»Es ist Dienstag, kurz vor 12 Uhr. Ich muss heute eine schwierige Prüfung schreiben, deshalb habe ich schlecht geschlafen. Als ich aus dem Bad komme, höre ich es auf dem Gang ›Polizei‹ rufen.« So schildert ein Bewohner des linksalternativen Wohnprojekts »Ludwigstraße 15« aus Tübingen, was er in den Mittagsstunden des 14. Februar erlebt hat. An diesem Tag hatte ein Großaufgebot der Polizei…..
„Protest nach Razzia bei Hausprojekt“ weiterlesenSchlagwort: Heike Hänsel
Polizei durchsucht Tübinger Wohnprojekt
Tübingen: Am Dienstag durchsuchte ein Großaufgebot der Polizei das selbstverwaltete Wohnprojekt Lu15 in der Tübinger Ludwigstraße. Anlass war ….
„Polizei durchsucht Tübinger Wohnprojekt“ weiterlesenAutoritärer Staat und Austerität
Die Reaktionen von Politik und Medien auf den Protesttag zeigen, dass die Angst davor wächst, dass diejenigen, die unter der Austeritätspolitik leiden, öfter in Deutschland ihren Protest ausdrücken könnten
Die Spuren des Blockupy-Aktionstages wurden in Frankfurt/Main schon längst beseitigt. Doch vor allem bei der konservativen Presse und Politik scheint die Tatsache, dass erstmals Menschen aus ganz Europa ihren Protestin in das Land getragen haben, das für die Austeritätspolitik hauptsächlich verantwortlich ist, doch für Beunruhigung gesorgt zu haben. Sie beginnen wohl zu begreifen, dass es mit der Friedhofsruhe hierzulande vorbei sein könnte, wenn die Menschen aus dem EU-Raum dort protestieren, wo die Verantwortlichen sitzen.
Da ist Frankfurt auf jeden Fall in einer Zeit eine gute Adresse, wo sich die Politik vor allem darum sorgt, wie es dem Dax geht und ob der Markt verschreckt wird, aber nicht, ob die Menschen noch ein Dach über den Kopf oder genug zu essen haben. Da wird seit Tagen in deutschen Medien darüber gerätselt, was es mit den Stinkefinger auf sich hat, den der heutige griechische Finanzminister vor Jahren als linker Oppositionspolitiker gezeigt haben soll, als er Deutschland erwähnte. Varoufakis Grundlagentext [1], in dem er sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus betätigt, um das Umkippen der Gesellschaft in die Barbarei zu verhindern, wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl er viel über seineheutige Politik sagt.
Auch die Studie [2] der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung über die Folgen der Austeritätspolitik für die Mehrheit der Menschen in Griechenland, die die Kritik des Blockupy-Bündnisses bestätigt, schafftees kaum in die Medien. „Der Austeritätskurs in Griechenland hat die Einkommen der privaten Haushalte in dem Krisenland drastisch einbrechen und die Armut ansteigen lassen“, lautet das Ergebnis.
Doch die Studie wird nicht dazu führen, dass sich Schäuble oder seine Unterstützer von der Austeritätspolitik distanzieren oder sie nur kritisch hinterfragen. Schließlich geht es ihnen um den Wirtschaftsstandort und nicht um Menschen. Distanzieren aber sollen sich jetzt die Organisatoren der Proteste zur EZB-Eröffnung, wenn es nach den Politikern einer ganz großen Koalition von Grünen bis zur Union geht. Sie griffen bei einer Debatte im Bundestag die Protestorganisatoren an. Zudem forderten sie von der Linken wieder einmal eine Distanzierung von Gewalt.
Straßenmilitanz in Kiew bejubelt, in Frankfurt/Main kriminalisiert
Doch als Katja Kipping, eine der Co-Vorsitzende der Linken dieser Aufforderung nachkam [3], war das nur ein Anlass für weitere Distanzierungsaufforderungen. Viel souveräner ging die Linksparteiabgeordnete Heike Hänsel mit denDistanzierungsforderungen um. Sie listete einige der Opfer der Austeritätspolitik auf und kam zu dem Schluss, „dass die Gewalt in erster Linie von der EZB ausgeht, nicht von ihren Kritikern“.
Besonders erbost reagiertendie Medien und viele Politiker als Hänsel daran erinnerte [4], dass militante Kämpfe gegen eine bürgerlich-demokratisch gewählte Regierung auch von Politikern der großen Koalition nicht immer abgelehnt werden. Als im letzten Jahr die Lage in Kiew eskalierte, waren sie des Lobes voll für die dortigen Straßenkämpfer und ihre Gewalt. Sie konnten sich ja sicher sein, dass dort keine Linken aktiv sind. Die Empörung, die Hänsel mit dieser simplen Erklärung, deren Realitätsgehalt niemand bestreiten kann, auslöste, zeigte, dass sie ins Schwarze getroffen hat. Erbost [5] reagierten die konservativen Medien darauf, dass das Blockupy-Bündnis deutlich machte, dass es sicher einzelne militante Aktionen ablehnt, sich aber einer Distanzierung verweigert.
Der deutsche Distanzierungszwang verhindert letztlich inhaltliche Auseinandersetzungen. Das Blockupy-Bündnis fordert diese ein und erteilt allen Spaltungsversuchen in gute und schlechte Demonstranten eine Absage. Sie verweisen darauf, dass sie nicht alle Aktionen billigen, aber die Wut der Menschen über die Folgen einer Politik, die ihnen Lebenschancen nimmt, verstehen können.
In der FAZ hingegen übt man sich nach den Protesten schon mal im Rundumschlag gegen alle, die sich zur EZB-Eröffnung überhaupt kritisch zu Wort melden. In einen Kommentar [6] werden Politiker von Linken und Grünen, aber auch Gewerkschaften heftig angegriffen und sogar ziemlich unverhohlen in die Nähe von Mord und Totschlag gerückt.
„Einem schwärmerischen Neunzehnjährigen mag man die Naivität durchgehen lassen, er habe doch nur demonstrieren wollen, den Wilkens und Genossen aber nicht. Sie wussten genau, was sie taten. Sie nahmen Tote in Kauf. Erst brennen die Streifenwagen, dann die Menschen“, lautet das letzte Kapitel im Kommentar. Es ist eindeutig, dass hier eine kritische Bewegung kriminalisiert werden soll.
„Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt den Planeten“
Offensiv hat die bekannte Publizistin und Kapitalismuskritikerin Naomi Klein [7], die in ihrem jüngsten Buch [8] über eine Kooperation zwischen Umweltbewegung und Kapitalismuskritik nachdenkt, den politischen Zusammenhang dargestellt. „Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt Planeten“, schrieb sie Institutionen wie der EZB ins Stammbuch. Diese betrieben eine Politik für Reiche, in ihr säßen „die wahren Randalierer“.
Damit hat auch Klein den weitgehend tabuisierten Zusammenhang hergestellt zwischen der hilflosen Gewalt der Opfer jener mächtigen Gewalt, die vielfältiger Weisein das Leben von Millionen eingreift. Es waren vor allem die Regelverletzungen bei den Protesten in Frankfurt/Main, die das Thema in die Medien brachte. Das erkannte auch der hochrangige Syriza-Politiker Giorgos Chondros [9], der an den Protesten teilnahm und von den Medien auch gefragt wurde, ob er die rund um die EZB brennenden Autos okay finde. Die Taz zitiert seine Antwort [10]: „Ja“, sagt Chondros. „Das ist gut für Medien. Was anderes wollen die ja nicht.“
Am Tag des Blockupy-Beitrags stieg der Dax einmal nicht und die Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks sprach davon, dass die Märkte beunruhigt seien. Zwei Tage später steigt der Dax wieder, die Märkte sind wieder zufrieden und die griechische Regierung wird von der Bundesregierung und den von ihr abhängigen Institutionen unter Druck gesetzt, das Land wieder unter ihr Kuratel zu stellen, also die Politik umzusetzen, die in Griechenland abgewählt wurde.
Obwohl die Dokumentation Troika – Macht ohneKontrolle [11] nachgewiesen hat, dass bei der Etablierung dieser Strukturen zahlreiche Gesetze und Bestimmungen verletzt wurden, wird gegen die dafür Verantwortlichen, an erster Stelle Wolfgang Schäuble, nicht gerichtlich ermittelt. FAZ und Co. klagen nicht darüber, dass diese Gesetzesbrecher noch im Amt sind. Zwei Tage nach den Protesten kündigt das Bundesinnenministerium den Aufbau einer weiteren Anti-Terror-Einheit an. Hier wurden wieder einmal lange in den Schubladen liegende Pläne rausgeholt, um den Weg in den autoritären Staat, der zur Austeritätspolitik passt, auch hier voranzutreiben.
http://www.heise.de/tp/news/Autoritaerer-Staat-und-Austeritaet-2581962.html
Peter Nowak
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Rettete Gysi die Linkspartei vor der Spaltung?
Die Realofraktion versuchte einen Durchmarsch, doch Gysi spielte vorerst noch nicht mit
Eigentlich war es um den Flügelstreik bei der Linkspartei in den letzten Monaten stiller geworden. Selbst Kritiker des gegenwärtigen Führungsduos bescheinigten Bernd Riexinger und Katja Kipping, dass sie es vermocht haben, der zerstrittenen Partei wieder gemeinsame Ziele zu vermitteln. Die Unterschiede in vielen Fragen sind damit nicht vom Tisch. Aber es ist ihnen gelungen, die Partei wieder auf die Fragen zu konzentrieren, bei denen es weitgehende Einigkeit gibt – und bei denen sie realen Einfluss nehmen kann. Das sind Kämpfe gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen und bestimmt nicht der Frieden im Nahen Osten.
Das hätten Inge Höger, Heike Hänsel und Annette Groth wissen müssen, als sie gegen den Willen und die Beschlusslage der Fraktion am 9. November ein Tribunal gegen Israel in Berlin veranstalten wollten und dazu einen kanadischen und US-amerikanischen Antizionisten einluden. Man kann den Abgeordneten glauben, dass sie den Termin nicht bewusst auf den Jahrestag der Reichspogromnacht gelegt haben. Doch scheinen sie sich auch ansonsten nicht viele Gedanken vor dem Treffen gemacht zu haben.
Wer das Video [1] über den Auftritt der bunt zusammen gewürfelten Gruppe bei Gysi gesehen hat, denkt eher an eine Folge von „Neues aus der Anstalt“ als an den Besuch einer Gruppe von parlamentarischen Israelkritikern, die sich bei Gysi darüber beschweren wollen, dass ihre Veranstaltungen abgesagt wurden. Hatte die Gruppe eigentlich vor dem Besuch darüber gesprochen, was sie dort erreichen und wie sie vorgehen wollten?
Es gab in den vergangenen Jahren immer wieder unangemeldete Blitzbesuche von Hausbesetzern oder Wagenplatzbewohnern bei Politikern, wenn Räumungen drohten. Die waren allerdings wesentlich besser vorbereitet als diese Gysi-Visite. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Abgeordneten ahnten, dass da etwas aus dem Ruder gelaufen ist. Warum aber wurde das Video dann trotzdem ins Netz gestellt? Das kann eigentlich nur die Tat von Personen sein, die die Gruppe nicht nur öffentlich diskreditieren, sondern auch den mühsam erkämpfen Parteifrieden zerstören wollen. Das ist gründlich gelungen.
„Ihr sprecht nicht für uns“
Wenige Tage nachdem das Gysi-Mobbing für Aufsehen sorgte, legte die Realofraktion [2] die Axt an die Parteieinheit. Ihr Aufruf unter den Titel „Ihr sprecht nicht für uns“ [3] hätte leicht als Dokument der Parteispaltung in die Geschichte eingehen können. Schon der Titel ist verräterisch. Denn tatsächlich war bereits klar, dass die genannten Bundestagsabgeordneten in vielen Fragen nicht im Namen der Unterzeichner des Aufrufs sprechen, in der Nahostfrage schon gar nicht.
Nur stand das nicht infrage und die Gescholtenen hatten auch gar nicht diesen Anspruch. Die Frage ist doch vielmehr, ob sie mit ihren Postionen für ihre Wähler und den Parteiflügel, den sie repräsentieren, sprechen. Die beiden linken Strömungen Sozialistische Linke [4] und Antikapitalistische Linke [5] haben sich in ihren Erklärungen [6] hinter die Kritisierten gestellt, was absehbar war.
So ging es bei dem Aufruf eben nicht darum, dass die Abgeordneten in der Nahostfrage nicht für die Realofraktion sprachen. Diese nutzte vielmehr den unprofessionellen Auftritt für den Versuch eines Durchmarsches. Sie wollte die Kooperation mit der Parteilinken aufkündigen. Dabei handelten die Parteirealos durchaus nicht ungeschickt.
Demnächst soll in Thüringen der erste Ministerpräsident der Linkspartei gewählt werden. Schon im Vorfeld verrenkt sich Bodo Ramelow so sehr, dass er sogar strukturelle Ähnlichkeiten des Geheimdienstes der DDR und des NS festzustellen [7] glaubt, ohne die nicht nur strukturellen, sondern auch personellen Verbindungen zwischen den Geheimdiensten des 3. Reiches und seines westlichen Nachfolgerstaates auch nur zu erwähnen.
Sollte Ramelow trotz durchaus noch möglicher Hindernisse seinen Traum, erster linker Ministerpräsidenten zu werden, realisieren können, wird die Zerreißprobe für die Partei erst beginnen. Denn dann muss er Bundeswehrempfängen ebenso seinen Segen geben wie den Treffen der verschiedenen Industrielobbygruppen. Schließlich geht es ja um den Standort Thüringen und dem ist jeder Ministerpräsident jenseits der unterschiedlichen Parteipolitik verpflichtet.
Ein linker Parteiflügel, der den Genossen Ministerpräsidenten dann immer wieder an das Parteiprogramm erinnert, wäre da nur hinderlich und könnte die Regierung des ersten linken Ministerpräsidenten in Turbulenzen bringen. Für den Realoflügel ist allerdings eine erfolgreiche linke Landesregierung ein Baustein für eine Regierungsbeteiligung auch auf Bundesebene. Das viel zitierte rot-rot-grüne Bündnis wird es nur geben, wenn eine solche Konstellation in Thüringen nicht schon in den ersten Wochen scheitert.
Die ehemalige PDS-Politikerin Angela Marquardt, die vor einigen Jahren zur SPD wechselte, wo sie deren Denkfabrik [8] leitet, machte im Jungle World-Interview [9] klar, dass ein solches Bündnis alle Reformen unter den Haushaltsvorbehalt stellen wird. Die von Kapitallobbygruppen geforderte und von der Politik umgesetzte Schuldenbremse wird von ihr nicht Infrage gestellt. Das macht deutlich, wie eng der Spielraum für Reformen in einer solchen linken Reformkoalition sein wird. Ein linker Parteiflügel, der immer wieder auf die Beschlüsse der Linkspartei hinweist, würde da nur stören. Deswegen wollte der Realoparteiflügel sich seiner entledigen, bevor die Generalprobe in Erfurt beginnt.
Gysi als Parteiretter
Ihr Kalkül hätte aufgeben können. Ein Großteil der Medien hätte, wie schon vor 30 Jahren bei den Grünen, auf Seiten der Realos gestanden. Der linke Flügel hätte die Legislaturperiode, unter welchem Label auch immer, zwar noch im Parlament gesessen, wäre aber von den Medien so nachdrücklich als Fundamentalisten denunziert worden, dass sie keine Wahlen hätten gewinnen können. Die Realofraktion hätte dagegen die Medien auf ihrer Seite gehabt.
Doch Gregor Gysi spielte dabei nicht mit und ließ die Realos scheitern. Nebenbei machte er aber auch klar, dass er mehr als Riexinger und Kipping das Zentrum der Partei ist. Er nannte den Realoaufruf interessant, schloss sich ihm aber nicht an und warnte davor, den internen Streit weiterzuführen. Damit verhinderte er eine Parteispaltung. Die wäre nicht zu verhindern gewesen, wenn sich Gysi auf Seiten der Realos gestellt und das nicht nur mit politisch klargestellt, sondern auch als Betroffener des unangemeldeten Besuchs argumentiert hätte.
Jetzt wird darüber spekuliert, ob sich die Parteirealos von Gysi verraten fühlen. Doch Gysi hat durch seine jüngste Parteirettung deutlich gemacht, dass in der Partei weiterhin ohne ihn nichts läuft. Seine Aktion wird sicher auch einen Preis haben. Es war schon deutlich, dass die Parteilinke in den letzten Tagen alles vermied, um Öl ins Feuer zu gießen.
Sollte es zu einer Ramelow-Regierung in Thüringen kommen, wird man das noch öfter erleben. Kommt sie nicht zustande oder scheitert schnell, dürften die Realos erneut den linken Flügel dafür verantwortlich machen und versuchen, ihn abzustoßen. Ob sich Gysi dann noch mal als Parteiretter erweist, ist fraglich.
http://www.heise.de/tp/news/Rettete-Gysi-die-Linkspartei-vor-der-Spaltung-2460561.html
Peter Nowak
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