Heidemarie Schroeder über die Proteste gegen den E-Autohersteller Tesla in Grünheide und die unrühmliche Rolle der damaligen Landesregierung

Tesla in Grünheide: »Nicht mehr mit Fortschritt assoziiert«

Heidemarie Schroeder wurde 1953 in Leipzig geboren und arbeitete nach einem Studium der Zahnmedizin an der Berliner Charité als wissenschaftliche Assistentin im Physiologischen Institut der Charité, später dann als Zahnärztin. Als Anwohnerin engagierte sie sich gegen das Tesla-Werk in Grünheide und veröffentlichte im Februar 2025 das Buch »Eine Gigafabrik in Grünheide oder der Albtraum vom grünen Kapitalismus« im Büchner-Verlag.

Wieso hat Sie das Tesla-Werk in Grünheide zu politischem Engagement herausgefordert?

… Tesla in Grünheide anzusiedeln, war eine politische Entscheidung. Dass der Standort besonders hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit und der Lage in einem Trinkwasserschutzgebiet ungeeignet war, wurde von den Politikern ignoriert. Dass Bürgerrechte missachtet wurden und die »Bürgerbeteiligung« im Genehmigungsverfahren die reinste Farce war, wurde zu meinem Motiv, Widerstand zu leisten.

Was waren die ersten Schritte Ihres Protests und wie viele Menschen waren Sie?

Zu Beginn engagierte sich besonders der Kreisverband des Naturschutzbundes Nabu. Er organisierte Informationsveranstaltungen und Demonstrationen, denen ich mich anschloss. Zu diesem Zeitpunkt waren wir eine Gruppe von etwa 50 Aktiven, zu den Demonstrationen kamen etwa 250 bis 300 Personen.

Hatte Ihr Engagement auch mit Ihrer Sozialisation in Ostberlin zu tun?

Ich glaube, ja. Meine politische Grundhaltung wurde in meiner Jugend durch Freunde geprägt, die eine Generation älter als wir waren und für den Traum eines gerechten und freien Deutschlands während des Nationalsozialismus ihr Leben riskiert hatten. Als wir sie Anfang der 70er Jahre kennenlernten, war dieser Traum in der DDR bereits gescheitert. Aber sie hatten keinen anderen.

Als wir, die Jungen, 20 Jahre später die Mauer zum Einsturz brachten, war unser Vertrauen in die westliche Demokratie groß. Am Beispiel der Tesla-Ansiedlung in Grünheide können wir jetzt sehen, wie dieses Vertrauen teilweise erodiert. Das kann dazu führen, dass die Menschen sich zu politischen Kräften hingezogen fühlen, die versprechen, alles anders zu machen. Da ich mir aber den Erhalt unserer Demokratie wünsche, engagiere ich mich politisch.

Welche Reaktionen haben Sie aus der Politik aber auch von Umweltverbänden erlebt, als Sie sich gegen Tesla stark machten?

Ich möchte die Frage in ihrer Umkehr beantworten: Welche Handlungen der Politiker haben zu meinem Engagement – wie auch dem vieler anderer – geführt?

Hierzu ein Beispiel: Wenn die Bürger Grünheides sich in einer Einwohnerbefragung gegen eine Umwandlung von weiteren 120 Hektar Wald im Tesla-Industriegebiet aussprechen und die Gemeindevertreter sie dann doch befürworten, ist das demokratiefeindlich. Wenn der damalige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sechs Tage vor der Gemeindevertretersitzung unseren Widerstand verurteilt und damit Einfluss auf das Abstimmungsverhalten der Gemeindevertreter nimmt, ist das demokratiefeindlich. Ebenso die fast am selben Tag geäußerte Zustimmung des damaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz zu den Erweiterungsplänen Teslas.

Welche Rolle spielte die AfD, die doch massive Wahlkampfhilfe von Elon Musk bekommen hat, bei den Protesten gegen Tesla in Brandenburg?

Ich habe angedeutet, welch unrühmliche Rolle die Parteien der damaligen Brandenburger Landesregierung bei der Ansiedlung der Tesla-Fabrik in Grünheide spielten. Muss man dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke und seinem früheren Wirtschaftsminister Jörg Steinbach vorwerfen, dass sie die Probleme zum Beispiel mit dem Wasser »wegregieren« wollten, kam dem damaligen Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) die Lösung aller Detailfragen zu.

In dieser Situation präsentierte sich die AfD als die Partei, die im Landtag Tesla-kritische Fragen stellte, Informationsveranstaltungen durchführte und Demonstrationen organisierte. An diesen Beispielen können wir erkennen, dass die Behauptung, die AfD tauche einfach nur überall da auf, wo bei den Bürgern Unzufriedenheit herrscht, Ursache und Wirkung verkehrt. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer größere politische Unzufriedenheit bei den Bürgern entstehen lässt, erhöht die Zustimmung zur AfD.

Die Wahlkampfhilfe, die Elon Musk der AfD auf Bundesebene leistet, wird in Grünheide nicht als Widerspruch empfunden. Schließlich war es die SPD-geführte Landesregierung, die Tesla den Standort angeboten hat, ohne diesen auf seine Eignung hin überprüft zu haben.

Oft wird auch von Seiten der Umweltverbände angeführt, dass Elektroautos wie die von Tesla ja umweltfreundlicher als Verbrenner seien. Wie begegnen Sie solchen Argumenten?

Dieses Argument wurde uns tatsächlich besonders in der Anfangsperiode oft entgegengehalten und hat auch manche in der Klimagerechtigkeitsbewegung davon abgehalten, uns zu unterstützen. Schließlich ist klar, dass eine echte Verkehrswende einen massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs wie der Bahn benötigt, welche über Jahrzehnte nur heruntergewirtschaftet wurde. Und was den motorisierten Individualverkehr betrifft: Mitte der 90er Jahre war es fast verpönt, große Geländewagen zu fahren – Stichwort »3-Liter-Auto«. Ich empfinde es als beinahe tragisch, dass gerade die Förderung der E-Automobile zu einer Umkehr dieser Entwicklung geführt hat: Weg von leicht, klein und sparsam, hin zu groß, schwer und verschwenderisch. Die E-SUVs, die heute das Stadtbild prägen, bringen für die Klima- und Verkehrswende nichts. Kleine E-Autos verschwinden jedoch laut einem aktuellen ADAC-Bericht aus wirtschaftlichen Gründen gerade gänzlich vom Markt.

Sie haben als Wissenschaftlerin an der Charité gearbeitet. Hat die wissenschaftliche Herangehensweise auch bei Ihren Aktivitäten gegen Tesla eine Rolle gespielt?

Das ist gut möglich. So habe ich von Beginn an, wenn ich einer speziellen Frage nachging, Fachleute befragt. Einige, zum Beispiel Hydrogeologen oder Juristen, engagierten sich ohnehin in unserer Bürgerinitiative, andere, wie Mobilitätsexperten oder Soziologen, habe ich erst ausfindig gemacht.

Am Widerstand gegen Tesla in Grünheide haben sich auch Klimaaktivist*innen aus verschiedenen Regionen beteiligt. Es gab sogar eine Waldbesetzung. Wie gestaltete sich der Kontakt zu diesen Aktivist*innen?

Besonders der Kontakt der Bürgerinitiative Grünheide zu diesen Klimaaktivisten war und ist sehr eng. Aber auch andere Grünheider Bürger kamen zu den Waldbesetzern. Sie schätzten es, dass Idealisten aus ganz Deutschland um »ihren« Wald kämpften, nahmen an deren Veranstaltungen teil und leisteten praktische Hilfe.

Das Tesla-Werk in Grünheide konnte nicht verhindert werden. Werten Sie das als Niederlage?

Nein, das sehe ich nicht so. Zum einen hatten wir nie die Illusion, die Werkseröffnung verhindern zu können. Zum anderen werden Teslas zumindest in Deutschland nicht mehr mit der Vorstellung von Fortschritt und Klimafreundlichkeit assoziiert.

Im Zusammenhang mit der erneuten Wahl Trumps in den USA geriet auch Tesla-Boss Elon Musk weltweit wegen seiner rechtslastigen Aktivitäten in die Kritik. Wie bewerten Sie das?

Es ist eine Tragödie, dass zwei deutsche Sozialdemokraten mit Tesla nicht nur einen Konkurrenten der deutschen Autoindustrie ins Land geholt haben, sondern Elon Musk auch noch das Geld in die Taschen spülten, mit dem er nicht nur die USA, sondern die ganze Welt verändern kann. Unsere Welt.

Wollen Sie sich auch künftig politisch engagieren?

Ich denke schon. Nur wird die Form meines Engagements sich immer wieder ändern. Unlängst durfte ich zum Beispiel im legendären Club Voltaire in Frankfurt/Main an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Dort entstand die Idee, den Stoff für das Frankfurter Autorentheater aufzubereiten. Wenn ich mir also schon nicht Tesla als neuen großen Nachbarn aussuchen kann, kann ich mir die Art meines Umgangs damit etwas aussuchen. Stillzuhalten ist dabei keine Option.

Interview: Peter Nowak