Ziel der EU-Politik ist Flüchtlingsabwehr

„Wir MieterInnen aus der Rigaer Straße lassen uns nicht spalten“

Ca. 120 Menschen haben sich am Samstagnachmittag in der Rigaer Straße an einer Kundgebung für einen solidarischen Kiez beteiligt. Vorbereitet wurde sie von Bewohner/innen aus ehemals besetzten Häusern, aber auch von MieterInnen aus der Nachbarschaft. Mehrere RednerInnen wandten sich gegen die ständigen Polizeikontrollen im Gefahrengebiet Rigaer Straße, aber auch gegen die Vertreibung einkommensschwacher Menschen durch den Bau von teuren Eigentumswohnungen.  Ein Mitarbeiter des Kinderladens  „Rock ’n’ Roll Zwerge e. V.“  monierte, dass durch die Polizeikontrollen sowohl Kinder, Eltern  aber auch Angestellte betroffen sind. Bereits anfang Februar hatten sich die Angestellten des Kinderladens in einer Pressemitteilung über das Verhalten der Polizei beklagt.
Nach einem Elternabend hätten noch einige MItarbeiterInnen gemeinsam mit den Eltern vor der Tür des Kinderladens gestanden, als ein Mannschaftswagen de Polizei anhielt und  die Ausweise forderte. Anschließend wurden alle Anwesenden wurden trotz Beschwerde und dem Hinweis, dass man sich vor dem Arbeitsplatz befinde, penibel durchsucht.  „Etwa eine halbe Stunde wurde in unsere Taschen geschaut, Personalien aufgenommen und überprüft, ob wir nicht vielleicht einen offenen Haftbefehl hätten“, beschrieben die Betroffenen das Prozedere.  Mittlerweile haben viele BewohnerInnen der Rigaer Straße und der angrenzenden  Straßen ähnliche Erlebnisse mit der Polizei gemacht.  Zum Austausch und zu möglicher juristischer und  politischer Gegenwahr gab es in den letzten Wochen bereits zwei Nachbarschaftstreffen, an denen sich jeweils 150 bis 200 Bewohner der Umgebung beteiligt hatten.

Kein Bock auf Henkels Gefahrengebiet

Darunter befinden sich Menschen, die in den ehemaligen besetzten Häusern in der Rigaer Str. und Liebigstraße leben und heute MieterInnen sind. Denn bis auf einige Wohnungen im Seitenflügel und Hinterhaus der Rigaer Straße 94 gibt es auch dort keine Besetzungen mehr. Doch auf die Versammlungen kommen auch MieterInnen unterschiedlichen Alters. Es sind Ältere, die bereits seit Jahrzehnten in der Straße wohnen und es sind auch MieterInnen, die erst kürzlich in die Gegend gezogen sind. Es war Konsens, dass man sich gegen die Gefahrenzone gemeinsam wehren will, weil man auch gemeinsam betroffen ist.
Hier bestätigt sich, was die Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner MieterGemeinschaft e.V. vor einigen Wochen in einer Stellungnahme zum Gefahrengebiet rund um die Rigaer Straße erklärt hat:

„Die Leidtragenden dieses außergewöhnlichen Spektakels sind die AnwohnerInnen Friedrichshains. In fadenscheinig begründeten und rechtsstaatlich fragwürdigen „Gefahrengebieten“ – wegen „Anstieg der linksextremistischen Gewalt“ – werden Bürgerrechte ausgehebelt und ganze Nachbarschaften durch die Polizei in Angst und Schrecken versetzt. Ob auf dem Weg zum Supermarkt, zur Arbeit oder zur Kneipe – AnwohnerInnen und ihre Gäste werden wahllos von der Polizei kontrolliert, teils mehrfach am Tage. Häufig dürfen sie sich nicht ohne polizeiliche Begleitung frei in ihrem eigenen Viertel bewegen. Hausprojekte und Mietshäuser wurden wiederholt ohne richterlichen Beschluss durchsucht und teilweise sogar Wohnungen von der Polizei aufgebrochen.“

„Lernt Eure NachbarInnen kennen“

Neben dem Kampf gegen die Gefahrengebiete ist der Widerstand gegen die Verdrängung von Menschen mit geringen Einkommen ein zentrales Anliegen der Bewohner/innen.  In den letzten Monaten mussten mehrere kleinere Läden schließen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten. Ein Ladenbesitzer verübte nach der Kündigung  Selbstmord. Gleichzeitig entstehen rund um die Rigaer Straße Eigentumswohnungen für Menschen mit höheren Einkommen. Einige Mieter/innen haben in einer Erklärung dazu aufgerufen, die kulturellen Unterschiede  beiseite zu legen und gemeinsam gegen die Verdrängung zu kämpfen.
„Auch für uns  in der Rigaer Straße gilt, lernt Eure NachbarInnen kennen. Geht mit offenen Augen durch Eure Nachbarschaft und markiert, wo einkommensarme  Menschen verdrängt werden. Organisiert Stadtteilspaziergänge, die die Orte der Verdrängung bekannt und den Betroffenen Mut macht, sich zu wehren“, hieß es in dem Schreiben. Es scheint so, dass die Politiker mit ihren Gefahrenzonen mit dazu beitragen, dass sich die NachbarInnen kennenlernen und gemeinsam wehren.

MieterEcho online 07.03.2016

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/rigaer-str.html

Peter Nowak

Peter Nowak

Ausbeutung hinter Gittern

Peter Nowak über Millionengewinne aus Knastarbeit und den neuen Häftlingsstreik in Hessen

Am 1. März haben Gefangene der Justizvollzugsanstalt (JVA) Butzbach ihren Hunger- und Bummelstreik wieder aufgenommen. In einem Brief an die Linksfraktion im hessischen Landtag betonte Jörg Rößner, dass sie sich nicht als Gefängnisinsassen, sondern »inhaftierte Gewerkschafter« verstehen. Rößner ist der Butzbacher Sprecher der bundesweiten Gefangenengewerkschaft. Sie war im Frühjahr 2014 in der JVA Tegel gegründet worden. Mittlerweile zählt sie 800 Mitglieder in ca. zwölf Gefängnissen bundesweit. Die zentralen Forderungen sind ein Mindestlohn für Beschäftigte im Gefängnis sowie ihre Einbeziehung in die Rentenversicherung. In Butzbach waren dafür bereits im Herbst 2015 Gefangene in einen kombinierten Hunger- und Bummelstreik getreten. Sie forderten auch direkte Verhandlungen mit den politisch Verantwortlichen im grün-schwarz regierten Hessen. Mitte Dezember setzten sie ihre Aktion aus. Weil die Politiker nicht reagierten, wurde der Protest nun wieder aufgenommen.

In einer Petition, die von 128 der knapp 300 Gefangenen in Butzbach unterzeichnet wurde, bekräftigen sie ihre gewerkschaftlichen Forderungen. Neben dem Mindestlohn und der Einbeziehung in die Sozialversicherung streiten sie auch für die Aufhebung der Arbeitspflicht im Gefängnis und die grundgesetzlich geschützte Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit hinter Gittern. Die hessische Landesregierung lehnt diese Forderungen jedoch ebenso wie Politiker anderer Bundesländer ab und erklärt, es gäbe keine regulären Arbeitsverhältnisse im Gefängnis. Außerdem wird von Seiten der Politik oft bestritten, dass aus der Arbeit im Knast Gewinne erzielt werden.

Doch dieses Argument will die Gefangenengewerkschaft mit der Veröffentlichung der Jahresbilanz 2015 der JVA Butzbach entkräften. Demnach betrug der Gewinn allein in der Gefängnisschlosserei im letzten Jahr fast drei Millionen Euro, geht aus dem »nd« vorliegenden Dokument hervor. In der Werkstatt sind acht Gefangene mit der Herstellung von Hängematten für hessische Spielplätze beschäftigt.

Oliver Rast, Sprecher der Gefangenengewerkschaft, rechnet nicht mit einer schnellen Einigung. »Die Kollegen hinter Gittern stellen sich auf eine längere Auseinandersetzung ein und werden ihre Aktion nicht so schnell beenden.« Die Aktion könnte sich sogar ausweiten, kündigt er an. So werde in der JVA Kassel »sehr interessiert« beobachtet, was in Butzbach geschieht. Unterstützung kommt auch von außen. »Es ist im besten Interesse aller Lohnarbeitenden, die gegenseitige Konkurrenz zu minimieren«, erklärte Gregor Zattler vom »Netzwerk für die Rechte gefangener Arbeiterinnen und Arbeiter« gegenüber »nd«. Das Netzwerk hat sich im Herbst 2015 gegründet.

Endlose Ermittlungen

Linke Gruppen fordern ein Ende der Strafverfahren wegen einer militanten Aktion, die vor 20 Jahren schief ging

Der Anschlag auf den geplanten Abschiebeknast ging schief. Drei militante Linksradikale tauchten unter. 20 Jahre später ermittelt die Polizei noch immer und bestellt einstige Freunde immer wieder ein.

Die Sache ist lange her. In dieser Woche soll eine Frau vor dem Generalbundesanwalt in Berlin zu einer Aktion aussagen, die vor 20 Jahren passierte. In der Nacht vom 10. zum 11. April 1995 versuchte eine autonome Gruppe, die sich das K.O.M.I.T.E.E. nannte, aus Protest gegen die deutsche Asylpolitik das im Bau befindliche Abschiebegefängnis in Berlin-Grünau zu sprengen. Bei den Vorbereitungen wurden sie von einer Polizeistreife entdeckt, konnten fliehen, mussten aber das Auto mit Sprengstoff und Dokumenten zurücklassen. Drei Männer tauchten unter. Seitdem fahndet das Bundeskriminalamt (BKA) nach ihnen und ermittelt in ihrem damaligen Freundes- und Bekanntenkreis.

Die Frau, die am 24. Februar befragt werden soll, war bereits mehrfach von der Polizei als Zeugin geladen und nicht erschienen. Auch vor dem Generalbundesanwalt will sie die Aussage verweigern. Anders als die Polizei kann die Behörde allerdings Zwangsgelder und Beugehaft verhängen. Die Berliner Rechtsanwältin Regina Götz bezweifelt, dass die Vorladung eine rechtsstaatliche Grundlage hat. Ermittelt wird nach Paragraf 30 des Strafgesetzbuches wegen der »Verabredung zu einem Verbrechen«. Dieses Delikt hat eine Verjährungsfrist von 40 Jahren, während schwerwiegendere Straftaten bereits nach der Hälfte der Zeit verjährt sind. »Es ist grundgesetzwidrig, dass die Vorbereitung eines Verbrechens verjährt ist, während nach dem viel weniger konkreten Delikt der Verabredung zu einem Verbrechen weiter ermittelt werden kann«, moniert Götz. Sie will den Paragrafen deshalb vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen.

Das wäre auch für Bernhard Heidbreder wichtig. Er ist einer der drei Verdächtigen, die 1995 untergetaucht sind. Würde der Paragraf gekippt, könnten sie wieder legal in Deutschland leben. 2014 war Heidbreder vom BKA in Venezuela aufgespürt und durch örtliche Spezialkräfte festgenommen worden. Er hatte die letzten Jahre in der Stadt Mérida in einer Druckerei gearbeitet. Obwohl der Oberste Gerichtshof Venezuelas entschied, dass Heidbreder nicht an Deutschland ausgeliefert werden kann, ist dieser bis heute inhaftiert.

Unterstützer in Deutschland fordern die sofortige Freilassung. »Gegen Bernhard Heidbreder wird in Venezuela kein Strafverfahren mehr geführt, die Vorwürfe wegen der Einreise und Einbürgerung mit gefälschten Ausweispapieren wurden bereits Ende Oktober 2014 von einem Gericht in Mérida fallen gelassen«, erklärt ein Mitglied des Solidaritätskomitees »Dageblieben«. Für die andauernde Haft gebe es daher keine Rechtfertigung. Um der in Berlin vorgeladenen Zeugin den Rücken zu stärken, ruft das Solibündnis zeitgleich zum angesetzten Termin am Mittwoch zu einer Kundgebung vor dem Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke auf. Es fordert die Einstellung der Verfahren, und dass nach so vielen Jahren das frühere soziale Umfeld der drei Geflüchteten in Ruhe gelassen wird.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1002783.endlose-ermittlungen.html

Peter Nowak

„XXXXXX“ sei dein Name

ARBEITSKAMPF Ein Restaurant erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen die Freie Arbeiterunion (FAU)
„XXXXXX verweigert weiterhin die Bezahlung eines ehemaligen Mitarbeiters“, heißt es auf der Homepage der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) zum Arbeitskonflikt mit einem deutsch-französischen Restaurant am Hackeschen Markt. Seit Samstag ist der Name
des Restaurants durch das X ersetzt. Der Grund ist eine einstweilige Verfügung, die das Berliner Arbeitsgericht auf Antrag des Restaurants gegen die FAU erließ. Danach ist es ihr untersagt, den Namen der Gaststätte in ihren Publikationen, Flugblättern oder Internetauftritten
zu nennen. Auch Artikel oder Internetbeiträge, in denen das Restaurant mit dem Arbeitskonflikt in Verbindung gebracht wird, muss die Gewerkschaft unterlassen. Sollte sie sich nicht daran halten, muss sie ein Zwangsgeld von 25.000 Euro zahlen. Ersatzweise wird dem zuständigen FAU-Sekretär eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. „Das ist ein klarer Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit, wie
wir ihn nicht das erste Mal erleben“, erklärte FAU-Sekretär Markus Wiese gegenüber der taz. Man werde allerdings weiterhin die Interessen des betroffenen Kollegen vertreten. Ein ehemaliger Beschäftigter des Restaurants hatte sich 2015 an die FAU gewandt. Ihm seien Urlaubsgeld und ausstehende Löhne in Höhe von etwa 1.000 Euro nicht bezahlt worden. Nachdem Gespräche mit den RestaurantbesitzerInnen zu keiner Einigung führten, begann die FAU mit Protesten. Zudem wurde eine Klage vor dem Arbeitsgericht
eingereicht, um die Auszahlung juristisch durchzusetzen, über die noch nicht entschieden wurde. Die FAU will auch weiterhin nicht nur auf den Rechtsweg setzen. Am vergangenen Samstag mobilisierte sie innerhalb eines Tages etwa 30 TeilnehmerInnen zu einer Kundgebung vor dem Restaurant.

Taz vom 16.2.2016

Peter Nowak

Abschiebung mit Links

Wie die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen ihren Beitrag zur „Verabschiedungskultur“ leistet.

Von Peter Nowak

„Wir alle wissen auch, wie viele Menschen hier in Deutschland verschleppt, gefoltert, ermordet und verbrannt wurden. Ihr habt versucht, uns zu vernichten. Allein deswegen haben wir hier auf Deutschland Anspruch. In der NS-Zeit habt ihr uns in ganz Europa, darüber hinaus und auch im Balkan gejagt, um uns umzubringen. Allein deswegen haben wir ein Recht darauf, hier zu sein.“

Diese deutlichen Worte richtete die in Thüringen lebende Roma-Aktivistin Mena in einem offenen Brief an deutsche Politiker. Namentlich angesprochen sind in dem Schreiben Bodo Ramelow und  Dieter Lauinger. Aus der Perspektive vieler Roma in Thüringen sind der erste Ministerpräsident der Linkspartei und sein grüner Justizminister dafür verantwortlich, dass sie und ihre Freunde mitten in der Nacht ohne Ankündigung von der Polizei aus dem Schlaf gerissen und in die Balkanländer abgeschoben werden. Dass sich die Abschiebungen im rot-rot-grünen Thüringen nicht von denen im CSU-regierten Bayern unterscheiden, wird durch zahlreiche Augenzeugenberichte der letzten Wochen deutlich. Über die Abschiebung mehrerer Roma-Familien am 16. Dezember des vergangenen Jahres in Erfurt heißt es:

„Die Betroffenen erwachten in der besagten Nacht dadurch, dass Polizisten plötzlich in ihrem Zimmer neben dem Bett standen und das Licht anschalteten. Sie hatten vorher weder geklingelt noch angeklopft. Den Menschen wurde außerdem das Telefon abgenommen, als sie Andere benachrichtigen wollten. Damit wurde ihnen auch der Kontakt zu Anwälten verwehrt.“

Auch in einer Unterkunft am Juri-Gagarin-Ring in Erfurt wurde in der besagten Nacht eine Familie abgeschoben, die bei der Selbstorganisierung „Roma Thüringen“ aktiv war. Der Vater der verschleppten Familie berichtet, dass eine Beamtin der Erfurter Ausländerbehörde bei der Abschiebung anwesend war. Sie ignorierte ein ärztliches Attest, dass die Aussetzung  der  Maßnahme empfahl, da ein Kind der Familie krank war und die Abschiebung gesundheitliche Risiken berge. Nach ihrer Ankunft in Serbien musste die gesamte sechsköpfige Familie in einem Zimmer leben.

Dokumentiert wurden die Abschiebemethoden, weil die betroffenen Roma selbst aktiv geworden waren und von einer kleinen Gruppe Thüringer Antirassisten unterstützt werden, die zu Abschiebungen auch dann nicht schweigen, wenn sie von einem Ministerpräsidenten der Linkspartei verantwortet werden. „Ihr wirkt so harmlos, wenn ihr über uns redet, sagt ‚Willkommen‘ und seid dabei so gewalttätig“, charakterisiert Mena in ihrem offenen Brief die rot-rot-grünen Abschiebepolitiker. Als kürzlich Sahra Wagenknecht für Geflüchtete, die sich nicht benehmen, das Gastrecht verwirkt sah, gab es in der Linkspartei noch Protest. Die Abschiebungen von Roma aus Thüringen hingegen werden ignoriert. Schließlich sehen alle Parteiflügel in der Regierung Ramelow eine Bewährungsprobe für das Ankommen der Linken in der bürgerlichen Demokratie. Diese Kür will man sich von einigen Roma und ihren Unterstützern nicht vermiesen lassen.

http://www.konkret-magazin.de/aktuelles/aus-aktuellem-anlass/aus-aktuellem-anlass-beitrag/items/abschiebung-mit-links.html

Peter Nowak

Konkret-Online:

11.02.2016

Gefahrengebiet reloaded

Turbulente Versammlung zur Rigaer 94

Kiez diskutiert über Einsätze der Polizei und Identität.
Die Stimmung kochte zeitweise ziemlich hoch. Rund 120 Anwohner hatten sich im Jugendwiderstandsmuseum in der Rigaer Straße 9 versammelt. Ein Großteil kam aus ehemals besetzten Häusern, aber auch langjährige Nachbarn waren der Einladung gefolgt. Der Anlass für das Treffen an diesem Dienstagabend waren die Polizeieinsätze der letzten Wochen in Friedrichshain. Am 11. Januar hatte ein Großaufgebot der Polizei unter anderem Räume der Rigaer 94 durchsucht. Das Treffen sollte aber auch für die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Bewohnern dienen.

Gleich am Anfang erklärte eine Frau, man wolle nicht nur Solidaritätsbekundungen austauschen, sondern hoffe auf Kritik. »Wir wissen, dass unser Verhalten manchmal nervig ist, wenn wir Plätze vor unseren Häusern nutzen, feiern und laute Musik hören«, sagte sie. Statt die Polizei zu rufen, sollte man solche Punkte doch direkt ansprechen, forderte die Frau. Ein Nachbar erklärte dagegen, er hätte sich die Polizei gewünscht, als seine siebenjährige Tochter zwischen die Fronten geriet, als Linke einen Mann attackierten. Dieser soll ein T-Shirt der auch bei Rechten beliebten Modemarke Thor Steinar getragen haben. »Da ist eine Aktion wohl gründlich schief gelaufen«, erwiderte der Bewohner eines der alternativen Hausprojekte.

Als gemeinsames Interesse zwischen den unterschiedlichen Nachbarn wurde der Kampf gegen Gentrifizierung in die Diskussion gebracht. »Dass es in der Rigaer Straße noch nicht wie in Prenzlauer Berg aussieht und es hier noch bezahlbare Wohnungen gibt, liegt an den bunten Häusern. Sie sind eine reale Gentrifizierungsbremse«, meinte eine ältere Mieterin. Sie betonte, dass alle Beteiligten die unterschiedlichen kulturellen Vorlieben zurück und das politische Interesse in den Mittelpunkt stellen sollten. Bereits am 14. Februar soll das nächste Nachbarschaftstreffen erneut im Jugendwiderstandsmuseum stattfinden.

Peter Nowak

Deutscher Außenminister besucht zwei „Kopf ab-Diktaturen“

Streit um Spendenkampagne

LINKS Organisation der außerparlamentarischen Linken muss für Konferenz neue Räume suchen
Am zweiten Februar-Wochenende wollte die Neue Antikapitalistische Organisation (NAO) den linken Internationalismus wieder beleben. VertreterInnen linker Organisationen aus Portugal, Polen, Syrien, der Türkei, Großbritannien, Dänemark und Griechenland waren eingeladen. Für den 12./13. Februar hat die Organisation der außerparlamentarischen Linken, in der sich trotzkistische Grupppen mit
Antifa-AktivistInnen zusammengeschlossen haben, Workshops, Film- und Diskussionen sowie ein Konzert vorbereitet.Doch nun suchen die VeranstalterInnen neue Räume, weil der Vertrag mit dem Statthaus Böcklerpark gekündigt wurde. Anlass war ein Facebook-Eintrag,
wonach Mehreinnahmen aus dem Konzert der Kampagne „Waffen für die YPG/YPJ – Solidarität mit Rojava“ zukommen sollen. In der kurdischen Provinz im Norden Syriens kämpfen kurdische Guerillas gegen den sogenannten IS. Der Berliner NAO-Sprecher Michael Prütz
spricht von einer Kündigung aus heiteren Himmel und vermutet eine Einflussnahme aus der Kreuzberger Politik. Alex Hadlich vom Trägerverein das Statthauses Böcklerpark führt mehrere Gründe für die Kündigung an. „Wir arbeiten mit Jugendlichen, und zu unserem
Selbstverständnis gehört die Ablehnung von Waffengewalt. Daher kann ich diese Spendenkampagne politisch nicht unterstützen.“ Auch Sicherheitsgründe hätten zur Vertragskündigung geführt, denn türkische NationalistInnen hätten Proteste angekündigt. Zudem hätten sich BürgerInnen ans Bezirksamt gewandt. Eine Einflussnahme habe es aber nicht gegeben. „In der Vergangenheit haben immer wieder linke Veranstaltungen in unseren Haus stattgefunden, und das soll auch so bleiben“,so Hadlich.
aus Taz-Berlin, 2.2.2016
Peter Nowak

„Notfalls auch Schusswaffen an der Grenze einsetzen“

»Berufsausübungsverbot«

Seit knapp 30 Jahren gibt es den »M99 – Gemischtwarenhandel für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstaße 99 in Berlin-Kreuzberg, dem nun die Zwangsräumung droht. Der Betreiber Hans-Georg Lindenau wohnt auch dort. Der gebürtige Franke ist querschnittsgelähmt. Er hat mit der Jungle World gesprochen.

Ist die Ladenbezeichnung ein Werbegag für die linke Szene?

Schon Ende der achtziger Jahre habe ich mich von den als Zensur empfundenen Dogmen der linken Infoladenszene verabschiedet. Der Name spielt darauf an, dass ich am Jahrestag der Revolution von 1848 geboren bin, und ich auch heute noch Revolutionsbedarf habe, ohne einer im Detail festgelegten Linie zu folgen.

Kürzlich hat Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) die Räumung Ihres Ladens bis Ende Februar als Schlag gegen die autonome Szene bezeichnet. Fühlen Sie sich geehrt?

Mich erinnert diese Hetze im Wahlkampf an die Situation 1984. Damals wurde so die Räumung des »Kunst- und Kulturcentrums Kreuzberg« (Kuckuck) vorbereitet, in dem ich aktiv war. Im M99 habe ich diese Arbeit fortgesetzt. Wenn ich einen Räumungstermin bekomme, wünsche ich mir eine Demonstration zur Anhalter Straße 7, wo das Kuckuckshaus noch ohne Fassade und Vorplatz steht.

Bereiten Sie sich auf die drohende Zwangsräumung vor?

Ich will keine Zwangsräumung verhindern, sondern kämpfe dafür, in meinen Laden und in meiner Wohnung bleiben zu können. Daher fordere ich einen Runden Tisch mit Politik und Hauseigentümern, wie vom ehemaligen Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz zugesagt.

Gäbe es nach einer Räumung für Sie eine Alternative?

Ich hätte in meiner sozialen Umgebung Kreuzbergs keine Chance, meine seit 1990 rollstuhlabhängigkeitsgelebte Wohnen-und-Arbeiten-Symbiose mit seit Jahrzehnten auf mich persönlich abgestimmter, besuchsfrequentierter Anwesenheitsassistenz fortzusetzen. Beim Verlust meiner Ladenwohnung würde ich mich psychisch in die isolierte Rollstuhlklasse mit Berufsausübungsverbot zurückversetzt fühlen.

Bekommen Sie Solidarität?

Am 9. Januar gab es die erste Solidaritätsdemonstration durch Kreuzberg. Die Initiativen Bizim und »Zwangsräumung verhindern« haben mir ermöglicht, ein Solidaritätsplakat unter dem Motto »M99 Himmelfahrt« zu erarbeiten. Damit sollen Spenden eingenommen werden, weil ich schon heute durch die drohende Räumung hohe Kosten habe.

http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53398.html

Small Talk von Peter Nowak

Staatsräson vor gewerkschaftlicher Solidarität?

Die Gefangenengewerkschaft (GG/BO) ist in den letzten Monaten schnell gewachsen. Von den Basisgewerkschaften IWW und FAU wird sie unterstützt. Nur die zuständige DGB-Gewerkschaft ver.di hatte sich bisher dazu nicht geäußert. Das hat sich jetzt geändert. In einer Sendung des Deutschlandfunks vom 4. Januar, in der über den gewerkschaftlichen Kampf der Gefangenen berichtet wurde, erklärte der Justizvollzugsbeamte und Vorsitzende der Bundesfachkommission Justizvollzug bei ver.di, Andreas Schürholz, auf die Frage einer Unterstützung der GG/BO: »Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt, sind aber übereinstimmend zu der Überzeugung gekommen, dass wir das als Gewerkschaft ver.di nicht leisten können, einfach aus dem Grunde, wir sind quasi die Vertreter des Staates, die Gefangenen haben unseren Anordnungen zu folgen, und als Gewerkschaft sind wir eine Organisation, wo Solidarität groß geschrieben wird, wie wollen wir da Gefangene vertreten?« In einer Replik attestiert der Pressesprecher der GG/BO Oliver Rast dem ver.di-Mann »fehlendes gewerkschaftliches Bewusstsein« . Statt die Durchsetzung gewerkschaftlicher Mindeststandard auch für Kolleg_innen im Knast, sehe Schürholz seine Rolle darin, den Staat als Bediensteter der Vollzugsbehörde zu vertreten sowie für die Durchsetzung von Unterordnung und Gehorsam bei den Gefangenen zu sorgen. Diese Kritik dürften auch viele ver.di-Mitglieder teilen. Zahlreiche Untergliederungen der Gewerkschaft unterstützen die Forderungen der GG/BO.

aus ak 612, Januar 2016

https://www.akweb.de/ak_s/ak612/14.htm

Peter Nowak

Hungern für Gewerkschaftsrechte

Gefangene in der JVA Butzbach führen zehntägigen Hunger- und Bummelstreik

Knapp zehn Tage haben mehrere Insassen der hessischen Justizvollzugsanstalt Butzbach die   Nahrung verweigert. Sie traten in den Hungerstreik, um für ihre Knastarbeit den Mindestlohn sowie Zugang zur Rentenversicherung zu bekommen. Zudem fordern sie, auch im Knast ihre Rechte als Gewerkschaftsmitglieder wahrzunehmen zu können. Die Gefangenen und ihre Gewerkschaft GG/BO hatten wochenlang vergeblich versucht, mit der zuständigen hessischen Justizministerin Kühne-Hörmann in Verhandlungen zu treten. Weil die CDU-Politikerin die GG/BO ignorierte, begannen die Kollegen den Hungerstreik, den sie am 10. Dezember beendeten.

Einen großen Erfolg hat der Streik bereits gebracht. In zahlreichen Zeitungen wurde über den ungewöhnlichen Kampf für Gewerkschaftsrechte berichtet und auch die Gefangenengewerkschaft  bekam dadurch weitere Publicity. In den knapp eineinhalb Jahren seit ihrer Gründung haben sich ihr mehr als 800 Mitglieder angeschlossen und auch das Medienecho war in den letzten Monaten enorm. Oliver Rast, der Sprecher der GG/BO, wird immer wieder um Interviews und Stellungnahmen gebeten. Das große mediale Interesse hat ihn selber überrascht.

Durch die zahlreichen Presseberichte ist auch in größeren Teilen der Öffentlichkeit bekannt geworden, dass die bundesdeutschen Gefängnisse eine staatlich geschützte Niedriglohnzone sind. So erhalten Gefangene hinter Gittern maximal einen Stundenlohn von 1,87 Euro, trotz des 2015 eingeführten Mindestlohns von 8,50 Euro. Die Gefangenen müssen es als besonderen Hohn empfunden haben, dass die Parole „Mindestlohn für Alle“ für sie nicht galt. Dieser Diskurs hat sicher mit dazu beigetragen, dass sich die GG/BO so schnell ausbreitete.

In zwölf der 16 Bundesländer gilt im Gefängnis noch die Arbeitspflicht. PolitikerInnen aller Parteien argumentieren daher, dass im Knast kein normales Arbeitsverhältnis bestehe und es deshalb auch keine Gewerkschaftsrechte geben müsse. Diese Position wird allerdings nicht nur von der GG/BO sondern auch von UnterstützerInnengruppen heftig kritisiert. So hat sich das „Netzwerk für die Rechte inhaftierter ArbeiterInnen“ gegründet, das die Butzbacher Gefangenen während ihres Hungerstreiks unterstützte. Es hat zahlreiche Kundgebungen und Informationsveranstaltungen initiiert. Eine Unterstützungserklärung des Netzwerks wurde von über 150 WissenschaftlerInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, GewerkschafterInnen und AktivistInnen aus unterschiedlichen sozialen Bewegungen unterzeichnet.

„Nach dem Ende des Hunger- und Bummelstreiks wird die Auseinandersetzung um die Erfüllung der sozial- und vollzugspolitischen Zielsetzungen der inhaftierten Gewerkschafter und engagierten Inhaftierten auf anderen Ebenen weitergeführt werden“, erklärte Rast gegenüber der DA. Er hofft, dass sich die Solidaritätsstrukturen außerhalb des Knastes festigen. Tatsächlich bestünde eine wichtige Aufgabe darin, genauer zu erkunden, welche Firmen in der Niedriglohnzone Knast arbeiten lassen und wie viel sie dabei verdienen. Hier könnten Ansätze für weitere Aktionen der KollegInnen drinnen und draußen entstehen.

aus Direkte Aktion: Januar/Februar 2016

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Peter Nowak

Mutige Sieben

Seit Jahr und Tag  kämpft die  stadtpolitische Gruppe „Dragopolis“ gegen  den Bau  teurer Eigentumswohnungen auf  dem Dragonergelände in Berlin-Kreuzberg.  Jüngst aber widmete sie sich  einem geschichtspolitischem Thema. Gemeinsam mit der “Initiative Gedenkort Januaraufstand“  erinnerten sie an einen ungesühnten  Mord  vor 97 Jahren. Am 11. Januar 1919 sind  sieben unbewaffnete Besetzer der SPD-Zeitung Vorwärts feige ermordert worden . Sie waren von den Verteidigern des Domizils der SPD-Zeitung „Vorwärts“ auf jenem Areal während der Januarkämpfe ausgesandt,  um die Kapitulation mit den Regierungssoldaten auszuhandeln.   Die Opfer waren der Journalist Wolfgang Fernbach, der  Mechaniker Karl Grubusch, der  Schmied Walter Heise, der  Kutscher Erich Kluge, der Klempner Werner  Möller, der  Werkzeugmacher Arthur   Schöttler und  der  Schlosser Paul Wackermann.  Auf der Gedenkveranstaltung wurde aus zeitgenössischen Dokumenten zitiert, darunter den aus  Erinnerungen  der persönlichen Vertrauten und  Nachlassverwalterin   Rosa Luxemburgs, Mathilde Jakob, wie auch aus der dreibändigen „Geschichte  der Novemberrevolution“, die der Vorsitzende  der betrieblichen Räteorganisation „Revolutionäre Obleute“ Richard Müller   Mitte der 20er Jahre  veröffentlichte (  2011 im Verlag „Die Buchmacherei“ wieder aufgelegt).  Müller  beschrieb detailliert, wie  die sieben Parlamentäre gezwungen wurden, sich vor ihrer er Ermordung  zu entkleiden; die Soldaten nahmen ihnen zudem alle  Wertsachen ab.   Als anschließend  die Verteidiger des „Vorwärts“ mit erhobenen Händen aus dem Gebäude kamen,  wurden sie „unter scheußlichen Misshandlungen“ in die  Dragonerkaserne getrieben und dort zunächst in einem Stall interniert…..

Auf  enigen zeitgenössischen Fotos,   die  auf der  Gedenkveranstaltung präsentiert wurden, waren bereits auf Fahrzeugen der Freikorps gemalte Hakenkreuze zu sehen.  Der Journaliist und Historikers Sebastian Haffner l sah in der brutalen Gewalt gegen die  Arbeiter, die im Januar 1919 ihre Revolution – auch wieder die  SPD-Führung – retten und fortführen wollten,   den Auftakt  ür die vielen Morde n in den folgenden Jahren sowie ein Menetel für den Staatsterror in der NS-Zeit.  Dies läßt sich gut am Schicksal on Mathilde Jakob  ablesen. Mehrfach bereits in der Weimarer Republik verhaftet, wurde sie von den Nazis als Jüdin nach Theresienstadt deportiert, wo sie mit 70 Jahren starb.    Mittlerweile trägt ihren Namen ein Platz in Moabit, wo sie  lange wohnte-  An die  ermordeten  Vorwärts-Parlamentäre erinnert bis nur  eine Tafel  am  Eingang des  auf dem Dragonergelände befindlichen Finanzamt Friedrichshain-Kreuzberg.  Das soll sich ändern. „Dragopolis“ will sich dafür einsetzen, dass bis  zum 100ten  Jahrestag des feigen Mordes vom 11. Januar Wege auf dem weiträumigen Dragoner-Gelände nach den Opfern benannt werden.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/999043.mutige-sieben.html

Peter Nowak