Jan Pehrke über 40 Jahre Zeitschrift »Stichwort Bayer«, Repressalien des Unternehmens und den Weg durch manche Krisen

»Aktionen alleine reichen nicht für Konzernkritik«

Unter dem Motto »Konzernmacht unter der Lupe« findet am 4. November im Stadtteilzentrum Bilk in Düsseldorf die Feier zum 40. Bestehen der konzernkritischen Zeitschrift »Stichwort Bayer". Jan Pehrke ist Mitglied im Vorstand der Coordination gegen Bayer-Gefahren. Das Interview mit ihm führte Peter Nowak.

Die Zeitschrift »Stichwort Bayer« feiert ihr 40-jähriges Jubiläum. Wie ist sie 1983 entstanden und wieso mit dem Schwerpunkt auf diesen Chemie- und Pharmakonzern?

… Die Zeitschrift ist als Mitteilungsorgan der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) entstanden, die sich 1978 nach einer Serie von Störfällen im Wuppertaler Bayer-Werk gegründet hatte. Die CBG gelangte damals zu der Einsicht, dass Aktionen allein nicht ausreichen, um Inhalte zu transportieren, sondern dass es eines eigenen Mediums bedarf, um sich Gehör zu verschaffen. Die Fixierung auf Bayer ergibt sich also aus der Geschichte der Coordination. Sie hat ihre konzernkritische Arbeit aber stets als beispielhaft aufgefasst. Zudem führen wir die anderen Unternehmen der Agro- und Pharma-Branche häufig mit an, da Bayer ja nicht im luftleeren Raum agiert.

Was waren die ersten Themen in der Zeitschrift?
Die ersten Themen waren Wasserverschmutzung durch Bayer, die von der Chemikalie PCB ausgehenden Gefahren, Menschenversuche in der Pharma-Forschung und Störfälle – also alles Themen, die auch heute noch nicht erledigt sind. Dies ist bezeichnend für die Entwicklung oder besser gesagt die Nicht-Entwicklung der Chemie-Industrie.

Wie waren die Kontakte zu den Gewerkschaften und den Bayer-Beschäftigten? Diese Kontakte gab es immer wieder, vor allem zu unabhängigen Betriebsratsgruppen wie den »Kolleginnen und Kollegen für eine durchschaubare Betriebsratsarbeit«. Diese Kontakte gestalteten sich mitunter auch schwierig, weil die Kollegen und Kolleginnen Druck von Bayer fürchten mussten. Auch mit Gewerkschaftern an ausländischen Standorten wie Antwerpen oder Elkhart in den USA kam es immer wieder zu Kooperationen, wenn Lohnkürzungen oder Werksschließugen anstanden. Als der Bayer-Konzern in seinen Niederlassungen auf den Philippinen gezielt Gewerkschafter rausschmiss, trug die CBG den Protest auf die Hauptversammlung des Unternehmens. Sie wollte im Jahr 2003 dort auch den damaligen Gewerkschaftsvorsitzenden José Fasundo sprechen lassen, aber die deutsche Botschaft in Manila stellte ihm das das Visum nicht rechtzeitig aus. Dafür ge- lang es, eine OECD-Beschwerde zu dem Fall einzubringen, der auch stattgegeben wurde. Noch schlimmer trieb es Bayer zur Zeit der Militärdiktatur in Brasilien. Dort warf das Unternehmen Gewerkschafter raus, die einen – schließlich von der Militärpolizei beendeten – Streik organisiert hatten. Die CBG half damals, eine Solidaritätskampagne zu organisieren, die zu vielen Wiedereinstellungen führte. Das »Stichwort Bayer« versuchte natürlich in allen Fällen nach Kräften für Publizität zu sorgen.

Gab es Repressionsversuche gegen die Zeitschrift und ihre Redakteur*innen?
Im Jahr 1990 mahnte Bayer ein Titelbild ab. Ansonsten konzentriert sich die Repression des Konzerns eher auf die CBG als Ganzes.

Viele der in den 1980er Jahren entstandenen linken Zeitungen wurden mittlerweile eingestellt. Wie konnte »Stichwort Bayer« überleben?

Die Zeitschrift war nicht als ein Projekt geplant, das sich selbst tragen muss, sondern es war in die Arbeit der Coordination eingebunden. Aber da sich die CBG als unabhängige Initiative ohne institutionelle Förderung nur durch Mitgliederbeiträge und Spenden finanziert und diese durch Corona sowie die beiden aktuellen Kriege ziemlich eingebrochen sind, ist es auch für die Zeitschrift nicht gerade einfach. In der Vergangenheit war sie schon einmal gezwungen, eine Beilage einzustellen, um Druckkosten zu sparen. Zum Glück existiert unser Förderkreis weiter, der uns schon durch so manche Krise getragen hat. Aber Geburtstagsgeschenke nehmen wir natürlich gerne entgegen.

Welche weiteren Pläne hat die Redaktion?

Weitere 40 Jahre zu überstehen.

Interview: Peter Nowak

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