Warum starb Burak B.?


Helga Seyb Mitarbeiterin der Berliner Opferberatung »Reach out«

nd: Vor einem Jahr wurde in Berlin Burak B. ermordet. Die Organisation Reach Out widmet sich der Opferberatung im Zusammenhang mit rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Berlin und beteiligt sich am Initiativkreis zur Aufklärung des Verbrechens. Was ist damals passiert?
Seyb: Der 22-jährige Mann wurde in der Nacht vom 4. zum 5. April 2012 auf offener Straße erschossen. Burak stand auf einer belebten Straße gegenüber dem Neuköllner Krankenhaus in einer Gruppe junger Männer, als nach Augenzeugenberichten ein etwa 40 bis 60 Jahre alter Mann gezielte Schüsse auf die Gruppe abgab. Zwei junge Männer wurden schwer verletzt, Burak starb noch am Tatort an einem Lungendurchschuss.

Warum ziehen Sie Parallelen zur NSU-Mordserie?
Es gab keinerlei Verbindung zwischen Opfern und Täter. Der Tat ging kein Wortwechsel oder Streit voraus. Der nach Angaben der Augenzeugen deutsche Täter hat kaltblütig und gezielt auf die Gruppe geschossen. Daher stellte sich schnell die Frage, ob die NSU-Mordserie als Vorbild für die Tat gedient hat. So wurde Burak B. kürzlich auf eine Liste von Personen gesetzt, bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Tod rechte Hintergründe hat.

Wie liefen die bisherigen Ermittlungen?

Die Polizei hat immerhin, anders als bei der NSU-Mordserie, nicht versucht, die Schuld bei den Opfern zu suchen. Andererseits erklärt die Polizei seit einem Jahr, dass sie in alle Richtungen ermittelt. Wir fragen uns, welche Richtungen das sind. Das Perfide ist, dass weder die Angehörigen noch die Freunde von Burak den Stand der Ermittlungen kennen. Die Tatsache, dass die Polizei den Mordfall kürzlich bei der Fernsehsendung XY-Ungelöst vorgestellt hat, deutet darauf hin, dass es bisher keine Ermittlungsergebnisse gibt. Die Angehörigen und die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf, über die Ermittlungsergebnisse informiert zu werden und zu erfahren, was die Polizei bisher unternommen hat.

Gibt es außer dem Verdacht, der sich aus dem Tathergang ergibt, Spuren in die rechte Szene?
Wir haben keine Informationen und wollen nicht spekulieren. Aber wir haben viele Fragen. So ist bekannt, dass es im Süden Neuköllns immer wieder zu Angriffen von Neonazis kommt. Am Abend des Mordes fand eine antifaschistische Informationsveranstaltung zu Naziaktivitäten im Süden Neuköllns statt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren bekannte und gewaltbereite Neonazis in der Gegend unterwegs. Wir fragen uns, ob die Ermittlungsbehörden hier einen Zusammenhang sehen.

Was ist zum Jahrestag des Mordes geplant?
Am 6. April ruft die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B. zu einer Demonstration auf. Damit wollen wir mit den Angehörigen und Freunden an Burak erinnern. Wir wollen verhindern, dass die Ermittlungen eingestellt werden und sein Tod in Vergessenheit gerät. Nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie haben wir uns als Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt oft die Frage gestellt, warum wir die ganzen Jahre über bei all den unaufgeklärten Morden nicht hellhörig geworden und an die Öffentlichkeit gegangen sind. Mit der Demonstration wollen wir deutlich machen, dass uns das nicht wieder passieren wird, dass wir nicht passiv bleiben.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/817646.warum-starb-burak-b.html
Fragen: Peter Nowak