Konzert von Grup Yorum in Gladbeck verboten

Gladbeck. Auf Druck des Staatsschutzes ist ein für den 18. Juni auf dem Gelände der Alevitischen Gemeinde in Gladbeck geplantes Festival mit der Musikgruppe Yorum abgesagt worden. Dies erklärt die Partei DKP in einer Pressemeldung. Grup Yorum sollte den Höhepunkt der unter dem Motto »Ein Herz – eine Stimme gegen Rassismus« angekündigten Veranstaltung bilden. Die Band wird beschuldigt, verbotene türkische linke Gruppen, wie die DHKP-C, zu unterstützen. Mit einem Erlass vom 30. März droht das des Bundesinnenministerium Veranstaltern mit Strafen, welche der Band Yorum Räume zur Verfügung stellen. Mittlerweile protestieren türkische Gruppen mit einer Dauermahnwache vor dem Gladbecker Rathaus gegen das Verbot. Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP, erklärte: »Es ist ein Skandal, dass sich staatliche Organe in Deutschland zum Handlanger des Erdogan-Regimes machen.«

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1013671.konzert-von-grup-yorum-in-gladbeck-verboten.htm

Peter Nowak

Gegen staatlich verordnete Tarifeinheit

Der Bundestag hatim Mai 2015 das umstrittene Tarifeinheitsgesetz verabschiedet. Der Arbeitsrechtler Rolf Geffken hält es für rechtswidrig. . In einer im VAR-Verlag erschienenen Broschüre unter dem Titel »Streikrecht, Tarifeinheit, Gewerkschaften« hat der Arbeitsrechtsanwalt Argumente für seine Position zusammengetragen.  Die 80seitige Broschüre  ist nicht nur ein Plädoyer gegen die Tarifeinheit. Doch der seit 1977 als Fachanwalt für Arbeitsrecht tätige Geffken kritisiert auch den angemaßten den Monopolanspruch des DGB.

Spätestens Ende 2016 wird das Tarifeinheitsgesetz noch einmal Thema.  Dann will das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerden entscheiden, die Spartengewerkschaften wie der Marburger Bund, die GDL und der Deutsche Journalistenverband gegen das Gesetz eingereicht hatten. r Rolf Geffken ist zuversichtlich, dass es  gekippt wird

In seiner Analyse setzt er sich auch kritisch mit vor allen von linken DGB-GewerkschafterInnen  verwendeten Argumenten  auseinander, dass die  Einheitsgewerkschaft aus der Erfahrung gegründet wurde, dass die ArbeiterInnenbewegung 1933 gespalten gegen den Nationalsozialismus  unterlegen ist.

„Es  waren die Vorläuferorganisationen  des heutigen DGB, nämlich vor allem der ADGB, der Ende  April 1933  ….  dazu aufrief, sich an den „Nationalen Aufmärschen“ zum 1. Mai 1933 zu beteiligen“,  erinnert  Geffken auf historische Tatsachen. Leider wird in der insgesamt lesenswerten Broschüre  die  FAU   von Geffken nicht erwähnt, obwohl sie   bei Tarifkonflikten vielfältigen Repressalien ausgesetzt ist, die nicht nur bei der Tarifeinheit beginnen und weitere höchst kritikwürdige Elemente der deutschen Rechtsprechung zur Gewerkschaftsfreiheit offenlegen.

Peter Nowak

Geffken Rolf, Streikrecht Tarifeinheit Gewerkschaften – Aktuelle Analyse zur Koalitionsfreiheit in Deutschland, VAR-Verlag Arbeit & Recht, 81 Seiten, 12Euro,  ISBN: 3-924621-09-8

aus Direkte Aktion: Sonderausgabe Mai 2016

Eine Fahne zu viel

Zensur auf Facebook:   Wer auf Facebook Symbole kurdischer Gruppen und Parteien postet, läuft Gefahr, gesperrt zu werden. Beim Unternehmen kursieren dazu offenbar interne Handlungsanweisungen
Eigentlich dachte Florian Wilde, er hätte diesmal besonders aufgepasst. Er weiß, welche Bilder und Symbole Facebook nicht mag und deswegen löscht: Gewaltverherrlichendes zum Beispiel oder Terrorpropaganda.

Als Gewerkschaftsreferent bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung war er im vergangenen November delegiert, die türkischen Parlamentswahlen zu beobachten und über sie zu berichten. Bei Facebook schreibt er regelmäßig über die Situation in Kurdistan – auf dem Luxemburg-Account, aber auch seinem privaten. Immer waren einzelne Beiträge auf seiner Pinnwand zensiert worden. Meist, weil sie Symbole der kurdischen Arbeiterpartei PKK gezeigt hatten, die in Deutschland verboten sind.

iner linken türkischen Kleinstpartei auf einem Foto ausreicht, um komplett gesperrt zu werden, damit hatte er nicht gerechnet. Ende März hatte Wilde auf seinem Privataccount drei Fotos von der Newroz-Feier, dem kurdischen Neujahrsfest in Hannover, geteilt. Sie zeigten unter anderem die Flagge des Partisanen-Flügels der Kommunistischen Partei der Türkei. Als sich Wilde am 29. März in sein Konto einloggen will, bekommt er eine Fehlermeldung: Konto gesperrt. Warum, erfährt er nicht.

Als er sich 24 Stunden später wieder einloggen kann, sind weitere Postings und Fotos verschwunden. „Wir haben etwas entfernt, was du gepostet hast“, stand da. Darunter des Bild der Partisanen-Flagge. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass diese Fahne auf Facebook nicht gezeigt werden darf“, sagt Wilde. Sie sei regelmäßig auf Demonstrationen zu sehen, und die deutsche Polizei sei, anders als bei PKK-Fahnen, nie gegen sie vorgegangen, so Wilde.

In den folgenden Wochen wird sein Konto mehrmals für einige Zeit gesperrt, einmal sogar komplett deaktiviert. Er widerspricht den Sperren jedes Mal per Mail und erhält wieder Zugang, aber mit dem Zusatz: „Wir gestatten auf Facebook keine glaubhaften Drohungen, andere zu verletzen, keine Unterstützung gewaltbereiter Organisationen und keine übertrieben grafischen Inhalte.“

Undurchsichtige Löschpraxis

Facebook steht für seine undurchsichtige Löschpraxis schon lange in der Kritik. Einerseits behauptet das Unternehmen, gegen Hasskommentare nichts tun zu können. So sind zum Beispiel Gewalt- und Mordaufrufe gegen Flüchtlinge wochen- und monatelang nicht entfernt worden. Andererseits hat das Unternehmen zum Beispiel die Seiten von russischen Oppositionellen sehr schnell gelöscht. Während einige Löschungen eindeutig mit einem Verstoß gegen die Geschäftsbedingungen zu erklären sind, wird es bei politischen Inhalten schwierig: Sind sie von Regierungen beauftragt, die so versuchen, ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen?

Wilde glaubt das mittlerweile, und er ist nicht der Einzige. Der in München lebende, deutsch-türkische Journalist Kerem Schamberger schreibt auch regelmäßig über die kurdischen Gebiete. Seine Posts seien so oft von Facebook zensiert worden, dass er auf einen Blog ausgewichen ist. Dort stellt er die These auf, dass Facebook sich zum Handlanger türkischer Staatsinteressen macht.

Dem stimmt auch der deutsch-kurdische Journalist Bahtiyar Gürbüz zu, der für die Onlinezeitung Kurdische Nachrichten arbeitet. Seine Facebooksperren hätten begonnen, nachdem sich im letzten Jahr der Konflikt in Kurdistan wieder verschärfte, sagt er. Gelöscht worden seien auch Texte und Fotos, die drei Jahre unbeanstandet geblieben waren. Kürzlich habe er Fotos von Jugendlichen gepostet, die in den letzten Wochen bei Auseinandersetzungen mit der türkischen Armee in kurdischen Städten ums Leben gekommen waren. „Ohne Namen, ohne Kommentar, trotzdem waren sie nach wenigen Stunden weg“, sagt Gürbüz.

Interne Handlungsanweisungen

Beweisen lässt sich die Vermutung, dass der türkische Staat hinter den Löschungen steckt, nicht. Die US-amerikanische Nachrichtenseite Gawker veröffentlichte 2012 jedoch interne Handlungsanweisungen für Facebook-Mitarbeiter. Unter dem Punkt „IP Blocks and International Compliance“ heißt es, dass „alle Beleidigungen von Staatsgründer Atatürk (grafisch und textlich), Karten Nordkurdistans, brennende türkische Fahnen, jegliche PKK-Unterstützung sowie Beiträge, die Abdullah Öcalan zeigen oder unterstützen“, zu zensieren sind. Sie stehen damit in einer Reihe mit dem Leugnen des Holocausts.

In einer neueren Version dieser „Abuse Standards Violations“ ist vermerkt, dass (süd)kurdische Fahnen sowie Inhalte, die sich klar gegen die PKK und Öcalan richten, von den ModeratorInnen zu ignorieren, also nicht zu zensieren sind. Von den Handlungsanweisungen hat Gawker nach eigenen Angaben von einem Whistleblower aus Marokko namens Derkaoui erfahren. Er habe zu dem wachsenden Heer schlecht bezahlter Content-ManagerInnen aus Afrika und Asien gehört, die für die Löschung von inkriminierten Inhalten auf Facebook verantwortlich sind. Gearbeitet habe er in einer 4-Stunden-Schicht zu Hause und sei dafür auf einen Stundenlohn von 4 Euro gekommen.

Gegenüber der taz äußerte sich Facebook nicht zu den Kriterien für die Sanktionierung. In seinem „Bericht über Regierungsanfragen“ bestätigt Facebook, dass es „auf berechtigte Anfragen im Zusammenhang mit strafrechtlichen Fällen“ von Seiten der Türkei reagiere. Demnach habe es von Januar bis Juni 2015 4.496 Inhaltseinschränkungen gegeben, „die von den türkischen Gerichten (und dem Verband der Zugangsanbieter) und der Telekommunikationsbehörde gemäß dem lokalen Gesetz 5651 gemeldet wurden“.

Zensur gegen Aktivisten

Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Privatsphäre, Diffamierung von Atatürk. Die internationale Kritik an dieser Praxis wächst. „Facebook ist in Zensur gegen Aktivisten verwickelt“, schrieb Anfang April 2016 die Journalistin Sara Spary bei BuzzFeed News. „Neben der Türkei stellen auch Großbritannien, die USA und Indien jährlich tausende Anfragen zur Löschung von politisch Missliebigen. Doch die Türkei scheint besonders erfolgreich dabei zu sein, ihre Anforderungen in die Tat umzusetzen“, bilanziert Spary.

Der für Datenschutz und Datenrecht zuständige grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz sieht die Bundesregierung in der Verantwortung: „Im Rahmen der Debatte um die Zunahme von hate speech im Netz wird offenkundig, dass die Bundesregierung sich mit der Argumentation der Anbieter zufrieden gibt, die auf Allgemeine Nutzungsbedingungen verweist.“ AGBs und Gemeinschaftsstandards aber dürften geltende Gesetze und Grundrechte nicht aushebeln, so Notz gegenüber der taz.

Neben dem Grundrechtsargument sieht der betroffene Florian Wilde noch ein anderes: „Fotodokumentationen zu türkeikritischen Demonstrationen in Deutschland sind jetzt auf Facebook faktisch unmöglich geworden.“ Wie solle er weiter über Kurdistan berichten, wenn jedes Symbol, jeglicher Verweis auf kurdische Gruppen zensiert würde? Facebook sei für ihn auch ein Tagebuch, sagt Wilde. Und weil er das nicht verlieren möchte, hat er nun selbst angefangen, Fotos und Posts, über die sich die Türkei womöglich bei Facebook beschweren könnte, zu löschen.

http://www.taz.de/!5301873/
aus: Taz vom 18.5.2016
Peter Nowak
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Reaktionen auf den Artikel:

Erdogans Zensoren

Nach Denunziation durch türkische Faschisten sperrt Facebook prokurdische Inhalte

aus dem Artikel:

Für einen Monat gesperrt wurde jetzt auch Erkin Erdogans Facebookkonto. Der Vorsitzende der Berliner Plattform der linken Demokratischen Partei der Völker (HDP) hatte einen Artikel der Tageszeitung taz zum Thema Facebookzensur auf der HDP-Seite gepostet und damit nach Meinung der Administratoren des Netzwerkes gegen die »Gemeinschaftsstandards« verstoßen. »Jetzt geht es um die Zensur regulärer deutscher Tageszeitungsartikel in Deutschland durch einen amerikanischen Konzern im ›Auftrag‹ des türkischen Präsidenten und damit um die Frage nach der Pressefreiheit in Deutschland«, warnt Wilde.

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Facebookseite von Kerem Schamberger:

https://de-de.facebook.com/kerem.schamberger/posts/10206625338937555

https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10209319193959801&set=pcb.10209319200519965&type=3

https://www.facebook.com/hamburgfuerrojava/photos/pb.584460241663706.-2207520000.1464144391./845361895573538/?type=3

Theorien für die Masse

Julius Dickmann war ein bedeutender marxistischer Autor der Zwischenkriegszeit, dessen Schriften nicht mehr zugänglich waren. Peter Haumer hat jetzt die politische Biographie Dickmanns verfasst.

»Wer ist Julius Dickmann und warum sollte man ein Buch über ihn schreiben?« Diese Frage bekam Peter Haumer immer wieder zu hören, als er sich mit der Biographie eines vergessenen Theoretikers beschäftigte. Bei Haumer, der zu linker Gewerkschaftspolitik und Dissidenz innerhalb der Arbeiterbewegung in Österreich forscht, war die Neugier geweckt. Zunächst stieß er auf die die wenigen theoretischen Texte Dickmanns, die noch zugänglich sind. »Zunehmend interessierten mich seine Gedanken, Ideen und Theorien und schließlich die Person, die dahintersteckte«, beschreibt Haumer die Entstehung eines Buches, das ursprünglich gar nicht geplant war. Schließlich machte Haumer eine in New York lebende Nichte Dickmanns ausfindig, die bei der ersten Begegnung fragte: »Was gibt es denn über meinen Onkel überhaupt zu schreiben?« Sie wusste nichts über die politischen Aktivitäten und Schriften ihres Onkels. Das stachelte den Ehrgeiz des Chronisten nur noch mehr an. »War der politische Mensch hinter dem Namen Julius Dickmann tatsächlich im Nichts verschwunden?!«

Haumer gibt nun im Wiener Mandelbaum-Verlag ein Buch heraus, das die politischen Schriften von Dickmann wieder zugänglich macht und die Biographie eines Menschen rekonstruiert, der sich innerhalb des revolutionären Flügels der österreichischen Arbeiterbewegung engagierte. Er gehört zu den vielen, die am Ende des Ersten Weltkriegs hofften, die alte kapitalistische Welt werde gestürzt. Die Oktoberrevolution war für ihn dabei ebenso eine Etappe wie die ungarische Räterepublik und die Streiks und Aufstände in Österreich. Dickmann war ein Vertreter des Rätegedankens und setzte auf die Selbstorganisation der Lohnarbeiter. »Dass die Masse sich selbst begreifen lernt«, dieser Gedanke, der dem Buch als Untertitel dient, war für Dickmann ein zentraler Aspekt für die Beurteilung aller politischen und gewerkschaftlichen Aktivitäten. Von ihm stammt der schöne Satz: »Die Theoretiker haben bis jetzt die Masse verschieden interpretiert, es kommt aber darauf an, dass diese sich selbst begreifen lernt.« Mit dieser Abwandlung des bekannten Marxschen Satzes über Feuerbach wolle er seine »bescheidene Arbeit gerechtfertigt« wissen. »Vom theoretischen. Streit verwirrt, stelle ich mir hier die Aufgabe, mit dem bisschen Wissen ausgerüstet, welches ein Proletarier in seinen kargen Mussestunden erwerben kann, zur Selbstverständigung über die Kämpfe und Wünsche der Zeit zu gelangen.«

Für kurze Zeit war er Mitglied der Kommunistischen Partei Österreichs, die er wieder verließ, als sich abzeichnete, dass es mehr um die Macht als um die Selbstemanzipation der Arbeitenden ging. An seinen in dem Buch dokumentierten Texten kann man auch den Lern- und Erkenntnisprozess von Dickmann verfolgen. Da finden sich die in den Jahren 1918/19 verfassten Artikel, mit denen er unmittelbar politisch wirken wollte. Damals war er noch vom baldigen Erfolg der sozialistischen Revolution überzeugt. In den Schriften jener aktivistischen Periode setzte er sich für die Stärkung des Rätegedankens ein und konzentrierte sich auf Fragen der praktischen Umsetzung. So stellte er sich im Mai 1919 eine Frage, die damals auch die linkssozialdemokratische USPD in Deutschland stark beschäftigte: Kann es noch Platz für ein bürgerliches Parlament geben oder muss alle Macht den Räten zufallen? Dickmanns pragmatische Antwort lautete: »Der Schreiber ist selbst ein überzeugter Anhänger dieser Losung. Aber es kann sich natürlich in dieser Frage nicht um die äußere Form handeln, in welcher die Räte zur Macht gelangen. Entscheidend ist der tatsächliche Besitz der Machtmittel im Staat. Gelingt es den Arbeiterräten, sich die Verfügungsgewalt über diese Macht dauernd zu sichern, so kommt es sehr wenig darauf an, ob für eine gewisse Übergangszeit neben dem Kongress der Arbeiterräte die Nationalversammlung als gesetzgebende Körperschaft noch bestehen bleibt.« Als der revolutionäre Aufbruch zerschlagen wurde, setzte sich Dickmann mit den Ursachen der Niederlage auseinander.

Im Dezember 1919 war er noch überzeugt, dass die Niederlage nur vorübergehend sein werde. »Die kommende Revolution darf nicht mehr ein träges Proletariat vorfinden, das zwischen Parlament und Rätesystem, Diktatur oder Demokratie unentschlossen schwankt, und die Erleuchtung von einer Führerclique empfängt, die selbst in sich gespalten, die Uneinigkeit in die Massen trägt«, schreibt er im Dezember 1919 in dem programmatischen Text »Zwischen zwei Revolutionen«. Doch schon 1920 schlägt Dickmann in seiner Schrift »Zur Krise des Kommunismus« wesentlich kritischere Töne an.

»In Deutschland lastet die fünfzigjährige sozialdemokratische Tradition wie ein Alp auf den Proletariern. Dieser Alp konnte nicht in wenigen Wochen abgetragen werden.« Damit setzte Dickmanns Kritik auch bei jener Tradition an, die die kommunistischen Parteien in ihrer Mehrheit bald übernehmen sollten. Dickmann, den seine Schwerhörigkeit, die bald zur Taubheit führte, zunehmend belastete, suchte die Ursachen für die Niederlage der revolutionären Bewegung in praktischen und theoretischen Defiziten der eigenen Seite. Mit seinen 1932 verfassten Schriften »Das Grundgesetz der sozialen Entwicklung« und »Der Arbeitsbegriff bei Marx« wollte Dickmann »Beiträge zur Selbstkritik des Marxismus« leisten. Diese Texte fanden unter linken Theoretikern Aufmerksamkeit und wurden 1932 in der Zeitung für Sozialforschung besprochen. Diese Rezension ist lange Zeit eine der wenigen Spuren von Dickmanns theoretischem Wirken gewesen, die auch Haumers Interesse entfachte.

In seinem Buch sind die beiden Texte erneut abgedruckt, die eine erstaunliche Aktualität haben. Dort hat Dickmann schon Fragen angesprochen, die für die Debatten um die Endlichkeit der Ressourcen und den Umgang mit der Umwelt interessante Gesichtspunkte beisteuern können. Er verwarf die These von Marx, dass der Konflikt zwischen den Produktionsverhältnissen und der Produktionsweise den Übergang von der Feudalgesellschaft zum Kapitalismus bestimmt hat. »Der wirkliche Widerspruch, der jede ökonomische Umwälzung herbeiführte, bestand immer nur zwischen der ungehemmten Entfaltung der Produktivkräfte und der Naturschranke ihrer Anwendungsbasis.« Diese Schriften fanden in den frühen dreißiger Jahren auch unter Theoretikerinnen und Theoretikern der französischen Linken Aufmerksamkeit. Dickmann schrieb regelmäßig Beiträge für die Zeitschrift La Critique Sociale, zu deren Umfeld auch die Philosophin Simone Weil gehörte, die sich in Briefen mehrmals auf Dickmanns Texte bezog. Wie wichtig ihm der Austausch war, zeigte sich schon daran, dass der damals vollständig gehörlose Dickmann mit Hilfe seiner Nichte Französisch lernte. In Österreich wurden zu dieser Zeit bereits Kommunisten, Sozialisten und Gewerkschafter verfolgt. Nach dem gescheiterten Wiener Arbeiteraufstand vom Februar 1934, den Dickmann sehr kritisch beurteilte, hatte der Austrofaschismus die letzten Reste der bürgerlichen Demokratie beseitigt. Die NS-Bewegung als dessen Konkurrenz von rechts wurde auch für Dickmann zur tödlichen Gefahr. Als Linker und Jude war er gleich doppelt bedroht. Warum aber verließ er Wien nicht? »Die Vereinigten Staaten«, vermutet Haumer, »hätten ihm wegen seiner Taubheit kein Visum gegeben. Und wovon sollte er als tauber und politisch ausgegrenzter Emigrant leben können? In Wien bekam er wenigstens eine Invalidenrente.«

Auf 22 Seiten sind die kurzen Texte abgedruckt, die Dickmann zwischen den 10. Juli 1939 und dem 11. November 1941 an seine Nichte schrieb; sie hatte sich mit weiteren Familienangehörigen in die USA retten können. Sie sind Zeugnis der zunehmenden Entrechtung, aber auch des Lebensmutes von Dickmann. »Um mich mache Dir keine großen Sorgen. Ich bin abgehärtet gegen Unannehmlichkeiten des Lebens«, heißt es in dem letzten dokumentierten Brief. Zwischen dem 9. April und dem 5. Juni 1942 gingen vom Wiener Anspang-Bahnhof vier Deportationszüge mit über 4 000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern ab. Sie endeten im Vernichtungslager Belzec. Hier verliert sich die Spur von Dickmann. Haumer hat mit seiner Wiederentdeckung von Dickmann einen wichtigen Beitrag geleistet, ihn und seine Schriften dem Vergessen zu entreißen.

Peter Haumer: Julius Dickmann, » … dass die Masse sich selbst begreifen lernt«. Politische Biographie und ausgewählte Schriften, Mandelbaum-Verlag Wien, 2016, 358 Seiten, 19,80 Euro

http://jungle-world.com/artikel/2016/19/54008.html

Peter Nowak

Die Folgen von Zwangsräumung

WIDERSTAND Die Fotoausstellung „Ob Nuriye, ob Kalle, wir bleiben alle!“ im FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum

„Ich mag keine Räumungen“ hatte ein Jugendlicher auf das Schild gemalt, mit dem er am 2. April 2014 gegen eine Zwangsräumung in der Neuköllner Wissmannstraße protestierte. Das Motiv ist Teil der Fotoausstellung „Ob Nuriye, ob Kalle – wir bleiben alle!“, die bis zum 12. Juni im FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum zu sehen ist. Fotos von fünf FotografInnen werden präsentiert, die Aktionen von Berliner MietrebellInnen der letzten drei Jahre dokumentieren. In der vom Umbruch Bildarchiv kuratierten Ausstellung sind Arbeiten der FotografInnen Andrea Linss, Christina Palitzsch, neuköllnbild, Hermann Bach und Peter Homann zu sehen. Mehrere Fotos erinnern noch
einmal an die massiven Proteste gegen die Zwangsräumung der Familie Gülbol im Februar 2013 in Kreuzberg – der Widerstand hatte Signalwirkung. Danach wehrten sich MieterInnen nicht nur in Kreuzberg, Friedrichshain und Neukölln sondern auch in Spandau, Staaken und Charlottenburg gegen ihre Vertreibung. Neben den Fotos finden sich
kurze Angaben über die Hintergründe der Räumung und die Situation der betroffenen Menschen. Häufig haben sie mehrere Jahrzehnte in der Wohnung gelebt und stehen nun auf der Straße. Oft werden die menschlichen
Tragödien hinter den Räumungen erkennbar. So sind Proteste gegen die „Räumung einer vierköpfigen Familie nach Eigentümerwechsel“ am 31. März 2014 in der Neuköllner Jahnstraße dokumentiert. Auf einen anderen Foto sieht man einen Mann in einem weißen Gewand, der von einen Dach springen will. Es ist der Besitzer von Ali Babas Blumenladen, der am 14. 10. 2014 in Spandau geräumt wurde. Seine UnterstützerInnen konnten den Mann vom Selbstmord abhalten. Auf einem Foto ist die Beerdigung der Rentnerin Rosemarie F. dokumentiert, die zwei
Tage nach ihrer Räumung am 11. April 2013 gestorben ist. Daneben sieht man auf einen Bild jubelnde DemonstrantInnen einige Wochen zuvor. Sie haben gerade erfahren, dass ein erster Räumungsversuch der Rentnerin
verschoben worden ist. Der Fotograf Hermann Bach vom Umbruch Fotoarchiv will mit der Ausstellung darüber
informieren, dass Protest und Widerstand möglich sind. „Ich denke, dass täglich Läden verschwinden, dass Menschen gekündigt werden, das ist bekannt. Was nicht so bekannt ist: dass es Proteste dagegen gibt und dass der Protest zunimmt. Und dass es noch nicht entschieden ist, ob das so weitergeht oder nicht“. Eine Fotografie zeigt den akut
von Räumung bedrohten Betreiber des Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf M99, Hans Georg Lindenau. Er ist bei einer Kundgebung zu sehen, in seinem Rollstuhl. Mittlerweile haben zahlreiche NachbarInnen in einer Erklärung den Erhalt des Ladens gefordert.

aus Taz-Berlin, 9.5.2016
Peter Nowak
■■Ausstellung „Ob Nuriye, ob Kalle, wir bleiben alle“, bis zum 12. Juni, Treppenhaus des FHXB Friedrichshain-Kreuzberg Museum, Adalbertstraße 95a, Dienstag bis Sonntag 10 bis 19 Uhr, Eintritt frei

Geht es wirklich nur um Menschenrechte, wenn Erdogan kritisiert wird?

Manche finden das gestiegene Interesse ein bisschen heuchlerisch – zur Sonderausgabe der deutsch-türkischen Taz

Wer schon immer die Türken vor Berlin stehen sieht, kann sich heute bestätigt fühlen. Die linksliberale Taz erscheint heute in deutsch-türkischer Version: Die taz.die günlük gazete[1] ist ein Beitrag der Taz-Redaktion in enger Kooperation mit linksliberalen und linken türkischen Medien zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Beim Durchblättern bekommt der Leser einen guten Überblick über den Stand der Pressefreiheit aktuell in der Türkei.

So sind bis 2015 unter der AKP-Regierung 2.211 Journalistinnen und Journalisten entlassen worden. 31 Journalisten waren 2015 in der Türkei inhaftiert. Mindestens 150 Beschlüsse zu Nachrichtensperren gab es zwischen 2010 und 2014 in dem Land.  110.464  Webseiten wurden in den letzten Jahren in der Türkei geblockt. Auf 16 Seiten versuchen linke und linksliberale Journalisten  in Deutsch und Türkisch darzulegen, wie der Alltag eines kritischen Medienarbeiters heute in der Türkei aussieht.

So beschreibt die Journalistin Pinar Ögünc von der liberalen türkischen Tageszeitung Cumhuyriyet, was sich zwischen dem Beginn und dem Schluss dieses Artikels, also wohl in einer relativ kurzen Zeit ereignet hat:

In den wenigen Stunden zwischen Anfang und Textes war viel geschehen: „Bilal Güldem, Reporter der Nachrichtenagentur Diha, wurde verhaftet. Die Diha-Reporter arbeiten in den kurdischen  Provinzen unter andauernden Gefechten. ….. Gleichzeitig wurde die türkisch-niederländische  Journalistin und Kolumnistin Ebru Umar in Kusadasi festgenommen. Der Vorwurf: Sie soll den Staatspräsidenten Erdogan in Tweets und in einem Artikel in der Zeitung Metro beleidigt haben“. Gleichzeitig wurde in griechischer Fotograf am Flughafen von Istanbul  an der Einreise in die Türkei gehindert worden.

So ist taz.die günlük gazete ein gutes Beispiel für eine transnationale zivilgesellschaftliche Aktion, um auf verfolgte Journalistinnen und Journalisten aufmerksam zu machen.

Die Rolle der Pool-Medien

Bereits am Vortag gab es im überfüllten Taz-Café die Vorstellung des deutsch-türkischen Zeitungsprojekts für einen Tag. Der deutsch-türkische Journalist Deniz Yüksel machte dort anschaulich klar, was gemeint ist, wenn in der Türkei von regierungsnahen Medien die Rede ist. Er sprach von den Pool-Medien, die nicht nur ideologisch der AKP-Regierung und der Erdogan-Präsidentschaft nahestehen.

Sie haben von der Regierung eingesetzte Verwalter und werden von Freunden, Geschäftspartnern und Verwandten des Präsidenten regelrecht aufgekauft.  Die Medien, die noch nicht davon betroffen sind, wagen gar nicht erst, kritische und oppositionelle Artikel zu veröffentlichen. Zu groß ist die Angst, sonst ebenfalls zu den Pool-Medien gehören.

Bei der Taz-Veranstaltung stand natürlich der deutsch-türkische Deal zur Abwehr von Migranten zur Diskussion und in der Kritik. Dass dabei auch parteipolitische Konflikte ausgetragen wurden, war schon durch die Anwesenheit der bekannten Grünen-Politikern Claudia Roth[2] garantiert. Sie wurde eingeladen, weil sie seit mehreren Jahrzehnten Kontakt zur Opposition in der Türkei hält.

Ihr erster Besuch aber galt, ganz stilecht „grün“, der Rettung einer bedrohten Schildkrötenart. Danach hätten türkische Oppositionelle sie gefragt, ob nicht die Rettung von verfolgten Linken, Gewerkschaftern und Intellektuellen eine höhere Priorität haben müsste.  Dass Roth noch vor wenigen Jahren die Wahl der AKP unter Erdogan begrüßt hat, sieht die Politikerin heute als Fehler.

Sie habe damals gehofft, dass die Erdogan-Regierung  gemeinsam mit der EU die Türkei demokratischer mache, so ihre Begründung. Damit war Roth nicht allein. Viele Medien und auch Politiker, die heute das Thema Menschenrechte in der Türkei entdecken, haben lange Zeit die AKP-Regierung verteidigt.

Tatsächlich hat sie sich im Kampf gegen die alte kemalistische Elite auch mit einer Menschenrechtsrhetorik geschmückt und in gewissen Bereichen Lockerungen der autoritären Herrschaft veranlasst. Was bei dieser Debatte allerdings nicht verschwiegen werden sollte: Die besonders wirtschaftsliberale AKP-Regierung war genau deshalb auch vielen politischen Kräften ein willkommener Partner beim Schleifen der Restbestände von staatlicher Sozialgesetzgebung aus der kemalistischen Zeit.

Zudem gab und gibt es eine Repression gegen politische Oppositionelle in der Türkei, die von der EU nicht nur nicht kritisiert, sondern aktiv unterstützt wird. Gemeint ist die Verfolgung von türkischen und kurdischen Linken. Mehrere dieser Gruppierungen sind wie die PKK oder DHKP/C in der Türkei und in Deutschland verboten. Vermeintliche oder tatsächliche Mitglieder dieser Gruppierungen sitzen in beiden Ländern im Gefängnis und die Justiz unterstützt sich gegenseitig.

Deutsches Exportprodukt Isolationshaft

Ein prägnantes Beispiel für die deutsch-türkische Kooperation  ist der „Export der Isolationshaft“[3], die in den 1970er Jahren in Deutschland und anderen EU-Staaten eingeführt wurde – gegen heftigen Widerstand der Gefangenen, die darauf mit Hungerstreiks reagierte.   Kürzlich  hat die Schweizer Journalistin Sabine Hunziker[4] im Unrast-Verlag unter dem Titel Protestrecht des Körpers[5] ein Buch herausgeben, das einen Überblick über diese Kampfform gibt. Als Ende der 1990er Jahre die Isolationshaft auch in den türkischen Gefängnissen eingeführt werden sollte, begann der wohl längste Hungerstreik von  Gefangenen dagegen, der 130 Menschen das Leben kostete (Der Kampf gegen den stillen Tod[6]).

Die Hungerstreiks begannen noch unter der Ägide der autoritären kemalistisch-nationalistischen Regierungen der Türkei, die innenpolitisch in einen erbitterten Machtkampf mit der aufstrebenden AKP standen. So zerstritten sie auch sonst waren, in der Praxis der Verfolgung oppositioneller Bewegungen waren sie sich einig. Als der Hungerstreik im Jahr 2006 beendet wurde, war die AKP schon an der Regierung. Für die Hungerstreikenden und ihre Unterstützer hatte sich, was die Verfolgung und Repression anbelangt, nichts verändert.

Von der EU gab es für sie keine Unterstützung, weil die schließlich die neuen Haftbedingungen als durchaus EU-konform ansah. Daher  fragen sich manche türkische Oppositionelle aktuell auch, warum die Kritik an der aktuellen Repression in  ihrem Land jetzt so besonders laut wird. Ist es wirklich die Sorge um die weitere Einschränkung der Menschenrechte oder spielen dabei auch wirtschaftliche und politische Gründe eine Rolle?

Der türkische Satiriker Gözde Kazaz beantwortet  in der aktuellen taz die günlük gazete die Frage so:

Um ehrlich zu sein, finde ich das gestiegene Interesse ein bisschen heuchlerisch. … Erdogan ist ja nicht erst seit gestern an der Macht. Er steht seit vierzehn Jahren an der Spitze des Landes.

Davor aber   war die Politik der Unterdrückung und Repression um keinen Deut besser, hätte er noch hinzufügen können.

Streit um das erste Genozid im 20. Jahrhundert

Für konservative  Kräfte wie die CSU zumindest ist die Kritik an der Menschenrechtssituation in der Türkei ein Vehikel, um das Land aus der EU herauszuhalten. Sie waren schon immer der Meinung, dass das Land nicht zu Europa gehört. Ein weiterer Konflikt mit der türkischen Regierung steht demnächst an.

Es geht um eine geplante Resolution im Bundestag, in der das Massaker an der armenischen Bevölkerung zwischen 1915 und 1918 als Genozid bezeichnet werden soll. Die türkische  Regierung reagiert bereits im Vorfeld mit Protesten[7].  Bereits in den vergangenen Jahren hatten ähnliche Initiativen in  Frankreich und anderen Ländern  zu Verstimmungen zwischen der Türkei und den jeweiligen Ländern geführt.

Auch hier spielen politische Erwägungen mit hinein, die wenig mit den Menschenrechten zu tun haben. Zunächst wäre es ja gerade für den deutschen Bundestag interessant, die Rolle der damaligen deutschen Führung und ihrer Dependance in der Türkei  in den Mittelpunkt zu stellen. Schließlich wäre das Massaker an den Armeniern ohne deren Unterstützung[8] kaum möglich gewesen.

Es gab bereits damals zeitgenössische Stimmen, die davor warnten. Aber sie wurden übergangen oder sogar zum Schweigen gebracht. Wen zudem in der Resolution suggeriert werden soll, dass das Massaker an den Armeniern das erste Genozid des 20.Jahrhunderts gewesen ist, dann wird außer Acht gelassen, dass das Massaker an den Herrero und Nama im Jahr 1904 zeitlich ebenfalls im 20.Jahrhundert liegt. Es wurde von deutschen Kolonialtruppen verübt[9].

Es gibt viele Zeugnisse, die beweisen, dass die verantwortlichen Militärs ein Großteil der aufständischen Bevölkerung bewusst in eine wasserlose Wüste getrieben und der Vernichtung preisgegeben haben.

Seit Jahren gibt es Initiativen, die eine Entschädigung für die Nachkommen der Opfer fordern[10] und die das Massaker als Genozid bezeichnen. Stünde es nicht dem Bundestag gut an, diese Vernichtung als ersten Genozid im 20.Jahrhundert zu bezeichnen, sich dafür offiziell zu entschuldigen[11] und die Nachkommen zu entschädigen?

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48147/2.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.taz.de/!p5010/

[2]

http://claudia-roth.de/

[3]

https://www.nadir.org/nadir/initiativ/kombo/k_45/k_45trlib.htm

[4]

http://www.septime-verlag.at/autoren/hunziker.html

[5]

http://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/protestrecht-des-koerpers-detail

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/11/11433/

[7]

http://www.welt.de/politik/deutschland/article154940380/Tuerkei-warnt-Bundestag-vor-Armenien-Resolution.html

[8]

http://www.deutschlandfunk.de/deutsche-beteiligung-am-voelkermord-an-den-armeniern.730.de.html?dram:article_id=102524

[9]

http://www.spiegel.de/politik/ausland/deutschlands-erster-voelkermord-das-roecheln-der-sterbenden-verhallte-in-der-erhabenen-stille-a-313043.html

[10]

http://www.az.com.na/politik/entschdigung-war-kein-thema.139056.php

[11]

http://genocide-namibia.net/alliance/appellpetition

Facebook zensiert im Interesse der türkischen Regierung

An den konkreten Anlässen für die Sperren zeigt sich, dass sie in Deutschland oder Großbritannien keine strafrechtliche Relevanz haben

„Wir haben etwas entfernt, was Du gepostet hast“ oder „Konto gesperrt“ – solche Meldungen hat der Referent für Gewerkschaftsfragen bei der Rosa Luxemburg Stiftung[1],  Florian Wilde[2] immer wieder über seinem  Facebook-Account erhalten. Die Gründe sind beliebig. Allerdings ist auffällig, dass die Anträge von der türkischen Justiz kommen und die von ihr inkriminierten Texte und Bilder in Deutschland  nicht strafrechtlich relevant sind.

So kassierte Wilde eine siebentägige Sperre bei Facebook, weil er Fotos aus einer Dokumentation über eine türkeikritische Demonstration in Hamburg gepostet hat. Dabei habe er nach vorherigen Sperren schon darauf geachtet, dass Symbole der kurdischen Arbeiterpartei PKK oder Forderungen nach der Freilassung von deren Vorsitzenden Öcalan nicht unter dem geposteten Material waren. Das waren schließlich die Gründe für die vorigen Sperren.

Das macht auch deutlich, wie disziplinierend sie wirken. Doch übersehen hatte er, dass für die türkische Justiz neben der kurdischen Nationalbewegung auch diverse linke Parteien und Gruppierungen relevant sind und sie verfolgt werden. Obwohl die im Unterschied zur PKK in Deutschland nicht verboten sind, führt Facebook auf Zuruf von türkischen  Behörden die Internetsperre durch. Für die Nutzer gibt es kaum Möglichkeiten, sich davor zu schützen, betont Wilde.

Türkeikritische Dokumentationen auf Facebook sind kaum möglich

„Da es von Facebook keine Listen gibt, aus denen hervorgeht, was genau verboten ist und was nicht, sind Fotodokumentationen zu türkeikritischen Demonstrationen in Deutschland auf Facebook unmöglich geworden,“ resümiert er. Das ist schließlich auch das Ziel der türkischen Justiz und der Regierung.

So viel freiwillige Kooperation von Facebook ist natürlich besonders vorteilhaft für die türkische Regierung. Damit kann sie auch außerhalb der Türkei bestimmen, welche Inhalte die Facebook-Nutzer zu sehen bekommen. Nun ist Wilde kein Einzelfall.

Viele Menschen, die sich mit der kurdischen Sache oder mit der türkischen Demokratiebewegung  befassen, sind ebenfalls mit solchen Facebook-Sperren konfrontiert. Dazu gehört der in München lebende Student Kerem Schamberger[3] , der seine Facebook-Sperren dokumentierte[4].

Von den Sperren sind nicht nur Facebook-Nutzer in Deutschland betroffen. Eine britische Journalistin hat sich ausführlich[5] mit dem Thema befasst.

Kann die Internetgemeinde Facebook nicht unter Druck setzen?

„Wir reagieren auf berechtigte Ansprüche im Zusammenhang mit strafrechtlichen Fällen. Jede einzelne Anfrage, die wir erhalten, wird auf ihre rechtliche Relevanz geprüft“, schreibt[6] Facebook zur Praxis des Sperrens. Nun zeigt sich an den konkreten Anlässen für die Sperren, dass sie in Deutschland oder Großbritannien keine strafrechtliche Relevanz haben.

Es werden also die restriktiven Bestimmungen der Türkei zur Grundlage für die Sperren gemacht. Allerdings ist es keineswegs überraschend, dass Weltkonzerne, genauso wie viele Regierungen sehr gut mit unterschiedlichen diktatorischen Regimen, kooperieren. Sie verkaufen Abhörtechnik an solche Länder und kooperieren mit den Repressionsorganen. Nun stellt sich trotzdem die Frage, ob eine große weltweit agierende Internetgemeinde Facebook nicht mit einer konkreten Forderung unter Druck setzen kann.

Der Konzern müsste aufgefordert werden, einsehbare überprüfbare und an den Menschenrechten orientierte Kriterien für die Sperren zu entwickeln und auch einzuhalten. Es wäre auch eine Probe aufs Exempel, ob die vielzitierte Internet-Gemeinde sich in einer menschenrechtlichen Frage koordinieren und entsprechend handeln kann. Gerade in einem Land, wo wochenlang über den Fall Böhmermann  diskutiert wird, müsste es doch einfacher sein, einen solchen Druck aufzubauen.

Es ist allerdings bemerkenswert, dass kaum Medien über die Facebook-Sperren im Interesse des Erdogan-Regimes berichten. Hier geht es schließlich tatsächlich um den politischen Kampf, um Menschenrechte, und nicht um ein unpolitisches Gedicht und einen sich damit profilierenden Journalisten.

http://www.heise.de/tp/druck/mb/artikel/48/48105/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

https://www.rosalux.de/gesellschaft/thema/arbeitgewerkschaften/2611/400.html

[2]

https://www.facebook.com/florian.wilde

[3]

http://www.kerem-schamberger.de/

[4]

http://www.kerem-schamberger.de/2016/01/07/warum-facebook-tuerkei-kritik-sperrt/

[5]

https://www.buzzfeed.com/saraspary/facebook-in-dispute-with-pro-kurdish-activists-over-deleted?utm_term=.atKX7QmNj#.lsRaZlKvm

Wer von Überwachung redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen

Eine Veranstaltungsreihe widmete sich einem in der überwachungskritischen Szene  vernachlässigtes Thema

„Die 1000 Augen der Jobcenter“   – so  lautete das Motto  einer Veranstaltungsreihe der   Berliner  überwachungskritischen               Gruppe Seminar für Unsicherheit (SaU) im März 2016. Damit hat die Gruppe einen wichtigen Aspekt in den Mittelpunkt von fünf Veranstaltungen gestellt, der in der überwachungskritischen Szene bisher unterbelichtet war. Vielen Menschen fallen beim Thema Überwachung noch immer vor allem Kameras im öffentlichen Raum sowie Telefon- und Internetdurchforschung ein.  Das zeigte sich an der Ausrichtung der großen Bündnisse, die in den letzten Jahren die Freiheit-statt-Angst-Demonstrationen organisieren. Die FDP gehört zu den Bündnispartner_innen und    so ist es auch nicht verwunderlich,  dass die Rettung  des Bankgeheimnisses zu den Forderungen der Überwachungskritiker_innen gehörte. Erwerbslosengruppen  gehörten nicht zu den Redner_innen auf den großen Demonstrationen. In den Aufrufen wurde mit der These mobilisiert, dass  Kontrolle und Überwachung „uns alle“ trifft. Diese Behauptung scheint auf den ersten Blick plausibel zu sein. Schließlich blickt das Auge der Kamera auf alle Passant_innen und auch viele andere Sicherheitsgesetze scheinen alle zu betreffen.  Auf den zweiten Blick wird aber deutlich, dass vor dem Sicherheits- und Überwachungsstaat eben nicht alle Menschen gleich sind.

Kein Bankgeheimnis für Hartz IV-Empfänger_innen

Schon lange bevor auch die Bankkonten der Vermögenden ins Blickfeld des Staates gerieten, wobei es meistens um den Vorwurf von Steuerhinterziehung und Geldwäsche geht, war für Sozialhilfeempfänger_innen und Erwerbslose das Bankgeheimnis abgeschafft. So müssen alle Antragsstellungen von Hartz IV-Leistungen, bei  denen es nicht nur um Erwerbslose sondern auch um Aufstocker_innen mit Teil- und Vollzeitarbeit handelt, zustimmen, dass die Behörden Einblick in  ihre Konten nehmen können. Die Kontrolle erstreckt sich auf die Wohnungen der Hartz IV-Empfänger_innen.  So  können sich  Sozialdetektiv_innen   in deren in Schlaf- und Badezimmer davon  überzeugen, ob die Angaben zu Bedarfsgemeinschaften, Wohnsituation etc. zutreffend sind. Wird den  Sozialdetektiv_innen  ein Zutritt zur Wohnung verweigert, kann das  Amit die Leistungen kürzen oder er ganz  streichen.

Zudem landen freiwillig und unwissentlich abgegebene Daten über Hartz IV-Bezieher_innen    in Computern der Arbeitsagenturen.  Dazu zählen die Ergebnisse der Profiling, mit denen die Betroffenen angeblich zur  besseren Jobvermittlung  viele auch sehr persönliche Angaben machen sollen. Zum Datenpool gehören auch alle Protokolle und Notizen, die sich die Behördenmitarbeiter_innen von den Besuchen mit den „Kund_innen“ machen, wie die Hartz IV-Empfänger_innen     im Amtsjargon genannt werden.   Dabei werden Personenprofile erstellt, mit denen amtsintern gearbeitet wird.  Wird die Person schnell nervös,  ist sie aufbrausend,  zurückhaltend,      unsicher?  Gilt sie als querulantisch?  Solche Beurteilungen geben Jobcentermitarbeiter_innen  die Möglichkeit, auf die Kund_innen ganz individuell zu reagieren. Da die in der Regel nicht wissen, was in den Protokollen steht, können sie auch nicht darauf reagieren. Seit einigen Jahren gibt es die Kampagne „Keine/r muss allein zum Amt“, wo  sich die Betroffenen beim Termin im Jobcenter von Personen ihrer Wahl begleiten lassen. Damit werden  zumindest tendenziell die  Ohnmachtsgefühle aufgehoben.

Datenschutz für das Jobcenter

Das ungleiche Machtgefälle hingegen bleibt bestehen Während die Ämter und ihre Mitarbeiter_innen über die Hartz IV-Empfänger_innen viele Daten haben, kennen die  „Kund_innen“ hingegen haben oft nicht einmal die Durchwahlnummern „ihrer“ Fallmanager_innen. Wenn sie beim Amt anrufen, landen sie in einer Telefonzentrale und damit meistens in der Sackgasse, weil ihr Anruf nicht an die Mitarbeiter_innen weitervermittelt wird, die die Anrufenden kontaktieren wollen. Genau das auch der Grund, warum aus den Behörden-Telefonnummern der Mitarbeiter_innen ein solches Geheimnis gemacht wird, dass auch juristisch durchgesetzt wird. Die Wuppertaler  Beratungsstell Tacheles  hatte Durchwahlnummern von  Jobcentermitarbeiter-innen  auf ihre Webseite gestellt und mussten sie nach Klagedrohungen der Agentur für Arbeit wieder                       runternehmen.  Auch die Fraktion der Berliner Piratenpartei, die danach die Telefonnummern veröffentliche,  musste sie nach Drohungen mit juristischen lagen  wieder entfernen. Das Berliner Landesamt für Datenschutz und Informationsfreiheit hatte die Piratenfraktion darauf hingewiesen, dass mit der e Veröffentlichung Datenschutzrichtlinien verletzen  werden könnten.   Besser kann man  gar nicht deutlich mache, wie sehr die Frage der Überwachung auch eine Frage von Machtgefälle und Klassenspaltung ist.   Während den    Hartz IV-Empfänger_innen sogar bis in den Schlafzimmern und in den Kühlschrank nachspioniert werden kann, sie ihre Kontobewegung von Anfang offen legen müssen,  wird schon die Veröffentlichung von  Dienstnummern der  Jobcentermitarbeiter_innen als Verletzung des Datenschutzes betrachtet.  Überwachung und   Kontrolle  betrifft also entgegen den Thesen vieler  Überwachungskritiker_innen  nicht alle gleich. „Wer von Überwachung redet, darf vom Kapitalismus nicht schweigen“  schreibt das Seminar für angewandte Unsicherheit. Aktive Erwerbslose aus unterschiedlichen Zusammenhängen waren an den Veranstaltungen beteiligt und zahlreiche Betroffene nahmen nicht nur an den Diskussionen teil. Sie hatten  viele konkrete Fragen und Gesprächsbedarf über ihre eigenen Erfahrungen mit Überwachung am Jobcenter.   Es ist zu hoffen, dass das  SaU mit der Veranstaltungsreihe Diskussionen in der überwachungskritischen Szene ausgelöst hat und es in Zukunft gemeinsame Aktionen gegen die gläsernen Hart IV-Empfänger_innen gibt.

aus: ak 615 vom 19.4.2016

https://www.akweb.de/

Peter Nowak

Stören Meinungsäußerungen den Frieden?

WIDERSTAND Prozess um Antifa-Aktivisten, der Anschlag auf rechte Zeitung lobte, wird neu aufgerollt
BERLIN taz | Darf man einen längst verjährten Anschlag auf die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit loben? Diese Frage wird das Gericht noch länger beschäftigen. Am Dienstag beschloss das Berliner Landgericht, ein diesbezügliches Verfahren noch einmal neu aufzurollen.
Im September 2015 war Bernd Langer, Antifa-Aktivist und Chronist der linken Bewegung, wegen Billigung einer Straftat und Störung des öffentlichen Friedens zu einer Geldstrafe von 500 Euro verurteilt worden (taz berichtete). Er hatte 2014 in einem Interview mit der Tageszeitung Neues Deutschland, das sich um die Geschichte der autonomen Antifabewegung in der BRD drehte, auch einige Bemerkungen zu einen Anschlag auf die Druckere der rechte Wochenzeitung Junge Freiheit aus dem Jahr 1994 gemacht. „Wenn man liest, wie das bei denen reingehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen –, war das eine Superaktion gewesen“, so Langer in dem Interview. Das Verfahren hatte der ehemalige Generalbundesanwalt und langjährige Junge-Freiheit-Autor Alexander von Stahl ins
Rollen gebracht. Auch die sächsische AfD hatte in einer Pressemitteilung das Interview als Beispiel für die Billigung linker Gewalt angeführt. Zunächst sollte Langer eine Strafe von 3.000 Euro zahlen, die das Berliner Amtsgericht im September 2015 auf 500 Euro reduzierte. Dagegen legte Langer Berufung ein. Doch am 12. September wollte das Berliner Landgericht nicht über den Fall urteilen,
weil ihr Informationen zu der Aktion gegen die Junge Freiheit fehlen. Daher beschloss das Gericht, beim nächsten Termin LKA-BeamtInnen aus Thüringen zu laden, die 1994 nach dem Anschlag auf die Junge Freiheit in Weimar ermittelten. Langers Anwalt Sven Richwin hätte sich eine Einstellung des Verfahrens gewünscht, sieht aber die Hinzuziehung von ZeugInnen positiv. „Das Gericht wird sich mit unserer Argumention beschäftigen, dass mein Mandat mit dem Interview den öffentlichen Frieden schon deshalb nicht gestört haben kann, weil schon den meisten LeserInnen des Neuen Deutschland der Anschlag auf die Junge Freiheit nicht bekannt war“, erklärte der
Anwalt gegenüber der taz. Langer fordert weiterhin einen Freispruch. „Es muss nach mehr als zwanzig Jahren möglich sein, ohne Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen über die Aktion zu diskutieren“, betonte er.
aus Taz vom 13.4.2016
Peter Nowak

Kann Respekt vor Staatsbediensteten gesetzlich verordnet werden?

Bei lebendigem Leib – Widerstand gegen Isolationshaft in der Türkei

„Während physische Folter Kennzeichen von Diktaturen ist, charakterisiert Isolationshaft Staaten mit demokratischen und rechtsstaatlichen Verfassungsgrundsätzen. Europäische und lateinamerikanische Länder haben die Praxis der Isolationshaft von der BRD übernommen“, schreibt der Publizist Niels Seibert.

Spanien baute bereits in den 1980er Jahren Isolationsgefängnisse à la Stammheim. Auch dort war die Einführung der Isolationshaft von teilweise heftigem Widerstand der Gefangenen begleitet. In Deutschland führten Gefangene der RAF, aber auch anderer linken Gruppen lange Hungerstreiks gegen die Isolationshaft durch. Daneben gab es außerhalb der Gefängnisse linke Bündnisse, die den Kampf gegen die „Isolationsfolter“ genannten Haftbedingungen führten. Staatliche Stellen begegneten diesen Initiativen mit massiver Repression. Es reichte in den 1970er und 1980er Jahren schon,…

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F-Typ-Zellen sind ein deutscher Repressionsexport

Seit die  türkische Regierung wiederr verstärkt mit Militär und schweren Waffen gegen die Bevölkerung in Kurdistan vorgeht, wächst auch unter Oppositionspolitiker*innen und bei zivilgesellschaftlichen Gruppen in Deutschland die Kritik an denWaffenexporten aus der BRD an das Land am Bosporus. So schreibt die antimilitaristische Initiative Aufschrei: „Die deutsche Bundesregierung genehmigte laut der CAAT-Datenbank zwischen 2001 und
2012 Rüstungsexporte in die Türkei im Wert von fast zwei Milliarden Euro.Deutschland lieferte damit in diesem Zeitraum von allen europäischen Ländern die meisten Kriegswaffen an die Türkei. “ Der Umfang der Waffenlieferungen hat sich seitdem nicht verringert. So wichtig es ist, den deutsch-türkischen Waffenexport zu thematisieren und zu kritisieren,so verwunderlich ist es, dass ein anderer Repressionsexport aus Deutschland in die Türkei kaum mehr erwähnt wird. Dabei können davon auch viele Oppositionelle betroffen sein, wenn sie, was häufig vorkommt, verhaftet werden und manchmal für längere Zeit in den Gefängnissen der Türkei verschwinden. Dann kann es ihnen passieren, dass sie mit einem besonderen deutschen Exportprodukt unfreiwillige Bekanntschaft machen: denIsolationsgefängnissen.
Stammheim am Bosporus
Vor mehr als 15 Jahren war das Thema dieses Isolationshaftexports in kleinerenTeilen der Linken in Deutschland ein  Thema. Es gab zahlreiche Delegationen in die Türkei, an denen auch ehemalige politische Gefangene aus der BRD sowie Jurist*innen teilnahmen. Es war die Zeit,als in der Türkei die so genanntenF-Typ-Zellen gegen den heftigen Widerstand Tausender politischer Gefangener eingeführt wurden. Die offizielle Begründung basierte darauf, dass in den altenGefängnistypen Mafiastrukturen entstanden seien, durch die Leib und Leben der Gefangenen akut gefährdet wären. Die neuen Isolationszellen sollten dagegen Schutz bieten. Die Gefangenen dagegen befürchteten, durch die Isolation mehr als bisher den Foltermethoden der Gefängnisaufsicht zu unterliegen. Der Berliner Rechtsanwalt Volker Gerloff, der vom 14. bis 17. September 2001 an einer Delegationsreise in die Türkei teilnahm,die sich über die F-Typ-Zellen informierte, hatte Gelegenheit, Einblick in das Handbuch der türkischen Gefängniswärter*innen zu nehmen. Dort ist zu lesen: „Terroristen [politische Gefangene] sollen nicht miteinander kommunizieren. Dennwenn ein Terrorist nicht kommuniziert,dann stirbt er wie ein Fisch an Land“. Die sinnliche Wahrnehmung der Häftlingewird auf ein Minimum begrenzt. Diemenschlichen Sinne liegen brach, wodurch eine enorme psychische und physische Belastung erzeugt wird. Genau diese Erfahrungen mussten politische Gefangene aus unterschiedlichen linken Zusammenhängen der BRD bereits in den1970er Jahren machen. Damals einte der Kampf gegen „Isolationsfolter“ weite Teile der breitgefächerten Linken.

aus.  Sonderausgabe der Roten Hilfe zum Tag des politischen Gefangenen 2016

http://rotehilfegreifswald.blogsport.de/images/Beilage18316.pdf
Peter Nowak

Leben im Belagerungszustand?

Schon wird diskutiert, ob islamistische Anschläge bald zu unserem Alltag gehören. Das würde allerdings auch das Ende von Datenschutz und Liberalisierungsbemühungen in der Innenpolitik bedeuten

Nur wenige Wochen liegen zwischen den islamistischen Anschlägen in Paris und Brüssel. Aber die öffentliche Aufnahme scheint sich zu verändern. Die Sondersendungen und Brennpunkte zu den Anschlägen in Brüssel waren im Vergleich zu Paris zurückgefahren. Man war sichtlich bemüht, eine Unterbrechung des Alltags gar nicht erst zuzulassen. Ob das an der im Vergleich zu Paris geringeren Opferzahlen lag? Oder wollte man kurz vor Ostern keine Einbrüche im Feiertagsgeschäft riskieren?

Wenn der Terror in den Alltag einzieht

Möglich wäre auch eine Gewöhnung, die nach einem perfiden Mechanismus funktioniert. Ein islamistischer Anschlag ist nur dann eine größere Aufmerksamkeit wert, wenn er mehr Opfer als der vorherige Anschlag verursachte oder das Objekt der Aktion besonders spektakulär  ist. Das würde wiederum die Islamisten herausfordern, Anschläge mit noch mehr Opfern zu inszenieren. Schließlich kommt es ihnen auf den öffentlichen Effekt an.

Die Frage der Gewöhnung an den islamistischen Terror stand dann auch im Fokus mehrerer Zeitungsbeiträge. In der linksliberalen Taz[1] stellte Jagoda Marinic die Frage:

Allmählich zieht der Terror ein in das alltägliche Leben Europas. Kann man sich daran gewöhnen? Und ist das vielleicht sogar gut?

Im Text beschreibt die Autorin, dass das einzig Gute in diesem Horrorszenario darin bestehe, nicht schon vor den Anschlägen an Angst zu sterben.

Das Ereignis ist der allmähliche Einzug des Terrors in das alltägliche Leben Europas zwischen den Terrorakten. Ein Prozess, der allen gegenteiligen Bekundungen zum Trotz, die Kampfzonen ausweitet: das Publizieren, das schöne Leben, das freie Bewegen, kurzum: das öffentliche Leben.

Regelmäßige Angriffe auf das Leben, das Europa lebenswert macht, bis alle Bürger vergiftet sind. Das ist der Plan. Kumulative Traumatisierung. Keine Zeiten mehr, in denen wir uns sicher genug fühlen können, um zu vergessen. Ein Anschlag, ein Trauma reiht sich an das andere.

Das Gute an der Regelmäßigkeit: Man entwickelt eine Strategie im Umgang damit. Das Schlechte daran: Die Überlebensstrategie ist meist nicht die beste Lebensstrategie. Und wenn wir irgendwann nicht mehr wissen, wie sich das Leben vorher angefühlt hat, dann wird es auch immer schwieriger, dieses Leben wiederherzustellen.

Während Marinic im Text viele Argumente aufzählt, warum eine Gewöhnung an den Terror eine Kapitulation vor den Islamisten wäre, reagiert ein Kommentator des rechtskonservativen Bielefelder Westfalenblattes ganz anders[2]: „Ja, weil uns nichts anderes übrig bleibt“, heißt es dort.

Warum konservativen Kreisen eine Gewöhnung an den alltäglichen Terror leichter als Liberalen fällt, ist nicht schwer zu erklären. Eine Gesellschaft, die im Alltag mit dem Terror konfrontiert ist, muss sich von Datenschutz und ganz vielen anderen Bestimmungen und Regelungen verabschieden, für die sich Liberale seit vielen Jahren stark gemacht haben.

Wo ständig und überall ein Anschlag befürchtet werden muss, stehen Sicherheitserwägungen an erster Stelle. Da wird schnell selber zum Sicherheitsrisiko, wer da noch auf dem Recht auf die eigenen Daten besteht. Erinnerungen an die 1970er Jahre werden bemüht[3], als linke Guerillagruppen aktiv waren.

Allerdings können die islamistischen Anschläge eher mit der Terrorkampagne von Faschisten beispielsweise in Italien verglichen werden, die wahllos Menschen vor einer Bank oder einen Bahnhof im Bologna tötete. Diese Anschläge werden oft mit einer Geheimdienststrategie der Spannung in Verbindung gebracht, mit der eine Regierungsbeteiligung der italienischen Kommunsten verhindert werden sollte. Dabei ist bis heute nicht restlos geklärt, was hierbei auf Fakten beruht und was in die Richtung von Verschwörungstheorien tendiert.

Bei den islamistischen Anschlägen hingegen wäre die Strategie der Spannung erreicht, wenn in europäischen Ländern der Kulturkampf erwidert wird und man sich so auf das Terrain der Islamisten begibt. Da sich in vielen Ländern konservative Kulturkämpfer schon mal warmlaufen und in den USA mit Trump sogar einer von ihnen Präsident werden könnte, ist es nicht so unwahrscheinlich, dass die Kriegserklärung der Islamisten gerne angenommen wird. Dann wäre die angebliche Gewöhnung an den Terror auch ein Einschwören auf den Sicherheitsstaat und den Krieg.

Modell Israel – die Zukunft Europas?

Seit den Anschlägen von Paris wird häufiger Israel als mögliches Modell für ein zukünftiges Europa angeführt. Tatsächlich ist das kleine Land seit Jahren mit Terrorattacken nicht nur aus der islamistischen Ecke konfrontiert. Der Publizist Alex Feuerherdt  rät[4], Israel auch deshalb zum Modell zu nehmen, weil sich die Gesellschaft trotz der ständigen Attacken ein öffentliches Leben und auch eine gewisse Liberalität bewahrt habe. Feuerherdt schreibt:

Doch aus Israel lässt man sich in Europa nur äußerst ungern etwas sagen. Dabei lohnt sich der Blick dorthin, auch in Bezug auf die Frage, wie man im jüdischen Staat mit dem Terror umgeht. Man weiß dort, dass er sich nicht besiegen lassen wird, weshalb es in erster Linie darum geht, die Probleme und Schwierigkeiten, die sich aus ihm ergeben, zu meistern und mit ihnen zu leben. Und das heißt nicht zuletzt, so viel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten, ohne die Freizügigkeit allzu sehr einzuschränken und ohne die Bürgerrechte zu verstümmeln.

Tatsächlich funktioniert in Israel die bürgerliche Gesellschaft trotz der Terrorattacken noch. Allerdings sind die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen groß und wären, auf Europa angewandt, ein Paradigmenwechsel in der Sicherheitspolitik.

Die Reaktionen von Politikern fast aller Parteien auf die Anschläge gehen in diese Richtung. Pläne, die schon vor Jahren entwickelt wurden, aber wegen heftigen Widerstand nicht durchgesetzt werden konnte, wurden schon wenige Stunden nach den Anschlag wieder aus den Schubladen geholt. Vor allem die Vernetzung der europäischen Datenbanken steht auf der Tagesordnung der Sicherheitspolitiker. Die Pläne sind schon mehrere Jahre alt und nun wird ein günstiger Zeitrpunkt abgewartet.

Brüssel und das Versagen des autoritären Sicherheitsstaates

Dabei zeigt gerade das Beispiel Brüssel, wie alle Konzepte des starken Staates versagen. Die Stadt und ihre Stadtteile mit mehrheitlich moslemischer Bevölkerung standen nach den Pariser Anschlägen im Fokus des öffentlichen Interesses und der polizeilichen Ermittlungen. Für mehrere Tage war in den letzten Monaten das öffentliche Leben in Belgien wegen Terrorwarnungen lahmgelegt.

Dass die Anschläge trotzdem nicht verhindert werden konnten, zeigt das Versagen des autoritären Sicherheitsstaates, wie ihn der rechtskonservative belgische Innenminister vertritt. Dieses Versagen böte die Chance, den Fokus in dieser Debatte zu verändern. Das Narrativ von den islamistischen Anschlägen, die von außen in die europäischen Metropolen getragen werden, ist offensichtlich mangelhaft, vielleicht sogar falsch. Der Philosoph Alain Badiou will den islamischen Terror weniger mit alten Schriften und Ereignissen im Nahen und Fernen Osten, sondern mit der kapitalistischen Krise verkoppeln[5].Nach den Anschlägen von Paris erklärte[6] er:

Der 13. November 2015 hat seine Ursachen in der neoliberalen Entfesselung des Kapitalismus, die den Kapitalismus wieder das hat werden lassen, was er seinem innersten Wesen nach ist: eine Potenz der verheerenden totalen Destrukturierung von Gesellschaften und Menschen.

Badiou richtet den Blick auf die Stadtteile, in denen die Menschen lebten, die zu islamistischen Attentäter wurden. Das waren eben nicht Staaten des Nahen Ostens, sondern französische und belgische Vorstädte. Dieser Ansatz hat viele Momente der Wahrheit für sich. Statt einer Koranexegese sollte man vielleicht darüber nachdenken, wie die Krise der kapitalistischen Verwertung Schneisen der Verwüstung bei den Menschen hinterlässt.

Einige finden ihre politische Heimat in extrem rechten Gruppen, andere bei islamistischen Rackets. Gerade das Beispiel Belgien zeigt wieder einmal, dass es hierbei nicht um Religion und den Koran geht. Einige der Täter waren als Kriminelle bekannt, nicht aber als radikale Moslems.

Der Fokuswechsel könnte auch Hinweise auf eine Bekämpfung des Islamismus geben. Dann wäre es tatsächlich die wichtigste Aufgabe, in den betroffenen Stadtteilen, Strukturen aufzubauen, die eine emanzipatorische Lösung möglich machen.  Das wäre auch eine Alternative zum Akzeptieren des alltäglichen Terrors.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47795/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.taz.de/!5286625

[2]

http://www.westfalen-blatt.de/Ueberregional/Meinung/2311061-Kommentar-zur-Terrorgefahr-Muessen-wir-uns-an-den-Terror-gewoehnen-Ja

[3]

http://www.watson.ch/International/Wissen/165667908-Wir-sollten-uns-an-den-Terror-gew%C3%B6hnen–aber-das-k%C3%B6nnen-wir-nicht

[4]

http://www.achgut.com/artikel/wie_israel_mit_dem_terror_umgeht

[5]

http://www.taz.de/!5254955/

[6]

http://www.uisio.com/alain-badiou-on-terrorism-and-global-capitalism

Wie Snowden zum russischen Agenten gestempelt werden soll

Der verschärfte Ton gegen Snowden zeigt, dass sich der Kalte Krieg zwischen den USA, Teilen der EU und Russland verschärft

Die Auseinandersetzung zwischen Pro-Atlantikern und der Prorussland-Fraktion wird in Deutschland schärfer. Das zeigte sich schon in der Überschrift eines langen Artikels, der am vergangenen Freitag in der FAZ zu finden war: „Russlands geheimer Feldzug gegen den Westen“[1]. Das klingt tatsächlich so, als wären wir wieder in den Zeiten des tiefsten Kalten Krieges der 50er Jahre.

Natürlich wurden dort einige Tatsachen über die bestimmt nicht besonders progressive russische Europapolitik erwähnt, die in den letzten Wochen in vielen Medien Erwähnung fanden. Dazu gehört die zumindest partielle Unterstützung und Förderung rechter Bewegungen in Europa durch Russland. Das ist Teil der russischen Interessenpolitik unter Putin. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass diese Bewegungen nicht von Russland geschaffen wurden, sondern sie sind in den jeweiligen Ländern entstanden. Zudem gibt es natürlich auch von den westlichen Staaten Unterstützung für rechte Bewegungen, wenn es ihren Interessen nützt. Das zeigte sich am Beispiel der Ukraine ebenso wie beim Zerfallsprozess von Jugoslawien in den 1990er Jahren.

Was aber beim FAZ-Artikel besonders auffällt, ist die Verknüpfung der Kritik an der russischen Politik mit dem NSA-Skandal. Der war in der letzten Zeit etwas in den Hintergrund des Interesses geraten. Dabei wird am kommenden Donnerstag in Berlin der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages[2] tagen und Außenminister Steinmeiner befragen. Das Gremium war vor fast zwei Jahren eingesetzt worden, weil Edward Snowden, der ehemalige Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes NSA, große Mengen interner Daten öffentlich gemacht und damit den Skandal ausgelöst hat. Dabei verhehlt die FAZ ihre Intention gar nicht, vor der erneuten NSA-Debatte neue Akzente setzen zu wollen.

Moskau war nicht Snowdens erste Wahl

Dass der russische Geheimdienst unter dem Schirm dieser öffentlichen Aufregung in Europa und eben auch in Deutschland höchst aktiv ist, dass seine Mitarbeiter nicht nur lauschen, sondern erhebliche Energie auf Propagandaarbeit verwenden, blieb derweil weitestgehend im Verborgenen. Erst allmählich, da die Aufregung über den sogenannten NSA-Skandal sich ein wenig legt, rückt Moskau mehr ins Visier. Und auch die Rolle Edward Snowdens, der schließlich nach einer abenteuerlichen Flucht über Hongkong vor knapp drei Jahren in der russischen Hauptstadt gelandet war. Dort lebt er seither. Es gibt seit langem Vermutungen, dass der russische Geheimdienst seinen Nutzen aus Snowden zieht. In deutschen Sicherheitskreisen gilt es inzwischen sogar als sicher, dass der ehemalige NSA-Mann vom russischen Geheimdienst wie ein Mitarbeiter geführt wird.FAZ

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Nun gibt es allerdings genügend Belege, dass Snowden durchaus nicht von Anfang an die Absicht hatte, in Russland ins Exil zu gehen. Sehr klar wurde in dem Film Citizenfour[3], dass sich der Whistleblower in verschiedenen anderen Ländern um Aufnahme bemühte (Snowden allein zu Haus im Flughafen?[4]). Doch diese Versuche scheiterten. Einige der von ihm favorisierten Länder lehnten ab. Ecuador und Venezuela waren bereit, Snowden aufzunehmen. Doch da stellte sich die Frage, wie er dorthin reisen sollte.

Als es für ihn immer schwieriger wurde, in Hongkong zu bleiben, entschied er sich, nach Moskau zu fliegen und musste dort für einige Zeit im Flughafen leben, nachdem die USA ihm den Pass entzogen hatte. Als es keinen anderen Ausweg mehr gab, nahm er das russische Asylangebot an (Snowden: Letzte Ausfahrt Russland[5]). Aber auch danach signalisiert er mehrmals, dass er weiter nach einem anderen Aufnahmeland suche. Die Angst, dass die US-Dienste auf dem Transitweg zugreifen könnten, hatte eine reale Grundlage. Im Juli 2013 wurde das Flugzeug des Präsidenten von Bolivien, Morales, zur Landung gezwungen (Morales durfte nach intensiven Verhandlungen weiter nach Bolivien zurückfliegen[6]). Zuvor waren ihm von verschiedenen europäischen Staaten die Überflugrechte verweigert worden, weil es Gerüchte gab, er schmuggle Snowden in der Maschine nach Bolivien. Der Vorfall war unter den Politikern Lateinamerikas als Warnung begriffen worden, auf keinen Fall Snowden dort Asyl zu gewähren.

Daher ist es schlicht falsch, wenn die FAZ jetzt den Eindruck erweckt, es wäre für Snowden von Anfang klar gewesen, in Moskau zu bleiben. Bei den unbewiesenen Spekulationen tut sich nach FAZ-Angaben besonders der CDU-Politiker Patrick Sensburg hervor:

Er frage sich, wieso Snowden nach Hongkong gereist sei und dort „intensiven“ Kontakt zur russischen Botschaft aufgenommen habe. Sensburg geht sogar weiter und vermutet, dass Moskau schon Jahre vor dessen Flucht an Snowden herangetreten sei. „Möglicherweise hat der russische Auslandsgeheimdienst bereits in Genf Kontakt zu Snowden aufgenommen. In die Schweiz war Snowden schon im Jahr 2007 entsandt worden.FAZ

FAZ

Damit wird ihm aber explizit eine geheimdienstliche Tätigkeit unterstellt, die in den USA strafrechtlich schwerer wiegt als die ihm bisher vorgeworfenen Delikte. So kann man die Versuche, Snowden in die Nähe einer Agententätigkeit für Russland zu rücken, auch als Versuch der Kriminalisierung sehen. Noch vor einigen Monaten haben zivilgesellschaftliche Gruppen gefordert, dass Snowden in Deutschland Asyl bekommt. Schon damals wurde davor gewarnt, weil es für ihn kein sicherer Ort ist. Die aktuellen Versuche, ihn als Agenten hinzustellen, zeigen, wie berechtigt diese Warnungen waren.

Opfer des neuen Kalten Krieges

Der verschärfte Ton gegen Snowden zeigt, dass sich der Kalte Krieg zwischen den USA, Teilen der EU und Russland verschärft. In solchen Situationen werden klare Feindbilder gebraucht und Menschen, die zwischen den Stühlen sitzen, haben es da besonders schwer.

Snowden bekam in Deutschland viel Verständnis von Kreisen, die sich für eine Lockerung des Verhältnisses zu den USA aussprechen. Die Pro-Atlantiker haben sein Agieren schon immer kritischer gesehen. Dass sich jetzt zwischen beiden Gruppen die Fronten verhärten, zeigt sich auch am Umgang mit Snowden. Da wird er für die einen schon fast zum Verräter.

Dabei könnte der Vorwurf, dass er als Preis für das Asyl in Russland bestimmte Vereinbarungen machen muss, zutreffen. Das könnte auch der Grund sein, warum in dem von Snowden präsentierten Material keine Dokumente zu finden sind, in denen es um China, Russland und Nordkorea geht. Diese Art von Interessenpolitik wäre naheliegend und auch der anderen Seite nicht fremd. Schließlich wurden beim Sturm auf die Zentralen der DDR-Geheimdienste auch vorher alle Dokumente abtransportiert[7], die die USA oder die BRD betreffen.

http://www.heise.de/tp/artikel/47/47681/1.html

Peter Nowak

Ziel der EU-Politik ist Flüchtlingsabwehr