Max Brym: Skizzen – Arbeiterwiderstand in Südbayern. Die Buchmacherei, 83 S., br., 6,50 €.

Rotes Bayern

Brym skizziert die Bedingungen einer antagonistischen Linken in einer Zeit, die heute als erste deutsche Demokratie heroisiert und verklärt wird. Bei der Zerschlagung der Räterepubliken spielten auch führende bayerische Sozialdemokrat*innen eine unrühmliche Rolle. »Es ist daher kein Wunder, dass die verhängnisvolle Sozialfaschismustheorie bei den bayerischen Kommunisten sogar weitgehend auf Zustimmung stieß«, bemerkt Brym und hebt sich damit wohltuend ab von vielen Historiker*innen, die in dieser lediglich ein Diktat Stalins sehen und dabei vergessen, dass viele Arbeiter*innen in den Jahren 1919 bis 1923 die Erfahrung machen mussten, von durch Sozialdemokraten befehligte Polizei und Freikorps gejagt und verhaftet zu werden.

Bayern ist als Ort der Reaktion schon in der Weimarer Republik bekannt. In München begann der Aufstieg der NSDAP. Nürnberg wurde zum Inbegriff der Reichsparteitage der Nazis. Viel weniger ist über den linken Widerstand in Bayern bekannt. Vielleicht ist einigen gerade noch die Münchner Räterepublik im Gedächtnis. Umso verdienstvoller, dass Max Brym eine kleine Geschichte des antifaschistischen Widerstands in Südbayern vorgelegt hat. Der 1957 in Altötting geborene Historiker ist im Freistaat seit Jahrzehnten in der linken Bewegung aktiv und hat zur Geschichte der Linken schon einige Bücher verfasst. In seiner neuen Publikation beginnt Brym ebenfalls mit den verschiedenen Räterepubliken in Bayern 1919. Denn nicht nur in München, sondern in vielen kleineren Städten …

… ergriffen die Arbeiter die Macht. Darüber hatte bereits Michael Seligmann 1989 im Trotzdem-Verlag ein sehr informatives Buch unter dem Titel »Aufstand der Räte« herausgegeben, das leider nur noch antiquarisch zu bekommen ist. Schade, dass es nicht in Bryms Literaturliste angeführt ist, obwohl er es sicher gelesen hat. Denn mehrmals erwähnt er die Räterepubliken in Kolbermoor oder Rosenheim, die trotz ihrer raschen Niederschlagung Auswirkungen auch auf den Widerstand gegen das NS-Regime ab 1933 hatten. Die wenigen Wochen der Räterepubliken im Gefolge der deutschen Novemberrevolution haben zur Politisierung einer ganzen Generation von Arbeiter*innen geführt, die sich trotz der massiven Repressionen auch in der Weimarer Republik nicht brechen ließen. Brym betont, dass bayerische Ordnungskräfte Linke aller Couleur bereits 1919 repressierten.

»Die KPD war bis 1921 in Bayern vollständig illegal. Daraus folgte eine teilweise Legalisierung bis zum Jahr 1923, die von 1923–1925 erneut zur vollständigen Illegalisierung führte. Ab 1925 bis 1933 befand sich die KPD in einem halb legalen Zustand. Knapp die Hälfe ihrer Veranstaltungen in dieser Periode wurde polizeilich, und immer wieder wurde Material der Partei beschlagnahmt.«

Brym skizziert die Bedingungen einer antagonistischen Linken in einer Zeit, die heute als erste deutsche Demokratie heroisiert und verklärt wird. Bei der Zerschlagung der Räterepubliken spielten auch führende bayerische Sozialdemokrat*innen eine unrühmliche Rolle. »Es ist daher kein Wunder, dass die verhängnisvolle Sozialfaschismustheorie bei den bayerischen Kommunisten sogar weitgehend auf Zustimmung stieß«, bemerkt Brym und hebt sich damit wohltuend ab von vielen Historiker*innen, die in dieser lediglich ein Diktat Stalins sehen und dabei vergessen, dass viele Arbeiter*innen in den Jahren 1919 bis 1923 die Erfahrung machen mussten, von durch Sozialdemokraten befehligte Polizei und Freikorps gejagt und verhaftet zu werden. Zahlreiche Revolutionäre wurden gar ermordet.

Trotzdem kam es am 9. März 1933, Wochen nach Hitlers Machtantritt als Kanzler, in Bayern zu einer kaum bekannten Einheitsfrontaktion von Sozialdemokrat*innen und Kommunist*innen, mit der das Hissen der Hakenkreuzfahne am Münchner Rathaus verhindert werden sollte. Die Nazis konnten nur unter großem Polizeischutz ihr Banner hissen. Es folgte allerdings eine brutale »Vergeltung« der Faschisten, von der vor allem bekannte Kommunist*innen betroffen waren. Dagegen stellt Brym die Geschichte der kampflosen Übergabe des Gewerkschaftshauses in der bayerischen Hauptstadt an die SA, die dort bereits am 8. März 1933 erfolgte und nicht erst am 2. Mai wie in Berlin und andernorts.

Brym beschreibt sachkundig und einfühlsam, wie sich der antifaschistische Widerstand gegen den Terror der Nazis behaupten musste. Eine immer wichtigere Rolle spielte die Gefangenensolidaritätsorganisation Rote Hilfe. Ein weithin beachteter Erfolg antifaschistischer Solidarität war die Flucht des kommunistischen Funktionärs Hans Beimler in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1933 aus dem KZ Dachau, durch die er dem sicheren Tod entging. Ein SS-Mann hatte ihm bereits einen Strick in seine Zelle gebracht und ihn unverblümt aufgefordert, sich aufzuhängen. Allerdings starb Beimler dann am 1. Dezember 1936 in Madrid im Spanischen Bürgerkrieg unter noch immer nicht gänzlich geklärten Umständen. Beimlers Flucht aus dem Lager hatte zu einem Streit zwischen SA und SS geführt, wie Brym mit Zitaten belegt. Die von Ernst Röhm geführte SA warf ihrem Kontrahenten innerhalb der faschistischen Bewegung vor, nicht brutal genug gegen den Gefangenen vorgegangen zu sein. 

Brym berichtet von einem Spitzel namens Max Troll, der als führender KPD-Funktionär über mehrere Jahre die Gestapo informierte. Es gab schon vor seiner Enttarnung Gerüchte über einen Spitzel in KPD-Kreisen, was parteiunabhängige Linke wie die Gruppe »Neu Beginnen« veranlasste, auf Distanz zu den Kommunisten zu gehen. »Neu Beginnen« strebte als leninistische Organisation innerhalb der SPD einen »dritten Weg« zwischen der Politik der SPD in Weimarer Jahren und der KPD an. Viele ihrer Aktivist*innen prägten dann die bayerische Nachkriegs-SPD, nunmehr jedoch eher vom rechten Rand aus. Es wäre wünschenswert, wenn Brym sich damit in seinem nächsten Buch befasst.

Peter Nowak