Paleokostas Vassilis Paleokostas, Ein normales Leben Biografie, Wien 2022, 351 S. bahoe books. ISBN 978-3-903290-70-9, 19 Euro

Der Einzige und sein Gewehr

Selbst enge Kampf��Gefährten ��� ���� �������������� werden zu Gegnern und Feinden, wenn sie Vorstellungen umsetzen wollen, mit denen er nicht einverstanden ist. Großen Respekt zollt er hingegen Männern der Tat ���������� ���� ������ ������� ����� �� �������� ������� ��� ��� und jenen, die ihre Ehrenworte ernst nehmen.

„Griechische Gangster mit Heldenqualitäten“ lautete die Schlagzeile in der Süddeutschen Zeitung am 17. Mai 2010. In dem Untertitel ist von einer Proteststimmung in Griechenland die Rede, nachdem Vassilis Paleokostas mit einem Flugzeug aus dem Gefängnis getürmt ist, werde „der Gangster sogar für öffentliche Ämter empfohlen. „Es ist nicht bekannt, ob sich Vassilis Paleokostas für Politik interessiert. Gewöhnlich haben Gangster andere Prioritäten“, heißt es im SZ-Bericht. Nun könnte der Verfasser sich über die politischen Positionen von Paleokostas aus erster Hand informieren. Der Wiener Verlag bahoe books hat …


… seine Biographie in deutscher Sprache herausgebracht. Im Klappentext heißt es über den Verfasser: „Vassilis Paleokostas ist der meistgesuchte Mann Griechenlands und seit über 10 Jahren auf der Flucht. Sein Leben ist von einem unbändigen Freiheitsstreben geprägt“. Dort wird auch er auch als griechischer Robin Hood klassifiziert. Paleokostas sieht sich als Sozialrebell mit anarchistischer Grundhaltung. Die Erzählung über sein gar nicht so normales Leben liest sich spannend wie ein Krimi. Wenn er von den zwei spektakulären Gefängnisausbrüchen erzählt, die er aus den angeblich so sicheren Spezialgefängnissen erfolgreich durchführte, dann fragt man sich, ob Paleokostas Glück und sein Organisationstalent zur Hilfe kam, oder ob er Unterstützung hatte, die er nicht nennen will und kann, hatte. Im Nachwort schreibt Klaus Viehmann, der lange als Mitglied de Bewegung 2. Juni in BRD-Gefängnissen saß über den Buchautor: „Ein normales Leben ist geprägt von der Weltsicht eines subproletarischen Hirtensohns aus den Bergen. Vassilis ist Antifaschist, der mehr als einmal vor der virulenten Gefahr warnt. Und klar, Vassiis ist eindeutig ein Typ, ein Mann, der wahrscheinlich nie mit explizitem Feminismus konfrontiert wurde (S. 342). Tatsächlich fällt das sehr traditionalistische Frauenbild besonders auf, als ein Mitgefangener mit dem er einen seiner spektakulären Ausbrüche plante, ganz selbstverständlich seine Freundin als gleichberechtigte Kampfgefährtin einbezog. Paleokostas hatte lange Probleme das zu akzeptieren. Viehmann hat natürlich Recht, wenn er schreibt, dass eine Biographie nichts zur „marxistischen und intersektionalistischen Theorie und Praxis“ (S. 342) beitragen muss. Eine andere Frage aber ist es, ob der so gepriesene „unbändige“ Freiheitswillen nicht mehr problematisiert werden müsste. Mehrmals erklärt der Autor, dass er gegen alle notfalls auch mit Waffen vorgeht, die seine persönliche Freiheit einengen wollen. Als gesellschaftliches Wesen, dessen individuelle Freiheit auch an Grenzen stossen kann, sieht er sich hingegen nicht. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass er sich öfter auf Nietzsche bezieht und ihn auch gelegentlich zitiert. 

„Ich verteidige meine Wahrheit, ja sie ihre bewaffneten Lügen. Aber es gibt auch eine bewaffnete Wahrheit, die die Geschichte schreibt“, (S. 338) erklärt Paleokostas seine ganz und gar nicht antiautoritäre Weltsicht. Dass kann man auch an den vielen Episoden seiner Biographie nachlesen. Enge Kampfgefährten werden zu Gegnern und Feinden, wenn sie Vorstellungen umsetzen wollen, mit denen Paleokostas nicht einverstanden ist. Großen Respekt hat er hingegen vor Männern der Tat und ihren Ehrenworten. Das schließt durchaus Funktionäre von Regierung und Justiz ein, wenn sie ehrlich sind und ihr Wort halten. Kritiker*innen entgegnet Paleokostas, dass man anarchistische Dogmatiker*innen im alltäglichen Kampf nicht gebrauchen könne. Eine sehr interessante Episode ist sein Bericht über einen längeren China-Aufenthalt, den er nach einen seiner Gefängnisausbrüche unternommen hat. Hier findet sich neben einer schon berührenden Eloge auf das chinesische Dorfleben eine Warnung vor Coco Cola und Co. „In Ländern mit anderen Lebens-und Entwicklungsmodellen wie China, die die Regierungen der westlichen Staaten nicht kontrollieren können, fungieren diese Unternehmen als Rammbock der Propagandamaschinerie des westlichen Expansionismus“ (S. 296).  Ein Verteidiger des westlichen Menschenrechtsimperialismus ist Paleokostas gewiss nicht. Aber kann man mit ihm eine emanzipative Gesellschaft aufbauen? Man wünscht ihm, dass er seine Freiheit „an kristallklaren Seen und schäumenden Ozeanen“ (S.339 ) noch lange genießen kann und nicht eines Tages wieder hinter schwedischen Gardinen landet.

Peter Nowak

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