Caren Lay: Wohnopoly. Westens Verlag, 208 Seiten, 20 Euro

Hohe Mietpreise: „Die Spielregeln ändern“

Die mietenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Carlen Lay, hat eine Handreichung für "Mietrebellen" formuliert. Zustimmen kann man der Autorin, wenn sie an die Mieter gerichtet schreibt: "Organisiert Euch! Ohne Druck von unten wird es nichts". Nur haben sich in Berlin und vielen Städten Mieterinnen und Mieter schon längst organisiert. Manchmal hat man den Eindruck, dass Lay dort Eulen nach Athen trägt, wenn sie schreibt, dass es bei einem "hegemoniefähigen Projekt" - ein Begriff aus der Sprache der linken Organisatoren, nicht der Bewegung von unten - darum gehen muss, die Mittelschichten zu gewinnen und zumindest nicht gegen sich aufzubringen.

Monopoly – Monopoly – die Herren der Schloßallee verlangen viel zu viel.

Klaus Lage & Band

Kaum jemand wird noch den Song Monopoly von Klaus Lage & Band kennen, der 1985 öfter im Radio lief. Musikästhetisch mag er fragwürdig sein. Doch in dem Song wird bereits vor fast 40 Jahren der Umbruch vom fordistischen zum Internetkapitalismus thematisiert. Damals waren die Dimensionen dieses Umbruchs erst in Ansätzen bekannt. Der Held der Geschichte ist ein Chemiearbeiter, der nach 40 Jahren feststellen muss:…

… „Deinen Job macht jetzt ein Stück Silikon – wem juckt das schon.“ Lage spricht auch die Hilflosigkeit der alten fordistischen Gewerkschaften an, die mit ihrer Sozialpartnerschaft an ihre Grenzen stoßen. „Du bist schon ewig in der IG-Chemie.“

Bis heute wird der Begriff des urkapitalistischen Monopoly-Spiels häufig strapaziert, wenn es um aktuelle kapitalistische Erscheinungen geht. Auch die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfaktion, Caren Lay, nimmt in ihrem neuesten Buch Wohnopoly, das gerade im Westend-Verlag erschienen ist, darauf Bezug.

So sind auch die Beobachtungen, die Lay zum Ausgangspunkt ihres Buches macht, nicht grundlegend neu:

Wohnungen sind zu reinen Spekulationsobjekten verkommen. Hohe Nachfrage und sogenannte Zwangssanierungen lassen die Mieten explodieren und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch im Umland. Menschen werden aus jahrzehntelang gewachsenen, sozialen Strukturen gerissen, gentrifizierte Viertel zu Soziotopen der Besserverdienenden.

Caren Lay

Der Kampf um Helgas Eckkneipe

Wenn es im Untertitel des Buches heißt: „Wie die Immobilienspekulation das Land spaltet und was wir dagegen tun können“, fragt man sich, ob die Politikerin einer sozialistischen Partei die Marxsche Erkenntnis, wonach eine kapitalistisches Gesellschaft immer in Kapital und Arbeit gespalten sein wird, den Lesern zumindest im Untertitel noch nicht zumuten kann. In der Einleitung schreibt sie:

In unseren Städten wird Monopoly gespielt. Wo Helgas Eckkneipe war, zieht Starbucks ein. Ahmets Späti muss einem Feinkostladen weichen. Wo früher Menschen in alten Lagerhallen tanzten, stehen nun Büros und Townhouses.

Caren Lay

Diese richtige Beobachtung, die auch zur Aktivierung von Bewohnerinnen und Bewohnern führt – so stand etwa an der Wiege der Kreuzberger Initiative Bizim Kiez – der Kampf um einen Gemüseladen, sollte aber nicht nur Idealisierung fordistischer Freizeiteinrichtungen führen.

Helgas Eckkneipe steht natürlich auch positiv für eine verschwundene Arbeiterkultur, wo die meisten Gäste voneinander wussten, was sie verdienen und wie hoch ihre Miete ist. Und wenn es gut lief, engagierte man sich gemeinsam beim Streik. Doch natürlich waren diese Eckkneipen nicht frei von kapitalistischer Ausbeutung und patriarchaler Unterdrückung. Dieser Doppelcharakter, den viele heute verschwundenen Einrichtungen des fordistischen Kapitalismus auszeichnete, spricht Lay schon an.

Die Wohnungspolitik der Nachkriegsjahre konnte die Stigmatisierung der Armen nicht beenden. Die Plattensiedlungen am Stadtrand, zubetonierte, autogerechte Städte- das würde man heute so nicht mehr tun.

Caren Lay

Nicht die Verstädterung, sondern der Kapitalismus lässt die Mietpreise ansteigen

Die Überschrift des ersten Kapitals lautet: „Hinter der Mietenkrise steht das Kapital“. Ley widerlegt einige Mythen der Immobilienlobby, die beispielsweise behauptet, dass der Zuzug von immer mehr Menschen in die Städte die Mieten ansteigen lässt.

Zunächst sieht sie eine der Ursachen in der Landflucht die Vernachlässigung des ländlichen Raums, wie er sich beispielsweise in Schulschließungen, schlechten Verkehrsanbindungen etc. ausdrückt. Lay sieht das Problem an den Finanzmärkten, wo Banken, Fonds und Immobilienkonzerne auf steigende Mieten spekulieren.

Dabei benennt sie auch die Verantwortung der Politik dafür, dass diese Finanzialisierung des Wohnungsmarkts in Deutschland, wie es der von ihr mehrmals zitierte Wirtschaftswissenschaftler Philipp Metzger benannte, so schnell greifen konnte. Das war ein politisch gewolltes Projekt.

Dabei geht Lay zurück bis in die 1960er Jahre, als die Mietpreisbindung abgeschafft wurde. In Westberlin blieb sie übrigens bis 1987 bestehen. Die dortige Abschaffung führte zur Entstehung einer starken Mieterbewegung, die unter den Namen „Weißer Kreis“ die späten 1980er Jahre prägte.

Wie der Profit über die Gemeinnützigkeit siegte

Doch richtig Fahrt nimmt die politisch gewollte und geförderte Finanzialisierung des Wohnungsmarkts nach dem Ende der DDR auf. Eine wichtige Etappe war die Abschaffung der Wohnungsgemeinützigkeit im Jahr 1990, die bereits in den 1980er Jahren in der BRD beschlossen worden war Lay kann ein Zitat aus dem Spiegel von 1988 vorweisen, in dem es heißt:

Segensreich wirkt sich (…) die von Bonn beschlossene Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit aus: Die Immobilien in den Problemgebieten sind nun leichter an Anleger und Spekulanten zu verkaufen.

Der Spiegel

Hier soll auch auf die Sprache der kapitalistisch eingebetteten Medien aufmerksam gemacht werden. „Segensreich“ wirkten sich diese Maßnahmen für die Immobilienwirtschaft aus. Die Bewohnerinnen und Bewohner der sogenannten Problemgebiete, wie die Stadtteile mit einer Bevölkerung mit geringen Einkommen bezeichnet wurde, wurden dann meist schnell vertrieben.

Das war auch den Politikern bewusst, die diese Beschlüsse fassten. Sie sprachen ja auch selber von der „Aufwertung“ der Kieze. Dort sollte ein neuer Mittelstand angesiedelt werden. Lay benennt auch die Gründe, warum große Teile der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft kaum Widerstand gegen ihre faktische Abschaffung leistete. Viele folgten den Lockungen des Kapitals.

„Nach Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit schnellten die Kurse der vom Dach der Gemeinnützigkeit befreiten Aktionengesellschaften in die Höhe“, schreibt Lay. Wie die Aktien stiegen auch die Mieten. „gut für die Eigentümer, schlecht für die Mieter“, schrieb der Spiegel, der Jahre vorher von der segensreichen Wirkung des Wegfalls der Gemeinnützigkeit im Wohnungsbau schwärmte.

DDR als Experimentierfeld für Wohnungsprivatisierungen und die Rolle der PDS

In eigenen Kapiteln listet Lay den Beitrag der rotgrünen Regierungen bei der Finanzialisierung des Wohnungsmarkts in Deutschland auf. Dabei benennt sie die Steuerbefreiung deutscher Kapitalgesellschaften auf ihre Gewinne.

Das muss die internationale Finanzwelt so begeistert haben, dass ein Broker, dem die Zeitverschiebung zwischen New York und Deutschland egal war, aus New York mitten in der Nacht bei dem damals zuständigen Ministerialbeamten im Finanzministerium, Jörg Asmussen, anrief. Er wusste sicher, dass Jörg Asmussen in seinen verschiedenen Funktionen Tag und Nacht dem Kapital zu Diensten war.

Der Höhepunkt des „Sündenregisters der deutschen Wohnungspolitik“, wie Lay es nennt, war die Massenprivatisierung des öffentlichen Wohnungsbestandes, an dem in Berlin wie in Dresden auch ihre Partei, die PDS, beteiligt war. Darauf geht Lay in einem Absatz zur Privatisierung der Berliner GWS ein und fragt, wie konnte es bei der PDS so weit kommen. Sie zitiert einen der damaligen Protagonisten, der von großem Druck auf die Politik und vom neoliberalen Zeitgeist spricht.

Da hätte man sich doch etwas mehr Selbstkritik gewünscht. Denn letztlich geht es um die Frage, ob eine Partei den Kapitalismus mitverwalten oder überwinden will. Wer eben glaubt, Senatorensessel unbedingt besetzen zu müssen, von dem ist nicht zu erwarten, dass er zurücktritt, wenn die Zumutungen des Kapitals großer werden. Lay schreibt:

Viele Städte waren zwar in einer Haushaltsnotlage und sahen wenig Spielraum zum Ausverkauf ihrer Städte. Aber am Ende waren die beschriebenen Privatisierungen Entscheidung von Bund, Ländern und Kommunen.

Caren Lay

Und der dort vertretenen Parteien – in manchen Fällen eben auch der PDS, muss man hinzufügen. Lay weiß aus eigener Kenntnis, dass eine strikte Antiprivatisierungslinie erst auf Druck von Oskar Lafontaine in das Parteiprogramm der Linken Eingang gefunden hat. Welchen Stellenwert hat sie da noch, nach seinem Austritt? Diese Frage bleib offen.

In einem eigenen Kapitel geht Lay auf die Privatisierungen der Wohnungen in der ehemaligen DDR ein, die eben nicht freiwillig geschah, sondern durch ein Gesetz vorgeschrieben war. Dabei beschreibt die Politikerin richtig, dass auch bei der Privatisierung der Wohnungswirtschaft die ehemalige DDR als Experimentierfeld herhalten musste, wie auch bei der Schaffung tarifloser Zonen in der Arbeitswelt übrigens.

Hier wurden die kapitalistischen Zumutungen ausprobiert, bevor sie dann auf die gesamte Republik übertragen wurden. Im Fazit fällt Lay dann wieder hinter diese Erkenntnis zurück, wenn sie immer von den „Sünden der Wohnungspolitik“ redet. Da wird suggeriert, der Kapitalismus wäre eigentlich zum Wohle der Mieter und nicht der Immobilienwirtschaft geschaffen. Dabei war es von der Politik gewollt, dass Deutschland ein Eldorado der internationalen Immobilienwirtschaft wurde, die dort eben Wohnopoly praktisch umsetzen konnte.

Lay zitiert aus den Magazinen der Immobilienwirtschaft: „Warum in Berlin investieren? Das knappe Angebot lässt die Immobilienpreise in die Höhe schnellen…“ Sie zeigt auch auf, dass die Verwaltung und die angeblich „überforderten Behörden“ keine Schranke für die Immobilienwirtschaft sind. Selbst Geldwäsche wird in dem Bereich kaum verfolgt.

Wohnen als neue Klassenfrage

Im Buch wird beschrieben, wie Wohnen zur neuen Klassenfrage wurde. Teile der Mieterbewegung sprechen schon lange davon, dass der Kampf gegen jede Verdrängung aus der Wohnung auch Teil des Klassenkampfes ist. Die Aktivitäten der Mietrebellen, die im Gegensatz zu den Staatsapparaten eine reale Gefahr für die Immobilienwirtschaft sind, kommen an Ende des Buches vor.

Dort formuliert Lay unter dem Motto „Die Spielregeln ändern“ Reformvorschläge, um das Wohnopoly zumindest zu begrenzen. Dazu gehört die Deckelung der Mieten. Auch hier hätte man sich eine kritische Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen im Kapitalismus gewünscht. Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht als eine Art Wächterrat der Immobilienwirtschaft erst im letzten Jahr den Berliner Mietendeckel gekippt.

Die Rekommunalisierung, das heißt der Rückkauf von vor Jahrzehnten privatisierten Wohnungen, und die Besteuerung von Spekulationen gehören ebenso zu den Instrumenten aus dem Reformbaukasten, die Lay aufgelistet hat . Mal verweist sie auf Dänemark, ein anderes Mal auf Wien, um deutlich zu machen, dass es sich hier nicht um sozialistische Fantasien handelt, sondern um Reformen, wie sie in urkapitalistischen Ländern längst umgesetzt sind. Doch lassen das die Kräfteverhältnisse in Deutschland zu?

Ohne Druck der Mietrebellen wird es nichts

Und welche Rolle kann dabei die Linkspartei spielen, die schließlich in den letzten Monaten eher durch internen Streit als durch sozialpolitische Kampagnen aufgefallen ist? Diese Fragen bleiben nach der Lektüre des Buches offen.

Zustimmen kann man der Autorin, wenn sie an die Mieter gerichtet schreibt: „Organisiert Euch! Ohne Druck von unten wird es nichts“. Nur haben sich in Berlin und vielen Städten Mieterinnen und Mieter schon längst organisiert. Manchmal hat man den Eindruck, dass Lay dort Eulen nach Athen trägt, wenn sie schreibt, dass es bei einem „hegemoniefähigen Projekt“ – ein Begriff aus der Sprache der linken Organisatoren, nicht der Bewegung von unten – darum gehen muss, die Mittelschichten zu gewinnen und zumindest nicht gegen sich aufzubringen.

Dabei gilt auch für die aktuelle Mieterbewegung, was Friedrich Engels bereits vor 150 Jahren in seiner Schrift zur Wohnungsfrage thematisierte. Die Wohnungsfrage wurde erst zum Politikum, als auch der Mittelstand betroffen war. Viele Kämpfe gegen Verdrängung betreffen mittelständische Läden, Betriebe und Cafés.

Wenn Lay schließlich die Oma Else erwähnt, deren Häuschen die Mieterbewegung verteidigen sollte, dann muss man nur die Senioren denken, die sich gegen Verdrängung wehren, egal, ob sie im Eigenheim oder in einer Wohnung leben.

Wenn sich die Mietrebellen von einer Linkspartei überhaupt was wünschen, dann weniger solche Ratschläge, die für sie schon längst Praxis sind, sondern vielleicht Gelder und Räume für Treffen auch über Ländergrenzen hinaus.

Schließlich steckt die Organisierung von Mietern über Städte und Länder hinweg noch immer in den Anfängen. Sie ist aber notwendig, wenn sie langfristig gegen eine weltweit bestens vernetzte Kapitalfraktion erfolgreich sein will. Das hat Lay in ihrem Buch gut herausgearbeitet.

Der Autor hat gemeinsam mit Matthias Coers das Buch Wohnen in der Krise – Neue Solidarität in den Städten im Verlag Edition Assemblage herausgegeben.

Peter Nowak