
Ein 1.650 Hektar großes Gelände in der Nähe von Nantes in der französischen Bretagne beschäftigt seit vielen Jahren Linksalternative und Klimaak- tivist*innen. In der überwiegend landwirtschaftlich genutzten Region sollte ein Flughafen gebaut werden. Der Plan wurde durch den Widerstand von Bewohner*innen der Region mit Unterstützung von Menschen aus vielen Ländern verhindert. Statt einem neuen Airport wird dort jetzt weiterhin Gemüse angebaut. Dieser erfolgreiche Kampf hat die beiden Politikwissenschaftler Michael Hirsch und Kilian Jörg zu einer Flugschrift inspiriert, in der sie dafür plädieren,…
… Zonen aufzubauen, in der nicht nur fossile Großprojekte verhindern werden, sondern eine kleinteilige naturverbundene Produktion aufgebaut wird. Hirsch und Kilian nennen diese Zonen »Flucht in die Zukunft« (S. 68), mit der die »Alternativlosigkeit des herrschenden Systems aufgebrochen werden könnte« (S. 69). Ihnen schwebt vor, dass in diesen Zonen verschiedene Tätigkeiten ausgeübt werden, die in der kapitalistischen Welt zu wenig Profit bringen, aber trotzdemlebensnotwendig sind. Damit sich hier nicht ein Armutssektor ausbreitet, sprechen sich die beiden Autoren für eine staatliche Förderung der ZADs (»Zone à défendre«, dtsch. »zu verteidigende Zone«) aus. Laut der Autoren sollte das Verhältnis Staat und Zivilgesellschaft nicht als Gegensatz begriffen werden. Sie schlagen vielmehr eine Kooperation zwischen Unterstützer*innen der ZADs und progressiven Parteien und Organisationen vor. Dabei wollen sie verhindern, dass es zu Konflikten zwischen Gruppen, die sich für dieses Konzept aussprechen, und prinzipiellen Gegner*innen jeder Zusammenarbeit mit dem Staat und seinen Apparaten kommt, wie es in der ZAD Notre Dames geschehen ist, nachdem die französische Regierung die Flughafenpläne 2018 aufgegeben hatte.
In einem Kapitel skizzieren die beiden Autoren die Konfliktlinien. Während viele Zadist*innen betonten, dass sie nicht nur einen Flughafen verhindern, sondern eine andere Welt errichten wollen und jegliche Kompromisse mit dem Staat ablehnten, wollten andere diese andere Welt im Kleinen aufbauen. »Die Mehrheit der Zadist*innen sprach sich dafür aus, die Verträge vordergründig anzunehmen, diese aber in einem elaborieren Prozess zu hacken und für ihre Zwecke umzuwidmen« (S. 106) – so wird das Ergebnis der Auseinandersetzung beschrieben. Leider erfährt man nicht, wie dieses Hacken der Verträge im Falle der ZAD Notre Dame konkret aussieht. Auch Bezüge zur Alternativbewegung finden sich im Buch kaum. In CONTRASTE und auch anderswo werden viele der von Hirsch und Kilian aufgeforderten Fragen seit Jahren diskutiert. Es ist zu wünschen, dass der Text auch von Menschen diskutiert und kritisiert wird, die schon in vielen Bereichen solche Alternativen aufzubauen versuchen, auch wenn sie sie nicht ZAD nennen sollten.
Peter Nowak