Die Nachkommen

Aktive Zeugenschaft

Nachkommen der Verfolgten des Naziregimes, von Exil und Widerstand melden sich zu Wort

Als Nachkommen der NS-Verfolgten, des Widerstands und des Exils wollen wir uns gemeinsam einsetzen für eine Welt des Friedens, der Freiheit und der Solidarität.« Dieses Bekenntnis stammt aus einem Aufruf der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) Berlin, abgedruckt auf der Rückseite einer neuen Publikation, in der sich…

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Ein neuer Anlauf für das »Café Sibylle«

Nutzer*innen und Anwohner*innen fordern Wiedereröffnung – Bezirksamt präsentiert neuen Betreiber

»Sibylle muss bleiben« stand auf einem der bunten Schirme, die am Mittwochabend vor der Karl-Marx-Allee 72 in Friedrichshain aufgespannt waren. Mehr als 50 Menschen hatten sich dort zum Antifa-Jour-fixe der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Antifaschistinnen (VVN-BdA) versammelt. Immer am dritten Montag im Monat hatten diese Treffen in den letzten Jahren im »Café Sibylle« stattgefunden. Bis es Anfang April schließen musste, weil der Betreiber, die Bildungseinrichtung für berufliche Umschulung und Fortbildung (BUF), in Insolvenz gegangen ist.

Doch viele Nutzer*innen des Cafés wollen sich damit nicht abfinden, wie am Mittwochabend deutlich wurde. In einer kämpferischen Rede erinnerte die Künstlerin Gina Pietsch an die 100 Veranstaltungen, die die VVN-BdA in der Vergangenheit im »Café Sibylle« organisiert hat. Auch Aktionskünstlerin Ute Donner setzte sich für die Wiedereröffnung ein. Sie hat die bunten Schirme mit den Protestbotschaften gestaltet. »Ein Rettungsschirm für das das Café Sibylle« ist ihre Losung. Zu denen, die mit dem Café auch ihren Nachbarschaftstreff wiederhaben wollten, zählen auch Anwohner*innen. Einige von ihnen erinnerten daran, dass sie vor mehr als 60 Jahren die Häuser in der Stalinallee, wie die Karl-Marx-Allee bis 1961 hieß, selbst mitgebaut hatten. Die seit 2001 im »Café Sibylle« gezeigte Ausstellung zur Geschichte dieser Straße und ihrer Bauten ist seit der Schließung nicht mehr zugänglich.

Dafür, dass sich das möglichst bald ändert, traten am Mittwoch nicht nur Bezirkspolitiker*innen von SPD, Grünen und LINKE ein. Wie schnell das geschehen könnte, damit hatte keiner gerechnet. Zur Überraschung vieler Teilnehmer*innen war auch der neue Betreiber gekommen. »Der Vertrag wurde kürzlich unterschrieben. Ab 1. Oktober wollen wir das ›Café Sibylle‹ wieder öffnen«, erklärte Angelika Zachau von der puk a malta GmbH, einer Einrichtung der Gemeinwesenarbeit, die bisher im Soldiner Kiez in Wedding aktiv war. »Puk ist die Abkürzung für Projektschulung, Unterrichtsmedien und Kommunikation, a malte ist portugiesisch und bedeutet ›für die Menschen aus dem Kiez‹«, erläuterte Zachau.

Doch das Misstrauen der Sibyllianer*innen war am Mittwoch spürbar. Manche befürchten die weitere Abwicklung der DDR-Geschichte, bemängelten fehlende Transparenz bei der Vergabe. Mehrere Redner*innen mahnten eine enge Kooperation mit den langjährigen Pächtern um Peter Schröder an. Zachau versicherte, die Ausstellung solle inhaltlich nicht verändert werden. Auch die Antifa-Jour-ixes solle es ab Oktober wieder geben.

Zugleich kündigte Zachau Veränderungen an. Dafür, dass das »Café Sibylle« für junge Antifaschist*innen attraktiver werden soll, bekam sie Zustimmung. »Am vergangenen Samstag demonstrierten zahlreiche junge Menschen ganz in der Nähe gegen den Heß-Aufmarsch. Warum sind die jetzt nicht hier?«, fragte eine ältere Frau.

Zu dem von einigen gewünschten Händedruck zwischen alten und neuen Pächtern des »Café Sibylle« ist es am Mittwochabend nicht gekommen. Aber man wolle, wie einige Teilnehmer*innen am Ende erklärten, das Beste aus der Situation machen.

Am Dienstag informierte das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg offiziell über die Vertragsunterzeichnung mit puk a malta. Der Weiterbetrieb des traditionsreichen »Café Sibylle« sei damit gesichert, hieß es.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1098112.kieztreff-ein-neuer-anlauf-fuer-das-cafe-sibylle.html

Peter Nowak

Noch nicht Geschichte

VVN-Konferenz mahnt

In eindringlichen Worten beschwor der 90-jährige Volkmar Harnisch die Anwesenden, dem Aufstieg einer neuen rechtspopulistischen Bewegung in Deutschland entgegen zu treten. Er war 1944 im Alter von 17 Jahren von den Nazis inhaftiert worden. Am Freitagabend eröffnete er in der TU Berlin eine Konferenz der Vereinigten der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistischen (VVN-BdA). Unter dem Titel »Deutschland wieder gutgemacht?« befasste sie sich mit dem Wandel der Erinnerungspolitik an das NS-Regime. Harnisch ist einer der wenigen noch lebenden Widerstandskämpfe

Wie wird eine Erinnerungspolitik ohne die Zeitzeugen aussehen? Das ist eine Frage, die sich auch der Leiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme Detlef Garbe in seinem Einführungsreferat stellte. Er warnte vor einem »Aufarbeitungsstolz« deutscher Politiker, die eine neue Rolle Deutschlands in der Weltpolitik damit begründen, dass das Land sich der NS-Geschichte vorbildlich gestellt habe. Garbe erinnerte daran, dass bis in die 1980er Jahre der Kampf um Erinnerungsorte von NS-Terror und Verfolgung eine Aufgabe zivilgesellschaftlicher Organisationen war und von der Politik oft ignoriert oder gar sabotiert wurde. Er betonte, Gedenkpolitik müsse auch weiterhin politisch verunsichern. Wenn die AfD in den Bundestag einziehe, stünden ihr auch Sitze in Kommissionen zu, die sich mit Gedenkpolitik befassen. Zudem beklagte der Historiker daraufhin, dass der Etat für die Aufarbeitung der DDR-Geschichte größer sei als für die Erinnerung an den NS-Terror. Der Publizist Wolfgang Herzberg wiederum, der als Kind jüdischer Kommunisten im britischen Exil geboren wurde, verwahrte sich in einer engagierten Rede gegen die Gleichsetzung der DDR mit dem NS-Regime.

In einer von der Historikerin Cornelia Siebeck moderierten Podiumsdiskussion ging es dann um die Frage, wie eine Erinnerungspolitik aussehen kann, die in die aktuelle Politik kritisch intervenieren will. Nach dem Tod der letzten Zeitzeugen befürchtet sie eine Historisierung des Faschismus. Der Publizist und Jurist Kamil Majchrzak verwies in diesem Kontext auf die Verantwortung der dritten Generation, der Kinder und Enkel von NS-Opfern und Widerstandskämpfern. Dabei griff er eine Diskussion auf, die in Israel schon einige Jahre geführt wird. Majchrzaks Großvater war NS-Widerstandskämpfer und KZ-Häftling. Dessen Erfahrungen hätten auch ihn geprägt.

Für Anne Allex von der AG »Marginalisierte gestern und heute« ist Geschichte der Verfolgung in der NS-Diktatur noch längst nicht vollständig erforscht. Sie wies daraufhin, dass Menschen, die von den Nazis als »arbeitsscheu« und »asozial« klassifiziert wurden, bis heute keine Entschädigung erhalten haben und in den Nachkriegsjahren oft weiter verfolgt wurden. Der Wissenschaftler Stefan Heinz, der in einem Forschungsprojekt der FU Berlin über das Schicksal von Gewerkschaftern und Gewerkschafterinnen im NS-Staat mitarbeitet, ist der Überzeugung, dass vor allem die Widerstandsgeschichte der Arbeiterbewegung gegen die Hitlerdiktatur noch nicht ausgeforscht sei.

Die gutbesuchte Konferenz machte deutlich, dass die Gruppe jener wächst, die sich gegen Versuche stemmt, die Erinnerungspolitik an die Verbrechen des NS-Staates als vergangene Geschichte zu betrachten.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1063300.noch-nicht-geschichte.html

Peter Nowak

Politisches Erwachen in Gefangenschaft


Erinnerungen an Werner Gutsche, Geschichtsaufklärer und Streiter gegen Rechtsradikalismus

»Er wollte das NS-Unrecht aufdecken, seien es die in Neukölln jahrelang verschwiegenen Zwangsarbeitslager, die vergessenen SA-Folterstätten oder das verschmähte Erinnern des kommunistischen Widerstands.« Mit diesen Worten würdigt Hans Coppi, Vorsitzender der Berliner VVN-BdA, den Neuköllner Kommunisten Werner Gutsche. Bis zu seinem Tod 2012 hat sich jener unermüdlich gegen Rassismus und Rechtsradikalismus engagiert.

Freunde und Genossen erinnern sich an ihn in diesem Buch, das zugleich die Geschichte der linken Opposition in Berlin-Neukölln zeichnet. Hierfür haben die Historiker Matthias Heisig und Bernhard Bremberger ohne jegliche finanzielle Unterstützung recherchiert.

Über Gutsches Zeit in der Wehrmacht erfährt man nur wenig. Sein politisches Bewusstsein erwachte in russischer Kriegsgefangenschaft und beim Besuch einer Antifa-Schule, die er mit Hans Modrow absolvierte. Auch Gutsche wird Mitglied der SED, lebte jedoch in der Frontstadt Westberlin. Er sammelte Unterschriften für den Stockholmer Appell zur Abschaffung der Atomwaffen und setzte sich für eine ehrliche, kritische Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ein. Seine Aufforderung an Mitstreiter vom Neuköllner Geschichtsverein »Da müsst ihr euch mal drum kümmern« wurde Titel gebend. Gutsches Einsatz verdankt sich die Benennung des Neuköllner Sportstadions nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Werner Seelenbinder, der als Kommunist in Westberlin lange tabu war.

Das Buch informiert über eine Widerstandsgruppe gegen die Nazis an der Rütlischule, die Bestreikung von SA-Sturmlokalen durch Arbeiter sowie einen Schauprozess gegen Kommunisten 1935, der mit Todesurteilen endete. Christian von Gelieu weist auf blinde Flecken der kommunistischen Geschichtsschreibung hin. Gemeinsam mit seiner Frau Claudia ist der Historiker übrigens vor einigen Wochen Opfer rechter Gewalt geworden. Der Terror von Neonazis beweist einmal mehr, wie wichtig Bücher wie dieses sind.

Frieder Boehne/ Bernhard Bremberger/ Matthias Heisig: »Da müsst ihr euch mal drum kümmern. « Werner Gutsche (1923–2012) und Neukölln.
Metropol. 300 S., br., 22 €.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045570.politisches-erwachen-in-gefangenschaft.html
Peter Nowak

Bärgida vor Gedenkstätte

Ein Rest der wöchentlichen rechten Demonstranten versammelte sich in dieser Woche vor der Gedenkstätte Deutscher Widerstand – und sah sich in dessen Tradition.

Gegen 21 Uhr versammelten sich vor der Gedenkstätte Deutscher Widerstand etwa 50 Personen, die sich als rechte Antifaschisten bezeichneten und zum Jahrestag des Hitler-Attentats General von Stauffenberg als »konservativen Revolutionär« lobten. Hauptredner der Versammlung war ein Mitglied der rechtspopulistischen Bewegung Pro Deutschland, Karl Schmitt, der nach »nd«-Informationen seit Wochen zu den Hauptorganisatoren der »Bärgida«-Spaziergänge gehört. Am letzten Montagabend trafen sich einige Teilnehmer kurz nach Ende der Demonstration am Potsdamer Platz, wo eine Demonstration zur Gedenkstätte angemeldet war.

Schmitt versuchte, Stauffenberg als Bärgida-Vorkämpfer zu stilisieren. Damals wie heute gebe es rechte Antifaschisten, die »Flugblätter in der Öffentlichkeit verteilen, bereit sind, sich für die Sache zu opfern und generell ein hohes Risiko für die Freiheit aller Menschen einzugehen«. Die Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 habe nur aus rund 150 Personen bestanden und habe es trotzdem fast geschafft, ein faschistisches System, dem Millionen gefolgt sind, an nur einem Tag zu stürzen.

Heftige Kritik an dem Aufmarsch vor der Gedenkstätte übte der Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V (VVN-BdA), Markus Tervooren. »Es darf nicht sein, dass sich die Feinde der Demokratie, Rassisten und Neonazis unter Polizeischutz versammeln können, um das Andenken an jene, die den Widerstand gegen das verbrecherische NS-Regime auch mit ihrem Leben bezahlten, in den Schmutz zu ziehen«, sagte er dem »nd«.

Den Vorwurf des VVN-BdA, die Polizei habe die Bärgida-Demonstranten zur Gedenkstätte geleitet, wies der Pressesprecher der Polizei, Stefan Redlich, zurück. »Am 17. Juli ist eine Anmeldung von einem uns unbekannten Mann eingetroffen, der eine Demonstration vom Potsdamer Platz zur Gedenkstätte anmeldete. Ein Zusammenhang mit dem Bärgida-Spaziergang war uns nicht bekannt«. Erst während des Spaziergangs sei die Polizei darüber informiert worden, dass ein Teil der Versammlung zum Bendler Block wollte. Die Polizei habe eine Auflösung am Brandenburger Tor durchgesetzt, um zu verhindern, dass die Demonstration am Holocaust-Mahnmal vorbeiziehe, so Redlich.

Auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand gehört zu den Orten, an denen Demonstrationen verboten oder mit strengen Auflagen verbunden werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/978682.baergida-vor-gedenkstaette.html

Peter Nowak

Spenden für Szepansky

ERINNERUNG Gedenktafel für NS-Verfolgten und Antifaschisten in Kreuzberg zerstört

Eine Gedenktafel für den Berliner Wolfgang Szepansky haben Unbekannte in der Methfesselstraße 42 in Kreuzberg zerstört. „Die Vorgehensweise deutet unseres Erachtens auf eine gezielte Tat unter Verwendung von Werkzeugen hin“, erklärte Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. (VVN-BdA), gegenüber der taz. Von der Zerstörung, die bereits vor einigen Tagen erfolgte, sei die VVN-BdA von einem Anwohner erst jetzt informiert worden, so Tervooren.

Die Gedenktafel war im August 2012 angebracht worden. Dafür hatten sich die VVN-BdA und die geschichtspolitische Initiative Aktives Museum mehrere Jahre eingesetzt und im Stadtteil viel Unterstützung für das Engagement erhalten. Der Ort für die Gedenktafel erinnert an eine antifaschistische Aktion des jungen Wolfgang Szepansky, die in Berlin für Aufsehen sorgte.

Am 11. August 1933 hatte der damals 23-Jährige an die Hausmauer der Methfesselstraße 42 die Parolen „Nieder mit Hitler! KPD lebt! Rot Front!“ gepinselt. Er wurde verhaftet und ins Columbiahaus, das berüchtigte Konzentrationslager Berlins am Tempelhofer Feld, eingeliefert.

Nach seiner Freilassung war Szepansky nach Holland emigriert, wo ihn der Naziterror nach der deutschen Besetzung einholte. 1940 wurde er an die Gestapo ausgeliefert und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Als Teilnehmer der Todesmärsche, bei denen die SS in den letzten Tagen des Naziregimes im April 1945 KZ-Häftlinge durch Deutschland trieb, wurde Szepansky durch britische Alliierte befreit.

Sofort nach dem Kriegsende beteiligte er sich am Aufbau des antifaschistischen Jugendausschusses in Tempelhof. Szepansky arbeitete als Lehrer, wurde aber im Zuge der Kommunistenverfolgung des Kalten Krieges aus dem Berliner Schuldienst entlassen. Bis zu seinem Tod 2008 engagierte er sich aktiv gegen alte und neue Nazis und begleitete antifaschistische Stadtrundfahrten.

„Wir wollen die Gedenktafel so schnell wie möglich erneuern“, betonte Tervooren. Dafür sammle die VVN-BdA jetzt Spenden ein.

Peter Nowak

Bankverbindung: Postbank Berlin, IBAN: DE18100100100315904105 · BIC: PBNKDEFF

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F03%2Fa0149&cHash=e1e4f1eca6d61b8a65eb9fdec6258b87

Im Schatten

Im polnischen Słońsk ist eine Ausstellung eröffnet worden, die an das dortige ehemalige Konzentrationslager erinnert.

»Wer ins polnische Słońsk kommt, sollte unbedingt Zeit mitbringen«, heißt es auf der Homepage der »Initiative Kulturbrücke über die Oder«, die für eine deutsch-polnische Kulturbegegnung wirbt. Dort wird auf den Nationalpark Warthemündung mit seinen seltenen Vögeln und Pflanzen hingewiesen. Seit dem 31. Januar gibt es einen weiteren Grund, länger in dem polnischen Städtchen knapp 100 Kilometer östlich von Berlin zu verweilen. An diesem Tag wurde eine in deutsch-polnischer Kooperation und maßgeblich vom »Internationalen Arbeitskreis zum Gedenken an die Häftlinge des KZ und Zuchthauses Sonnenburg« der Berliner VVN-BdA konzipierte Ausstellung zur Geschichte des KZ Sonnenburg eröffnet. Sie erinnert an eine Zeit, die auf der Homepage der Kulturbrücke unter dem Stichwort »besonders dunkler Teil der Sonnenburger Geschichte« in einem kurzen Absatz abgehandelt wird.

»Sonnenburg symbolisiert wie kaum ein anderer Ort Beginn und Ende der zwölf Jahre währenden Schreckensherrschaft des NS-Regimes«, heißt es in der Ausstellung. Die in deutscher und polnischer Sprache erstellten Tafeln belegen diese Aussage detailliert. Bereits im Frühjahr 1933 wurden Kommunisten, Sozialisten und linke Intellektuelle aus Berlin und Brandenburg nach Sonnenburg verschleppt. Klaas Meyer, ein kommunistischer Seemann, beschrieb seine Begegnung mit der SA: »Es wurde mit allerhand Mordwerkzeugen geschlagen, den meisten lief das Blut schon durchs Gesicht. (…) Die ganze Bevölkerung war vertreten, man hatte ihnen gesagt, wir seien Reichstagsbrandstifter. Eltern und Kinder schlugen nach uns und wir wurden angespuckt.«

In der Ausstellung wird auch gezeigt, dass Sonnenburg nicht zufällig als Ort für das KZ ausgesucht wurde. Als 1931 das dortige Zuchthaus wegen katastrophaler hygienischer Zustände geschlossen wurde, regte sich im Ort, in dem das Zuchthaus ein zentraler Arbeitgeber war, Widerstand. Die NSDAP, die gegen die Zuchthausschließung agitierte, erzielte gute Wahlergebnisse.

Mehrere Tafeln dokumentieren die Gesichter der »Nacht-und-Nebel-Gefangenen«, die nach 1941 aus zahlreichen von Deutschland besetzten Ländern in das Zuchthaus verschleppt wurden. Kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee erschoss die SS in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar 1945 in Sonnenburg noch 819 Gefangene.

70 Jahre später reisten zur Eröffnung der Ausstellung auch viele Angehörige der Opfer aus Deutschland und diversen europäischen Ländern an. Doch nicht alle fühlten sich in Słońsk willkommen. Viele Angehörige mussten in der winterlichen Witterung vor der Halle warten, in der ein Vertreter des Fürstenhauses von Luxemburg bei der Gedenkveranstaltung für die Opfer des 30. Januar 1945 sprach. Der größte Teil der Erschossenen kam aus Luxemburg.

»Auch unsere Angehörigen waren Opfer«, sagt Jan Hertogen. Der belgische Forscher, der beim Internationalen Arbeitskreis der Berliner VVN mitarbeitete, war besonders empört, dass die Rede der belgischen Botschafterin bei der Gedenkveranstaltung aus Zeitgründen kurzfristig gestrichen worden war. »In Sonnenburg wurde mein Vater gequält und heute fühle ich mich an dem Ort wieder gedemütigt«, sagt Meina Voigt Schnabel zur Jungle World. Auch die Tochter des kommunistischen Seemanns Klaas Meyer, der bereits 1933 die Zustände in der »Folterhölle Sonnenburg« der Öffentlichkeit bekannt machte, bekam keinen Zutritt zur Gedenkveranstaltung.

Am Nachmittag organisierte der Arbeitskreis ein Treffen im Rathaus von Słońsk mit dem polnischen Staatsanwalt Janusz Jagiełłowicz, der die Kommission für die Verfolgung von Verbrechen im Zuchthaus Sonnenburg leitet. Die 1972 eingestellten Ermittlungen gegen die Verantwortlichen wurden im Februar 2014 wieder aufgenommen. Rechtzeitig zum 70. Jahrestag des Massakers haben Hans Coppi und Kamil Majchrzak im Metropol-Verlag das Buch »Das Konzentrationslager und Zuchthaus Sonnenburg« herausgegeben, das einen guten Überblick über die Geschichte dieses weitgehend vergessenen Ortes des NS-Terrors gibt.

http://jungle-world.com/artikel/2015/06/51382.html
Peter Nowak

Erzählungen der Kinder

Fünfte Veröffentlichung von Interviews mit Überlebenden des Nationalsozialismus

»Ich war der einzige Jude in der Klasse und wurde selbst von den Sechsjährigen sofort ausgegrenzt. Ich wurde geschlagen und bespuckt. Selbst Kinder, mit denen ich noch vor der Einschulung gespielt hatte, spielten jetzt nicht mehr mir.« So erlebte Horst Selbiger, dessen Vater Jude war, seinen Schulalltag im Jahr 1934 in Berlin. Heute engagiert sich der 84-jährige Mann als Ehrenvorsitzender des Vereins Child Surviors. Seine Erlebnisse im Nationalsozialismus berichtet Selbiger in einem Interview, das der Arbeitskreis »Fragt uns, wir sind die letzten« in seiner fünften Broschüre veröffentlichte. In dem Verein haben sich ca. ein Dutzend Menschen aus Berlin, Leipzig und Freiburg zusammengefunden, deren Anliegen es ist, die Stimmen der letzten Überlebenden des NS-Terrors aufzuzeichnen. »Alle sind aus der Generation der Nachgeborenen und auf die eine oder andere Weise antifaschistisch aktiv«, beschreiben sich die Aktiven des 2010 begonnenen Projekts. Gegründet wurde es von Aktiven aus dem Umfeld des Berliner VVN-Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und der Antifaschistischen Initiative Moabit (AIM). Mittlerweile hat sich der Kreis der Aktiven erweitert.

»In den letzten Jahren sind wir in unserer politischen Arbeit zunehmend damit konfrontiert, dass Überlebende der NS-Verfolgung sowie Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand sterben. Ihre Stimme besitzt in politischen Debatten ein einmaliges moralisches Gewicht, nicht nur, wenn es um den Umgang Deutschlands mit den NS-Verbrechen geht, sondern auch wenn aktueller Antisemitismus, Rassismus und Sozialchauvinismus, Neonazismus oder auch Kriegspolitik diskutiert werden«, begründet einer der Aktiven, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, sein Engagement.

Die bisher 25 Interviews, die in fünf etwa 65-seitigen Broschüren veröffentlicht wurden, decken eine große Palette von Verfolgung und des Widerstand ab. So kommt in der kürzlich erschienenen fünften Broschüre neben Horst Selbiger auch Peter Perel zu Wort. Er wurde Zeuge der Massenerschießungen von Juden in seinem ukrainischen Heimatdorf unmittelbar nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht. Der von den Nazis als Halbjude deklarierte Heinz Bachmann berichtet, wie sich die antisemitische Politik der Nazis von den ersten Boykottaktionen bis zu den Pogromen im November 1938 radikalisierte. Lore Diehl schildert den schweren Alltag einer antifaschistischen Familie im NS. Sie erlebte als Kind einer sozialdemokratischen Familie, wie ihr Vater bereits 1933 in das Konzentrationslager Sonnenburg verschleppt wurde. Dorothea Paley überlebte als Kind die Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht. Sie habe den Eindruck, dass viele Menschen über eines der größten deutschen Kriegsverbrechen in der ehemaligen Sowjetunion nicht informiert sind.

Weitere Broschüren des ehrenamtlich arbeitenden Vereins sind in Planung.

fragtuns.blogsport.de/broschuere/

https://www.neues-deutschland.de/artikel/959918.erzaehlungen-der-kinder.html

Peter Nowak

Rechtsruck in der deutschen Friedensbewegung?

In Feindnähe

Zum sechsten Mal hatten die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und weitere Berliner Antifagruppen unter dem Motto »Hitler kaputt. Wer nicht feiert, hat verloren« am 9. Mai zur Feier des Sieges über den Nationalsozialismus in den Treptower Park eingeladen. Es lag wohl am Regen, dass der Einladung in diesem Jahr weniger Menschen folgten. Eine besondere Begrüßung wurde Gästen aus Russland zuteil, die als Kinder und Jugendliche die mörderische Blockade Leningrads überlebt hatten, mit der die Wehrmacht die Stadt belegt hatte. Vor 70 Jahren gelang es den Verteidigern der Stadt, die fast 900 Tage dauernde Blockade zu brechen. Es ist bezeichnend, dass hierzulande weder die Blockade Leningrads, bei der mehr als eine Million Menschen an Hunger, Krankheiten und Granatbeschuss starben, noch deren Überwindung eine Rolle spielt. Stattdessen fordern Boulevardzeitungen und konservative Politiker derzeit die Entfernung von Denkmälern des Sieges der Roten Armee aus Berlins Stadtbild. Viele der Festbesucher wollten diesem Zeitgeist entgegentreten. »Die Rote Armee rettete die Zivilisation«, zitierte eine ältere Frau den deutschen Antifaschisten Stefan Doernberg, der als Soldat der Roten Armee gegen die Wehrmacht kämpfte. An den Infoständen wurde auch über die aktuelle politische Lage in Osteuropa diskutiert. Dass in der Ukraine nun faschistische Parteien an der Regierung beteiligt sind, die sich auf antisemitische NS-Kollaborateure berufen, sorgt für Empörung. In der Broschüre, die zum Fest herausgegeben wurde, werden auch die nationalistischen und antisemitischen Bewegungen in Russland analysiert. Für Ärger sorgte auch, dass nur weinige hundert Meter vom Fest entfernt eine Kundgebung der rechtsesoterischen Reichsbürger genehmigt worden war. Mehrere Antifaschisten, die dagegen protestierten, erhielten von der Polizei ein Platzverbot für den Bereich des rechten Aufmarschs.

http://jungle-world.com/artikel/2014/20/49855.html

Peter Nowak

Ultrarechte Bestrebungen in Osteuropa unter Beobachtung

Politische Initiativen sorgen sich um eine Entwicklung in der Ukraine, die ähnlich verlaufen könnte wie in Ungarn

Am 16. März wollen in der lettischen Hauptstadt Riga wieder die Veteranen der ehemaligen Waffen-SS und ihre jüngeren Epigonen durch die Stadt ziehen. Nur kleine Gruppen meist aus der russischsprachigen Bevölkerung protestieren gegen den Tag der Legionäre. Doch in diesem Jahr beteiligt sich erstmals auch eine Delegation von Antifaschisten aus Deutschland an den Protesten.

Die FIR [1] und die VVN-BdA [2] organisieren einen Bus, mit dem die Delegation in die lettische Hauptstadt fährt. Damit wollen sie das Bündnis für ein Lettland ohne Nazis unterstützen [3], das im Wesentlichen die Proteste in Lettland organisiert. Viele von ihnen sind Holocaustopfer oder Kinder ehemaliger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Antifa nach Riga

Der Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA Markus Tervooren erklärte gegenüber Telepolis, dass die Delegation nach Riga keine einmalige Aktion bleiben soll: „Wir wollen alte Kontakte erneuern. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren sicher öfter nach Riga und auch in andere baltische Staaten fahren. So ist für den Sommer eine Beteiligung an antifaschistischen Protesten gegen einen Aufmarsch der Waffen-SS in Estland geplant.“

Das verstärkte Interesse an einer Koordination des Widerstands gegen Rechts ist auch den aktuellen politischen Entwicklungen in Osteuropa geschuldet. Nachdem bereits in Ungarn eine rechte Ordnungszelle entstanden ist, in der eine mit absoluter Mehrheit regierende rechtskonservative Regierungspartei und eine rechtsextreme Oppositionspartei die politische Agenda bestimmen, könnte sich in der Ukraine eine ähnliche Entwicklung wiederholen.

Im Zuge des Umsturzes haben organisierte Ultrarechte in vielen Regionen an Einfluss gewonnen. Dabei geht es nicht darum zu behaupten, dass alle oder auch nur die Mehrheit der Protestierenden organisierte Rechte sind. Doch sie haben offenbar an vielen Orten eine politische Hegemonie, weil sie gut organisiert sind und es auch verstehen, Kritiker zu bedrohen und einzuschüchtern. Solche Meldungen sind in den letzten Wochen aus verschiedenen Regionen der Ukraine gekommen.

Streit unter Linken und Grünen

Mittlerweile hat die linke Solidaritätsorganisation Rote Hilfe [4] einen Solidaritätsaufruf für verfolgte Antifaschisten in der Ukraine veröffentlicht. Michael Dandl aus dem Bundesvorstand der Roten Hilfe erklärte in einem Interview: „Aktivisten, die versucht haben, im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten linke Positionen zu vertreten, wurden wiederholt angegriffen, so dass viele von ihnen die Stadt verlassen mussten. Ebenso wurde uns von Todesdrohungen und entsprechenden Listen, über die der ‚Rechte Sektor‘ verfügt, berichtet. Das ist äußerst bedrohlich für die Genossen vor Ort – und ein Ende ist nicht abzusehen.“

Nach ihm sollen Ortsgruppen der Roten Hilfe direkte Kontakte in die Ukraine haben und könnten Berichte über rechte Übergriffe in der Ukraine nachprüfen. Eine genaue Überprüfung der Quellen ist natürlich auch in diesen Fällen unbedingt erforderlich. Denn in den letzten Wochen hat sich über das Ausmaß der Beteiligung rechter Gruppen an den Protesten in der Ukraine eine politische Kontroverse entzündet.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde ein Aufruf grünennaher Wissenschaftler [5], die erklärten, die Protestbewegung sei nicht extremistisch, sondern freiheitlich. Den Autoren scheint nicht bewusst gewesen zu sein, dass der Begriff „freiheitlich“ in vielen Ländern das Adjektiv von rechten Parteien ist. Als Beispiel seien nur die Freiheitlichen in Österreich genannt. In dem Aufruf wird suggeriert, die extreme ukrainische Rechte sei im wesentlich ein Phantasma Moskaus [6]. Auch in Medien, die unverdächtig sind, Moskauer Interessen zu vertreten, kann man von Aktivitäten der Ultrarechten in der Ukraine lesen. Die Grünen warnen die Medien davor, sich von der russischen Propaganda instrumentalisieren zu lassen.

In der Linkspartei werden die Grünen kritisiert. Sahra Wagenknecht wirft [7] ihnen „Blindheit für die faschistischen Teile“ der Interims-Regierung vor. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen twitterte: „sehen noch immer den Wald vor lauter Bäumen nicht.Sehen in Kiew noch immer gar keine Faschisten.Auf dem rechten Auge blind?“ Allerdings gibt es auch in der unabhängigen Linken Kontroversen über den Umgang mit den Rechten.

So erklärten ukrainische Anarchisten [8] Ende Januar, warum sie sich trotz der starken Präsenz der Ultrarechten an den Protesten beteiligen: „Der Faschismus von der Partei der Regionen ist heute viel realistischer als der angebliche Faschismus der Swoboda Partei oder von den Deppen aus dem Rechten Sektor [außerparteiliche Nazis, die bei den Protesten aktiv sind und einen großen Anteil von Riot Porn produzieren, aber keine Massenunterstützung haben].“

Auffällig ist, wie inflationär hier der Faschismusvorwurf gegenüber der prorussischen Seite benutzt wird und wie er bei den Kräften, die sich auf den historischen ukrainischen Nationalismus beziehen, relativiert wird.

Russland – antifaschistisches Bollwerk?

Andere Kräfte wiederum imaginieren im Putin-Russland die Wiedergänger der autoritären nominalsozialistischen Sowjetunion und wollen noch einmal frühere Schlachten reinszenieren.

Tatsächlich bemüht sich die offizielle russische Seite sehr um eine antifaschistische Rhetorik. In den letzten Wochen ist in vielen Erklärungen darauf hingewiesen worden, dass Ultrarechte und Antisemiten in der ukrainischen Regierung sitzen. Auf der Krim wurden die Swoboda-Bewegung und der Rechte Sektor mittlerweile verboten.

Doch das macht aus der russischen Seite natürlich keinesfalls Antifaschisten. So etwa wird in einem demnächst im Kino anlaufenden Film „Die Moskauer Prozesse“ [9] des Schweizer Regisseurs Milo Rau deutlich, dass auch in Russland Neonazis und Ultrarechte im Herrschaftssystem aktiv gegen kritische Künstler, Juden, Linke und Unangepasste agieren.

Deswegen ist aber die russische Kritik der Beteiligung der ukrainischen Ultrarechten keinesfalls falsch. Zumal sie längst nicht nur von der Regierung und der ihnen nahestehenden Presse kommt. So haben auf einem Treffen am 25. Februar in Moskau auch libertäre und rätekommunistische Gruppen eine Erklärung verfasst, in der zum Aufbau eines „antifaschistischen Stabs Ukraine“ aufgerufen wird. Dort wird die Situation der letzten Monate in der Ukraine recht gut beschrieben:

„Die langjährige Politik der bürgerlichen Machthaber der Ukraine sowie die weltweite Wirtschaftskrise haben zu unerträglichen Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung geführt. Das Janukowitsch-Regime hatte während des letzten halben Jahres versprochen, einen bedeutenden Teil der wirtschaftlichen Probleme durch die europäische Integration zu lösen. Der plötzliche Verzicht auf die angekündigten Pläne provozierte eine weit verbreitete Unzufriedenheit und deren Ausbruch. Der Prozess war klassenübergreifend und weitgehend spontan. Am Besten darauf vorbereitet war die nationalistische Bewegung, die von der liberalen Opposition als Stoßtrupp des Straßenkampfes verwendet wurde, wodurch der Protest anti-kommunistische oder sogar faschistische Züge bekam.“

http://www.heise.de/tp/news/Ultrarechte-Bestrebungen-in-Osteuropa-unter-Beobachtung-2141120.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.fir.at/

[2]

http://www.vvn-bda.de/

[3]

http://worldwithoutnazism.org/deutsch/

[4]

http://www.rote-hilfe.de

[5]

https://www.boell.de/de/2014/02/20/euromaidan-freiheitliche-massenbewegung-zivilen-ungehorsams

[6]

http://anton-shekhovtsov.blogspot.de/2014/02/pro-russian-network-behind-anti.html

[7]

http://www.tagesspiegel.de/politik/krim-krise-sahra-wagenknecht-warnt-vor-dem-dritten-weltkrieg/9605202.html

[8]

http://syndikalismus.wordpress.com/2014/01/23/aufruf-zur-solidaritat-mit-den-ukrainischen-anarchisten/

[9]

http://www.filmstarts.de/kritiken/225160.html

Das vergessene Massaker

Der Opfer des Massakers im Konzentrationslager Sonnenburg wird in Frankreich, Luxemburg und Polen gedacht. In Deutschland findet das KZ Sonnenburg hingegen selten Erwähnung.

Das Konzentrationslager Sonnenburg war bereits 1934 zum Inbegriff des NS-Terrors geworden. Dazu hatte ein Bericht des KPD-Politikers Rudolf Bernstein beigetragen, der unter der Überschrift »Folterhölle Sonnenburg« in der in Prag herausgegebenen Arbeiter Illustrierten Zeitung (AIZ) erschienen war. Bernstein war wie Hunderte Nazigegner nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 verhaftet worden. Weil die Gefängnisse in Berlin schnell überfüllt waren, nahmen die Nazis das ehemalige Zuchthaus Sonnenburg wieder in Betrieb.

Diese war 1930 von der preußischen Regierung wegen katastrophaler hygienischer Verhältnisse geschlossen worden. Gegen die Schließung hatte die NSDAP bereits damals protestiert und, wie die Wahlergebnisse zeigen, in der Region des damaligen Sonnenburg viel Zustimmung erhalten. Wenige Wochen nach dem Beginn ihrer Regierungsbetei­ligung machten die Nazis ihr Versprechen wahr. Bis zu 1 000 Häftlinge, in ihrer großen Mehrheit Kommunisten aus Berlin und Umgebung, aber auch prominente Pazifisten wie Carl von Ossietzky und Erich Mühsam sowie der Rechtsanwalt Hans Litten wurden dort ab April 1933 in die beengten Zellen gepfercht. Dort litten sie unter der miserablen Verpflegung und waren durch die SA-Wachmannschaften ständigen Demütigungen und Folter ausgesetzt. Das KZ wurde im April 1934 geschlossen. Einige Häftlinge, darunter Bernstein, wurden entlassen, viele wurden in andere Konzentrationslager verschleppt. Mühsam, Ossietzky und Litten überlebten das NS-Lagersystem nicht. Vom Beginn des Zweiten Weltkriegs an wurde das Gebäude wieder als Zuchthaus genutzt.

Ab 1942 waren dort sogenannte »Nacht- und Nebelhäftlinge« aus sämtlichen okkupierten Ländern inhaftiert. Viele von ihnen gehörten zu den über 800 Häftlingen, die in der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945 im Hof des Zuchthauses wenige Stunden vor der Befreiung durch die Rote Armee von einem SS-Kommando erschossen wurden. Opfer dieses größten Massakers in der Endphase des NS-Regimes waren Gefangene aus allen von der Wehrmacht besetzten europäischen Ländern. Besonders groß war der Anteil der Opfer aus Frankreich und Luxemburg. In diesen Ländern ist der Jahrestag des Massakers ein Gedenktag. In Deutschland hingegen ist das KZ Sonnenburg fast vergessen.

Obwohl das Massaker in Sonnenburg bereits durch die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse bekannt geworden war, wurde niemand dafür verurteilt. Zahlreiche Folterer aus Sonnenburg, wie Emil Krause oder Wladislaus Tomschek, setzten in der Bundesrepublik ihre Arbeit als Wachpersonal in Haftanstalten bis zu ihrer Verrentung fort. Die für das Massaker verantwortlichen Gestapo-Männer Heinz Richter und Wilhelm Nickel wurden 1970 vom Kieler Landgericht freigesprochen.

Das Gedenken an die Opfer haben hingegen Gruppen und Einzelpersonen aus der Region des seit 1945 zu Polen gehörenden Słońsk aufrechterhalten. So wurde 1974 auf Initiative des polnischen Staatsanwalts Przemysław Mnichowski, des Leiters der lokalen Hauptkommission zur Erforschung der deutschen Verbrechen in Polen und an der Bevölkerung in der Region Słońsk, ein Museum errichtet. Auch das jährliche Gedenken an das Massaker wird von der Gemeinde Slońsk organisiert und getragen. Seit einigen Jahren beteiligen sich auch Mitglieder der Berliner Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) daran. »Aus den dort geführten Gesprächen ist die Idee zu einer gemeinsamen Tagung in Słońsk entstanden«, sagt Kamil Majchr­zak der Jungle World. Der Publizist ist Mitbegründer des Arbeitskreises zur Geschichte des Konzentrationslagers und des Zuchthauses Sonnenburg bei der Berliner VVN-BdA. Bei der Tagung, die am 13. September stattfinden soll, werden Angehörige der Opfer des Massakers aus verschiedenen europäischen Ländern über das Erinnern und Gedenken nach 1945 sprechen.

Damit setzt die VVN-BdA die 2012 begonnene Kooperation mit polnischen Zeitzeugen und Widerstandskämpfern fort, durch die einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde, dass fast 200 000 polnische NS-Gegner 1945 an der Schlacht um Berlin teilnahmen. Einige der noch lebenden polnischen Befreier und ihre Angehörigen hatte die VVN-BdA im Mai vorigen Jahres nach Berlin eingeladen. Am diesjährigen Tag der ­Erinnerung in Berlin wird am 8. September mit Philip Bialowitz einer der letzten Überlebenden des Vernichtungslagers Sobibór aus Polen anreisen.

Die späte Würdigung des polnischen Widerstands zumindest in linken Kreisen ist umso bedeutender, weil nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen ehemalige NS-Widerstandskämpfer von Rechten unter Druck gesetzt werden. So verzichtete der polnisch-britische Soziologie Zygmunt Bauman nach antisemitischen und antikommunistischen Angriffen auf die Ehrendoktorwürde der Universität Breslau. »Wir sind Polen! Auf Wiedersehen, Kommunist! Wen hat der Bürgermeister eingeladen?« riefen die Störer, als Baumann in der Geburtsstadt von Ferdinand Lassalle eine Rede anlässlich des 150jährigen Jubiläums der Sozialdemokratie halten wollte. Im Deutschlandfunk setzte der nationalkonservative Publizist Łukasz Warzecha die Angriffe auf Bauman fort. Nicht die rechten Störer, sondern die Rede des jüdischen Antifaschisten erklärte er zum Skandal: »Für mich ist das dasselbe, wie wenn man einen ehemaligen SS-Mann einladen würde, der offen redet darüber, dass er in der SS war, sich dafür aber nicht entschuldigt, und er auch noch gefeiert wird.«

http://jungle-world.com/artikel/2013/36/48399.html

Peter Nowak

„Das KZ war als Folterhölle bekannt“

ist Mitbegründer des Arbeitskreises zur Geschichte des KZs und des Zuchthauses Sonnenburg bei der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten.

Der Publizist Kamil Majchrzak kämpft für das Gedenken an das NS-Konzentrationslager Sonnenburg. Dort waren überwiegend Berliner Kommunisten inhaftiert.

taz: Herr Majchrzak, welche Bedeutung hatte das Konzentrationslager Sonnenburg im heutigen Polen?

Kamil Majchrzak: Das ehemalige Zuchthaus, das wegen katastrophaler sanitärer Verhältnisse geschlossen worden war, diente vom 3. April 1933 bis 23. April 1934 als KZ. Zu den über 1.000 Häftlingen gehörten überwiegend Kommunisten aus Berlin, aber auch der Nobelpreisträger Carl von Ossietzky und der Schriftsteller Erich Mühsam. Wegen der außergewöhnlichen Brutalität wurde das KZ bald als „Folterhölle“ bekannt. Nach 1934 diente es wieder als Zuchthaus. Seit 1942 waren dort „Nacht- und Nebelhäftlinge“ aus fast allen okkupierten Ländern inhaftiert. In der Nacht vom 30. zum 31. Januar 1945 wurden über 800 Häftlinge wenige Stunden vor der Befreiung durch die Rote Armee von einem SS-Kommando erschossen. Es ist ein europäischer Gedenkort.

Warum ist das KZ bisher kaum bekannt?

In der BRD wollte man die in Sonnenburg begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vertuschen, die die enge Verstrickung von Justiz und Gestapo offenbarten. So wurde etwa der bereits zu lebenslanger Haft verurteilte Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Herbert Klemm, wieder freigelassen. Viele Nazi-Richter und Beamte waren in der BRD in Amt und Würden. Zahlreiche Folterer aus Sonnenburg wie Emil Krause oder Wladislaus Tomschek konnten in der BRD bis zur Rente weiterarbeiten. An einer juristischen Aufarbeitung war die bundesdeutsche Justiz nicht interessiert. Das belegt der Freispruch der für das Massaker verantwortlichen Gestapo-Angehörigen Heinz Richter und Wilhelm Nickel im Kieler Prozess 1970.

Wie ging die DDR damit um?

In der DDR stand das frühere KZ Sonnenburg auch im Schatten des Widerstands in Buchenwald. So entstand eine Lücke, die wir jetzt füllen wollen, und wir hoffen, dass auch der Senat diesen Gedenkort wiederentdeckt, der ja faktisch ein Teil Berliner Geschichte ist.

Wie geht Polen mit dem ehemaligen Lager um?

1974 wurde ein Museum errichtet. Das jährliche Gedenken an das Massaker wird von der Zivilgesellschaft der Gemeinde Słońsk getragen. Dort nehmen seit einigen Jahren Berliner Vertreter der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ teil. So ist die Idee zu einer gemeinsamen Tagung in Słońsk am 13. September entstanden. Angehörige von früheren Häftlingen werden das Wort ergreifen, und wir wollen über das Erinnern und Gedenken nach 1945 in Słońsk sprechen.

Und Ihre weiteren Planungen?

Wir hoffen, dass HistorikerInnen in Polen und Deutschland das Thema entdecken und wir vor allem mit Jugendlichen und SchülerInnen beider Länder Projekte entwickeln können. Auch internationale Geschichtswerkstätten wären denkbar.
http://www.taz.de/Gedenken-an-NS-Geschichte/!122265/

Interview: Peter Nowak

Hitlers Gegner, Stalins Opfer

In Berlin wurde erstmals der deutschen Kommunisten und Sozialisten gedacht, die der stalinistischen Verfolgung in der UdSSR zum Opfer fielen.

»Mein Großvater hatte ein typisch kommunistisches Schicksal«, sagt Oswald Schneidratus. »SPD, USPD, Spartakus, Strafbataillon vor Verdun, KPD, Republik der Wolgadeutschen, Studium in Moskau, als Architekt Neugestaltung Moskaus 1933 bis 1935, bei Stalin in Ehren empfangen. 1936 als Oberstleutnant nach Spanien, 1937 erschossen in Butowo bei Moskau.« Mit diesen Worten skizzierte er in der vergangenen Woche auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin die politische Biographie seines Großvaters.

Dort gedachten Angehörige und Freunde der in Deutschland geborenen Kommunisten und Sozialisten, die den Nazis entkommen konnten und dann in der Sowjetunion der stalinistischen Verfolgung zum Opfer fielen. Schneidratus’ Großvater gehörte dazu. Sein Name war einer von 750, die während der knapp einstündigen Gedenkveranstaltung verlesen wurden. Damit wurde erstmals öffentlich an ein Datum erinnert, das für die stalinistische Verfolgung eine große Bedeutung hat: Am 25. Juli vor 75 Jahren begann mit dem NKWD-Befehl 00439 auf Anordnung Stalins und seines Geheimdienstchefs die sogenannte Deutsche Operation. In der UdSSR lebende Deutsche wurden unter den Generalverdacht profaschistischer Spionage gestellt. Die Operation war Teil der als »großer Terror« bekannten Verfolgungen der Jahre 1937/38.

Viele Überlebende gingen in den Fünfzigern in die DDR, wo sie den Verfolgten des Nationalsozialismus rechtlich gleichgestellt wurden, aber in der Öffentlichkeit nicht von der Verfolgung in der UdSSR reden sollten. Viele Überlebende und Angehörige blieben bis zum Schluss überzeugte Verteidiger des Realsozialismus. Sie wollten schon deshalb nicht über die Verfolgungen unter Stalin sprechen, weil sie den Gegnern im Kalten Krieg nicht in die Hände spielen wollten.

Immer noch fällt es vielen Betroffenen schwer, an die Öffentlichkeit zu gehen. »Einige Angehörige wollten nicht, dass die Namen ihrer ermoderten Verwandten verlesen werden, und das haben wir auch akzeptiert«, sagt Hans Coppi der Jungle World. Er ist Mitglied im Arbeitskreis zum Gedenken an die in der sowjetischen Emigration verfolgten, deportierten und ermordeten deutschen Antifaschisten bei der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA). Nach mehreren Veranstaltungen war die öffentliche Ehrung ein weiterer Schritt, um die damaligen Ereignisse öffentlich zu machen. In der nächsten Zeit soll eine Ausstellung über die Verfolgung in der Sowjetunion konzipiert werden. Mittlerweile hat der Arbeitskreis auch angeregt, einen Gedenk­ort einzurichten. Am Karl-Liebknecht-Haus, der früheren Zentrale der KPD und dem derzeitigen Sitz der Linkspartei, soll eine Gedenktafel mit der Inschrift angebracht werden: »Ehrendes Gedenken an Tausende deutsche Kommunisten und Antifaschisten, die in der Sowjetunion zwischen den 1930er und 1950er Jahren willkürlich verfolgt, entrechtet, in Straflager deportiert, auf Jahrzehnte verbannt und ermordet wurden.« Der Historiker Wladislaw Hedeler hält die Wahl des Gedenkorts für richtig, weil viele der später Ermordeten mit Billigung des KPD-Zentralkomitees in die UdSSR gingen.

Es war sicher auch der Lage des Termins im Sommer geschuldet, dass die Angehörigen auf der Gedenkveranstaltung überwiegend unter sich blieben. Dabei haben sich in den vergangenen Jahren auch jüngere, antifaschistische und antinationale Linke mit dem Stalinismus befasst. Die Leipziger Initiative gegen jeden Extremismusbegriff hat im Unrast-Verlag unter dem Titel »Nie wieder Kommunismus?« ein Buch mit zwölf Aufsätzen zur Kritik an Stalinismus und Realsozialismus herausgegeben. Auch der kürzlich im Verlag Buchmacherei von Philippe Kellermann herausgegebene Band »Gespräche über die Geschichte und Gegenwart der sozialistischen Bewegungen« widmet sich dem Stalinismus und seiner Vorgeschichte. Mit dem Arbeitskreis bei der VVN eint die Autoren beider Bücher ihre Kritik am Stalinismus ohne Bezugnahme auf die Totalitarismus­theorie und ihre Weigerung den Kapitalismus zu verteidigen.
http://jungle-world.com/artikel/2012/31/45968.html
Peter Nowak

Eine Liste mit 750 Namen erinnert an die Opfer

GEDENKEN Vor 75 Jahren begann Stalins Terroraktion gegen deutsche Kommunisten in der UdSSR

Am heutigen Mittwoch gedenken AntifaschistInnen am Rosa-Luxemburg-Platz der Opfer des Stalinismus. Ab 11 Uhr sollen insgesamt 750 Namen von Menschen verlesen werden, die entweder als KommunistInnen und SozialistInnen oder als SpezialarbeiterInnen beim Aufbau der Sowjetunion mithelfen wollten und in die Mühlen des stalinistischen Terrors gerieten.

Am 25. Juli 1937 begann mit dem NKWD-Befehl Nr. 00439 auf Anordnung Stalins und seines Geheimdienstchefs die sogenannte Deutsche Operation. In der UdSSR lebende Deutsche wurden unter den Generalverdacht profaschistischer Spionage- und Diversionstätigkeit gestellt. Die Aktion war Teil der als Großer Terror in die Geschichtsbücher eingegangenen Verfolgungen der Jahre 1937/38. Viele Überlebende gingen in den 1950er Jahren in die DDR, wo sie den Verfolgten des Naziregimes rechtlich gleichgestellt wurden, aber in der Öffentlichkeit nicht über die Verfolgung sprechen sollten.

„Mit der Gedenkaktion zum Jubiläum wird das erste Mal in Berlin öffentlich der namenlosen deutschen Opfer des Großen Terrors in der Sowjetunion gedacht“, betont Hans Coppi vom Arbeitskreis zum Gedenken an die in der sowjetischen Emigration verfolgten, deportierten und ermordeten deutschen Antifaschisten bei der Berliner VVN-BdA. Der Arbeitskreis wurde vor zwei Jahren von Angehörigen der Opfer initiiert und hat bisher mehrere Veranstaltungen organisiert. An der Gedenkaktion soll mit dem 92-jährigen Frido Seydewitz einer der letzten Überlebenden der stalinistischen Verfolgung teilnehmen.

Nicht alle Angehörigen gaben jedoch ihre Zustimmung zur Verlesung der Namen. „Manche waren sich unsicher, ob ihre betroffenen Verwandten damit einverstanden gewesen wären“, berichtet Coppi. „Andere befürchteten, antisowjetischen Stimmungen Rechnung zu tragen.“ Einige unverbesserliche Stalinfans hätten die VeranstalterInnen telefonisch beschimpft.

Unbeeindruckt davon bereitet der Arbeitskreis eine Ausstellung über die Opfer des Stalinismus vor. Zudem will er vor dem Karl-Liebknecht-Haus, der ehemaligen KPD- und heutigen Linkspartei-Zentrale, am Rosa-Luxemburg-Platz einen Gedenkort für sie schaffen.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2012%2F07%
2F25%2Fa0140&cHash=52d77d4abd

Peter Nowak