„Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“


Hessen: Linke und Grüne streiten über Polizeigewalt – und ein Veranstaltungsplakat

Ein Veranstaltungsplakat sorgt für Verstimmung zwischen den Grünen und der Linkspartei in Hessen. Wohl vor allem, weil es auf dem ersten Blick so aussieht, als wäre es eine Kopie alter Plakate der Ökopartei. Die viel persiflierte Parole „Wir haben die Welt von unseren Kindern nur geborgt“ wurde damals häufig verwendet. Doch der aktuelle Zusatz auf dem Plakat – „Wenn sie sie zurückfordern, hauen wir ihnen auf die Fresse“ – ist sogar damals den größten Zynikern nicht eingefallen.

Nun verwendet ihn die Linke, um auf den Polizeieinsatz während der Großdemonstration im Rahmen der Blockupy-Proteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt hinzuweisen, für den ihrer Meinung auch die Grünen in der Verantwortung stehen. Schließlich befindet die sich in Frankfurt/Main mit der CDU in einer Koalition. Deshalb fällt auch die Pressemitteilung der Grünen zum Polizeieinsatz während am 1. Juni erstaunlich zahm aus.

Obwohl schon lange die Verantwortung führender CDU-Politiker für den Polizeieinsatz diskutiert wird, sinnieren die Grünen über Differenzen zwischen dem hessischen Innenminister und dem Frankfurter Polizeipräsidenten nach.

Drohung mit Klage und anschließender Rückzieher

Wesentlich weniger gelassen reagierten die Grünen auf das Plakat der Linken zur Polizeigewalt. Manuel Stock, der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen, nennt gegenüber der Frankfurter Rundschau als Gründe für das Missfallen, das Plakat erwecke den Anschein von den Grünen zu sein. Zum anderen findet Stock die Botschaft doch „ziemlich befremdlich“.

Dass die Stadtregierung für Polizeigewalt verantwortlich sei, könne gar nicht sein. Schließlich seien die Beamten nicht der Stadt, sondern dem Land unterstellt. Und gerade beim Thema Blockupy hätten sich die Grünen eindeutig positioniert. Fragt sich nur in welche Richtung. Zumindest der Rechtspolitiker der hessischen Grünen Jürgen Frömmrich positionierte sich in einem Interview nahe bei der CDU und gab den Demonstranten die Hauptschuld an den Auseinandersetzungen.

Auch im Umgang mit dem Plakat der Linken machten die Grünen keine gute Figur. Überlegten sie doch zwischenzeitlich eine Klage dagegen, ließen diese Idee aber schnell wieder fallen. Vielleicht konnten sich manche Grünen der ersten Stunde noch daran erinnern, wie ein juristischer Feldzug gegen ein Plakatmotiv, das Polizeigewalt in Hessen anprangerte, zum Aufstieg der hessischen Grünen führte.

Es war der knüppelschwingende hessische Wappenlöwe, der in den Hochzeiten der Bewegung gegen die Startbahn West im Rhein-Main-Gebiet zu zahlreichen Strafverfahren und Hausdurchsuchungen auch in Büros der damaligen Grünen Partei geführt hat.

„Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt wird“

Ansonsten agieren alle politischen Parteien in Hessen nach dem bewährten Prinzip, Verantwortung dort einzufordern, wo sie in der Opposition sind. So fordern die Grünen im hessischen Landtag mittlerweile den Rücktritt des hessischen Innenministers, weil der Polizeieinsatz „völlig unverhältnismäßig war. Doch auch in dieser Presseerklärung versucht die Partei einer „kleinen Gruppe von Demonstranten“ eine Mitverantwortung zuzuschreiben.

Das Blockupy-Bündnis hingegen lehnt jede Spaltung in gute und böse Demonstranten ab. In einer Pressemitteilung wurden die Versuche des hessischen Innenministers zurückgewiesen, die eingekesselten Demonstranten als gewaltbereit hinzustellen und damit die Polizeimaßnahme im Nachhinein zu rechtfertigen.

„Für den Innenminister gilt offenbar: Gewaltbereit ist, wer von der Polizei eingekesselt und misshandelt wird. Folgt man dieser verdrehten, zutiefst autoritären Logik, sind die Opfer von Polizeigewalt per Definition Gewalttäter“, erklärt Roland Süß, der die globalisierungskritische Organisation Attac im Blockupy-Bündnis vertritt. Die Sozialdemokraten, die sich in Frankfurt/Main auch mal verbal gegen den Polizeieinsatz am 1. Juni empören, sorgten im hessischen Landtag dafür, dass es keinen Untersuchungsausschuss zum Blockupy-Einsatz geben wird.

Grüne und Linke stimmten dafür, doch ihnen fehlten für das notwendige Quorum von 25 Abgeordneten eine Stimme. Die Hoffnung, sie könnte von einen Sozen kommen, der seinen Gewissen und nicht der Parteidisziplin folgt, erfüllte sich nicht. Schließlich will die SPD nach der hessischen Landtagswahl im Herbst dort wieder die Regierung übernehmen, am liebsten gemeinsam mit den Grünen. Die Chancen dort sind höher als im Bund. Dann könnte für die nächsten Blockupy-Proteste der Innenminister einer rot-grünen Landesregierung verantwortlich sein. Da will man sich schon mal alle Optionen offen lassen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154559
Peter Nowak