Bärgida vor Gedenkstätte

Ein Rest der wöchentlichen rechten Demonstranten versammelte sich in dieser Woche vor der Gedenkstätte Deutscher Widerstand – und sah sich in dessen Tradition.

Gegen 21 Uhr versammelten sich vor der Gedenkstätte Deutscher Widerstand etwa 50 Personen, die sich als rechte Antifaschisten bezeichneten und zum Jahrestag des Hitler-Attentats General von Stauffenberg als »konservativen Revolutionär« lobten. Hauptredner der Versammlung war ein Mitglied der rechtspopulistischen Bewegung Pro Deutschland, Karl Schmitt, der nach »nd«-Informationen seit Wochen zu den Hauptorganisatoren der »Bärgida«-Spaziergänge gehört. Am letzten Montagabend trafen sich einige Teilnehmer kurz nach Ende der Demonstration am Potsdamer Platz, wo eine Demonstration zur Gedenkstätte angemeldet war.

Schmitt versuchte, Stauffenberg als Bärgida-Vorkämpfer zu stilisieren. Damals wie heute gebe es rechte Antifaschisten, die »Flugblätter in der Öffentlichkeit verteilen, bereit sind, sich für die Sache zu opfern und generell ein hohes Risiko für die Freiheit aller Menschen einzugehen«. Die Widerstandsgruppe des 20. Juli 1944 habe nur aus rund 150 Personen bestanden und habe es trotzdem fast geschafft, ein faschistisches System, dem Millionen gefolgt sind, an nur einem Tag zu stürzen.

Heftige Kritik an dem Aufmarsch vor der Gedenkstätte übte der Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V (VVN-BdA), Markus Tervooren. »Es darf nicht sein, dass sich die Feinde der Demokratie, Rassisten und Neonazis unter Polizeischutz versammeln können, um das Andenken an jene, die den Widerstand gegen das verbrecherische NS-Regime auch mit ihrem Leben bezahlten, in den Schmutz zu ziehen«, sagte er dem »nd«.

Den Vorwurf des VVN-BdA, die Polizei habe die Bärgida-Demonstranten zur Gedenkstätte geleitet, wies der Pressesprecher der Polizei, Stefan Redlich, zurück. »Am 17. Juli ist eine Anmeldung von einem uns unbekannten Mann eingetroffen, der eine Demonstration vom Potsdamer Platz zur Gedenkstätte anmeldete. Ein Zusammenhang mit dem Bärgida-Spaziergang war uns nicht bekannt«. Erst während des Spaziergangs sei die Polizei darüber informiert worden, dass ein Teil der Versammlung zum Bendler Block wollte. Die Polizei habe eine Auflösung am Brandenburger Tor durchgesetzt, um zu verhindern, dass die Demonstration am Holocaust-Mahnmal vorbeiziehe, so Redlich.

Auch die Gedenkstätte Deutscher Widerstand gehört zu den Orten, an denen Demonstrationen verboten oder mit strengen Auflagen verbunden werden, wenn die Gefahr besteht, dass die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/978682.baergida-vor-gedenkstaette.html

Peter Nowak

Das Leben des Kurt Goldstein

Eine Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand widmet sich dem jüdischen Kommunisten

Die aufrechte Gestalt des Mannes mit der Baskenmütze, die ihren Stock mit festem Griff umfasst, fällt sofort ins Auge, wenn man den Ausstellungsraum betritt. Wie auf diesem Bild blieb Kurt Goldstein, der 2007 im Alter von 92 Jahren starb, vielen in Erinnerung. Im November 2014 wäre er 100 Jahre alt geworden.

Jetzt widmet ihm die Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin in Kooperation mit dem Internationalen Auschwitz-Komitee, dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau und der internationalen Jugendbegegnungsstätte Oswiecim eine Ausstellung unter dem Titel »Deutscher, Jude, Kommunist«, die noch bis zum 30. April zu sehen ist. Auf über 40 Tafeln wird das Leben eines Juden in Deutschland nachgezeichnet.

weimar »Als mein Vater starb, war ich fünf Jahre alt und trug einen schwarzen Anzug«, wird Goldstein neben einem Foto zitiert, auf dem er im Kreise der Familie bei der Beerdigung zu sehen ist. Der Vater starb 1919 an den Folgen seiner schweren Verletzungen, die er sich als Soldat im Ersten Weltkrieg zugezogen hatte. Daneben findet sich ein Aufruf des Reichsbundes deutscher Frontsoldaten, der Aufschluss über das antisemitische Klima in der Frühphase der Weimarer Republik gibt: »12.000 Juden fielen im Kampf. Deutsche Frauen, duldet nicht, dass die jüdischen Mütter in ihrem Schmerz verhöhnt werden!«

Der Appell gegen den Antisemitismus blieb wirkungslos, wie Goldstein als Schüler im Gymnasium erfahren musste. »Prolet, Schuft«, schrie ihn 1928 ein Oberstudienrat vor der gesamten Klasse an und weigerte sich, ihn zu unterrichten. Es habe sich bei dem Lehrer um einen der ersten Nazis im Ort gehandelt, erfahren wir auf der Tafel. Solche Erfahrungen haben den jungen Goldstein politisiert. So sind in der Ausstellung auch Informationen über die Lektüre zu finden, die ihn prägte.

Neben Erich Maria Remarque gehörten dazu bald Marx, Engels und Lenin. Noch in der Endphase der Weimarer Republik engagierte sich Goldstein im Kommunistischen Jugendverband und bald auch in der KPD.

Spanienkämpfer Als Jude und Kommunist doppelt gefährdet, gelang Goldstein 1933 die Flucht nach Luxemburg und von dort nach Palästina. 1936 gehörte er zu den vielen Antifaschisten aus aller Welt, die in Spanien mit der Waffe in der Hand den von den Nazis unterstützten Franco-Faschisten entgegentraten. Nach der Niederlage der spanischen Republik suchte Goldstein in Frankreich Zuflucht.

1942 wurde er von der Gestapo nach Auschwitz deportiert. »Wenn ich von Auschwitz spreche, denke ich an die Menschen, die dort gestorben sind«, sagte Goldstein, der seit 1978 bis zu seinem Tod im Internationalen Auschwitz-Komitee aktiv war. Am 25. Januar 2005 hielt Goldstein im Deutschen Theater die zentrale Ansprache zum Auschwitz-Gedenken. Das Foto des Mannes, der mit den Tränen kämpfte, findet sich in Lebensgröße auf einer Wand des Ausstellungsraums.

Nach dem Ende des NS-Regimes widmete sich Goldstein dem Wiederaufbau der KPD. Als die Partei in Westdeutschland verboten wurde, leitete er in der DDR den propagandistischen »Deutschen Freiheitssender«, der wegen seiner modernen Musik in den 60er-Jahren auch im Westen gehört wurde. Nach dem Ende der DDR machte sich Goldstein Vorwürfe, der Parteilinie zu unkritisch gefolgt zu sein und damit seinen Traum vom Sozialismus mitzerstört zu haben. Die sehenswerte Ausstellung liefert nicht nur einen guten Einblick in das Leben Kurt Goldsteins, sondern auch in die Zeit, in die er hineingeboren wurde.

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18368/highlight/Goldstein

aus Jüdische Allgemeine, 14.2.2014

Peter Nowak

Von wegen Tempelhofer Freiheit

NS-GESCHICHTE In der Gedenkstätte Deutscher Widerstand erinnert eine Schau an das KZ Columbiahaus

„Mit Fußtritten vom Auto heruntergehauen wurde das ,Kommunistenschwein‘ zum Wachhabenden gebracht.“ So beschreibt ein kommunistischer Nazigegner seine Einlieferung in das Gefangenenlager Columbiahaus im Sommer 1933. Der in der antifaschistischen Exilpresse veröffentlichte Bericht ist in einer eben eröffneten Ausstellung in der Gedenkstätte Deutscher Widerstand zu lesen, die die Geschichte des Konzentrationslagers am Tempelhofer Feld nachzeichnet.

Das Columbiahaus wurde im Juli 1933 als Haftlager der Gestapo in einer ehemaligen Militärstrafanstalt errichtet. Wegen der ständigen Misshandlungen und Demütigungen der Wachmannschaften war es von NS-GegnerInnen als Marterhölle in Berlin gefürchtet. Auf 31 Tafeln werden exemplarisch Biografien von Nazigegnern, die das Columbiahaus durchlitten hatten, vorgestellt. Zu den dort Inhaftierten zählten die Schriftsteller Kurt Hiller, Armin T. Wegener und Berthold Jacob. Der Pazifist und Mitarbeiter der Weltbühne Jacob verfasste schließlich in der Schweiz einen Bericht über seine Erlebnisse im Columbiahaus unter dem Titel, der auch der Ausstellung den Namen gab: „Warum schweigt die Welt?!“

Auch auf die gewerkschaftlichen und kommunistischen Gefangenen wird in der Ausstellung eingegangen. Auf drei Tafeln gibt es Informationen zu den im Konzentrationslager Columbiahaus inhaftierten und ermordeten Homosexuellen.

Auf der letzten Tafel wird aufgezeigt, dass fast alle Verantwortlichen für diese Verbrechen im KZ Columbiahaus nie bestraft wurden. Im Nachkriegsberlin war das Columbiahaus bald ebenso vergessen wie das Zwangsarbeiterlager, das später auf dem Tempelhofer Feld errichtet wurde. Dass heute auf Berlins grüner Lunge einige Stelen daran erinnern, ist engagierten BürgerInnen zu verdanken, die seit Langem einen Gedenkort an dem Platz einfordern, der immer noch Tempelhofer Freiheit genannt wird. Was nach dem Ausstellungsbesuch nur noch als Zynismus bezeichnet werden kann.

„Warum schweigt die Welt?!“: Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Stauffenbergstr. 13/14, bis 11. Oktober

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F07%2F25%2Fa0132&cHash=22de0f66e1aa24714a70a3cdce1a2158

Peter Nowak