Wie legitim ist die kapitalistische Gesellschaft überhaupt noch?« Diese Frage stellt die Redaktion des »Telegraph« in ihrer aktuellen Ausgabe. Die ostdeutsche Zeitschrift wurde nach dem Umbruch in der DDR zum Sprachrohr der linken DDR-Opposition, die die Herrschaft der Partei nicht durch die Herrschaft des Kapitals ersetzen wollte. Wer die Doppelnummer liest, wird dieses Anliegen in vielen Artikeln wiederfinden. Die Aufstände in der arabischen Welt spielen eine zentrale Rolle. Der Berliner Journalist Helmut Höge bezeichnet sie in seinem Beitrag sehr optimistisch als »Anfang einer globalen Revolution« und setzt sich kritisch-solidarisch mit dem Text des unsichtbaren Komitees auseinander, das mit seinem »Kommenden Aufstand« die Diskussion um eine Revolution voranbringen wollte. Im Interview spricht der Verleger der deutschsprachigen Ausgabe des Textes, Lutz Schulenburg vom Nautilus-Verlag, von einem »einmaligen Verkaufserfolg«, will ihn aber nicht als Ausdruck einer »aufrührerischen, gesellschaftlichen Stimmung« verstanden wissen.
Mit einem Kapitel und dem Nachdruck der Rede des Filmemachers Michael Moore geht das Heft darüber hinaus auf die Massendemonstrationen gegen gewerkschaftsfeindlichen Gesetze im Frühsommer im US-Bundesstaat Wisconsin ein. Zudem widmet sich der ehemalige Aktivist der linken DDR-Oppositionsgruppe Vereinigte Linke, Thomas Klein, der Kommunismusdebatte, die nach einer Rede der Linksparteivorsitzenden Gesine Lötzsch kurzzeitig für Aufregung sorgte. Er interpretiert die kritische Resonanz mit dem Versuch des »Establishments«, emanzipatorische Strömungen rechtzeitig zu stoppen, »bevor man den Polizeistaat gegen sie einsetzen muss«. Über die heutige Bedeutung des Linkssozialismus streiten Stefan Janson (»überschätzter Mythos«) und Christoph Jünke (»wichtige politische Impulse«).
telegraph 122/123: 120 Seiten, 6 Euro, www.telegraph.ostbuero.de
http://www.neues-deutschland.de/artikel/204110.bewegungsmelder.html
Peter Nowak