„Ohne Chef arbeiten? Basisdemokratisch und selbstorganisiert? Wir wagen den Versuch, weil das für uns die einzig menschliche Art des Wirtschaftens ist.“ So heißt es in der Selbstdarstellung der „union coop“, einer Föderation, in der sich Betriebe zusammengeschlossen haben, die diesen Weg gehen. Seit Kurzem können über die Homepage https://www.union-coop.org Produkte aus Kollektivbetrieben gekauft werden. Peter Nowak sprach in Berlin für die Graswurzelrevolution mit Hansi Oostinga von der Union Coop über das Konzept.
GWR: Ist die Union-Coop die Konsumgenossenschaft der anarcho-syndikalistischen Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU)?
Hansi Oostinga: Eher das Äquivalent auf Seiten der Produktion: Es ist ein Zusammenschluss von gewerkschaftlichen Kollektivbetrieben, die sich auf Grundlage einiger Prinzipien zusammengeschlossen haben. Jedes Belegschaftsmitglied in einem union-coop-Betrieb hat die gleichen Rechte bei Entscheidungen.
Sind das nicht alte Ziele der Kollektivbetriebe?
Neu daran ist vermutlich, dass wir diese auf Grundlage verbindlicher Strukturen und in Anbindung an eine breitere Gewerkschaftsbewegung umsetzen wollen. Nicht in der Nische, sondern im Verbund mit anderen Kollektivbetrieben und der Basis-Gewerkschaft FAU suchen wir solidarisch mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Chef-Betrieben Antworten auf die vielfältigen Zumutungen der heutigen Wirtschaftsform.
Nach welchen Kriterien werden die Produkte ausgewählt, die dort verkauft werden?
Der „union coop // shop“ ist ein Kollektivbetrieb, der als ein Projekt aus diesem Zusammenschluss entstanden ist. Darüber sollen die Produkte der union coop-Betriebe und vergleichbarer Projekte aus dem Ausland sowie Gewerkschaftsmaterialien vertrieben werden.
Spielen auch ökologische Kriterien bei der Auswahl der Produkte eine Rolle?
Es ist eher ein Kollateraleffekt der selbstverwalteten Produktionsweise, dass wir relativ viele Bio-Produkte im Sortiment haben. Dort, wo Beschäftigte über die Produktion entscheiden, wollen sie in der Regel qualitativ hochwertig und nachhaltig produzieren. Dies ist wahrscheinlich efizienter als jedes Bio-Siegel.
Warum verkauft Ihr nun auch Tee aus Marseille?
Es war unserer Meinung nach längst überfällig, den Vertrieb von Scop Ti auch in Deutschland zu starten. Es ist nicht nur eine konkrete Solidarität für dieses beeindruckende Experi-ment eines von den Beschäftigen selbstverwalteten Betriebs, sondern auch als praktischer Ansatzpunkt für eine wirtschaftliche Gegenmacht zu verstehen. Zumal die Belegschaft einen ähnlichen Ansatz vertritt und sich nicht nur während des lang- jährigen Kampfes, sondern auch heute noch als Teil einer breiteren Bewegung positioniert. Ihr Kampf war auch immer ein gewerkschaftlicher Kampf mit der französischen Gewerkschaft CGT. Das hat sich bis heute nicht geändert, auch wenn sie, wie ein Kollege es ausdrückte, den Kapitalismus nicht überwunden haben durch ihren Kampf und heute mit seinen Vasallen spielen müssen.
Wie kam der Kontakt zustande?
Die Idee entstand auf dem 2. Euromediterranen Workers-Economy-Treffen im Herbst 2016 auf dem besetzten Betriebsgelände von Vio.Me. Das Treffen in der auch in Deutschland bekannten Fabrik am Stadtrand von Thessaloniki reihte sich in die Tradition mehrerer globaler undregionaler Treffen von besetzten bzw. durch die Belegschaften übernommenen Betrieben ein. Ein Ergebnis dieser Konferenz, an der auch andere selbstve waltete Betriebe, politische und gewerkschaftliche Gruppen teilnahmen, war die Erkenntnis, dass ein Schwachpunkt aller Fabriken der Vertrieb ist. Wir als Bewegung haben gerade im Zusammenspiel mit dem kämpferischen Teil der Gewerkschaften wesentlich mehr Möglichkeiten, hier eigene Strukturen aufzubauen.
Welche Produkte wollt Ihr noch anbieten?
Demnächst wird es neben den eher bekannten Produkten von Vio.Me auch Liköre aus der besetzten Fabrik Rimalow in Mailand und Öl aus einer von der Landarbeiter-Gewerkschaft SAT besetzten Finca in Andalusien geben.
Interview: Peter Nowak
Mehr über die Produkte der Union-Coop und der Bestellmöglichkeiten gibt es hier: https://www.union-coop.org/
Dieser Artikel erschien zuerst in der graswurzelrevolution Nr. vom Februar 2018