Entspannt Bauen den Mietenmarkt? Als Herausgeber des Bandes „Wohnkonzerne enteignen“ ist der Soziologe Philipp Metzger der Meinung, dass ein Mietendeckel auch bundesweit Erfolg haben könnte

„Wohnungen vergesellschaften“

Der 1983 geborene Soziologe Philipp Metzger ist Herausgeber des Buches „Wohnkonzerne enteignen – Wie Deutsche Wohnen und Co. ein Grundbedürfnis zu Profit machen“, das kürzlich im Mandelbaum Verlag erschienen ist. Buchvorstellung am Donnerstag um 19 Uhr im Alten Wasserwerk Tegel, Trettachzeile 15

taz: Herr Metzger, bezieht sichder Titel Ihres Buches „Wohnkonzerne enteignen“ nur auf die Berliner Kampagne Deutsche Wohnen und Co. enteig- nen oder könnte die Forderung auch in anderen Städten aktuell werden?

Philipp Metzger: In den letz­ten Jahren ist die Zahl von So­zialwohnungen kontinuierlich gesunken. Bei dem allergröß­ten Teil der Immobilien der Konzerne handelt es sich um ehemaligen sozialen Wohnungs­bau. Ich halte es für falsch, dass mit staatlichem Geld Wohnun­gen gebaut wurden und diese später an Konzerne verhökert worden sind. Ich plädiere da­für, dass diese Wohnungen wie­ der vergesellschaftet werden. Nur Bauen, Bauen, Bauen wird das Problem allein nicht lösen können. In Zukunft sollte die Regel gelten: einmal sozialer Woh­nungsbau, immer sozialer Woh­nungsbau.

Sie widmen den börsennotierten Wohnkonzernen und dabei speziell Vonovia und DW im ersten Teil Ihres Buch ausführliche Kapitel. Warum?

Vonovia ist der größte Player unter den börsennotierten Wohnimmobilienkonzernen. Größe ist ein entscheidender Konkurrenzvorteil auf dem Im­ mobilienmarkt. Deshalb ver­sucht die Vonovia schon seit ei­nigen Jahren, die DW zu über­ nehmen. Im Jahr 2015 hat die Vonovia es mit einer feindlichen Übernahme versucht, aber ist am Widerstand der DW geschei­tert. Zwischen den Chefs, Rolf Buch von Vonovia und Michael Zahn von DW, soll seitdem nicht das beste Verhältnis bestehen.

Warum scheiterte auch der zweite Fusionsversuch?

Im Mai 2020 startet die Vo­ novia einen neuen Versuch, aber diesmal mit einer freund­ lichen Übernahme, mit Zustim­ mung des DW­Vorstands. Die Vo­novia machte den Aktionären der DW ein Kaufangebot. Viele Investoren wollten das Ange­ bot annehmen. Allerdings gab es einige Hedgefonds, die sich gegen den Verkauf entschie­den. Offensichtlich spekulier­ten diese Hedgefonds auf ein höheres Angebot, aber Vonovia war nicht bereit, den Preis zu er­ höhen.

Sind die Fusionspläne damit vom Tisch?

Nein, obwohl die Übernahme abermals scheiterte, ließ Vono­via nicht locker und startete im August 2021 eine erneuten Über­nahmeversuch. Diesmal erhöhte der Bochumer Konzern das An­gebot. Am 20. September endet die Frist und dann werden wir sehen, ob diesmal die Hedge­fonds bereit sind zu verkaufen.

Die letzten 60 Buchseiten sind den Alternativen auf dem Wohnungsmarkt gewidmet. Welche Rolle spielt dabei die Kampagne DW enteignen?

Es handelt sich um die wich­tigste linke Kampagne der letz­ten Jahrzehnte. Sollte das Volks­begehren ein Erfolg werden, dann würde sich auf dem Ber­liner Immobilienmarkt tatsäch­lich einiges grundlegend zum Vorteil der Mietenden verbes­sern. Zudem könnte der Erfolg bundesweite Strahlkraft entfal­ten. Bisher regierte die neoli­berale Logik, nach dem Motto: Der Markt kann es besser als der Staat. Wenn diese Logik auf dem Immobilienmarkt zurückgewie­sen wird, könnten sich die Leute fragen: Ist es wirklich eine gute Idee, Gesundheit, Bildung, Ver­kehr, um nur einige zu nennen, zunehmend zu privatisieren?

Was wird von der Kampagne bleiben, wenn das Volksbegehren am 26.9. keine Mehrheit bekommt?

Auch wenn das Volksbegehren scheitern sollte, wäre die Kam­pagne nicht umsonst gewesen. Wenn beispielsweise 48 Prozent für die Enteignung der Immobi­lienkonzerne gestimmt hätten, das ist eine Größe in der Wäh­lerschaft, die man in der Politik nicht einfach ignorieren kann. Interview: Peter Nowak

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