
In dem gut gestalteten Band sind auch elf Fotos dokumentiert, die die Solidari- tätsbewegung „Free Ella“ in Aktion zeigen. Ella beschreibt, wie ihr die Nachrichten, die sie davon im Knast erreichten, immer wieder Mut gaben, sich nicht unterkriegen zu lassen. Doch Ella blendet auch die Momente der Verzweiflung und Niedergeschlagenheit in Gefangenschaft nicht aus. Sehr gut beschreibt sie ihren Kampf um …
… vegane Ernährung hinter Gittern, der Ella viel Kraft kostete und sie gesundheitlich stark schwächte. Am Ende aber war sie an diesem Punkt erfolgreich. Heute gibt es auch veganes Essen hinter Gittern. Ella setzt sich in dem Text mit dem Vorwurf auseinander, ob sie schon zur Reformistin geworden ist, wenn sie sich für Alternativen zum Konsum von tierischen Produkten im Gefängnis einsetzt. Sie betont, dass sie weiterhin für die Abschaffung aller Knäste streitet, gibt aber auch zu bedenken, dass es auch heute schon darum gehen müsse, dass Leben all der Menschen erträglicher zu machen, die heute im Gefängnis (über) leben müssen. Ella spart auch nicht mit Kritik an solidarischen Menschen und Strukturen. So beklagt sie während ihrer Gefangenenschaft zu wenig in Solidaritätskampagnen einbezogen worden zu sein. Ihrem ersten Anwalt wirft sie vor,sie nicht rechtzeitig darüber informiert zu haben, dass ein Video existiert in dem zu sehen ist wie sie sich mit ihrem Knie gegen einen Polizisten wehrt, der sie im Hüttendorf festnehmen will. Der Streit führt sogar zum Anwaltswechsel. Nachdem Ella nach ihrer Verurteilung registrierte, dass die Solikampagne draußen nicht stark genug war ihre schnelle Freilassung durchzusetzen, war sie bereit, doch noch ihren Ausweis zu zeigen und damit vor den Behörden ihre Anonymität aufzugeben. Kurz danach wurde sie freigelassen. Als sinnlos sieht sie ihre lange Weigerung ihre Identität preiszugeben auch heute nicht an.
Der Prozess hatte für viele, die mit dem Kampf in Berührung kamen, die Bedeu- tung wahrer Gerechtigkeit aufgewühlt und sie mit einem klaren Fall von Ungerechtigkeit konfrontiert, der die Legitimität des gesamten Systems infrage stellte und den Glauben vieler, die dann die Möglichkeit und Vorstellungskraft für Alternativen öffnen mussten“ (S. 89). Ob Ella in dieser Einschätzung nicht zu optimistisch ist? In einer Anmerkung kommt auch die Rote Hilfe e.V. vor. Dabei geht es um finanzielle Unterstützung in den Knast, um sich bei- spielsweise besseres Essen zu kaufen. Ella schreibt da: „Ein Tipp, um finanzielle Hilfe zu erhalten, ist, sie von einer hilfsbereiten Einzelperson schicken zu lassen, da einige Organisationen, die politische Gefangene unterstützen, wie die ‚Rote Hilfe‘ als kriminelle Organisation gelten und zu unserem eigenen Besten gesperrt werden“ (S. 110). Da spricht natürlich nichts dagegen, von befreundeten Personen Spenden schneller zu bekommen. Doch da sollte der Hinweis nicht fehlen, dass sich Gefangene auch juristisch dagegen wehren können und sollten, wenn ihnen Spenden oder Post der Roten Hilfe e.V. vorenthalten werden. Das Buch soll eine Diskussion über widerstän- diges Verhalten hinter Gittern anregen. Denn hier wird klar, dass die kleinste Verbesserung der Lebensumstände nicht ohne Kampf und Widerstand durchzusetzen ist.
Die von Ella praktizierte Identitätsverweigerung sorgt auch in der Gefangenen- Solidaritätsbewegung für kontroverse Debatten. Auch diese Diskussion könnte durch Ellas Schrift auf neuer Grundlage weitergeführt werden. Strittig sind sicher auch einige der politischen Positionen der Autorin. Doch das Buch sollte vor allem als ein Plädoyer für eine Solidarität gegen Repression und Gefängnis über alle politischen Differenzen hinweg verstanden werden. . Peter Nowak
https://rote-hilfe.de/rote-hilfe-zeitung-3-2025