taz: Herr Metzger, bezieht sichder Titel Ihres Buches „Wohnkonzerne enteignen“ nur auf die Berliner Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteig- nen oder könnte die Forderung auch in anderen Städten aktuell werden? …
… Philipp Metzger: In den letzten Jahren ist die Zahl von Sozialwohnungen kontinuierlich gesunken. Bei dem allergrößten Teil der Immobilien der Konzerne handelt es sich um ehemaligen sozialen Wohnungsbau. Ich halte es für falsch, dass mit staatlichem Geld Wohnungen gebaut wurden und diese später an Konzerne verhökert worden sind. Ich plädiere dafür, dass diese Wohnungen wie der vergesellschaftet werden. Nur Bauen, Bauen, Bauen wird das Problem allein nicht lösen können. In Zukunft sollte die Regel gelten: einmal sozialer Wohnungsbau, immer sozialer Wohnungsbau.
Sie widmen den börsennotierten Wohnkonzernen und dabei speziell Vonovia und DW im ersten Teil Ihres Buch ausführliche Kapitel. Warum?
Vonovia ist der größte Player unter den börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen. Größe ist ein entscheidender Konkurrenzvorteil auf dem Im mobilienmarkt. Deshalb versucht die Vonovia schon seit einigen Jahren, die DW zu über nehmen. Im Jahr 2015 hat die Vonovia es mit einer feindlichen Übernahme versucht, aber ist am Widerstand der DW gescheitert. Zwischen den Chefs, Rolf Buch von Vonovia und Michael Zahn von DW, soll seitdem nicht das beste Verhältnis bestehen.
Warum scheiterte auch der zweite Fusionsversuch?
Im Mai 2020 startet die Vo novia einen neuen Versuch, aber diesmal mit einer freund lichen Übernahme, mit Zustim mung des DWVorstands. Die Vonovia machte den Aktionären der DW ein Kaufangebot. Viele Investoren wollten das Ange bot annehmen. Allerdings gab es einige Hedgefonds, die sich gegen den Verkauf entschieden. Offensichtlich spekulierten diese Hedgefonds auf ein höheres Angebot, aber Vonovia war nicht bereit, den Preis zu er höhen.
Sind die Fusionspläne damit vom Tisch?
Nein, obwohl die Übernahme abermals scheiterte, ließ Vonovia nicht locker und startete im August 2021 eine erneuten Übernahmeversuch. Diesmal erhöhte der Bochumer Konzern das Angebot. Am 20. September endet die Frist und dann werden wir sehen, ob diesmal die Hedgefonds bereit sind zu verkaufen.
Die letzten 60 Buchseiten sind den Alternativen auf dem Wohnungsmarkt gewidmet. Welche Rolle spielt dabei die Kampagne DW enteignen?
Es handelt sich um die wichtigste linke Kampagne der letzten Jahrzehnte. Sollte das Volksbegehren ein Erfolg werden, dann würde sich auf dem Berliner Immobilienmarkt tatsächlich einiges grundlegend zum Vorteil der Mietenden verbessern. Zudem könnte der Erfolg bundesweite Strahlkraft entfalten. Bisher regierte die neoliberale Logik, nach dem Motto: Der Markt kann es besser als der Staat. Wenn diese Logik auf dem Immobilienmarkt zurückgewiesen wird, könnten sich die Leute fragen: Ist es wirklich eine gute Idee, Gesundheit, Bildung, Verkehr, um nur einige zu nennen, zunehmend zu privatisieren?
Was wird von der Kampagne bleiben, wenn das Volksbegehren am 26.9. keine Mehrheit bekommt?
Auch wenn das Volksbegehren scheitern sollte, wäre die Kampagne nicht umsonst gewesen. Wenn beispielsweise 48 Prozent für die Enteignung der Immobilienkonzerne gestimmt hätten, das ist eine Größe in der Wählerschaft, die man in der Politik nicht einfach ignorieren kann. Interview: Peter Nowak