Ermutigung in Zeiten der Niederlage

Ältere Linke werden sich vielleicht noch an Fritz Güde erinnern. Er beteiligte sich Anfang der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts an Aktivitäten der osthessischen Linken, engagierte sich gegen die damals starke Neonazibewegung und war auch in antimilitaristischen Zusammenhängen aktiv. Nur wenige Menschen wussten, dass er sich nicht ganz freiwillig die osthessische Region ausgesucht war. Güde gehörte zu den politisch Verfolgten in der BRD der 70er Jahre. Wegen seiner kurzen Mitgliedschaft im maoistischen KBW hatte er 1974 Berufsverbot bekommen. Weil er an staatlichen Schulen keine Chance auf eine Anstellung mehr hatte, bewarb er sich an der Hermann-Lietz-Schule in Hohenwerda, wo er viele Jahre unterrichte. Die kleine linke Szene in Fulda gab ihm dann die Möglichkeit, sich neben seinen Beruf auch noch politisch zu engagieren.

Güde wurde 1935 in Baden geboren, war also kein 68er. Doch er gehörte zu dem Kreis der politischen Opponenten des Adenauer-Staates, die die Aufbruchsbewegung jener Zeit als Befreiung aus einem Klima der Restauration wahrnahmen. In einen Gastbeitrag gibt der emeritierte Politologe Georg Fülberth einen kurzen Überblick die über die alte Linke der Adenauer-Ära und ihre Verbindung zur Neuen Linken, die sich jenseits von Parteikommunismus und Sozialdemokratie positionierte. Fülberth datiert ihre Entstehungszeit auf den Zeitraum zwischen 1956 und 1959.

Nach seinen kurzen KBW-Intermezzo schloss er sich Güde keiner Partei mehr an, blieb aber ein entschiedener Linker in Abgrenzung zur Sozialdemokratie und Nominalsozialismus. Andres als viele seiner MitkämpferInnen hielt er sich auch von den Grünen fern. Lediglich in der der Grünen Partei nahestehenden Zeitschrift Kommune, die einst noch mit KBW-Geldern gegründet worden war, publizierte er mehrere Jahre. Sie gehörte zu den unterschiedlichen Zeitschriften und in Internetmagazinen, in denen Güde seine Texte zu Themen aus Politik, Gesellschaft und Kunst veröffentlichte.
Auswahl von Texten aus Kultur und Politik

Eine Auswahl von 26 Texten sind einen Buch versammelt, das zu Güdes 80ten Geburtstag in der Edition Assemblage erschienen ist. Herausgeber ist der Publizist Sebastian Friedrich, der Güde seit Jahren aus der gemeinsamen politischen Arbeit kennen und schätzen gelernt hat.

Oft sind es Bücher, Filme oder Theaterstücke, die Güde nicht nur rezensiert sondern mit seinem profunden Wissen auch in gesellschaftliche Zusammenhänge einordnet. Der erste dokumentierte Text widmet sich einem Buch, in dem Henning Böke den Maoismus nicht, wie heute üblich, in Bauch und Bogen verdammt, sondern bei aller Kritik in seinen historischen Kontext analysiert. Dabei verweist Güde auf den antiautoritären Geist der Kulturrevolution, die auch keine Ehrfurcht vor Politbüros und Parteifunktionäre hatte.

Ausführlich beschäftigt sich Güde in seinen politischen Essay mit der Zeitschrift Weltbühne, einer linksbürgerlichen Stimme, die am Ende der Weimarer Republik vergeblich die Arbeiterparteien SPD und KPD zur Einheitsfront gegen die Nazis aufrief. Güde verschweigt aber auch nicht, dass es auch vereinzelt Beiträge in der Weltbühne gab, die den italienischen Faschistenführer Mussolini lobten. Güdes Fazit ist dann auch durchaus kritisch: „So scharfsinnig in den letzten Heften der „Weltbühne“ 1932/33 die parlamentarischen Wege und Umschwünge der Nazis erkannt und beobachtet wurden, so wenig drangen sämtliche Schreiber ein in die ungeheure Massenbewegung des Faschismus, der alle Mitarbeiter – auch Hiller – dann in KZ oder Exil zum Opfer fallen sollte“ (S.91). In einen Artikel analysiert Güde den Weltbühne-Jahrgang 1932 und zeigt auf, wie sich der Aufstieg der Nazis auf die Zeitung auswirkte.

Dass Güde auch interessiert die aktuellr Populärkultur verfolgt, zeigt ein Text, der sich mit der Wandlung des Familienbildes in Fernsehserien der USA befasst. Sehr kundig ist auch sein Nachruf auf Heinrich Böll, über den schreibt. „Eine Seekarte hat er uns nicht hinterlassen, wohl aber die Kunst im Wellengang oben zu bleiben“. In einem Aufsatz wendet sich Güde gegen Versuche, Bert Brecht als eigentlich unpolitischen Schriftsteller darzustellen, der nie Marx gelesen habe und von den Kommunisten manipuliert worden sei. Der belesene Schreiber weist den Protagonisten der Anpassung Brechts an den Zeitgeist Jan Knopf nach, dass er Brecht noch einige Jahre zuvor als sozialistischen Erneuerer gefeiert hat. Ausführlich beschäftigt sich Güde mit Kurt Tucholsky und Walter Benjamin.
Kampf im Geist von Walter Benjamin

Ganz Im Duktus von Benjamin formuliert Güde auch seine Motivation beim Verfassen dieser Schriften. „Es muss im Bewusstsein der Niederlagen der Kampf angetreten werden, im schärfsten Blick auf die Entstellungen, die bisherige Revolutionäre sich antaten, um ein Jahr oder fünf Jahre oder gar zehn weitermachen zu können.“ Güde plädiert dafür, die Kämpfe für eine neue Gesellschaft auch in der Gewissheit zu führen, „dass unsere Züge nicht weniger entstellt, unsere Hände nicht weniger schmutzig sein werden, als die jener, die uns vorangingen“. Damit wendet sich der Autor gegen alle Illusionen, die neuen Generationen von GenossIinnen werden keine Fehler beim Kampf um eine neue Gesellschaft machen. Damit warnt er auch vor Hochmut gegenüber den VorkämpferInnen. Güdes Buch liefert in den Zeiten der Reaktion viel Stoff zum Nachdenken.
Peter Nowak

aus:  Fulda-Wiki

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Fritz Güde

Umwälzungen

Schriften zu Politik und Kultur

Edition Assemblage, Münster 2015,

220 Seiten, 20 Euro

ISBN 978-3-942885-97-3 | WG 973