Es gibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb des AKW Fessenheim

Widerstand im Dreiländereck gegen ältestes französisches AKW

Elke Brandes ist Mitglied der Umweltorganisation BUND und gehört zum Organisations-Team der Tour de Fessenheim. Aufgerufen wird zu einer grenzüberschreitenden Demonstration gegen den Betrieb des Atomkraftwerkes im elsässischen Fessenheim, die an diesem Wochenende stattfindet.

Dem Atomkraftwerk (AKW) Fessenheim wurde vor wenigen Monaten bei einer 10-Jahres-Inspektion die Sicherheit für den weiteren Betrieb bescheinigt. Auch der neue französische Präsident François Hollande will den Meiler offenbar nicht vor 2017 stilllegen. Warum organisieren Sie weiter den Protest?

Elke Brandes: Jeder weitere Tag, an dem dieses Atomkraftwerk in Betrieb ist, birgt das Risiko eines Super-GAU wie in Fukushima. In der Region um Fukushima hatten die Menschen noch Glück im Unglück, denn es wehte meist ein Wind in Richtung Meer, der dafür sorgte, dass die Todeszone auf einen Radius von 30 bis 40 Kilometer beschränkt blieb. Bei einem Super-GAU im AKW Fessenheim würde bei den vorherrschenden Windverhältnissen nicht nur die Region um das nur 24 Kilometer entfernte Freiburg unbewohnbar, sondern selbst Stuttgart, Schwäbisch Hall und Nürnberg könnten für Jahrzehnte unbewohnbar werden. Das AKW Fessenheim enthält ein radioaktives Inventar, das 1.760 Hiroshima-Bomben entspricht.

Ein Tsunami dürfte am Oberrhein wohl ausgeschlossen sein. Was könnte nach Ihrer Ansicht einen Super-GAU im AKW Fessenheim auslösen?

Elke Brandes: Zunächst einmal: Es bedarf keiner Ursache von außen. Auch das AKW Fessenheim ist konstruktionsbedingt nur für eine Betriebsdauer von 25 Jahren ausgelegt. Diese Frist endete im Jahr 2002. Dabei wurden bereits in den ersten Jahren des Betriebs Risse in einem der beiden Reaktordruckbehälter und in dessen 54 Tonnen schwerem Deckel festgestellt. Der Reaktordeckel von Block 1 etwa wurde im Juli 1996 ersetzt – doch die Reaktordruckbehälter können nicht ausgetauscht werden. Dabei wird das Material durch den Neutronenbeschuss aus dem Kern immer brüchiger.

…und welche Risiken sehen Sie durch Erdbeben oder andere äußere Ursachen?

Elke Brandes: Das Rheintal ist eine geologische Bruchzone und daher Erdbebengebiet. Im Jahr 1356 wurde die von Fessenheim rund 35 Kilometer entfernte Schweizer Stadt Basel durch ein Erdbeben zerstört. Es handelte sich um das stärkste überlieferte Erdbeben in Mitteleuropa. Im Juni 2011 wurde durch ein Gutachten bestätigt, dass das am Rheinseitenkanal gelegene Atomkraftwerk nicht ausreichend gegen die Folgen eines Dammbruchs gesichert ist. Laut einer TV-Dokumentation auf France 2 hielt der Betreiber-Konzern einen internen Bericht zurück, in dem katastrophale Untersuchungsergebnisse über den Zustand des Rheinseitenkanals zu lesen sind. Und auch gegen einen möglichen Terrorangriff nach dem Vorbild des 11. September 2001 ist das Atomkraftwerk nicht ausreichend geschützt. Seine Betonhülle mit einer Stärke von 80 Zentimetern kann nicht einmal dem gezielten Absturz eines Cessna-Kleinflugzeugs standhalten. Dies sind nur drei Beispiele aus einer ganzen Reihe von nicht zu leugnenden Gefahren.

Wenn es so gefährlich ist, wie Sie darstellen, warum bleibt das AKW dennoch am Netz?

Elke Brandes: In einem Jahr wirft ein Reaktorblock durchschnittlich 300 Millionen Euro an Profit ab. Bei den zwei Reaktorblöcken des AKW Fessenheim sind dies also insgesamt rund 600 Millionen Euro im Jahr. Solange teure Nachrüstungen oder pannenbedingte Stillstandzeiten diesen Profit nicht minimieren, bleibt ein enormes ökonomisches Interesse am Weiterbetrieb. Bekanntlich unterstützt auch die französische kommunistische Gewerkschaft CGT den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Kürzlich wurde aufgedeckt, dass sich diese Gewerkschaft maßgeblich über Zuwendungen von Konzernen und insbesondere des französischen Stromkonzerns EdF finanziert.

Was unternimmt die Anti-AKW-Bewegung?

Elke Brandes: Elsässische, Nordschweizer und badische Anti-AKW-Initiativen treffen sich regelmäßig, um ihre Arbeit zu koordinieren. Dabei wird auch Wert gelegt auf die Unterstützung der Initiativen gegen die geplanten atomaren Endlager in Benken in der Nordschweiz, in Bure in Lothringen und in Gorleben im Wendland. Auch Kontakte zu Gruppen aus dem CASTOR-Widerstand werden gepflegt. Wichtig ist für uns zudem, dass in Baden-Württemberg die Atomkraftwerke Neckarwestheim und Philippsburg stillgelegt werden.

Neben Großdemonstrationen ist die „Tour de Fessenheim“, die wir in diesem Jahr zum siebten Mal organisieren, für uns eine Möglichkeit, das Bewusstsein für das sogenannte Restrisiko wachzuhalten und zugleich auf die gerade im hiesigen Dreieckland vielfältigen Initiativen zur Realisierung der Energiewende hinzuweisen: kleine Wasserkraftwerke, Windkraftwerke, Solarzellen, Sonnenkollektoren und so weiter. Für einen Atomausstieg, der auch in Deutschland erst noch erkämpft werden muss, ist nicht zuletzt entscheidend, ob wir den Umstieg auf die Vollversorgung durch erneuerbare Energien durchsetzen können.

http://www.heise.de/tp/artikel/37/37135/1.html
Peter Nowak