Genau das haben auch die NS-Widerstandskämpfer*innen der Roten Kapelle getan, die hierzulande lange Zeit als sowjetische Spion*innen bezeichnet wurden. Dabei wird allerdings die NS-Propaganda auch in der Nachkriegszeit übernommen, meist verbreitet von dem Personal, das nach 1945 auch in der BRD schnell weitermachen konnte bei der Verfolgung von Linken. Mittlerweile gibt es einen differen zierteren Blick auf die Rote Kapelle, bei der es sich um ein sehr großes …
… Netzwerk von Widerstandskämpfer*innen handelte. Kommunist*innen waren ebenso dabei wie Christ*innen und Konservative. Wenig bekannt ist, dass zu ihren Aktionen auch das Erstellen von kleinen Plakaten mit Parolen gegen das NS-Regime gehörte. Dort hieß es beispielsweise: „Ständige Ausstellung: Das Naziparadies. Hunger, Lüge, Gestapo. Wie lange noch?“
Diese Plakate in einer Größe von 4 cm mal 14 cm wurden beispielsweise auf große NSPropagandaplakate geklebt, mit denen für die rassistische und an tikommunistische Hetzausstellung „Sowjetparadies“ geworben wurde. Damit wollte die Reichspropagandaleitung der NSDAP die deutsche Bevölkerung auf ihre Zustimmung zum Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion einstimmen, was bekanntlich bei großen Teilen auch ge lang. Mit den Protestplakaten zeigten die Aktivist*innen der Roten Kapelle, dass es trotz ständiger ideologischer Propaganda und Terror weiterhin Menschen gab, die Widerstand leisteten.
Wären sie bei dem Kleben der Pro testplakate erwischt worden, hätte ihnen Folter und sehr wahrscheinlich der Tod gedroht. Daher haben sie sich auf die an tifaschistische Klebeaktion gut vorberei tet, wie die Autor*innen der Adbusting Broschüre ausführlich beschreiben:
„An der Aktion beteiligten sich ins gesamt 18 Menschen mit zwei weiteren Gruppen. Namentlich bekannt sind der Bürokaufmann Wolfgang Thiess und die Studentin Maria Terwiel. Die Gruppe teil te sich in zwei Dreier-Gruppen auf. Liana Berkowitz und Otto Gollnow simulierten beim Kleben eine heteronormative ZweierKiste. Schulze Boysen stand auf der anderen Seite in Luftwaffenuniform mit griffbereiter Pistole.“ (S.23)
Auch ein zweites Team, das die NS Propaganda mit antifaschistischen Pos tern an einer anderer Stelle in Berlin konterkarierte, hatte mit Friedrich Reh mer ebenfalls einen uniformierten Soldaten dabei. Wahrscheinlich sollten damit mögliche Passant*innen, die zufällig vor beikamen, beruhigt werden. Schließlich signalisierte ein Soldat, dass alles seine rechte Ordnung hatte. Das Kalkül ging auf. Die Aktivist*innen der Roten Kapelle wurden bei den AdbustingAktionen nicht gefasst. Erst ein Jahr später wurde ein Großteil im Zuge der Funkaktion in die Sowjetunion verhaftet. Die meisten wur den vom NS-Staat ermordet.
Einfluss auf die Baum-Gruppe?
Noch ungeklärt ist, ob die Mitglieder der BaumGruppe die Protestposter gesehen
haben und von ihnen vielleicht sogar zu ihrer antifaschistischen Aktion angeregt wurden. Die Gruppe vorwiegend junger jüdischer Kommunist*innen um Herbert Baum verübte am 17. Mai 1942 einen Brandanschlag auf die NSAusstellung „Das Sowjetparadies“, der nur gerin gen Schaden anrichtete. Doch viele der Antifaschist*innen wurden gefasst und hingerichtet. Es ist wichtig, dass die se Antifaschist*innen gerade bei jungen Menschen nicht in Vergessenheit geraten. Daher ist es sehr zu begrüssen, wenn der BBSC nun die Aktionen in einen neuen Kontext stellt. Denn natürlich gab es den Begriff Adbusting vor 80 Jahren noch nicht, wie die Herausgeber*innen der Broschüre auch schreiben. Aber es ist doch sinnvoll, die Aktionen in einen poli tischen Kontext zu stellen, der auch jün geren Adbuster*innen, die beispielsweise militaristische oder sexistische Werbung verfremden, historisches Wissen aufzeigt. In der Broschüre sind zahlreiche Beispie le für aktuelle AdbustingAktionen dokumentiert. Zudem wird davon berichtet, wie heute die repressiven Staatsapparate dagegen vorgehen. Natürlich droht heute keine Todesstrafe wie vor 80 Jahren, aber in den letzten Jahren hat sich der politische Staatsschutz einiges einfallen lassen, um den Adbuster*innen auf die Spur zu kommen, Hausdurchsuchungen und DNA-Abgleich gehören dazu. Peter Nowak
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