Regina Scheer: Bittere Brunnen – Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution. Erschienen im Penguin Verlag, ausgezeichnet mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2023. Hardcover, rund 700 Seiten, zu haben für 30 Euro.

Hertha Gordon-Walcher: Reisende in Sachen Weltrevolution

Die Sozialistin Clara Zetkin ist als Vorkämpferin für Frieden und Frauenrechte im Gedächtnis geblieben. Weniger bekannt ist Hertha Gordon-Walcher, die Zetkin in Stuttgart nicht nur als Sekretärin zur Seite stand. Ein Buch erinnert nun an ihr bewegtes Leben.

Die 1933 verstorbene Sozialistin Clara Zetkin hat im vergangenen Jahr für Schlagzeilen gesorgt, weil Konservative versucht hatten, den Straßennamen, der in Tübingen an sie erinnert, mit einem brandmarkenden Knoten zu versehen. Für Zetkins Kritiker:innen war die Kommunistin und Freundin von Wladimir Iljitsch Lenin keine lupenreine Demokratin, eine Kennzeichnung sollte auf ihre vermeintlich problematischen Ansichten hinweisen (Kontext berichtete). Damit wäre Zetkin auf eine Stufe mit Nazis, Rassisten und Kolonialverbrechern gestellt worden, nach denen Tübinger Straßen benannt sind und deren Schilder nach den Vorschlägen einer Kommission mit Warnhinweisen versehen werden sollen. Doch nach monatelangen Debatten wurde der Angriff abgewehrt, das Straßenschild von Clara Zetkin bekam schließlich doch keinen Knoten. Auf SWR-Kultur widmete die Redakteurin Julia Haungs der Stuttgarter Sozialistin zum 90. Todestag ein Porträt, das ein anderes Bild von Zetkin zeichnet als die Tübinger Kommission: Hier wird Zetkin als Vorkämpferin für „Frieden und Frauenrechte“ gewürdigt. Auf einem der Fotos im SWR-Beitrag ist eine Frau …

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Lukas Meisner: Medienkritik ist links. Warum wir eine medienkritische Linke brauchen. Das Neue Berlin, 154 S., br., 16 €.

Linke Medienkritik: Jenseits von Lügenpresse

Lukas Meisner legt ein wichtiges Plädoyer für eine linke Medienkritik vor, versteigt sich jedoch in manch konservative Kulturkritik

Vielleicht finden sich im hinteren Winkel manches Kleiderregals in linken Hausprojekten noch T-Shirts mit der Parole »Taz lügt«. Vor 30 Jahren wollten sich Aktivist*innen der außerparlamentarischen Linken von den Grünen und den ihnen nahestehenden Medien abgrenzen. Ihre Parole war auch eine Antwort auf die Kampagne »Bild lügt«, die über Jahrzehnte von Linken und Linksliberalen unterstützt wurde. Indem auch die »Taz« mit dem unterkomplexen Vorwurf der Lüge belegt wurde, sollte deutlich gemacht werden, dass die wohlfeile Kritik am Springer-Konzern und seinen Zeitungen nicht ausreicht. Es brauchte, so viel schien der Linken klar zu sein, eine grundlegende Kritik der Medien in der kapitalistischen Gesellschaft. Es ist nicht verwunderlich, dass viele Linke an diese Parole heute nicht mehr erinnert werden wollen. Schließlich ähnelt sie dem auf rechtsoffenen Demonstrationen lauthals skandierten Vorwurf der Lügenpresse. Das Anliegen einer linken Medienkritik ist damit freilich nicht erledigt. Die Konsequenz kann nicht sein, die von rechts angegriffenen Medien umstandslos zu verteidigen. Daher ist es begrüßenswert, dass der Soziologe Lukas Meisner im Verlag Das Neue Berlin sein Buch …

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(Vorab aus telegraph #141/142. Der neue telegraph erscheint im Januar 2023)

Der heiße Herbst und die gesellschaftliche Linke

Seit einigen Jahren hoffen auch öfter linke Bewegungsaktivist*innen auf einen heißen Herbst und bemühen sich redlich darum, die Massen in Bewegung zu setzen. In den letzten 15 Jahren trugen die entsprechenden Kampagnen Namen wie „Wir zahlen nicht für Eure Krise“, Blockupy oder M31, um nur drei Labels zu nennen, die heute vielen nichts mehr sagen. Unter dem Namen „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ versuchten linke Gruppen in den Jahren 2009/2010 eine Mobilisierung gegen die damalige Finanzkrise zu befördern. Schnell stellte sich heraus, dass sich in Deutschland, dessen Wirtschaft von der Krise profitierte, wenig Widerstand entwickelte.

Es muss schon misstrauisch machen, wenn die Phrase vom „heißen Herbst“ gebraucht wird. Schließlich wird sie häufig vor Tarifauseinandersetzungen der DGB-Gewerkschaften verwendet und die sind selten heiß. Ausnahmen bestätigen die Regel. Seit einigen Jahren hoffen auch öfter linke Bewegungsaktivist*innen auf einen heißen Herbst und bemühen sich redlich darum, die Massen in Bewegung zu setzen. In den letzten 15 Jahren trugen die entsprechenden Kampagnen Namen wie …

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Studer Brigitte, Reisende der Welt­revolution. Eine Globalgeschichte der Kommunistischen Internationale, Suhr­kamp Taschenbuch, 2021, 30 Euro, ISBN 978­3­518­29929­6

Reisende der Weltrevolution

Spätestens seit 1989 sind wir mit einer Flut von Schriften konfrontiert, die die Oktoberrevolution und alles, was damit zusammenhängt, als von Beginn an falsch und verbrecherisch abqualifizieren. Da wird den Protagonist*innen jenes globalen sozialistischen Aufbruchs höchstens noch als mildernde Umstände zugute gehalten, dass sie Idealist*innen waren, die aber die Realität nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Besonders in der Kritik steht die Kommunistische Internationale (Komintern), die in der Regel immer mit dem Zusatz „von Moskau“ oder gleich „von Stalin gesteuert“ versehen wird. Das reicht für die meisten der heutigen Autor*innen, um sich damit nicht weiter befassen zu müssen. Die Beweggründe der vielen Menschen, die in der Komintern und ihrem Umfeld aktiv gewesen sind, werden dann meistens ignoriert.

Da ist die Schweizer Historikerin Bri­gitte Studer eine lobenswerte Ausnah­me. In ihrer im Suhrkamp­-Verlag veröf­fentlichten über 600­seitigen Geschichte der Komintern nimmt sie die Protagon­ist*innen ernst. „Weshalb engagieren sich Menschen als internationale Berufs­ revolutionäre, selbst auf die Gefahr hin, ihr Leben dabei zu verlieren? Weshalb wählten sie ein unsicheres, nomadisches Leben? Weshalb stürzten sie ihr ganzes Selbst in ein Leben für die Komintern?“ Diese Fragen …

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