In Polizeigewahrsam starb vor 16 Jahren Oury Jalloh. Am Donnerstag gedachten 350 Menschen seiner und weiterer Fälle von rassistischer Gewalt.

Denken an Oury Jalloh

„Für viele war es ein Bedürfnis, zum Jahrestag des Todes von Oury Jalloh auch im Lockdown antirassistischen Protest zu artikulieren“, erklärte Helga Seyb mit Verweis auf die ca. 350 KundgebungsteilnehmerInnen. Unverständnis äußerte Seyb, dass die Polizei mitten im Corona-Winter Festnahmen androhte, weil einige KundgebungsteilnehmerInnen zu wenig Gesicht zeigten.

Als Putztruppe betätigte sich die Polizei am Donnerstag gegen Mittag in der Berliner Luisenstraße. Dort hatten Unbekannte ein Straßenschild mit den Schriftzug Oury-Jalloh-Straße übersprüht. Während die Polizei das Straßenschild säuberte, bereiteten ganz in der Nähe Initiativen und Aktivist*innen vor der Landesvertretung von Sachsen-Anhalt ihre Kundgebung vor. Sie erinnerten an den Todestag von  …

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Eine lange Suche

VERBRECHEN Vor drei Jahren wurde der Deutschtürke Burak B. ermordet. Vom Mörder fehlt jede Spur. Kundgebung fordert Ermittlungen gegen rechts

„Burak am 5. 4. 2012 in Neukölln ermordet. Wir fordern Aufklärung!“, so lauten die Parolen an der Häuserwand in der Manteuffelstraße, Ecke Oranienstraße. Sie erinnern an den bis heute unaufgeklärten Mord an dem 22-jährigen Burak B., der sich bald zum dritten Mal jährt. „Findet den Mörder!“ lautet auch das Motto einer Kundgebung, die Angehörige und FreundInnen des Toten sowie antirassistische Initiativen am Sonntag um 14 Uhr in der Rudower Straße 51 organisieren.

Dort, gegenüber dem Krankenhaus Neukölln, stand Burak B. am frühen Morgen des 5. April 2012 in einer Gruppe junger Männer, als nach Berichten von AugenzeugInnen ein etwa 40 bis 60 Jahre alter Mann gezielte Schüsse auf die Gruppe abgab. Zwei junge Männer überlebten schwer verletzt, B. starb noch am Tatort an einem Lungendurchschuss. Die Polizei erklärt seitdem, dass sie in alle Richtungen ermittle, aber bisher keine heiße Spur habe. „Die Ermittlungen sollten sich gezielt auf die rechte Szene richten“, fordert Helga Seyb von der Organisation ReachOut, die Opfer rechter und rassistischer Gewalt betreut, gegenüber der taz. AktivistInnen, aber auch Familie und Freunde B.s vermuten eine rassistische Nachahmungstat nach den NSU-Morden. Burak sei ein halbes Jahr nach dem Auffliegen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) getötet worden. Auf Neonazi-Seiten wurde der Mord an B. außerdem bejubelt. Am 17. April soll die Tat in einen größeren politischen Zusammenhang gestellt werden. „Drei Jahre nach dem Mord an Burak und die Konsequenzen aus dem NSU“ heißt das Motto einer Diskussionsveranstaltung im Biergarten Jockel in der Ratiborstraße.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F04%2F04%2Fa0206&cHash=c056dc0a03ccb112a153ddcafe3ef087

Peter Nowak

Warum starb Burak B.?


Helga Seyb Mitarbeiterin der Berliner Opferberatung »Reach out«

nd: Vor einem Jahr wurde in Berlin Burak B. ermordet. Die Organisation Reach Out widmet sich der Opferberatung im Zusammenhang mit rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Berlin und beteiligt sich am Initiativkreis zur Aufklärung des Verbrechens. Was ist damals passiert?
Seyb: Der 22-jährige Mann wurde in der Nacht vom 4. zum 5. April 2012 auf offener Straße erschossen. Burak stand auf einer belebten Straße gegenüber dem Neuköllner Krankenhaus in einer Gruppe junger Männer, als nach Augenzeugenberichten ein etwa 40 bis 60 Jahre alter Mann gezielte Schüsse auf die Gruppe abgab. Zwei junge Männer wurden schwer verletzt, Burak starb noch am Tatort an einem Lungendurchschuss.

Warum ziehen Sie Parallelen zur NSU-Mordserie?
Es gab keinerlei Verbindung zwischen Opfern und Täter. Der Tat ging kein Wortwechsel oder Streit voraus. Der nach Angaben der Augenzeugen deutsche Täter hat kaltblütig und gezielt auf die Gruppe geschossen. Daher stellte sich schnell die Frage, ob die NSU-Mordserie als Vorbild für die Tat gedient hat. So wurde Burak B. kürzlich auf eine Liste von Personen gesetzt, bei denen der Verdacht besteht, dass ihr Tod rechte Hintergründe hat.

Wie liefen die bisherigen Ermittlungen?

Die Polizei hat immerhin, anders als bei der NSU-Mordserie, nicht versucht, die Schuld bei den Opfern zu suchen. Andererseits erklärt die Polizei seit einem Jahr, dass sie in alle Richtungen ermittelt. Wir fragen uns, welche Richtungen das sind. Das Perfide ist, dass weder die Angehörigen noch die Freunde von Burak den Stand der Ermittlungen kennen. Die Tatsache, dass die Polizei den Mordfall kürzlich bei der Fernsehsendung XY-Ungelöst vorgestellt hat, deutet darauf hin, dass es bisher keine Ermittlungsergebnisse gibt. Die Angehörigen und die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf, über die Ermittlungsergebnisse informiert zu werden und zu erfahren, was die Polizei bisher unternommen hat.

Gibt es außer dem Verdacht, der sich aus dem Tathergang ergibt, Spuren in die rechte Szene?
Wir haben keine Informationen und wollen nicht spekulieren. Aber wir haben viele Fragen. So ist bekannt, dass es im Süden Neuköllns immer wieder zu Angriffen von Neonazis kommt. Am Abend des Mordes fand eine antifaschistische Informationsveranstaltung zu Naziaktivitäten im Süden Neuköllns statt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit waren bekannte und gewaltbereite Neonazis in der Gegend unterwegs. Wir fragen uns, ob die Ermittlungsbehörden hier einen Zusammenhang sehen.

Was ist zum Jahrestag des Mordes geplant?
Am 6. April ruft die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak B. zu einer Demonstration auf. Damit wollen wir mit den Angehörigen und Freunden an Burak erinnern. Wir wollen verhindern, dass die Ermittlungen eingestellt werden und sein Tod in Vergessenheit gerät. Nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie haben wir uns als Beratungsstelle für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt oft die Frage gestellt, warum wir die ganzen Jahre über bei all den unaufgeklärten Morden nicht hellhörig geworden und an die Öffentlichkeit gegangen sind. Mit der Demonstration wollen wir deutlich machen, dass uns das nicht wieder passieren wird, dass wir nicht passiv bleiben.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/817646.warum-starb-burak-b.html
Fragen: Peter Nowak