Anton Brokow-Loga, Frank Eckardt: Stadtpolitik für alle Städte zwischen Pandemie und Transformation Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2021 62 Seiten, 9,90 Euro ISBN 978-3939045-45-8

Corona macht’s möglich

Der knappe Text liefert viele Anregungen für eine an den Belangen der Mehrheit interessierte Stadtpolitik. Das einzige Manko ist die sehr pessimistische Sicht auf die aktuelle Stadtentwicklung.

Während der Corona-Krise waren manche Veränderungen in den Städten, über die lange gesprochen wurde, auf einmal in kurzer Zeit durchsetzbar. Erinnert sei nur an die neuen Fahrradstreifen in vielen Großstädten, die schnell eingerichteten Spielstraßen in vielen Stadtteilen und die Erweiterung von Restaurantflächen auf Parkplätze. Das sind nur einige Beispiele, wie unter Corona-Bedingungen der bisher unumschränkten Herrschaft des Automobils in den Städten Grenzen gesetzt wurden. Daher ist es sehr zu begrüßen, wenn sich Menschen verstärkt über die Stadt von morgen Gedanken machen. Dazu tragen Anton Brokow-Loga und Frank Eckardt mit ihrem Büchlein bei. Ihr erklärtes Ziel ist, die Veränderungen im Stadtbild …

… in der Corona-Ära zu nutzen, um Vorschläge für eine sozial-ökologische Verkehrswende zu machen. Im Klappentext wird auch von einer „solidarischen Postwachstumsstadt“ gesprochen.

Viele sinnvolle Vorschläge haben die beiden Autoren vor allem im Kapitel „Global-lokale Beziehungen“ zusammengetragen. Dazu gehören ein ökologisches Bauen ebenso wie ein Ende der Ressourcenverschwendung und eine kleinteilige Produktionsweise, die die Transportwege minimieren soll und im Buch unter dem Stichpunkt „offene Relokalisierung“ verhandelt wird.

Flächenumverteilung und Stadtteilräte

Sehr sinnvolle Vorschläge werden zum Stichpunkt Flächenumverteilung geliefert. Dort wenden sich Brokow-Loga und Eckardt erfreulicherweise auch gegen ein Ausspielen des Ökologischen gegen das Soziale. Die Autoren haben gut aufgezeichnet, was das bei der Flächenaufteilung bedeutet. „Menschen mit hohen Einkommen wohnen auf doppelt so großer Fläche wie Menschen mit niedrigen Einkommen. Personen, die ein höheres Einkommen haben, wohnen aber nicht nur in größeren Wohnungen, sie haben dadurch auch höhere Energieverbräuche, fahren mehr und größere Autos – haben also einen viel größeren Verbrauch an städtischem Boden.“ Daher wird im Buch vorgeschlagen, über die Liegenschaftspolitik Einfluss zu nehmen, damit sozialer, genossenschaftlicher und gemeinnütziger Wohnungsbau besonders gefördert wird.

Der Ausbau eines gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehrs wird ebenso angesprochen wie die Unterstützung von Stadtteil- und MieterInnenräten, die auch über die Belange in der Stadt mitentscheiden sollen. Doch wenn die Räte keine Feigenblattfunktion beim kapitalistischen Stadtumbau haben sollen, müssten sie das Mandat haben, schon beim Verkauf von Grundstücken mitzuentscheiden. Damit könnte verhindert werden, dass Immobilienkonzerne teure Wohnprojekte in Stadtteile setzen, in denen bisher Menschen mit geringen Einkommen leben, die sich dann einige Jahre später ihre Wohnungen nicht mehr leisten können.

Smart City ist keine Lösung

Erfreulich kritisch setzen sich die Verfasser auch mit dem vieldiskutierten Konzept der Smart City (Rabe Ralf Oktober 2019, S. 16) auseinander. Sie sprechen die Kehrseiten wie den enormen Rohstoffverbrauch und die Anfälligkeit für Cyberkriminalität an und kommen zu dem Fazit, dass hier „keine Lösung für die Probleme der auseinanderfallenden Stadtgesellschaft“ liegt.

Der knappe Text liefert viele Anregungen für eine an den Belangen der Mehrheit interessierte Stadtpolitik. Das einzige Manko ist die sehr pessimistische Sicht auf die aktuelle Stadtentwicklung. So trägt ein Kapitel den Titel „Corona und das Versagen der Stadt“. Dort wird das Bild einer Stadt gezeichnet, in der die Menschen in ihren Wohnungen eingesperrt waren und kaum Kommunikationsmöglichkeiten hatten. Dabei sparen die Autoren die vielen Beispiele von Solidarität in den Städten, die es auch unter Corona-Bedingungen gab, leider aus. Die erwähnten Initiativen für Spielstraßen oder Pop-up-Radstreifen sind nur einige Beispiele. Schade, dass die Autoren diesen Beispielen nicht mehr Raum gegeben haben. Schließlich hätten sie ihre Argumente für eine solidarische Stadt für alle nur gestärkt.

Peter Nowak

https://www.grueneliga-berlin.de/publikationen/der-rabe-ralf/aktuelle-ausgabe/rezensionen-11/
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