NS-Geschichte in Dokumenten

Eine Trilogie erinnert an die braune Zeit in Berlin – ein Beitrag zum Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ mit dem 2013 an mehrere Jahrestage des Nazi-Terrors erinnert wird.

„Wer die Vergangenheit verstehen will, muss die zeitgenössischen Quellen im Original lesen. Nur so lässt sich direkt nachvollziehen, wie die Situation im jeweiligen Moment einer Entscheidung wahrnehmbar war, wie die Beteiligten die Situation subjektiv verstanden und mitgestalteten.“ Diese Sätze schrieb der Historiker Sven Felix Kellerhoff in der Einleitung des im Berlin Story Verlag erschienen Dokumentenbands „Das braune Berlin“.

Auf 366 Seiten werden hier Originaldokumente veröffentlicht, die zeigen, wie die NSDAP in Berlin von einer obskuren völkischen Splittergruppe zu einem Machtfaktor wurde. Der Band beginnt mit einem Ausschnitt aus dem von Goebbels im November 1933 herausgegebenen Bildband „Das erwachende Berlin“, in dem der frisch gekürte Reichspropagandaminister eine Kostprobe seiner Arbeitsweise gab. Dort ist von „braunen Kolonnen“ die Rede, die mit „Fanatismus und Glauben“ ein „neues deutsches Berlin“ schufen.

Als Jude und Sozialdemokrat das perfekte Feindbild

Ähnliche Töne finden sich in einem Bericht über die erste Fahnenweihe der NSDAP am 22. September 1923 in einem Stollen in Rüdersdorf bei Berlin. „Tiefer als die tiefste See ist die Liebe der Männer, die hier im Fels den Rütlischwur leisten wollen: für Deutschland, für ihren Führer.“ Eine verschworene kleine Truppe ergötzt sich an Mythen. Nichts lässt darauf schließen, dass dieses Splittergrüppchen zehn Jahre später die Macht in Deutschland übernehmen würde.

Wer die Dokumente studiert, kann nachvollziehen, wie Berlin braun wurde. Schon in den frühen 20er Jahren konferierten Vertreter bürgerlicher Verbände Berlins mit Hitler und informierten sich, wie er die ungeliebte Republik beseitigen und die Arbeiterbewegung zerschlagen wollte. Auch über die frühe Basisarbeit der NSDAP geben die Dokumente Aufschluss. So wurde 1926 eine Erwerbslosengruppe der Nationalsozialisten gegründet.

Gute Einblicke geben die Dokumente auch über die Zerwürfnisse, die die NSDAP mehrmals an den Rand der Spaltung führten. Am Beispiel der wesentlich von Goebbels initiierten Kampagne gegen den Berliner Polizeipräsidenten Bernhard Weiß, der für die Nazis als Jude und Sozialdemokrat das perfekte Feindbild darstellte, wird verdeutlicht, dass diese von Anfang an die Vernichtung ihrer Kontrahenten anstrebten.

„Das erwachende Berlin“

Die Quellen setzen trotz zahlreicher Kommentare und Erläuterungen ein gewisses Hintergrundwissen über die Geschichte jener Jahre voraus. Interessierte können in der Berliner Stadtbibliothek für intensivere Forschungen der NS-Geschichte auf einen dort bereit gestellten Handapparat zurückgreifen. Der Dokumentenband ist der erste von drei Büchern aus dem Berlin Story Verlag, die die NS-Geschichte in Dokumenten vermitteln.

Beim zweiten Buch handelt es sich um einen kommentierten Nachdruck des 1933 erschienenen NS-Propagandabuchs „Das erwachende Berlin“. Mit zahlreichen Collagen und mehr als 600 Bildern wird gezeigt, wie die Nazis mit Terror, Totschlag und Propaganda „den jüdisch-bolschewistischen Sumpf der verlorenen Hauptstadt Berlin trockenlegen“, wie sich Goebbels ausdrückte.

Die dritte Publikation mit dem Titel „Hitlers Terror in Berlin – die braune Gewalt in Bildern“ richtet sich in fünf Sprachen gedruckt an die zahlreichen Berlin-Besucher aus aller Welt. Die Trilogie ist ein Beitrag zum Themenjahr „Zerstörte Vielfalt“ mit dem 2013 an mehrere Jahrestage des NS-Terrors erinnert wird. So jährt sich in diesem Jahr zum achtzigsten Mal die Machtübertragung an die Nazis und zum fünfundsiebzigsten Mal die Reichspogromnacht.

Wieland Giebel (Hg.), Das braune Berlin, Berlin 2013, Berlin Story Verlag, 24,95 Euro;
Wieland Giebel (Hg.), Goebbels’ Propaganda, dto. 19,80 Euro,
Wieland Giebel (Hg.), Hitlers Terror in Berlin, dto. 9,80 Euro.

Peter Nowak

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