Der Titel klingt wie eine Protestparole. Tatsächlich kann man schon im Vorwort dieses nun auch auf Deutsch vorliegenden Buches der afroamerikanischen Bürgerrechtlerin Angela Davis und ihrer Mitstreiterinnen viel über den mehrjährigen Prozess Schwarzer Feministinnen in den USA erfahren, die den Kampf für Frauenrechte mit dem Kampf gegen staatliche Gewaltapparate wie das rassistisch dominierte Gefängnissystem in ihrer Heimat verbinden, also Abolitionismus und Feminismus. Unter Abolitionismus, einer Bewegung mit langen Traditionen, wird nicht nur die Ablehnung der Gefängnisse, sondern auch …
… von polizeilichen Strukturen verstanden, die für Frauen, arme und nicht weiße Menschen keine Sicherheit bieten, im Gegenteil, sie zu Opfern willkürlicher Übergriffe machen. Mit der Black-Lives-Matter-Bewegung wurde der Abolitionismus auch über die Grenzen der USA bekannt. Schon in den letzten Jahren wurden im Münsteraner Unrast Verlag wichtige Bücher der staatskritischen Linken der USA verlegt. Das hier anzuzeigende Buch schließt daran an. Es ist zugleich gegen den Trend gerichtet, dass »Abolitionismus« zu einem unverbindlichen Modebegriff unter Linksliberalen bis hin zu den Demokraten verkommt. »Abolitionismus ist ohne radikalen, antikapitalistischen, dekolonialen und queeren Feminismus unvorstellbar«, betonen hingegen die Herausgeberinnen, auf die radikalen Wurzeln der Bewegung hinweisend. Das Buch ist eine Fundgrube für Leser*innen, die sich für die Geschichte der radikalen Linken in den USA interessieren. So erfahren wir vom Combahee River Collective Statement, einer 1977 von Schwarzen antikapitalistischen Lesben veröffentlichte Erklärung, die eine wichtige Rolle für die linke feministische und antirassistische Theoriebildung in den USA bis heute spielt. Die abolitionistische Bewegung dürfe sich nicht eine Trennung zwischen angeblichen Reformist*innen und angeblichen Revolutionär*innen aufzwingen lassen, heißt es hier. Die Aktivistinnen erklären, dass es möglich ist, gleichzeitig für die Schließung aller Gefängnisse einzutreten und weiterhin in Gefängnisklassen Unterricht zu geben. Das ist nur ein Beispiel für das Agieren in Widersprüchen, das staatskritische Linke auch in Deutschland zur Genüge kennen. Die Autorinnen plädieren dafür, mit diesen Widersprüchen offensiv umzugehen und eben dadurch möglichen Spaltungstendenzen zuvorzukommen. So wird an mehreren Stellen angesprochen, dass eine Bewegung, die sich für die Abschaffung der Gefängnisse einsetzt, sich auch mit den Sicherheitsbedürfnissen von Frauen auseinandersetzen muss, die besonders von Gewalt betroffen sind. Eine enge Kooperation zwischen Gegner*innen von Gefängnissen und Feministinnen ist nötig. Gemeinsam können Lösungen entwickelt werden, wie die Gewalt in der Gesellschaft ohne staatliche Gewaltapparate verringert werden kann. Bemerkenswert ist, wie die in den Vereinigten Staaten lebenden Autorinnen ihr Land verorten: »In den USA wie auch im Rest der unfreien Welt, wo ethnischer Hintergrund, Geschlecht und Marginalität eine ähnliche Rolle bei der Kriminalisierung von Menschen führen, sind Kampagnen entstanden, die Schwarze Frauen in den Mittelpunkt stellen, weil Schwarze Frauen zur Zielscheibe der ineinandergreifenden zwischenmenschlichen und staatlichen Gewalt geworden sind.« Die USA seien ein Staat unter vielen auf dieser Welt, in denen für einen Großteil der Bevölkerung die Menschenrechte nicht garantiert sind. Die Autorinnen verstehen sich als Internationalistinnen, die von den sozialen, antirassistischen, antikolonialen und politischen Kämpfen weltweit lernen wollen. Sie verweisen auf abolitionistische Initiativen rund um den Globus, von Indien über Südafrika und die Philippinen bis nach Deutschland. »Eine internationalistische Sichtweise leistet zumindest die nötige Arbeit, um uns aus vertrauten, alltäglichen Horizonten herauszuholen und neue Analysen, Organisationsformen und Netzwerke zu entwickeln«, begründet das Autorinnenkollektiv. Es ist überzeugt, dass der täglich erlebte Widerspruch zwischen der hehren Utopie einer befreiten Gesellschaft und der wenig optimistisch stimmenden Realität im Spätkapitalismus nur kollektiv bewältigt werden kann. »Die produktive Spannung, an einer radikalen, realen und tiefgreifenden Vision festzuhalten und sich gleichzeitig in der chaotischen täglichen Praxis zu engagieren, ist die feministische Praxis«, liest man in diesem Buch, das sich zugleich als Ermunterung anderer linker und klassenkämpferischer Bewegungen versteht. Jeder, der an gesellschaftlichen Veränderungen interessiert ist und für solche agiert, sollte wissen: Niemand ist allein. Peter Nowak