Rosa, Karl & die Räte

Axel Weipert
erinnert an die Zweite Revolution

Sie erhielten kein Rederecht auf dem Reichsrätekongress vom 16. bis zum 20. Dezember 1918 in Berlin: Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Und so entschied sich die Mehrheit der Delegierten wider das Rätesystem für Wahlen zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung, also die parlamentarische Demokratie. Die Rätebewegung in Deutschland 1918 bis 1920 ist von der Geschichtswissenschaft wenig beachtet worden. Dabei waren die Arbeiter- und Soldatenräte die Träger der Novemberrevolution. Weil sie sich nicht mit dem Austausch der Eliten begnügen wollten und eine grundsätzliche politische und soziale Umwälzung anstrebten, galten sie konservativen Historikern als Kommunisten. Linke Historiker wiederum sahen in ihnen nur ein Interregnum bis zur Gründung der Avantgardepartei KPD.

Erst in den letzten Jahren haben sich jüngere Forscher wieder verstärkt mit der Rätebewegung befasst, so der Bochumer Ralf Hoffrogge in seiner Biografie über den Aktivisten Richard Müller und der Berliner Dietmar Lange in seinem Buch »Generalstreik und Schießbefehl«. Und nun auch Axel Weipert. Ausführlich befasst sich der Berliner Historiker mit der brutalen Niederschlagung der von der Rätebewegung getragenen Ausständen im März 1919. Den Hauptgrund für die Niederlage der Räte sieht er in mangelnder Koordination und zögerlicher Haltung, u. a. von Richard Müller. Bevor der Streik in Berlin begann, war er andernorts bereits abgewürgt. Weipert erinnert des weiteren an das weitgehend vergessene Blutbad vor dem Reichstagsgebäude am 13. Januar 1920. Freikorps schossen in eine Demonstration gegen das von der Regierung beschlossene, die Betriebsräte entmachtende Reichsrätegesetz. 42 Tote und über 100 Verletzte waren zu beklagen. Damit fand der von SPD-Politikern zumindest tolerierte Terror, dem am 15. Januar 1919 Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum Opfer gefallen waren, blutige Fortsetzung.

Echte Pionierarbeit leistete Weipert bei der Erforschung der Schüler- und Erwerbslosenräte, die indes nicht per se revolutionär waren, wie er im Vorwort betont. So war es ein Schülerrat in Steglitz, der dem ältesten Sohn des gerade ermordeten Karl Liebknecht das Ablegen des Abiturs verweigern wollte. In einem Extra-Kapitel geht Weipert auf die Konzepte der Räte zur politischen Mobilisierung der Frauen ein. In der Abwehr des Kapp-Putsch erfuhren sie noch einmal einen Aufschwung. Danach ging es bergab. Erst am Ende der Weimarer Republik wurde diese Politikform durch Mieterräte wieder aufgegriffen. – Weipert hat nicht nur eine wichtige Arbeit über ein Stück linker Geschichte vorgelegt, sondern bietet auch Anregungen für die heutige politische Praxis.

Von Peter Nowak

 

Axel Weipert: Die Zweite Revolution. Rätebewegung in Berlin 1919/1920. Bebra Verlag, Berlin. 476 S., br., 32 €.