In den meisten Medien ist der aufgelöste Palästina-Kongress auf die hinteren Seiten gerutscht und wird als polizeitaktisches Problem angesehen. Insofern können sich die repressiven Staatsapparate als Sieger sehen. Schließlich ging die Auflösung dieser Veranstaltung in deren Sinne reibungslos über die Bühne. Auch die Protestdemonstrationen gingen ohne …
„Einreise- und Sprechverbote: Deutschland als illiberale Demokratie“ weiterlesenSchlagwort: Yanis Varoufakis
Verbotener Palästina-Kongress: Die deutsche Staatsräson marschiert
Nur befreundeten Journalisten wollten die Organisatoren des …
„Verbotener Palästina-Kongress: Die deutsche Staatsräson marschiert“ weiterlesenDie deutsche Erpressungspolitik gegen Griechenland geht weiter
Unter Altmaier setzt sich fort, was Schäuble begonnen hat: eine Einmischungs- und Aufpasserpolitik, die das Aufkommen von Rechten in Kauf nimmt
Wenn heute von Politkern Reformen angemahnt oder gefordert werden, bedeutet das für die einkommensarmen Teile der Bevölkerung nichts Gutes. Das kann man im Inland seit mehr als 30 Jahren beobachten.
Noch in den 1970er Jahren waren Reformen mit der Strategie der Sozialdemokratie verbunden, schrittweise Verbesserungen für die Mehrheit der Menschen durchzusetzen. Seit den 1980er Jahren bedeuten Reformen die Zurichtung der Menschen auf die Interessen des Kapitals. Dieses Prinzip gilt im In- und auch im Ausland.
Die Bevölkerung in Griechenland macht schließlich seit 2015 die Erfahrung, wie das Diktat einer von ihr nicht gewählten EU-Troika unter der Federführung Deutschlands ihre Lebensbedingungen entscheidend verschlechtert. Dabei hatte eigentlich eine Mehrheit der griechischen Bevölkerung durch Wahlen und ein Referendum ein „Oxi“, also Nein, zu dieser Politik deutlich gemacht.
Doch die Troika zog die Daumenschrauben an und erreichte mit der Erpressung, dass der einst linkssozialdemokratische Ministerpräsident Tsipras das Gegenteil der Politik umsetzte, für die er ins Amt gewählt wurde. Mittlerweile ist es selbst Teilen der sozialdemokratischen Schwesternparteien peinlich, wie billig Tsipras und seine Partei ihre postulierten Grundsätze aufgegeben hat.
Manche fordern einen Ausschluss aus der Fraktion der Europäischen Linken. Die Verteidiger des Kurses von Tsipras verweisen auf die politische Niederlage, die die Partei und die Mehrheit der Bevölkerung im Sommer 2015 erlitten und die dazu geführt habe, dass die Regierung eine Politik umsetzen muss, von der sie selbst nicht überzeugt sei. Zudem äußern sie die Hoffnung, dass Griechenland das Schlimmste hinter sich habe und bei einer etwas verbesserten ökonomischen Situation den Druck der Troika vermindern könne.
Hoffnungen weckte auch der Rückzug des deutschen Langzeit-Finanzministers Schäuble von seinem Posten. Schließlich hatte der in den entscheidenden Wochen 2015 der griechischen Regierung die Pistole auf die Brust gesetzt – entweder raus aus der Eurozone oder Unterwerfung. Da nun die Mehrheit der Syriza-Leute eben auch nur Sozialdemokraten waren, die nur links blinkten, entschieden sie sich für die Unterwerfung.
Nach Schäuble spielt Altmaier den deutschen Aufpasser in Griechenland
Doch die Hoffnungen auf eine Milderung des Troika-Drucks nach Schäubles Rückzug vom Wirtschaftsministerium erweisen sich als verfrüht. Vor den Finanzministertreffen der EU in Brüssel, auf dem über weitere Hilfstranchen für Griechenland beraten wurde, machte Kanzleramtsminister Peter Altmaier deutlich, was er vom griechischen Protektorat erwartet.
Griechenland müsse alle Reformauflagen erfüllen, um weitere Gelder zu bekommen. Aber der deutsche Protektor belässt es nicht bei allgemeinen Appellen, sondern wird sehr konkret: Deutschland pocht vor allem darauf, dass die griechische Regierung ein System für Zwangsversteigerungen von Häusern und Wohnungen im Internet schafft. Was das für die Betroffenen bedeutet, erfährt man auf einem Blog, der untersucht, welche Folgen die Troika-Politik auf die Bevölkerung hat:
Bisher war die Praxis der Zwangsversteigerungen wegen Schulden an das Finanzamt eher „lethargisch“, da in allen Fällen – besonders „großer“ Schuldner – die programmierten Zwangsversteigerungen meistens fruchtlos verliefen. Und dies, weil auf Basis der „Verordnung über Beitreibung Öffentlicher Einnahmen“ und der griechischen Zivilprozessordnung das Mindestgebot obligatorisch der sogenannte Einheitswert der Immobilien war, was in diesem Fall als „Schutzschild“ wirkte und die „Krähen“ daran hinderte, sich die Immobilien der Steuerpflichtigen zu Spottpreisen „unter den Nagel“ zu reißen. All dies gehört nun jedoch der Vergangenheit an.
Griechenlandblog
Auf dem Blog wird auch erklärt, dass Griechenland entgegen der Hoffnung von Tsipras und Co. auch nach Auslaufen des Memorandums unter strenger Beaufsichtigung stehen wird, bis es zwei Drittel seiner Schulden getilgt hat.
Warum sich Yanis Varoufakis disqualifiziert hat
Die Verschuldung ist eine Methode, um Länder unter Kuratel zu stellen und zu entscheiden, welche Politiker dort noch eine Zukunft haben und welche nicht. Daran beteiligen sich auch regierungsnahe Journalisten wie Wilfried Loth, der in der FAZ kürzlich das neueste Buch des kurzzeitigen griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis rezensierte, das den Titel trägt: Die ganze Geschichte. Meine Auseinandersetzung mit Europas Establishment.
Dabei verschweigt Loth in der Rezension nicht, was die Absicht der deutschen Politik war.
Varoufakis’ Vertrauen in die Stärke des Schwachen ist umso erstaunlicher, als er deutlich sah, dass Wolfgang Schäuble als einer seiner stärksten Gegenspieler mit voller Absicht auf den Grexit zusteuerte. Ein Ende mit Schrecken war dem deutschen Finanzminister lieber als ein Schrecken ohne Ende: Nur so würden sich die anderen Krisenländer der Eurozone auf einen Stabilitätskurs verpflichten lassen.
Mit der Einschätzung, dass das Maßnahmenpaket nicht tragfähig war, das die Troika Ende Juni vorlegte, stimmte er ironischerweise mit Varoufakis überein. Nur zog er daraus eben den Schluss, dass Griechenland jetzt eine „Auszeit“ von der Währungsunion nehmen müsse, während Varoufakis immer noch hoffte, dies verhindern zu können.
Rüdiger Loth, Allein gegen die Troika
Doch Loth kritisiert nun mit keinen Wort dieses antidemokratische Diktat sondern Yaroufakis, weil er nicht die nötige Demut gegenüber dem deutschen Protektor gezeigt hat.
Schade eigentlich. Varoufakis’ enormer finanzpolitischer Sachverstand, der in dem Bericht auch aufscheint, sein Erfindungsreichtum und seine Energie im Kampf gegen griechische Oligarchen und griechischen Klientelismus könnten bei der Überwindung der griechischen Schuldenkrise immer noch hilfreich sein. Die Polemik, mit der er seinen Bericht umrahmt, disqualifiziert ihn freilich für eine solche Rolle.
Rüdiger Loth, FAZ
Geschichtsvergessene Einmischung in die Politik eines anderen Landes
Da ist das Bedauern herauszuhören, dass ein Mann mit einer solchen Begabung wie Varoufakis nicht oder zu wenig für die deutschen Interessen arbeitet. Dass er es auch noch wagt, deutsche Politiker und ihre Hiwis von der Troika zu kritisieren, disqualifiziert ihn in den Augen von Loth für ein politisches Amt in Griechenland. Auf den Gedanken, dass darüber doch eigentlich die griechischen Wähler entscheiden müssten, kommt Loth gar nicht.
Was für eine Geschichtsvergessenheit gegenüber einem Land, das die deutsche Besatzung mit besonderer Grausamkeit zu spüren bekommen hat! Von Deutschlands Schulden wegen nicht gezahlter Reparationen und nicht zurückgezahlter Kredite wagt in Griechenland schon gar niemand mehr zu reden. Das blieb den wenigen Wochen im Frühjahr und Frühsommer 2015 vorbehalten, als die neugewählte griechische Regierung in Einklang mit der Bevölkerungsmehrheit und bestätigt durch Wahlen und ein Referendum es wagte, sich dem europäischen Hegemon Deutschland zu widersetzen.
Mittlerweile haben sich viele aus der enttäuschen griechischen Bevölkerung wieder nationalistischen Themen zugewandt und gehen massenhaft dafür auf die Straße, dass sich das Nachbarland Mazedonien nicht so benennen darf (siehe Namensstreit um Mazedonien: Ausnahmezustand wegen Großdemonstration in Athen). Und die in der Demonstration mit marschierenden Nazis greifen anschließend linke Zentren an.
Dieser Anstieg der Rechten ist auch ein zumindest in Kauf genommener Effekt des Austeritätsdiktats der EU-Troika. Kurz nach der Regierungsübernahme von Syriza wurde ein Troika-Vertreter aus dem Land geschickt. Das war ein Zeichen von Souveränität. Als die Troika-Vertreter zurückkamen, war die Niederlage von Syriza besiegelt. Doch wer klagt jene EU-Politiker – die aus Deutschland an erster Stelle – an, die sich seit Jahren bis heute in die Politik eines souveränen Staates Griechenland einmischen und die Wahlergebnisse ebenso ignorieren wie Ergebnisse von Referenden?
In den USA wurden nun russische Einzelpersonen und Institutionen wegen Einmischung in die Politik des Landes angeklagt .Was ihnen vorgeworfen wird, ist harmlos gegenüber der Einmischung der EU-Troika und besonders Deutschlands in die griechische Innenpolitik.
Diese Mächtigen denken gar nicht daran, dass Griechenland in der Lage sein könnte, diese Politiker und Bürokraten anzuklagen. Und welches Gericht würde eine solche Anklage annehmen? Schließlich ginge es ja hier um die Anklage einer jahrelangen politischen Praxis und wäre nicht Teil eines Theaters wie die Klagen gegen Russland in den USA.
https://www.heise.de/tp/features/Die-deutsche-Erpressungspolitik-gegen-Griechenland-geht-weiter-3973857.html
Peter Nowak
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[1] https://www.kleinerbuchladen.de/shop/rainer-balcerowiak-die-heuchelei-von-der-reform
[2] https://www.dielinke-europa.eu/de/article/8985.gue-ngl-die-fraktion-der-linken-im-europaeischen-parlament.html
[3] https://peteraltmaier.de/
[4] http://www.deutschlandfunk.de/griechenland-altmaier-fordert-einhaltung-von-reformzusagen.1939.de.html?drn:news_id=852491
[5] http://www.griechenland-blog.gr/
[6] http://www.griechenland-blog.gr/2017/08/griechenlands-finanzaemter-sollen-immobilienvermoegen-pluendern/2140507/
[7] http://www.griechenland-blog.gr/2017/08/griechenlands-finanzaemter-sollen-immobilienvermoegen-pluendern/2140507/
[8] http://www.griechenland-blog.gr/2018/02/griechenland-es-gibt-ein-leben-auch-ohne-kruecken/2141902/
[9] https://www.yanisvaroufakis.eu/
[10] https://www.kunstmann.de/buch/yanis_varoufakis-die_ganze_geschichte-9783956142024/t-0/
[11] http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/yanis-varoufakis-die-ganze-geschichte-15433969-p2.html
[12] http://www.faz.net/aktuell/politik/politische-buecher/yanis-varoufakis-die-ganze-geschichte-15433969-p2.html
[13] https://www.heise.de/tp/features/Namensstreit-um-Mazedonien-Ausnahmezustand-wegen-Grossdemonstration-in-Athen-3960105.html
[14] http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/30837
Bundestag rettet Griechenland wieder einmal
Während die außerparlamentarische Linke in Deutschland weiter über Niederlagen diskutiert, wächst im Ausland die Kritik an der deutschen Hegemonie in Europa
Von Anfang war klar, dass eseine parlamentarische Mehrheit für die Aufnahme neuer Verhandlungen über ein neues Finanzpaket an Griechenland geben würde. Dazu traf sich der Bundestag zu einer Sondersitzung [1]. Tatsächlich bekam das euphemistisch Stabilitätshilfe zugunsten Griechenland gennannte Paket [2] eine Mehrheit von 439 Abgeordneten, 119 stimmten mit Nein und 40 enthielten sich.
Die Frage, wie viele Nein-Stimmen aus dem Regierungslager kamen, beschäftigte dann auch sofort die Kommentare. Schließlich war mit 60 Nein-Stimmen die Zahl der Gegner in der Union deutlich gewachsen. Dabei war allerdings den Gegnern der Vorlage klar, dass die Befürworter in der Mehrheit sind. So ist das Nein vor allem eine Warnung an Griechenland, sich noch mehr dem EU-Diktat zu unterwerfen und keinerlei Kritik mehr zu äußern.
Schon monieren Medien in Deutschland, dass Tsipras zwar das Abkommen im Athen verteidigt hat, aber auch klar machte, dass es eine Erpressung ist. Da fehlte manchen das Maß an innerer Unterwerfung. Daher wird noch immer über eine baldige Ablösung von Tsipras laut nachgedacht. Auch Merkel beflügelte sie in ihrer Rede im Parlament, wo in Frage stellte, ob Griechenland die Kraft habe wird, den von Deutsch-Europa vorgezeichneten Weg weiterzu Ende zu gehen.
Zu den Nein-Stimmen gehörte auch der SPD-Spitzenpolitiker Peer Steinbrück. In seiner Erklärung mischen sich wie bei vielen Grexit-Befürwortern in Deutschland richtige ökonomische Erkenntnisse mit Angriffen auf die griechische Regierung. Aus den Reihen der Grünen Bundestagsfraktion, die sich vehement für ein Halten Griechenlands im Euro aussprach, gab es zahlreiche Enthaltungen.
Gregor Gysi von der Linkspartei gab sich als gelernter Dialektiker [3]. Der führende Linksparteipolitker hätte in Athen dafür gestimmt. In Berlin hat er mit fast der gesamten Linksparteifraktion gegen das neue Paket gestimmt. Nur der Realo Stefan Liebich scherte [4] aus und stimmte für das Paket. Die Vermutung seiner Kritiker, dass er sich noch gerne als sozialdemokratischer Außenminister in Spe sieht, konnte er damit nicht wiederlegen.
Die Linkssozialdemokraten waren sich dieses Mal also fast einig. Doch Gysis Statement birgt Streit im Detail. Er verortet sich in Griechenland auf Seiten des realpolitischen Tsipras-Flügels von Syriza, der bekundet hat, von der EU erpresst worden zu sein und jetzt vehement einem Finanzpaket zustimmt, das nicht nur von einer Mehrheit der griechischen Bevölkerung beim Referendum vor zwei Wochen abgelehnt wurde. Er hält es auch selber sowohl politisch als auch ökonomisch für falsch. Damit ist sich Tsirpas einig mit bekannten Ökonomen von Paul Krugman bis Thomas Picketty, die alle vom Standpunkt der ökonomischen Vernunft argumentierten und die lag nun mal eindeutig bei den Vorschlägen der griechischen Regierung.
„Ein verschuldeter Staat braucht einen Schuldenschnitt“
In der Bundestagsdebatte brachte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linkspartei Sahra Wagenknecht diese kapitalistische Logik noch einmal auf den Punkt: „Ein verschuldeter Staat braucht nicht neuer Kredite, sondern einen Schuldenschnitt.“ Diese Forderung ist schon alt und wird von der von vielen NGOs und christlichen Initiativen getragenen Erlassinitiative [5] vertreten, die in London auch die Streichung griechischer Schulden forderte [6].
In Berlin gab es auch kleinere Proteste einer wesentlich durch das vom Blockupy-Bündnis [7] getragenen außerparlamentarischen Griechenland-Solidarität [8]. Bereits am vergangenen Mittwoch zogen ca. 1500 Menschen zum Sitz des Bundesfinanzministeriums, um ihre Proteste gegen die Rolle des dortigen Amtsinhabers auszudrücken. Zu der Aktion wurde ausschließlich über Facebook [9] aufgerufen. Zuvor hatten bei einer Veranstaltung [10]der Blockupy-Aktivisten ihre Erlebnisse auf einer Griechenlandreise geschildert. Sie berichteten über die Euphorie und die Hoffnungen, die nach dem eindeutigen Nein beim Referendum in großen Teilen der Bevölkerung zu spüren waren. Wenige Tage später folgte die große Enttäuschung, als der griechische Ministerpräsident an Deutsch-Europa scheiterte. Auf den Veranstaltungen und Aktionen der letzten Tage zu Griechenland wurde viel mit Begriffen wie einem Staatsstreich reagiert.
Deutschland ist das Problem
Bei den jungen Linken, diesich mit dem Wahlsieg von Syriza politisiert hatten,sind die aktuellen Ereignisse besonders schmerzhaft. Schließlich war damit die Hoffnung verbunden, in Europa könnte sich ein sozialeres Wirtschafts- und Gesellschaftssystem über Wahlen und eine starke außerparlamentarische Bewegung, die eine linke Regierung kritisch begleitet, umsetzen.
Griechenland sollte als schwächstes Kettenglied den Vorreiter spielen, Spanien und vielleicht Italien sollte folgen und am Ende könnte es sogar in Deutschland mit der vielzitierten aber selten bewiesenen Mehrheit links von der Union noch etwas werden. Die letzten Wochen zeigten nun deutlich, dass dieses Modells einer neuen Sozialdemokratie an Deutschland scheitert. Dabei ist Finanzminister Schäuble der Kopf der neuen Heiligen Allianz. Das machte der zurückgetretene griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Interview [11] mit einer britischen Zeitung, das das Neue Deutschland nachdruckte, noch einmal deutlich.
Dabei geht Yanis Varoufakis auch auf das Agieren derEurogruppe ein. Auf die Frage des Journalisten, ob „diese Gruppe von der deutschen Position dominiert“ wird, sagte der Ex-Minister: „Komplett und restlos. Aber nicht von Einstellungen – sondern vom deutschen Finanzminister. Es funktioniert alles wie in einem gut abgestimmten Orchester, in dem er der Dirigent ist. Alles passiert in Abstimmung miteinander. Es gibt Momente, in denen das Orchester verstimmt ist, aber er holt es zusammen und bringt es zurück auf Linie.“
Doch der SPD-Vorsitzende Gabriel hat sich in den vergangenen Wochen redlich bemüht, Schäuble noch rechts zu überholen. Damit wurde nun auch dem größten Realpolitiker deutlich, dass es vorerst mit rot-rot-grünen Regierungsspielchen [12] vorerst nichts wird. Nun beginnt in der Solidaritätsbewegung die Diskussion [13] über das Verhalten der griechischen Regierung, aber auch über die Niederlage der Kräfte, die weitergehende politische Hoffnungen mit dem Wahlerfolg von Syriza verbunden [14] hatten.
Schon melden sich in der außerparlamentarischen Linken Stimmen zu Wort, die daraus die Konsequenz ziehen, noch mehr auf sozialdemokratische Realpolitikzu setzen. Der Philosoph Thomas Seibert, der sowohl in deraußerparlamentarischen Interventionistischen Linken wie im sozialdemokratischen Institut der Moderne aktiv [15] ist, lieferte mit seiner Polemik [16] gegen die linken Grexit-Befürworter auch eine Absage an einen grundlegenden gesellschaftlichen Bruch. Statt Argumente zu liefern, bleibt Seibert bei nicht bewiesenen Schreckensszenarien.
Ein Referent der Blockupy-Delegation in Griechenland begründete das Einknicken der griechischen Regierung vor der Deutsch-EU mit Tausenden Leben, die in Gefahr gewesen wären. Auch hier wurde nicht begründet, wie er zu solchen Aussagen kommt.Besonders bei den Ausführungen von Seibert erstaunt, dass die soziale Bewegung in Griechenland überhaupt nicht vorkommt. Dabei hat sie am Abend des Referendums die Straßen Athens gefüllt und siehätte auch einen Umschwung in der diffusen Pro-EU-Haltung in Teilen der Bevölkerung bewirken können, wenn die griechische Regierung mit der Position in die Verhandlungen mit der EU gegangen wäre, Griechenland im Euro zu halten zu versuchen, aber nicht um jeden Preis.
Die soziale Dynamik, die ein solcher Schritt nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Ländern der europäischen Peripherie hätte haben können, kommt ausgerechnet in der Erklärung des Aktivisten der außerparlamentarischen Linken gar nicht vor. Da bleibt nur die Flucht in die ominöse solidarische Moderne, die in der realen Politik der SPD wohl kaum zu finden sein dürfte.
Erster Deutschlandboykott angekündigt
Während die außerparlamentarische Linke in Deutschland weiter in der Defensive ist und im Parlament über Deutschlands Schulden [17] bei Griechenland bei der aktuellen Debatte nicht geredet wurde, wächst im Ausland die Wut gegen Deutschlands Rolle im Streit um Griechenland.
Der italienische Schriftsteller und Wissenschaftler Franco Berardi [18] hat angekündigt [19], Deutschland nicht mehr zu betreten, und deshalb die schon zugesagte Teilnahme an einem Literaturfestival abgesagt. Als Sohn eines italienischen Antifaschisten, der 1943 verhaftet und in Nazigefängnissen festgehalten wurde, könne er in diesem Moment nicht nach Deutschland reisen, erklärte Berardi. In seiner Absagebegründung lieferte er eine Kritik an Deutschland, wie man sie hierzulande selbst von deraußerparlamentarischen Opposition kaum hört.
Peter Nowak
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Autoritärer Staat und Austerität
Die Reaktionen von Politik und Medien auf den Protesttag zeigen, dass die Angst davor wächst, dass diejenigen, die unter der Austeritätspolitik leiden, öfter in Deutschland ihren Protest ausdrücken könnten
Die Spuren des Blockupy-Aktionstages wurden in Frankfurt/Main schon längst beseitigt. Doch vor allem bei der konservativen Presse und Politik scheint die Tatsache, dass erstmals Menschen aus ganz Europa ihren Protestin in das Land getragen haben, das für die Austeritätspolitik hauptsächlich verantwortlich ist, doch für Beunruhigung gesorgt zu haben. Sie beginnen wohl zu begreifen, dass es mit der Friedhofsruhe hierzulande vorbei sein könnte, wenn die Menschen aus dem EU-Raum dort protestieren, wo die Verantwortlichen sitzen.
Da ist Frankfurt auf jeden Fall in einer Zeit eine gute Adresse, wo sich die Politik vor allem darum sorgt, wie es dem Dax geht und ob der Markt verschreckt wird, aber nicht, ob die Menschen noch ein Dach über den Kopf oder genug zu essen haben. Da wird seit Tagen in deutschen Medien darüber gerätselt, was es mit den Stinkefinger auf sich hat, den der heutige griechische Finanzminister vor Jahren als linker Oppositionspolitiker gezeigt haben soll, als er Deutschland erwähnte. Varoufakis Grundlagentext [1], in dem er sich als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus betätigt, um das Umkippen der Gesellschaft in die Barbarei zu verhindern, wird kaum zur Kenntnis genommen, obwohl er viel über seineheutige Politik sagt.
Auch die Studie [2] der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung über die Folgen der Austeritätspolitik für die Mehrheit der Menschen in Griechenland, die die Kritik des Blockupy-Bündnisses bestätigt, schafftees kaum in die Medien. „Der Austeritätskurs in Griechenland hat die Einkommen der privaten Haushalte in dem Krisenland drastisch einbrechen und die Armut ansteigen lassen“, lautet das Ergebnis.
Doch die Studie wird nicht dazu führen, dass sich Schäuble oder seine Unterstützer von der Austeritätspolitik distanzieren oder sie nur kritisch hinterfragen. Schließlich geht es ihnen um den Wirtschaftsstandort und nicht um Menschen. Distanzieren aber sollen sich jetzt die Organisatoren der Proteste zur EZB-Eröffnung, wenn es nach den Politikern einer ganz großen Koalition von Grünen bis zur Union geht. Sie griffen bei einer Debatte im Bundestag die Protestorganisatoren an. Zudem forderten sie von der Linken wieder einmal eine Distanzierung von Gewalt.
Straßenmilitanz in Kiew bejubelt, in Frankfurt/Main kriminalisiert
Doch als Katja Kipping, eine der Co-Vorsitzende der Linken dieser Aufforderung nachkam [3], war das nur ein Anlass für weitere Distanzierungsaufforderungen. Viel souveräner ging die Linksparteiabgeordnete Heike Hänsel mit denDistanzierungsforderungen um. Sie listete einige der Opfer der Austeritätspolitik auf und kam zu dem Schluss, „dass die Gewalt in erster Linie von der EZB ausgeht, nicht von ihren Kritikern“.
Besonders erbost reagiertendie Medien und viele Politiker als Hänsel daran erinnerte [4], dass militante Kämpfe gegen eine bürgerlich-demokratisch gewählte Regierung auch von Politikern der großen Koalition nicht immer abgelehnt werden. Als im letzten Jahr die Lage in Kiew eskalierte, waren sie des Lobes voll für die dortigen Straßenkämpfer und ihre Gewalt. Sie konnten sich ja sicher sein, dass dort keine Linken aktiv sind. Die Empörung, die Hänsel mit dieser simplen Erklärung, deren Realitätsgehalt niemand bestreiten kann, auslöste, zeigte, dass sie ins Schwarze getroffen hat. Erbost [5] reagierten die konservativen Medien darauf, dass das Blockupy-Bündnis deutlich machte, dass es sicher einzelne militante Aktionen ablehnt, sich aber einer Distanzierung verweigert.
Der deutsche Distanzierungszwang verhindert letztlich inhaltliche Auseinandersetzungen. Das Blockupy-Bündnis fordert diese ein und erteilt allen Spaltungsversuchen in gute und schlechte Demonstranten eine Absage. Sie verweisen darauf, dass sie nicht alle Aktionen billigen, aber die Wut der Menschen über die Folgen einer Politik, die ihnen Lebenschancen nimmt, verstehen können.
In der FAZ hingegen übt man sich nach den Protesten schon mal im Rundumschlag gegen alle, die sich zur EZB-Eröffnung überhaupt kritisch zu Wort melden. In einen Kommentar [6] werden Politiker von Linken und Grünen, aber auch Gewerkschaften heftig angegriffen und sogar ziemlich unverhohlen in die Nähe von Mord und Totschlag gerückt.
„Einem schwärmerischen Neunzehnjährigen mag man die Naivität durchgehen lassen, er habe doch nur demonstrieren wollen, den Wilkens und Genossen aber nicht. Sie wussten genau, was sie taten. Sie nahmen Tote in Kauf. Erst brennen die Streifenwagen, dann die Menschen“, lautet das letzte Kapitel im Kommentar. Es ist eindeutig, dass hier eine kritische Bewegung kriminalisiert werden soll.
„Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt den Planeten“
Offensiv hat die bekannte Publizistin und Kapitalismuskritikerin Naomi Klein [7], die in ihrem jüngsten Buch [8] über eine Kooperation zwischen Umweltbewegung und Kapitalismuskritik nachdenkt, den politischen Zusammenhang dargestellt. „Ihr verbrennt keine Autos, ihr verbrennt Planeten“, schrieb sie Institutionen wie der EZB ins Stammbuch. Diese betrieben eine Politik für Reiche, in ihr säßen „die wahren Randalierer“.
Damit hat auch Klein den weitgehend tabuisierten Zusammenhang hergestellt zwischen der hilflosen Gewalt der Opfer jener mächtigen Gewalt, die vielfältiger Weisein das Leben von Millionen eingreift. Es waren vor allem die Regelverletzungen bei den Protesten in Frankfurt/Main, die das Thema in die Medien brachte. Das erkannte auch der hochrangige Syriza-Politiker Giorgos Chondros [9], der an den Protesten teilnahm und von den Medien auch gefragt wurde, ob er die rund um die EZB brennenden Autos okay finde. Die Taz zitiert seine Antwort [10]: „Ja“, sagt Chondros. „Das ist gut für Medien. Was anderes wollen die ja nicht.“
Am Tag des Blockupy-Beitrags stieg der Dax einmal nicht und die Wirtschaftsredaktion des Deutschlandfunks sprach davon, dass die Märkte beunruhigt seien. Zwei Tage später steigt der Dax wieder, die Märkte sind wieder zufrieden und die griechische Regierung wird von der Bundesregierung und den von ihr abhängigen Institutionen unter Druck gesetzt, das Land wieder unter ihr Kuratel zu stellen, also die Politik umzusetzen, die in Griechenland abgewählt wurde.
Obwohl die Dokumentation Troika – Macht ohneKontrolle [11] nachgewiesen hat, dass bei der Etablierung dieser Strukturen zahlreiche Gesetze und Bestimmungen verletzt wurden, wird gegen die dafür Verantwortlichen, an erster Stelle Wolfgang Schäuble, nicht gerichtlich ermittelt. FAZ und Co. klagen nicht darüber, dass diese Gesetzesbrecher noch im Amt sind. Zwei Tage nach den Protesten kündigt das Bundesinnenministerium den Aufbau einer weiteren Anti-Terror-Einheit an. Hier wurden wieder einmal lange in den Schubladen liegende Pläne rausgeholt, um den Weg in den autoritären Staat, der zur Austeritätspolitik passt, auch hier voranzutreiben.
http://www.heise.de/tp/news/Autoritaerer-Staat-und-Austeritaet-2581962.html
Peter Nowak
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