„Von allen utopischen Sozialexperimenten ist die Kibbuz-Bewegung Israels zugleich ein Archetyp und eine einzigartige Ausnahme. Aus einer reizlosen Ansammlung von Lehmhütten am Ufer des Flusses Jordan nahm die nahe liegende Idee einer kommunitären Gesellschaft ohne Ausbeutung und Herrschaft in Palästina schnell Gestalt an und erblühte in einem Netzwerk egalitärer Gemeinschaften“, schreibt der britische Politikwissenschaftler James Horrox in einer leidenschaftlichen Streitschrift, in der er …
… seine Sympathie mit den israelischen Siedler*innen gut erkennen lässt. Dabei versucht er manchmal etwas krampfhaft, eine anarchistische Traditionslinie in der Kibbuzbewegung zu ziehen. Was aber sein reichhaltiges historischen Quellenmaterial deutlich macht, sind sowohl anarchistische wie die verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Einflüsse vor allem in der frühen Kibbuz-Bewegung. Es ist zu begrüssen, dass der Verlag Graswurzelrevolution das bereits 2009 in den USA erschienene Buch von Lou Marin ins Deutsche übersetzt, veröffentlicht hat. Wird doch mit der Kibbuzim-Bewegung an ein wichtiges soziales Experiment erinnert, das einmal Menschen in aller Welt faszinierte. Wenn Horrox im Nachwort schreibt, dass es für Teile des akademischen sowie des aktivistischen Anarchismus mittlerweile als Verbrechen gilt, „einen Hauch des Komplizentums mit dem Projekt der nationalen Befreiung des Judentums anzudeuten, galt dies lange Zeit auch für weitere Teile der linken Bewegung. Höhepunkt einer solchen Ignoranz waren die Aufrufe zum „Boykott israelischer Waren Strände und Kibbuzim“, die Ende der 1980er Jahren auf den Häuserwänden der besetzten Hamburger Hafenstraße zu lesen waren. Andererseits bezogen sich auch große Teile der sich in den letzten Jahrzehnte sich herausbildenden israelsolidarischen Linken in Deutschland eher positiv auf die verschiedenen israelischen Regierungen als auf die Kibbuz-Bewegung.
Peter Nowak