von Honda konzipierte Mikro-Heizkraftwerk namens EcoPower 1.0 hat sogar den deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Allerdings bemängeln Umweltexperten, dass der in Blockheizkraftwerken produzierte Strom oft nicht sinnvoll genutzt werde. Lichtblick hingegen wirbt damit, dass der in ihrem Blockheizkraftwerk erzeugte Strom für ihre Ökostromkunden in Spitzenzeiten genutzt werde.

Mündige Mieter/innen
Wenn sogar unter Umweltfachleuten über die Effizienz bestimmter Blockheizkraftwerke heftig diskutiert wird, ist es sicher nicht unverständlich, wenn sich Mieter/innen bei verschiedenen Anbietern über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelle selbstständig informieren. Ob daraus ein Kündigungsgrund gemacht werden kann, müssen nun die Gerichte entscheiden. Gefragt wären auch die politisch Verantwortlichen, denn schließlich befindet sich das Haus im Milieuschutzgebiet Boxhagener Platz. Darauf wurden die Mieter/innen bei Sanierungsbeginn im Dezember 2011 mit einem Anschreiben des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg ausdrücklich hingewiesen. Im Anschreiben ging es allerdings nur um den geplanten Einbau eines Aufzugs. Das Bezirksamt wies die Mieter/innen darauf hin, dass der Einbau des Aufzugs mit einer Verpflichtungserklärung des Eigentümers verbunden ist, den Altmieter/innen dadurch keine zusätzlichen Kosten aufzubürden. Wie aber verhindert werden kann, dass den Altmieter/innen aus den unterschiedlichsten Gründen gekündigt wird, bleibt im Milieuschutzgebiet Boxhagener Platz weiterhin offen.
http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2012/me-single/article/eine-anfrage-bei-lichtblick-mit-folgen.html
MieterEcho 357 / Dezember 2012

Das Problem mit den Kosten

Soziale Folgen steigender Strompreise gab es schon vor der »Energiewende«

Für manche Experten ist das Gelingen der deutschen Energiewende ohne Abstriche beim Wohlstand wichtiger als der Ausgang der Verhandlungen in Doha. Doch wie eine Veranstaltung in Berlin zeigte, zahlen auch hierzulande oft die Armen die Rechnung.
Verkehrte Welt. Wenn es gegen die Energiewende geht, mimt die FDP den Interessenvertreter der Erwerbslosen. Die teuren erneuerbaren Energien seien schuld am bedrohlichen Anstieg der Energiepreise, erklären Politiker der Liberalen. Wie verbreitet die Angst vor steigenden Energiepreisen ist, zeigte auch eine gut besuchte Podiumsdiskussion unter der Fragestellung »Wird die Energiewende unbezahlbar?«, zu der der Berliner Energietisch kürzlich geladen hatte. Dieses Bündnis zahlreicher Gruppen, die sich für eine demokratische und soziale Energieversorgung einsetzen, strebt ein eigenes Stadtwerk in Berlin an. »Die Versorgung mit Energie ist ein Menschenrecht und mit einem Stadtwerk könnte eine sozial gerechte Stromversorgung für alle sichergestellt werden«, begründete der Rechtsanwalt und Aktivist des Energietisches Michael Below diese Forderung.

Auch die Erwerbslosenaktivistin Anne Allex wendet sich vehement gegen die Ausspielung sozialer gegen ökologische Aspekte. »Die meisten Erwerbslosen fallen nicht auf die FDP-Propaganda rein. Sie lassen sich nicht gegen die Energiewende in Stellung bringen«, betont Allex auf der Podiumsdiskussion. Die Angst vor steigenden Energiekosten sei aber ebenso berechtigt wie die vor steigenden Mieten.

Das Problem steigender Energiepreise ist nicht erst mit der Energiewende entstanden, konstatiert Allex unter Verweis auf eine von ihr bereits 1999 herausgegebene Broschüre mit dem Titel »Licht und Heizung bleiben an«. Auch die gern verbreitete Mär von den energieverschwendenden Armen sei Unsinn. Viele Erwerbslose hätten aus Kostengründen elektrische Geräte abgeschafft und auch oft keinen Internetzugang.

Der Vorsitzende der Naturfreunde Deutschland, Michael Müller, sprach von einem Machtkampf zwischen den Lobbyisten der alten und der neuen Energien, der auf dem Rücken der einkommensschwachen Teile der Bevölkerung ausgetragen wird. Dabei seien gerade die Privilegien der energieintensiven Großindustrie entscheidende Preistreiber. Unternehmen mit einem Stromverbrauch ab einer Gigawattstunde (GWh) pro Jahr können sich von der Umlage für erneuerbare Energien befreien lassen oder eine deutliche Reduzierung beantragen. Bisher lag diese Grenze bei 10 GWh. Diese Kosten werden auf kleinere Verbraucher und Haushalte abgewälzt. Parallel steigen die Energiekosten, weil die Zeit der günstigen Rohstoffe vorbei ist.

Swantje Küchler vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft fand wenig Beifall für ihre These, dass die Energiekosten aus ökologischen Gründen noch steigen müssten. Ein kostenloses Mindestkontingent für alle und eine stärkere Besteuerung bei höherem Stromverbrauch hatte mehr Anhänger. Es könne nicht sein, dass der Teil der Bevölkerung am stärksten belastet werde, der die wenigste Energie verbraucht, hieß es aus dem Publikum.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/806116.das-problem-mit-den-kosten.html

Peter Nowak

Sind Zwei Grad ade?

Einer der wenigen Punkte, über die sich die Staaten der Erde in den letzten Jahren zum Thema Klima noch einigen konnten, war das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Allerdings erheben sich zunehmend Zweifel, ob dieses Ziel überhaupt noch erreichbar ist. Die Wirtschaftsprüferfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) hat im Vorfeld des UN-Klimagipfels von Doha Ende November eine Studie veröffentlicht, die das Zwei-Grad-Ziel für unrealistisch hält. PWC geht von einer Erderwärmung von vier bis sechs Grad aus. Auch der Umweltexperte Oliver Geden der Stiftung für Wissenschaft und Politik will das Zwei-Grad-Ziel aufgeben. Überhaupt solle man auf die Nennung einer Zahl verzichten. Es sei politisch falsch, an einem Ziel festzuhalten, das als unrealistisch erkannt wurde, begründet Geden seine Forderung. Wie eine Beruhigungspille hört es sich an, wenn er hinzufügt, es sei wissenschaftlich überhaupt nicht erwiesen, dass eine Klimaerwärmung über die Zwei-Grad-Grenze hinaus katastrophale Folgen habe. Dabei vergisst er aber zu sagen, für welchen Teil der Menschheit die Folgen einer stärkeren Erwärmung beherrschbar sein dürften.
Schließlich gehen Klimaforscher davon aus, dass Menschen vor allem im globalen Süden, die am wenigsten zu den Klimaveränderungen beigetragen haben, am meisten von den Folgen betroffen sein werden. Wer konkrete Klimaziele mit der Begründung aufgibt, es werde schon alles nicht so schlimm, kapituliert vor der Lobby jener Industriebranchen, die weiter mit klimaschädlichen Produkte ihre Profite machen wollen.
Aber vielleicht wäre die offene Aufgabe des so lange als unverzichtbar bezeichneten Zwei-Grad-Klimaziels auch ein Weckruf für eine neue Klimabewegung. Um die ist es nach einem kurzen medialen Hype anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen vor drei Jahren doch wieder sehr ruhig geworden. Damals wurde auch die Frage diskutiert, ob es einen ökologischen Kapitalismus geben kann. Wer diese Frage verneint hat und ökosozialistische Transformationsprozesse sucht, kann sich von der aktuellen Debatte bestätigt sehen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/803942.sind-zwei-grad-ade.html
Peter Nowak

Wird eine Trendwende in der Klimapolitik vorbereitet?

Eine Studie der Stiftung für Wissenschaft und Politik empfiehlt die Aufgabe des Ziels, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen

In knapp drei Wochen werden Politiker aus aller Welt nach Doha reisen, um erneut an einer internationalen Klimakonferenz teilzunehmen. Schon längst ist auch in Sachen Klimakonferenz Routine eingekehrt. Während sich Klimaexperten, Politiker und Nichtregierungsorganisationen auf die Konferenz vorbereiten, ist von den außerparlamentarischen Gruppen, die sich vor 3 Jahren anlässlich des UN-Klimagipfels von Kopenhagen als Klimabewegung artikulierten, wenig geblieben.

Eine vor 5 Jahren von den Blättern für deutsche und internationale Politik gestellte Frage ist weiter aktuell: „Wo bleibt die Klimabewegung?“ An den Konferenzorten dürfte es nicht liegen. Schließlich hatte die Klimabewegung das Ziel formuliert, statt Gipfelhopping Basisarbeit zu machen. Es war der Klimabewegung eigentlich darum gegangen, lokale Initiativen aufzubauen und Druck auf die verantwortlichen Politiker und Institutionen hierzulande auszuüben. Die Schwäche der Klimabewegung zeigt sich schon daran, dass es noch keine größeren Reaktionen auf aktuelle Diskussionen gibt, welche die jahrelang verkündeten Klimaziele zu verwässern.

2-Grad-Ziel nicht mehr zu erreichen?

Dazu gehört das 2-Grad-Ziel. Damit ist gemeint, dass ein zentrales Ziel der internationalen Klimapolitik sein muss, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen. In den letzten Jahren haben EU-Gremien und zahlreiche Wissenschaftler die Dringlichkeit dieses Ziels damit begründet, dass eine stärkere Steigerung der Erwärmung unkontrollierbare Folgen haben könnte. Doch schon lange kritisieren Klimaexperten, dass die bisherigen Zusagen von Industrie- und Schwellenländern auf Klimakonferenzen allenfalls ausreichen würden, die Erderwärmung auf 3,5 Grad zu begrenzen.

In der „Zeit“ wurde über die Frage eine lebhafte Debatte geführt. Dort wurde das 2-Grad-Ziel als großer Selbstbetrug bezeichnet. Darauf wurde fast stoisch geantwortet, man könne dieses Ziel nicht aufgeben. Klimaforscher wollen auch mit komplexen Rechenmodellen beweisen, dass das 2-Grad-Ziel erreichbar ist.

Eine Studie der Stiftung für Wissenschaft und Politik fordert nun eine Modifizierung des 2-Grad-Ziels:

„Folgt man den Kernaussagen der Klimaforschung, müssten die Emissionen zwischen 2010 und 2020 bereits deutlich reduziert werden, um ein Scheitern des von der EU durchgesetzten 2-Grad-Ziels noch zu verhindern. Angesichts eines gegenläufigen globalen Emissionstrends ist dies völlig unrealistisch. Da ein als unerreichbar geltendes Ziel politisch aber weder eine positive Symbol- noch eine produktive Steuerungsfunktion erfüllen kann, wird das zentrale Ziel der internationalen Klimapolitik unweigerlich modifiziert werden müssen“, schreibt der Autor der Studie, der Klimaforscher Oliver Geden.

In einem Interview mit der Taz erklärt Geden, es sei wissenschaftlich nicht haltbar, dass es bei Überschreitung des 2-Grad-Ziels zu einer Klimakatastrophe komme und spricht sich dafür aus, überhaupt keine Grenze bei der Erderwärmung mehr zu benennen. „Nicht weil ich sagen würde, es ist egal, wie die Temperatur steigt, sondern weil man mit einer Obergrenze die Illusion erzeugt, die Weltgemeinschaft könnte und würde dieses Ziel auch tatsächlich umsetzen“, begründet Geden den Vorschlag.

Tatsächlich könnte ein solcher Vorstoß den Ernst der Lage klarmachen und vielleicht tatsächlich zur Entstehung einer Klimabewegung führen, die auch Druck auf die Verantwortlichen ausüben kann. Eine solche Möglichkeit scheint Geden in seinem Beitrag in der „Zeit“ anzudeuten. Die Aufgabe des 2-Grad-Ziels kann aber auch als ein Kniefall vor der Lobby jener Industriesektoren interpretiert werden, die auf ihre klimaschädlichen, aber gewinnbringenden Produkte nicht verzichten wollen und zur Entmutigung und weiterer Resignation führen.

Ist ein grüner Kapitalismus möglich?

So könnte die Studie einer Tendenz Vorschub leisten, die nicht mehr die Klimaveränderungen begrenzen, sondern die Menschen an die Klimaveränderungen anpassen will. Allerdings wäre eine solche Strategie mit gravierenden Folgen für viele Menschen vor allem im globalen Süden verbunden.

Eine Frage stellen aber weder Geden noch andere Kritiker des 2-Grad-Ziels. Könnte der Grund für das Nichterreichen dieses Ziel vielleicht auch in einem Wirtschaftssystem liegen, in dem letztlich auch die Umwelt eine Ware ist (Die äußere Schranke des Kapitals)? In der Klimabewegung wurde die Frage diskutiert, ob ein grüner Kapitalismus möglich ist. Diejenigen, die diese Frage verneinen, müssen sich durch die Studie von Geden bestätigt sehen.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/153116
Peter Nowak

Widerstand im Sattel?

»Wir sind tatsächlich Kampfradler_innen. Wir verstoßen gegen die Regeln. Wer das Fahrrad als Verkehrsmittel ernst nimmt und es als Ersatz für das Auto benutzen will, hat kaum eine andere Wahl«. So beginnt ein Aufruf, in dem sich Radfahrer zur Missachtung der Verkehrsregeln bekennen. Sie sehen darin einen Akt des zivilen Ungehorsams gegen ihre Benachteiligung gegenüber dem Autoverkehr. In dem unter kampfradler.blogsport.de dokumentierten Aufruf werden plausible Beispiele für Ungleichbehandlung angeführt, darunter fehlende Fahrradwege oder für Radfahrer ungünstige Ampelschaltungen. Die zen-trale Forderung des Manifests ist eine Verkehrspolitik, die Fahrradfahren als gleichrangig mit dem motorisierten Verkehr einstuft. Solange dies nicht der Fall ist und Radfahrer nur als »Randerscheinung« wahrgenommen werden, wollen diejenigen, die sich dem Aufruf anschließen, zivilen Widerstand leisten und sich nicht den »stinkenden Autos und Lkw unterordnen«.
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Die »Kampfradler« sehen sich in der Tradition der vor ca. 15 Jahren in den USA entstandenen »Critical-Mass«-Proteste (s. Lexikon). Bei diesen in viele andere Länder ausstrahlenden FahrradDemonstrationen wird deutlich gemacht, dass die Straße nicht nur den Autos gehört. Hier besteht auch ein Unterschied zum Gestus der »Kampfradler«, die vor allem durch individuelle Aktionen ihren Unmut über die Autos ausdrücken wollen. Zudem ist in dem Manifest der »Kampfradler« nur an wenigen Stellen von der zweiten, größeren Gruppe, die in der Verkehrspolitik benachteiligt wird, die Rede: den Fußgängern. Dabei müssten diese eigentlich Verbündete sein, wenn es darum geht, den motorisierten Verkehr in die Schranken zu weisen. Die Leerstelle ist vielleicht kein Zufall. Denn im Alltag werden von nicht wenigen Radfahrern auch Fußgänger als lästige Konkurrenten behandelt, und das nicht nur, wenn sie nicht schnell genug den Fahrradweg freimachen. Gerade ältere oder in ihrer Beweglichkeit eingeschränkte Menschen drohen dann im wahrsten Sinne des Wortes unter die Räder zu kommen.

Den Namen Critical Mass (Kritische Masse) wählten einige Fahrradfahrer 1992 in San Francisco sicher nicht zufällig für ihre Fahrrad-Demonstration. Denn in der Kernphysik ist die Kritische Masse Voraussetzung einer Kettenreaktion. Und so kam es: Längst gibt es Aktionen mit mehreren Tausend Teilnehmern auch in anderen Städten der USA und in europäischen Großstädten. Die bisher größte dieser Fahrrad-Demos mit 80 000 Teilnehmern gab es 2008 in Budapest.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/801910.html

Peter Nowak

Grüner Sozialismus statt Marktwirtschaft?

Vierteljahresschrift »Luxemburg« beleuchtet Alternativkonzepte
Die aktuelle Ausgabe der Vierteljahresschrift »Luxemburg« der gleichnamigen LINKEN-nahen Stiftung ist dem Projekt eines Grünen Sozialismus gewidmet.

Unter dem Schlagwort der Grünen Ökonomie wird mittlerweile von einem Bündnis, das von den Grünen bis zum modernistischen Flügel der Unionsparteien reicht, das Konzept eines günen Kapitalismus vorangetrieben. Dem setzten Teile der außerparlamentarischen Bewegung und die Partei die Linke das Projekt eines grünen Sozialismus entgegen. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff. Um diese Frage geht es schwerpunktmäßig in der aktuellen Ausgabe der Luxemburg. Zahlreiche Autoren aus dem In- und Ausland, darunter Raul Zelik, Alex Demirovic und Elmar Altvater, Ulrich Brand und Sabine Leidig stellen unsere Zugänge zu dem Thema zur Diskussion.
Die viermal jährlich von der gleichnamigen Stiftung herausgebene Publikation hat den Anspruch Gesellschaftsanalyse mit linker Praxis zu verbinden. In dem aktuellen Heft gelingt ihr das nur ansatzweise. Tatsächlich ist der Analyseteil wesentlich umfangreicher als der Praxisteil. Einige der Autoren sind sich nicht einmal sicher, ob sie den Begriff des grünen Kapitalismus verwenden wollen. Der Politologie Ulrich Brand bevorzugt den Begriff der sozialökonomischen Transformation. Mario Candaias von der RL-Stiftung beschäftigt sich mit den „gerechten Übergängen“ dazu, die Perspektiven für die Menschen liefern sollen, die von der Klimakrise am meisten betroffen sind. Dabei sei eine von demokratisch legitimierten Räten durchgeführte Planung der Ökonomie notwendig. Auch in anderen Artikeln wird als ein Kennzeichne des grünen Sozialismus die demokratische Planung genannt und darauf verwiesen, dass es keine umweltfreundliche Marktwirtschaft geben kann. Ein weiteres Merkmal des grünen Sozialismus ist die Verbindung von Ökologie und sozialen Kämpfen. Damit wird Vorstellungen in Teilen der Umweltbewegung eine Absage erteilt, die eine Verzichtslogik der Natur zuliebe propagieren. Ein weiteres Steckenpferd der Umweltbewegung kritisiert der kanadische Politikwissenschaftler Gregory Albo grundlegend. Es ist das Konzept der Regionalökonomie. Albo weist nach, dass kleinere Produktionseinheiten keineswegs umweltfreundlicher als große. Gerade im Internetzeitalter sei die Orientierung an der Lokalökonomie nicht verständlich, betont Albo, der sich für eine demokratische Planung der gesamten Ökonomie einsetzt. Mit dem Philosophen Frieder Otto Wolf kommt ein Aktivist zu Wort, der noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Teil der ökosozialistischen Strömung bei den Grünen gewesen ist. Leider werden in dem Heft ökosozialistische Ansätze, die sich in den letzten 20 Jahren zunehmend außerhalb der Grünen, beispielsweise bei der Partei der Ökologischen Linken verortet haben, kaum zu Kenntnis genommen.
Wenn es um die linke Praxis geht, kommen fast ausschließend Politiker der Linkspartei zu Wort, was natürlich bei einer von der parteinahen Stiftung herausgebenen Broschüre nicht verwunderlich ist. Es wäre aber sicherlich interessant gewesen, die in den letzten Jahren unter dem Obertitel Energiekämpfe firmierenden Bewegungen in der Broschüre stärker zu Wort kommen zu lassen. Damit hätte man auch ganz praktisch den in vielen Texten formulierten Anspruch umsetzen können, dass eine sozial-ökologische Transformation nur im gleichberechtigten Bündnis von Umweltgruppen, sozialen Initiativen, kritischen Gewerkschaftern und Konsumenten durchgesetzt werden kann. In diesem Mosaiklinke genannten Bündnis wäre die Linkspartie nur ein Akteur unter vielen.

Peter Nowak
Luxemburg 3, Grüner Sozialismus, September 2012, 160 S., 10,– €, Bestellungen unter: http://www.zeitschrift-luxemburg.de/?page_id=154

Klassiker der Anti-AKW-Bewegung verfilmt

»Friedlich in die Katastrophe« bietet auch Gelegenheit zu kritischer Rückschau

Mit 1360 Seiten ist das Buch »Friedlich in die Katastrophe« von Holger Strohm ziemlich monumental. Wer vor der Lektüre des dicken Wälzers zurückschreckt, kann sich ab 27. September im Kino ein filmisches Update des Klassikers der Anti-AKW-Bewegung ansehen.

In einem neuen, zweistündigen Film des Regisseurs Marcin El bringt der Publizist Holger Strohm mit jungen Filmemachern seine Kritik an der AKW-Technologie auf die Leinwand und gibt gleichzeitig Einblick in die Geschichte einer Bewegung. Wir begegnen wichtigen Exponenten der Anti-AKW-Bewegung wie dem Zukunftsforscher Robert Jungk, dem Fotochronisten Günter Zimt, der langjährigen Wendland-Aktivistin Marianne Fritzen, aber auch Hanna Poddig, die in den letzten Jahren durch Aktionen zivilen Ungehorsams bekannt geworden ist.
Antibiotika

Holger Strohms Buch brachte »einen erheblichen Niveausprung in der bundesdeutschen Kernkraft-Kritik«, so der Historiker Joachim Radkau. Dabei sprach zunächst nichts dafür, dass das Buch einmal ein solches Echo bekommen sollte. Es ist schon 1971 entstanden, als sich die Kritik an der Atomtechnologie auch in der Linken in der Hauptsache gegen die Kernwaffen richtete. Die friedliche Nutzung der Atomkraft dagegen hatte damals auch noch in Robert Jungk einen begeisterten Fürsprecher, der später jedoch mit seinen Buch »Atomstaat« die Gegenbewegung ebenso prägen sollte wie Strohm. Der hatte anfangs Schwierigkeiten, überhaupt einen Verlag zu finden. Als das Buch 1981 beim Verlag Zweitausendeins herauskam, wurde es zu einem Bestseller. Denn mittlerweile hatte der Atomunfall von Harrisburg weltweit zum Anwachsen der Anti-AKW-Bewegung beigetragen.

Besonders in Deutschland legten viele Aktivisten ihre Marx- und Leninbände beiseite und widmeten sich fortan dem Widerstand gegen die Atomkraftwerke. Dabei konnten sie Strohm nicht nur im theoretischen Disput erleben. Das langjährige SPD-Mitglied war wegen seiner AKW-Kritik 1978 aus der Partei ausgeschlossen worden und kandidierte als Spitzenkandidat der »Bunten Liste – Wehrt Euch«, die später zur Grün-Alternativen Liste werden sollte, für die Hamburger Bürgerschaft.

Linke Teile der Anti-AKW-Bewegung übten zunehmend Kritik an Strohms katastrophischem Weltbild, das auch den Film prägt. Die Endzeitstimmung der späten 80er und frühen 90er Jahre hat auch dazu geführt, dass Gesellschaftskritik oft zugunsten von spirituellen Welterklärungsmustern aufgegeben wurde. Auch dafür ist Strohm ein Beispiel. Der Film bietet so nicht nur die Chance, ein wichtiges Werk der Anti-AKW-Bewegung kennen zu lernen, sondern zugleich auch Anregungen, sich kritisch mit der Geschichte und den Argumenten der AKW-Bewegung zu beschäftigen.

»Friedlich in die Katastrophe« hat am 24.9. um 20 Uhr im Hamburger Kino Abaton und am 29.9. um 17.15 und 19.45 Uhr im Berliner Lichtblick-Kino (www.lichtblick-kino.org ) Premiere. Strohm und der Regisseur sind anwesend.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/
239543.klassiker-der-anti-akw-bewegung-verfilmt.html
Peter Nowak

Murks? Nein, danke!

Wer hat sich nicht schon geärgert, wenn ein Gerät kurz nach dem Ende der Garantie kaputt gegangen ist? In der Regel ist dann die Reparatur so teuer, dass eine Neuanschaffung fällig ist. Mittlerweile gibt es dafür sogar ein Fachwort: geplante Obsoleszenz. Das bedeutet, Produkte werden so konstruiert, dass sie nur eine bestimmte Zeit halten (bis kurz nach Ende der Garantie) und schwer zu reparieren sind. Dass der Begriff in der letzten Zeit durch die Medien ging, ist auch dem in Berlin-Weißensee lebenden Betriebswirt Stefan Schridde und seinem Blog www.murks-nein-danke.de zu verdanken. Damit hat er ein Thema, das immer wieder Grund für privaten Ärger bietet, zu einem öffentlichen Problem gemacht. Allerdings ist die Homepage bisher vor allem eine Art virtuelle Beschwerdestelle, auf der Kunden Produkte melden können, die vorzeitig kaputt gegangen sind.
Vermögenssteuer

Schridde hat in einem Interview gesagt, er wünsche sich, dass die Hersteller »mit ihren Kunden in ein kreatives Gespräch über die Verbesserung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Produktentwicklung« kommen. Er spricht von einem »modernen Kundenbeschwerdemanagement«, das ihm vorschwebt. Immer wieder betont Schridde auch die ökologische Komponente seiner Kampagne. Im Zeitalter der Ressourcenverknappung wären langlebige Produkte eine sinnvolle Sache.

Da ist nur ein Problem: Es entspricht der kapitalistischen Logik, Produkte nicht allzu haltbar zu machen. Denn ohne Neuanschaffungen kein Wachstum, kein Profit. Dieser Aspekt kommt bei der »Murks? Nein, danke!«-Kampagne zu kurz. Trotzdem kann sie mit dazu beitragen, dass kritische Kunden nicht mehr nur über zu hohe Preise meckern, sondern sich auch für die Haltbarkeit und Qualität der Produkte interessieren. Demnächst soll eine Murks-Ausstellung eröffnen und im Netz kann man zwei Petitionen unterzeichnen, in denen verlangt wird, die Hersteller gesetzlich auf die Kennzeichnung lebensdauerverkürzender Eigenschaften und die Austauschbarkeit von Akkus zu verpflichten.

ttp://www.neues-deutschland.de/artikel/235955.murks-nein-danke.html
Peter Nowak

Marsch für gute Ernährung

Agraraktivisten fordern Umdenken in der Landwirtschaft
Mit einer Demo von München nach Brüssel will ein europaweites Bündnis für nachhaltige Agrarpolitik kämpfen.

Die hiesige Landwirtschaft kann nur mit Subventionen von der EU überleben. Dies ist zumindest eine gängige Auffassung. Dabei hat sich in verschiedenen europäischen Ländern eine bäuerliche Opposition hherausgebildet, die mit der Forderung nach einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion die EU-Politik kritisiert. Mit einem Good Food-March will sich diese bäuerliche Opposition europaweit vernetzen. Los geht es in Deutschland am 25. August in München. Die Aktivisten wollen dann über Straßburg und Luxemburg nach Brüssel zum Sitz der EU ziehen. Auf der Route soll jeden Tag eine Veranstaltung über die Ziele des Marsches aufmerksam machen. „Wir wollen den Abgeordneten des EU-Parlaments nach der Sommerpause die Botschaft mitgeben. Wir wollen solidarische Landschaft auf globalen und eine gesunde Landwirtschaft auf nationaler Ebene“, meint Benny Haerlin. Seit er in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts für die Grünen im Europaparlament saß, gehört er zu den Aktivisten der landwirtschaftlichen Opposition. Sie propagiert eine Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Verbrauchern und hat in den letzten beiden Jahren anlässlich der Grünen Woche in Berlin mit der Demonstration „Wir haben es satt“ für Aufsehen gesorgt. Daran hatten sich auch Erwerbslosengruppen mit einem eigenen Block beteiligt, die eine Erhöhung des Regelsatzes gefordert haben, damit sie sich auch gesunde Ernährung leisten können.

Nimt man die gut besuchten Demonstrationen, an denen sich bis zu 20000 Menschen beteiligten zum Maßstab, dürften auch die europaweite Proteste nicht zu übersehen sein. Die Aktivisten wollen damit vor allem Einfluss auf die Reform der europäischen Agrarpolitik nehmen, die gerade in die entscheidende Phase eintritt Dabei fordert die landwirtschaftliche Opposition für einen deutlichen Kurswechsel. „Wenn Landwirte in Deutschland pro Hektar etwa 300 Euro an öffentlichen Mitteln bekommen, sollen sie das tun, wofür der Markt sie bisher nicht bezahlt: eine breitere Fruchtfolge schaffen, mehr Vielfalt statt Monokulturen auf den Acker herstellen, weniger Mineraldünger und Pestizide einsetzen“, benennt Haerlin einige der zentralen Forderungen. Auch eine Umwidmung der Subventionen gehört dazu. Bisher seien circa 60 % der Agrarfördermittel der EU an sechs Prozent der Großlandwirte gegangen, während 60 % der kleinren Bauernhöfe gerade mal sechs Prozent bekommen hätten, rechnet der Aktivist vor. Zu den weiteren Forderungen des Demobündnisses gehört ein EU-weites Verbot des Einsatzes gentechnisch veränderter Pflanzen, geklonter Lebewesen und patentierter Tiere sowie die Reduzierung der Klimagasemissionen in der Landwirtschaft. Zudem sprechen sich die kritischen Landwirte für eine Einstellung aller Exporte aus, die Kleinbauern in den Ländern des globalen Südens schaden. Bisher werden solche Exporte im EU-Raum sogar noch subventioniert.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/235293.
marsch-fuer-gute-ernaehrung.html

Peter Nowak
Kontakt: http://www.meine-landwirtschaft.de/

Ärger im Anflug

Der monatelange Streit zwischen EU und den USA über die Einbeziehung der Flüge von und nach Europa in den EU-CO2-Emissionshandel hat sich in den letzten Tagen zugespitzt. Der Handelsausschuss des US-Senats hatte entschieden, dass sich US-Fluggesellschaften nicht an die EU-Richtlinie halten dürfen. Nun hat sich auch das US-Abgeordnetenhaus hinter diesen Beschluss gestellt.
Melderecht

Seit Jahresbeginn müssen alle Flugzeuge, die einen Flughafen im EU-Raum ansteuern, für den CO2-Ausstoß auf der gesamten Flugstrecke Emissionsrechte erwerben. Nicht nur die USA laufen dagegen Sturm. Regierungsvertreter von 16 Ländern, darunter China und Indien, trafen sich vor einigen Tagen in Washington, um ein Bündnis gegen die EU-Richtlinie zu schließen. Kämpft also die EU hier eine Schlacht für den Umweltschutz gegen den Rest der Welt? Diesen Eindruck suggeriert die grünennahe »tageszeitung«, die die Front gegen die EU-Richtlinie mit der Gegenfrage kommentierte: »Handelskrieg? Warum nicht!«. Mag es seitens der EU durchaus um die Umwelt gehen, so ist die aktuelle Zuspitzung kaum zu verstehen, wenn man die sich verschärfende Konkurrenz zwischen den USA, China, Indien und der EU aus dem Blickfeld verliert. Ginge es einzig um das Klima, dann gäbe die Dumpingklage mehrerer EU-Staaten und der USA gegen die chinesische Konkurrenz bei Solarzellen kaum einen Sinn.

Umgekehrt passt einer breiten Front auch deutscher Unternehmen die CO2-Richtlinie der EU überhaupt nicht ins Konzept. Und da können sich auch sonst verfeindete Partner zur großen Anti-EU-Koalition zusammenfinden. Das gilt offenbar auch für die USA. Denn die jüngste Zuspitzung des Konflikts ist ganz offensichtlich dem Wahlkampf geschuldet. In einem Land, wo »Klimawandel« ein Unwort ist, sind sich Republikaner und Demokraten schnell einig.

Für Umweltaktivisten sollte das kein Grund sein, sich am Klimakrieg im Luftraum zu beteiligen, sondern das von linken Ökologen schon lange kritisierte Konzept des Emissionshandels infrage zu stellen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/234632.aerger-im-anflug.html
Peter Nowak