Basis blockiert Bosse

In Italien kämpfen die Logistikarbeiter

«Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es dreitausend», erklärt Karim Facchino. Er ist Lagerarbeiter und Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. Eine Delegation italienischer Gewerkschafter aus der Logistikbranche und Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken reiste vorige Woche durch Deutschland. Die Gruppe berichtete bei Veranstaltungen in Esslingen, Köln und Berlin über Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche, die sich schon über vier Jahre hinziehen und hierzulande bisher kaum bekannt sind.

Diese Auseinandersetzungen sind auch der Grund für den rasanten Mitgliederzuwachs der S.I. Cobas, in der sich die Logistikbeschäftigten organisiert haben. «Die Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros sondern auf der Straße und vor der Fabrik», sagt Facchino.

Träger der Auseinandersetzungen beispielsweise waren schlecht bezahlte Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die aus vielen europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben worden waren. Sie sind oft nicht direkt bei den Warenhäusern sondern bei Subunternehmen angestellt. «Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht», so Facchino, der in Marokko geboren wurde.

Die Beschäftigten fordern die Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne. Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert worden sind. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Arbeitern, die von der Polizei blutig geschlagen wurden, sorgten in ganz Italien für Empörung. Dadurch wurde die Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten größer. Die Unterstützergruppen nutzten auch Filme und Videos, um den Kampf der Beschäftigten bekannt zu machen. «Damit bekamen viele Menschen, die bisher wenig von dem Arbeitskampf wussten, eine Ahnung von der Entschlossenheit der Beschäftigten, für ihre Forderungen zu kämpfen und von der Staatsgewalt, der sie ausgesetzt waren, berichte ein Mitglied der Initiative Clash City Workers. Darin haben sich außerparlamentarische Linke organisiert, die die Arbeitskämpfe unterstützen und die Verbindung zwischen den Beschäftigen, linken Gruppen und sozialen Zentren in Italien aufrecht erhalten.

Die Unterstützungsarbeit ist vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit mit Zeitungen, Videos und Filmen gehört ebenso dazu wie die Beteiligung an einer Blockade oder einen Streikposten. Aber auch die Verbindung verschiedener Bewegungen ist den Unterstützern wichtig. So wurde bei einem Streik der Müllarbeiter Kontakt zu ökologischen Gruppen hergestellt, die ein neues Recyclingkonzept entwickelt hatten. Ein Ziel der Rundreise durch Deutschland war für die Delegation auch die bessere Koordination der Arbeitskämpfe. Sie beteiligte sich auch an der Protestaktion vor einer IKEA-Filiale in Berlin.

Denn in den letzten Tagen war der Arbeitskampf des zentralen südeuropäischen IKEA-Logistikzentrums in Piacenza wieder aufgeflammt. Nachdem die Geschäftsführung 70 gewerkschaftliche Aktivisten mit Disziplinarmaßnahmen belegte und 30 Gewerkschafter entließ, blockierten die Beschäftigen mehrere Tage die Zufahrtswege zu dem Werk. Am 9. Mai wurde ein Arbeiter schwer verletzt, als ein Auto in die Blockade raste.

Infos und Filme: de.labournet.tv

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933873.basis-blockiert-bosse.html

Peter Nowak

„Kein Unglück, sondern ein Massaker“

Protest im Krisen-Europa

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Kinderleichte Syrienhilfe

Manuela Schwesig erscheint auf einer Website als Retterin. 55 000 Kinder aus Syrien dürfen angeblich nach Deutschland einreisen. Doch es handelt sich um eine Kunstaktion.

Die Festnetznummer der Kindertransporthilfe des Bundes ist zurzeit wegen Überlastung nicht zu erreichen. In den letzten Tagen haben viele Menschen angerufen, die Kinder aus den syrischen Krisengebieten zeitweise in ihren Haushalt aufnehmen würden, um ihnen einen temporären Urlaub vom Kriegsalltag zu ermöglichen.

»55 000 syrische Kinder werden von Familienministerin Manuela Schwesig gerettet«, heißt es auf der Homepage der Kindertransporthilfe des Bundes. Doch das Konterfei der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) täuscht. Hinter der Aktion steckt die Politkunstgruppe »Zentrum für politische Schönheit«, die sich bereits in der Vergangenheit mit Politikern und Wirtschaftsvertretern anlegte.

Ein Video, in dem die Gruppe den Pressesprecher der Deutschen Bank kritisch mit den Folgen der Nahrungsmittelspekulation konfrontierte, wollte dieser sogar aus dem Verkehr ziehen.

In seiner Arbeitsweise kann das »Zentrum für politische Schönheit« mit der US-amerikanischen Künstlergruppe »The Yes Men« verglichen werden, die immer wieder politische und ökonomische Verantwortungsträger in Verlegenheit bringen. Sie lässt humanitäre Maßnahmen verkünden, die sich zwar viele Menschen wünschen, aber die der kapitalistischen Profitlogik oder dem politischen Kalkül zuwiderlaufen. So wurden »The Yes Men« bekannt, als sie einen Sprecher des Chemiekonzerns Union Carbide Company verkünden ließen, dass er bereit sei, die Opfer des Giftgasunfalls in der Filiale im indischen Bhopal zu entschädigen. Die international unterstützte Forderung wurde bis heute allerdings nicht erfüllt.

Zur Kindernothilfe gab es vom zuständigen Familienministerium noch keine Reaktion. HIngegen reagierten viele Menschen mit großem Ärger, sobald sie erfahren, dass es sich bei der Aktion um eine Kunstaktion handelt, sagte eine Sprecherin der Kunstinitiative.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/932905.kinderleichte-syrienhilfe.html

Peter Nowak

55.000 syrische Kinder nach Deutschland

Eine Aktion politischer Künstler könnte Gutes bewirken

Die Festnetznummer der Kindertransporthilfe des Bundes [1] ist zurzeit wegen Überlastung nicht zu erreichen. In den letzten Tagen haben viele Menschen angerufen, die ein Kind aus den syrischen Krisengebieten zeitweise in ihren Haushalt aufnehmen würden, um temporär ein Leben ohne Granateneinschläge und Krieg zu ermöglichen. „Die Bundesregierung hat mit dem am 8. Mai 2014 im Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf 18/1333 die gesetzlichen Grundlagen für die Aufnahme besonders gefährdeter Kinder aus Syrien für die Dauer des Konfliktes geschaffen. Als gefährdet gelten Kinder, deren Eltern schon einmal inhaftiert waren oder sind, Kinder aus Waisenhäusern und Knaben älteren Jahrgangs, die von Verhaftung bedroht sind, sowie bei erwiesener Armut oder Obdachlosigkeit der Familie. Im Rahmen des Hilfsprogramms des Bundes können vorübergehend 55.000 Kinder im Alter von bis zu 17 Jahren in die Bundesrepublik Deutschland einreisen“, heißt es in einem Soforthilfeprogramm des Bundes, für das die Ministerin Manuela Schwesig [2] die Federführung haben soll. Doch weder auf ihrer persönlichen Homepage noch auf der Webseite ihres Ministeriums [3] findet sich ein Hinweis auf das Kinderhilfsprogramm. Denn tatsächlich hat das Ministerim ein solches Programm bisher nicht verkündet.

The Yesmen von Deutschland

Vielmehr handelt sich um eine Aktion der Politkunstgruppe Zentrum für politische Schönheit [4]. Sie hat schon in der Vergangenheit mit ähnlichen Aktionen im Grenzbereich zwischen Kunst und Politik für Aufsehen gesorgt [5]. So agierte die Künstlergruppe gegen die Nahrungsmittelspekulation und konnte sich damit gegen den Pressesprecher der Deutschen Bank durchsetzen, der ein Interview mit den Künstlern aus dem Verkehr ziehen wollte [6]. Auch vorher legten sich die Künstler schon mal mit Politik und Justiz an [7]. Das Zentrum für politische Schönheit ist von ihrer Arbeitsweise mit der US-amerikanischen Künstlergruppe The Yesmen [8] zu vergleichen, die es immer wieder schafft, politische und ökonomische Verantwortungsträger in Verlegenheit zu bringen, weil sie sie humanitäre Maßnahmen verkünden lässt, die viele Menschen sich wünschen, die aber der kapitalistischen Profitlogik oder dem politischen Kalkül zuwiderlaufen. So wurden The Yesmen bekannt, als sie einen Sprecher des Chemiekonzern Union Carbide Company verkünden ließ, dass er bereit ist, die Opfer des Giftgasunfalls in ihrer Filiale im indischen Bhopal zu leisten. Auch The Yesmen konnten diese international verbreitete Forderung [9] nicht durchsetzen, brachte den Chemiekonzern aber in große Erklärungsnöte.

Wird mit der Aktion nicht Opferstatus der Kinder zementiert?

Ob auch die Aktion Kinderhilfstransporte des Zentrums für politische Zentrums eine solche Wirkung haben wird, ist noch offen. Eine Sprecherin erklärte gegenüber Telepolis, bisher haben viele Menschen angerufen, die ein syrisches Kind aufnehmen würden. Manche seien emotional sehr aufgewühlt, wenn sie erfahren, dass es sich um eine Kunstaktion handelt. Zumindest hat die Aktion deutlich gemacht, dass es viele Menschen bereit wären, ein Kind aufzunehmen und dass es viele Hilfsorganisationen gibt, die solche Aufnahmemöglichkeiten dringend suchen. Seit Monaten appelliert [10] UNICEF an die internationale Öffentlichkeit wegen der verzweifelten Lage der syrischen Kinder. Die Kampagne knüpft an ähnliche Hilfsprogramme an, mit denen Kinder der Umgebung von Tschernobyl oder aus dem zerfallenden Jugoslawien zumindest zeitweise eine andere Umgebung geboten wurde. Natürlich sollte man auch an der Stoßrichtung der Kampagne Kritik üben können. So wird dort immer mit anklagenden Kinderaugen geworben. Auch das Zentrum für politische Schönheit operiert mit dem Motiv, wenn Kinder in einer Schulkasse die Bilder der Ministerin Schwesig in die Höhe halten und sich auf selbstgemalten Schildern bei ihr bedanken. Wird hier der Opferstatus nicht zementiert? Warum werden nicht Jugendliche in einem Alter gezeigt, in der sie nicht mehr Objekte von Mitleid sind? Warum wird mit den Formulierungen von der Kinderrettung dieser Opferstatus noch auf die Spitze getrieben? Diese Fragen, die bereits länger an solche Hilfsprogramme gerichtet [11] werden, könnten auch an das Zentrum für politische Schönheit gestellt werden. Zudem stellt sich natürlich die Frage, ob eine temporäre Aufnahme in einer Familie in Deutschland wirklich die Probleme lösen kann, wenn sie dann nach Monaten doch wieder in ihre alte Umgebung zurück müssen. Allerdings ist es das Verdienst der Künstler, die Bundesregierung unter Zugzwang zu bringen, die einerseits viele Worte über das Schicksal der Menschen im syrischen Bürgerkrieg verliert, aber nicht zu einer solchen humanitären Hilfsaktion bereitet ist. Vielleicht gelingt es mit der Aktion auch mehr Aufmerksamkeit für Hilfsaktionen mit den syrischen Kindern zu schaffen, die wie die Spendenaktion „Zahlmobil für Syrien [12]“ bisher wenig Publicity bekamen aber auch zu konkreter Hilfe für die Betroffenen beitragen.

http://www.heise.de/tp/news/55-000-syrische-Kinder-nach-Deutschland-2188316.html

Peter Nowak

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Berlin: Viel Verständnis für die ukrainische Regierung

Stell Dir vor, es gibt Krieg und die Opposition macht mit

Von wegen Easy Rider

Von wegen Easy Rider

In Berlin demonstrieren LKW-Fahrer gegen ihre Arbeitsbedingungen – und den europäischen Konkurrenzkampf auf den Straßen.

Stundenlöhne von zum Teil unter 5 Euro und überlange Arbeitstage – in Berlin haben am Samstag Trucker gegen Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen protestiert.

„Wir sind nicht eure Sklaven, sondern eure Versorger“, so die Parole. Ingo Schulze vom Kraftfahrerclub Deutschland hatte die Proteste mit vorbereitet. Er beklagt das stetige Sinken der Löhne in den letzten Jahren – aber auch, dass nur zehn LKW am Samstag am Brandenburger Tor, dem Ort der Abschlusskundgebung, stehen. „Wir haben es wieder nicht geschafft, die Masse der LKW-FahrerInnen zu mobilisieren“, so Schulze. Allerdings protestierten zeitgleich Fahrer auch in Den Haag, Rom, Stockholm, Oslo, Kopenhagen und Madrid.

Sie fordern einheitliche Ausbildungsstandards und Mindestlöhne – und die Einhaltung der Kabotageregeln. „Kabotage“ nennt man das Erbringen von Transportdienstleistungen in einem Land durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen. Eigentlich darf ein ausländisches Fahrzeug in einem EU-Mitgliedsstaat drei Fahrten pro Woche übernehmen.

Doch oft seien ausländische Fahrzeuge wochenlang ununterbrochen in Europa unterwegs, monierten verschiedene Redner. Sie stellten aber auch klar: Ihr Protest richtet sich nicht gegen ausländische Kollege, sondern gegen die schlechten Arbeitsbedingungen, von denen Trucker in allen Ländern betroffen seien.

In einer Grußadresse bekräftigten Beschäftigte des Kölner Ford-Werkes, dass sich die LKW-Fahrer der verschiedenen Länder nicht spalten lassen dürfen. Unterstützung gab es auch von einer japanischen EisenbahnerInnengewerkschaft, Berliner S-BahnfahrerInnen, dem Klassenkämpferischen Block Berlin und der AG Taxi bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Auch Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Linkspartei, hielt vor den Truckern eine kurze Ansprache.

http://www.taz.de/Truckerproteste-in-der-Hauptstadt/!137852/

Peter Nowak

Berichte vom griechischen Alltag

Eine Delegation griechischer Gewerkschafter bereist um den 1. Mai herum Deutschland, um für eine Abkehr von der Austeritätspolitik zu werben.

Nikos Antoniou, der im Moment mit Gewerkschaftskollegen durch Deutschland reist, hat eine Mission. „Die Regierungen in Deutschland und Griechenland erklärten ihrer Bevölkerung, dass sie gegeneinander konkurrieren müssen“, sagt er. „Wir sagen hingegen zu den Lohnabhängigen in Deutschland: Lasst uns kooperieren gegen die Austeritätspolitik der Troika“.

Antoniou ist aus Griechenland angereist, er ist der Chef der Athener Gewerkschaft Buch und Papier. Es ist ein symbolträchtiger Besuch: Die Delegation aus Griechenland macht Station in Städten wie Berlin, Bremen, Hamburg, Köln oder Salzgitter. Die GewerkschaftsvertreterInnen und ArbeiterInnen wollen aus dem Alltag des krisengebeutelten Landes berichten, um Solidarität werben und Stellung nehmen zu aktueller Politik.

Außerdem nehmen sie an Kundgebungen und Demonstrationen zum 1. Mai teil. Eingeladen hat sie der Arbeitskreis Internationalismus in der IG Metall Berlin und die zivilgesellschaftliche Initiative Real Democracy Now! Berlin/GR. Der Terminkalender der Griechen ist mit Veranstaltungen, Seminaren und Gesprächen vollgepackt.

Die Abkehr von der Austeritätspolitik, die EU-Staaten einen harten Sparkurs vorschreibt, ist nicht nur Antonious‘ Ziel. Auch der IG-Metall-Arbeitskreis hat sich dies auf die Fahne geschrieben, als er die deutsch-griechische Kooperation vor zwei Jahren anbahnte. Zweimal haben deutsche GewerkschafterInnen Griechenland besucht. Jetzt reist ist zum zweiten Mal eine Delegation aus Griechenland durch Deutschland.

„Den Anstoß für die Initiative gab ein Streik in einem griechischen Stahlwerk, den wir unterstützen wollten“, berichtet AK-Mitglied Andreas Hesse. Der Ausstand wurde längst beendet, aber die Kooperation lief weiter. Allerdings hat sich der Diskurs über Griechenland in Deutschland verändert.

Vom „Pleitegriechen“ zum „sensationelle Comeback“

Im letzten Jahr bestimmten Meldungen von „Pleitegriechen“ die Schlagzeilen. Jene, so die Forderung mancher Journalisten, sollten bitteschön den Euro verlassen. In den letzten Tagen vermeldete die Springerpresse unter der Überschrift „Das sensationelle Comeback der Krisen-Griechen“, das Land habe die Kreditfähigkeit wieder erlangt.

„Dieses Bild hat mit der Wirklichkeit eines Großteils der Menschen in Griechenland nichts zu tun“, betont der Gewerkschafter Antoniou. Er schildert die Situation in Griechenland anders. In einem Land mit 10 Millionen Einwohnern gibt es nach offiziellen Angaben 1,5 Millionen. Nur zehn Prozent von ihnen bekommen ein Jahr lang finanzielle Unterstützung von monatlich 369 Euro, wenn sie älter als 25 Jahre sind.

Etwa 800.000 Menschen arbeiteten unbezahlt im Privatsektor. „Rechte für Arbeiter und Arbeiterinnen gibt es nicht mehr. Und die Löhne gleichen Trinkgelder“, lautet Nikos Antonious Fazit. Seine KollegInnen und er wollen in Deutschland allerdings nicht Almosen sondern politische Solidarität. Tarifverträge seien abgeschafft, sagt Antoniou. „Mit der Troikapolitik wurde unser Land zum Experimentierfeld für Niedriglohn und Entrechtung. Bald können auch Länder wie Deutschland davon betroffen sein.“

Doch nicht nur Krisenmeldungen hatten die GewerkschafterInnen zu vermelden. „Wir kommen aus einem Land der Krise, in der das Bildungs- und Gesundheitssystem zusammengebrochen sind. Aber wir kommen auch aus einem Land des Widerstandes und der solidarischen Projekte“, erklärt Dimitris Koumatsiolis. Er arbeitet in dem besetzten und selbst verwalteten Betrieb VIO.ME in Thessaloniki. Die Beschäftigten haben kürzlich die Produktion ökologischer Reinigungsmittel aufgenommen. Ein europäisches Vertriebsnetz ist in Vorbereitung

http://www.taz.de/Gewerkschaftliche-1Mai-Solidaritaet/!137687/

Peter Nowak

US-Militärhilfe für Ägyptens Putschregierung

Demokratie steht nicht auf der Agenda: Die US-Regierung hat die Beziehungen zum ägyptischen Regime wieder normalisiert

Das Pentagon hat die Lieferung von zehn Apache-Helikoptern an das Militär in Kairo angekündigt. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel habe seinen Amtskollegen Sidki Subhi über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt, hieß es aus Washington.

„Wir glauben, dass diese neuen Hubschrauber der ägyptischen Regierung im Kampf gegen Extremisten, die die Sicherheit der USA, Ägyptens und Israels bedrohen, helfen werden“, sagt Pentagon-Sprecher John Kirby. Die USA hatte die Militärhilfe für Ägypten im vergangenen Jahr eingefroren, nachdem die ägyptische Armee unter Führung von Abd al-Fattha al-Sisi den demokratisch gewählten Präsidenten Mohammed Mursi von der Moslembrüderschaft gestürzt hatte.

Nach Einschätzung von Außenminister Kerry könne die US-Regierung derzeit noch nicht feststellen, dass die neue Regierung in Kairo einen Übergang zur Demokratie unterstütze. Politische Beobachter sprechen eher von einer anderen innenpolitischen Entwicklung in Ägypten. Unter General Sisi, der sich bald zum zivilen Präsidenten wählen lassen will, ist Ägypten in seine autoritärste Phase getreten. Selbst die Mubarak-Herrschaft kann dagegen noch als liberal bezeichnet werden.

Unterdrückung jeglicher Opposition und der Presse

Selbst der regierungsnahe ägyptische Menschenrechtsrat kam kürzlich in einem Untersuchungsbericht zu der Feststellung, dass es sich bei den 632 Menschen, die bei der Räumung von Protestcamps gegen den Putsch ums Leben kamen, überwiegend um friedliche Demonstranten gehandelt [1] habe. Sie hatten nichts anders gefordert als die Wiedereinsetzung eines demokratisch gewählten Präsidenten, also eigentlich eine bürgerlich-demokratische Selbstverständlichkeit.

Nur weil es sich bei dem demokratisch gewählten Präsidenten um einen Moslembruder handelte und seine Anhänger in der Regel in die Nähe von islamistischen Fanatikern gerückt werden, gab es keinen weltweiten Aufschrei gegen die Massenrepression, die auch nach der blutigen Räumung der Protestcamps nicht abebbte.

Vor einigen Wochen verhängte ein ägyptischer Richter im Schnellverfahren 529 Todesurteile gegen vermeintliche Teilnehmer der Proteste gegen die Absetzung von Mursi. Plädoyers der Verteidigung wurden erst gar nicht zugelassen [2] . Gleichzeitig läuft seit Wochen ein Prozess gegen 20 in- und ausländische Journalisten, die als terroristische Mariott-Zelle angeklagt sind.

Mariott ist ein ägyptisches Hotel, in dem sich viele der Journalisten einquartiert hatten. In dem Prozess, in dem die Angeklagten in Käfigen vorgeführt wurden, präsentierte die Anklage auch „Beweise“ für das terroristische Treiben der Journalisten, wie ein Taz-Korrespondent aus Kairo schrieb [3]:

„Kistenweise wurden dem Richter im Verfahren gegen den Australier Peter Greste alltägliche Geräte der Fernseharbeit, bis hin zu elektrischen Kabeln und einer Computertastatur, vorgeführt. Der Vorsitzende Richter kämpfte damit, die Kisten zu öffnen und verzählte sich zwischendrin bei der Zahl der Kameras. Unklar ist, was die Staatsanwaltschaft mit diesen Ausrüstungsgegenständen zu beweisen sucht.“

Längst ist auch die nichtislamistische Opposition ins Visier der ägyptischen Repressionsorgane geraten. Weltweit gibt es kaum Kritik an dem autoritären Kurs der Regierung.

Dämonisierung einer demokratisch gewählten Regierung

Man stelle sich die Reaktionen in aller Welt vor, wenn es unter der Herrschaft Mursis einen politischen Massenprozess mit Todesstrafen und eine Inhaftierung kritischer Journalisten gegeben hätte. Eine internationale Protestwelle wäre die richtige Konsequenz gewesen.

Nur bleibt diese jetzt aus, wo nicht die Islamisten, sondern die alten Eliten den Terror vorantreiben. Die freie Journalistin Charlotte Wiedemann untersucht seit Jahren, wie weltweit bestimmte Regierungen und politische Strömungen politisch dämonisiert werden, damit dann als Reaktion auf sie jedes poltische Mittel legitimiert scheint, um sie zu bekämpfen. Genau dies ist anscheinend bei der ägyptischen Moslembruderschaft der Fall.

Die Bewegung hat sicher keinerlei emanzipatorische Ziele und es gibt für ägyptische Liberale und Linke genügend Gründe, um die Moslembrüder politisch zu bekämpfen und gegen jede Machtanmaßung zu protestieren. Doch es gibt keinen Grund, den blutigen Feldzug der alten ägyptischen Eliten gegen die Moslembrüder und alle Oppositionellen in irgendeiner Weise zu rechtfertigen, schon gar nicht mit der Regierungspraxis von Mursi.

Der zeigte sich als inkompetenter Politiker, dem aber keine gravierenden Menschenrechtsverletzungen und schon gar keine blutige Abrechnung mit der Opposition nachzuweisen ist. Charlotte Wiedemann bringt diesen Zusammenhang in einer Kolumne [4] so auf den Punkt:

„Wie es zu Ägyptens Absturz in die Militärautokratie kam, wird von Legenden vernebelt. Die US-amerikanischen Nahost-Experten Shadi Hamdi und Meredith Wheeler Meredith untersuchten die Regierungszeit von Mohammed Mursi jüngst anhand von Parametern, die in der Politikwissenschaft üblich sind, um die Entwicklung von Übergangsgesellschaften nach dem Sturz autokratischer Regime zu bewerten. Der Befund: Im globalen Maßstab sei Mursi, trotz Anmaßung und Inkompetenz, eher Durchschnitt gewesen; auf der Skala zwischen Demokratie und Autokratie habe das Mursi-Ägypten keineswegs am unteren Ende rangiert. Der Putsch, sagen die Forscher, sei legitimiert worden ‚durch eine grundlegende Fehldeutung und Verzerrung dessen, was vorher geschah.'“

Doch ein Terroristenprozess gegen Journalisten, drohende Massenhinrichtungen und eine Repression gegen sämtliche Fraktionen der oppositionellen Bewegung sind keine Kriterien für US-Militärhilfen. Die habe Ägypten nach Angaben der US-Außenministers an den Kongress erfüllt.

Zu den Kriterien gehöre, dass die Führung am Nil „ihren Verpflichtungen aus dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag nachkommt und gute Verhältnisse zu den USA anstrebt“.

http://www.heise.de/tp/news/US-Militaerhilfe-fuer-Aegyptens-Putschregierung-2175806.html

Peter Nowak

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Wie Deutschland gegenüber Russland konfliktfähig gemacht werden soll

Europa von unten aufgerollt

Europäisches Netzwerk der Basisgewerkschaften tagt und demonstriert in Berlin – Bericht von Peter Nowak und Willi Hajek

Ein seltenes Bild bot sich den wenigen PassantInnen, die am 16. März an der Zentrale des DGB-Vorstands in Berlin-Mitte vorbeikamen. Dort hatten sich GewerkschafterInnen aus mehreren europäischen Ländern versammelt und hielten ihre Transparente und Fahnen in den scharfen Wind. Darunter Banner der Cobas aus Italien, mehrere Sektionen der französischen Gewerkschaft Sud und der polnischen Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen. Vor der DGB-Zentrale protestieren sie gegen alle Versuche, die Gewerkschaftsrechte für Basis- und Spartengewerkschaften einzuschränken. Dieser Protest hatte einen konkreten Grund.

In Deutschland unterstützt der DGB ein Gesetz zur Tarifeinheit, das die Rechte von kleineren Gewerkschaften, Branchen- und Basisgewerkschaften einschränken würde. In Italien, Frankreich und Spanien schließen die großen Gewerkschaften Abkommen mit der Regierung. Branchen- und Basisgewerkschaften werden ignoriert, ihre Rechte teilweise massiv eingeschränkt. Daher appellierten die RednerInnen in mehreren Sprachen an den – am Sonntag allerdings abwesenden – DGB-Vorstand, sich nicht an der Einschränkung von Gewerkschaftsrechten zu beteiligen. Die zu der Aktion per Presseerklärung eingeladenen Medien ignorierten diese europäische Aktion von BasisgewerkschafterInnen vollständig. Das Neue Deutschland hatte für so viel Kritik am DGB schlicht „keinen Platz“, wie die verantwortliche Redakteurin dem Verfasser mitteilte.

Die Aktion bildete den Abschluss des diesjährigen Treffens der europäischen Basisgewerkschaften in Berlin, an dem sich vom 14.-16. März mehr als 60 GewerkschafterInnen aus Italien, Spanien, Schweiz, Frankreich, Polen und der BRD beteiligten. Seit 2001 finden diese Treffen jährlich in einem anderen europäischen Land statt. Die Wurzeln des Netzwerks reichen bis in das Jahr 1995 zurück, als die Erhöhungen des Renteneintrittsalters in Frankreich zu Massenstreiks führten und die Notwendigkeit deutlich machten, dass sich Basisgewerkschaften europaweit koordinieren. Den Kern des Netzwerks bilden heute die Gewerkschaften der SUD Solidaires aus Frankreich, die CGT aus Spanien und die italienischen Cobas. Aus Deutschland beteiligten sich an der Vorbereitung und der Veranstaltung die FAU-Berlin, die Wobblies (Berlin), TIE-Germany, labournet.de, labournet.tv, der Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall/Berlin und die Basisinitiative Solidarität (BaSo) aus Wuppertal.

Ein Schwerpunkt der theoretischen Debatte war die Bedeutung von Betriebsbesetzungen, Betriebsübernahmen und Arbeiterselbstverwaltung in der Krise. Hierzu wurden gemeinsame Orientierungsthesen erarbeitet.

In mehreren Resolutionen wurde darüber hinaus die Mobilisierung für den „Marsch der Würde“ am 22. April in Madrid sowie die Teilnahme an den Blockupy-Aktionstagen, die Mitte Mai in mehreren europäischen Ländern stattfinden werden, beschlossen. Obwohl das Verfassen von Resolutionen nach dem Geschmack eines Delegierten der FAU deutlich zu viel Raum auf dem Treffen einnahm, erschöpfte sich die Arbeit nicht darin. Mittlerweilen existieren innerhalb des Netzwerks Branchennetzwerke für Call Center, Gesundheit, Transport, Industrie, Erziehung und den Öffentlichen Dienst. In entsprechenden Arbeitsgruppen ging es um den Ausbau der vorhandenen Kontakte und gemeinsame Aktivivtäten. So beratschlagten in dem Netzwerk „Bahn ohne Grenzen“, an dem sich neben europäischen Bahnbeschäftigten, NutzerInnen-Initiativen und ökologisch orientierten Gruppen auch afrikanische Bahnbeschäftigte beteiligen, auch Gäste eines linksgewerkschaftlichen Berliner Bündnisses bei der S-Bahn, wie man weitere Privatisierungen verhindern kann. Ihre gemeinsame Perspektive richtet sich auf einen Kampf für eine öffentliche Bahn unter Kontrolle der Beschäftigten und der NutzerInnen.

Interessant war der Bericht einer Cobas-Neugründung aus Norditalien, die aus einem mittlerweile vier Jahre andauernden militanten Streik in einem der wachsenden Logistik-Zentren bei Mailand vor zwei Monaten entstanden war. Ausführlich berichteten die KollegInnen über ihren Kampf gegen Logistikkonzerne wie TNT, DHL und GLS und den Milchriesen Granarolo, in dem sie sich – weitgehend erfolgreich – u.a. für die Wiedereinstellung von 51 entlassenen KollegInnen, die Einhaltung von Tarifverträgen (die bei den italienischen Großgenossenschaften gesetzlich außer Kraft gesetzt sind) und einen geregelten Acht-Stunden-Tag eingesetzt haben. Zu der Auseinandersetzung gibt es auch einen Film („Granarolo – eine Woche der Leidenschaft“, 15 min., italienisch mit dt. Untertiteln, bei labournet.tv unter: http://de.labournet.tv/laender/italien/) und einen längeren Hintergrundtext zum Boom der Logistikbranche in Italien und zur Neuzusammensetzung der Arbeiterklasse in dieser Branche (http://debatteforum.wordpress.com/).

Aus Polen waren die Gewerkschaften der Krankenschwestern und Hebammen gekommen, die das „europäische Manifest gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens“ vorstellten (s. auch express, Nr. 10/2012). Die Initiative für diesen Aufruf und die laufende Kampagne war von belgischen, französischen und polnischen BasisgewerkschafterInnen im Gesundheitsbereich ausgegangen. Etwas enttäuscht zeigte sich eine Delegierte der polnischen Gewerkschaft, die in dem Workshop über den Widerstand gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens allein blieb. Dabei existiert das Manifest seit über einem Jahr und liegt übersetzt in verschiedenen Sprachen vor. (Auf Deutsch kann es auf der Homepage des vdää nachgelesen werden[1]).

Dass hier die Chance für eine internationale Koordinierung nicht besser genutzt werden konnte, ist auch deshalb bedauerlich, weil aktuell Beschäftigte an der Berliner Charité gemeinsam mit einer Solidaritätsinitiative gegen die zerstörerischen Folgen der Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und für den Zusammenhang von besseren Arbeitsbedingungen und Qualität der Pflege kämpfen. Die GesundheitsaktivistInnen waren jedoch auf dem Care-Revolution-Kongress vertreten, der zeitgleich mit den Treffen des europäischen Gewerkschaftsnetzwerkes in Berlin stattfand (S. dazu den Bericht von Stefan Schoppengerd, S.12  in diesem express). Zu der geplanten gemeinsamen Demonstration kam es leider aus Gründen der Konferenzdramaturgie nicht. Diess  ist aber sicher nicht der kleinen Vorbereitungsgruppe vorzuwerfen, die sich für die Durchführung des mehrsprachigen Kongresses nur auf wenige aktive Gruppen und Einzelpersonen in Berlin stützen konnte. Vielleicht beim nächsten Mal. Verabredet wurde wurde eine Folgekonferenz,  die im Oktober 2014 in Paris stattfinden soll.

express-Ausgabe 3-4/2014

http://www.labournet.de/express/

Deutschland – wichtige Schaltzentrale im Drohnenkrieg?

Verliert die Linkspartei ihre friedenspolitische Unschuld?

Morgen wird sich zeigen, ob manche Abgeordnete der Linkspartei dem Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen zustimmen werden

Einige Friedensgruppen sehen das so und haben in den letzten Tagen eine sehr zivile Schlacht der Offenen Briefe [1] eröffnet. Gewarnt wird, dass die Linkspartei ihr parlamentarisches Alleinstellungsmerkmal als Friedenspartei verlieren würde, wenn, wie angekündigt, einige ihrer Abgeordneten den Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen [2] zustimmen. Abgestimmt wird auch über einen Antrag der Linken [3], in dem von der Bundesregierung gefordert wird, keine zivil wie militärisch verwendbaren Güter, die zur Herstellung chemischer oder biologischer Waffen verwendbar sind, an Staaten zu genehmigen, die die Chemiewaffen- und die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben.

Kritisch ist die parlamentarische Absegnung des von der Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossenen Mandats. Es sieht vor, dass die Bundeswehr mit 300 Soldaten und einer Fregatte den Einsatz des US-Spezialfrachters „Cape Ray“ [4] schützen soll. Auf dem Schiff werden im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen durch das sogenannte Hydrolyseverfahren [5] unbrauchbar gemacht. Die Zustimmung der Linkspartei ist nicht notwendig, weil bereits eine ganz große Koalition aus Union, SPD und Grünen eine Zustimmung zu dem Einsatz angekündigt haben.

Wenn einige Linke nun in dieser Frage auch mit Ja stimmen, wollen sie ein Signal setzen, nicht zu den ewigen Neinsagern gehören zu wollen. Das aber wird als erster Schritt in ein potentielles Bündnis mit der SPD und vielleicht auch den Grünen verstanden. Der einer Regierungsbeteiligung aufgeschlossene, in den Medien als Reformer titulierte Flügel und die nicht so sehr darauf erpichten Kreise, die gerne als Traditionalisten abgewatscht werden, belauern sich gegenseitig. Wer gibt wieder welche Signale, ist immer die großeFrage. Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Abstimmung über eine Begleitung eines zur Vernichtung vorgesehenen Giftgastransportes eine solch heftige Debatte provozierte.

Abrüstungspolitisch glaubwürdig?

Paul Schäfer war verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode. Weil er bei den letzten Wahlen den Wiedereinzug ins Parlament verfehlte, kann er jetzt nur noch per Offenem Brief [6] agieren und seine Parteifreunde zur Zustimmung auffordern [7]:

„Ein Nein zum Antrag der Bundesregierung käme für mich nicht in Frage. Dass die Koalition diesen Einsatz auch zur Legitimation anderer Militäreinsätze missbrauchen wird, ist klar, aber kein ausreichender Grund.
Eine Enthaltung wäre eine Option, weil man sich der Abrüstung nicht verweigern will, aber die besonderen Begleitumstände – ’neue deutsche Verantwortung‘ heißt mehr Militäreinsätze – kritisch sieht. Ein Ja wäre meine bevorzugte Option, weil man sich in der Sache, um die es eigentlich geht, konsequent verhält und abrüstungspolitisch glaubwürdig bleibt.“

Vor allem die beiden letzten Absätze in Schäfers Text sind interpretationsfähig. Obwohl er die Stimmenthaltung als eine Option sieht, nicht die Waffenvernichtung, aber deutsche Militäreinsätze abzulehnen, bezeichnet er am Schluss eine Zustimmung als seine bevorzugte Option. Aus der Logik seiner Argumentation kann das aber nur bedeuten, dass er beides, die Vernichtung des Giftgases und die neue deutsche Verantwortung, nicht kritisch sieht. Inhaltich argumentiert Schäfer, die Begleitung des Giftgases sei „kein Kampfeinsatz. Die UN-Resolution 2118 stützt sich nicht auf das Kapitel VII der UN-Charta, der Auftrag lautet nicht, einen Gegner militärisch zu bezwingen, sondern ist auf Begleitschutz und hierbei auf Selbstverteidigung und die Pflicht zur Nothilfe festgeschrieben.“

Symbolpolitik der Bundeswehr?

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Annette Groth widersprach [8] ihrem Ex-Kollegen.

„Selbstverständlich ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu begrüßen. Die geplante Entsendung von 300 Soldaten zum maritimen Begleitschutz des US-Schiffes CAPE RAY, an dessen Bord die syrischen Chemiewaffen unbrauchbar gemacht werden sollen, ist aber mehr als fragwürdig. Denn sie stellt formal einen Kampfeinsatz dar.“

Groth weist auch darauf hin, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Giftgastransport nicht benötigt und die Gefährdungslage von der Bundesregierung selber als niedrig eingeschätzt wird Daher sei die
Beteiligungder Bundeswehr selber eine Symbolpolitik. Die Bundesregierung will damit weltpolitisch Flagge zeigen. Ähnlich argumentiert der aktuelle verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Alexander Neu. Die Argumente seines Vorgängers für eine Zustimmung überzeugen ihn nicht. In einem Interview [9] sagte er:

„Paul Schäfer kann mir den militärischen Mehrwert durch eine deutsche Fregatte nicht plausibel erklären. Die Sicherheitsmaßnahmen sehen so aus: Auf dem US-Schiff, das die Vernichtung der Chemiewaffen vornimmt, ist eine US-Spezialeinheit. Um das Schiff herum bilden US-Kriegsschiffe einen ‚Schutzgürtel‘. Jenseits dieses Schutzgürtels soll es einen zweiten durch Kriegsschiffe anderer Staaten, darunter der deutschen Fregatte, geben. Zugleich wird seitens der Bundesregierung gesagt, die Bedrohungslage sei ‚gering‘. Der zweite, äußere Schutzgürtel ist faktisch nicht erforderlich.“

Das Parteizentrum um Gysi versucht den Konflikt um den Bundeswehreinsatz nun dadurch zu entschärfen, dass er für alle Bundestagsabgeordneten der Linkspartei eine Stimmenthaltung empfiehlt.

http://www.heise.de/tp/news/Verliert-die-Linkspartei-ihre-friedenspolitische-Unschuld-2166325.html

Peter Nowak

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Konferenz europäischer Basisgewerkschaften in Berlin

Deutsche KollegInnen schwach vertreten

Ein seltenes Bild bot sich den wenigen Passanten, die am 16.März an der Zentrale des DGB-Vorstands in Berlin-Mitte vorbeikamen. Dort hatten sich Gewerkschafter aus mehreren europäischen Ländern versammelt und hielten ihre Transparente und Fahnen in den scharfen Wind. Mehrere Banner der Cobas aus Italien, mehrere Sektionen der französischen Gewerkschaft SUD waren ebenso vertreten wie die polnische Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen. Vor der DGB-Zentrale protestierten sie gegen alle Versuche, die Gewerkschaftsrechte für Basis- und Spartengewerkschaften einzuschränken.

Der Protest hatte einen konkreten Anlass: In Deutschland will der DGB vor allem mit Hilfe der IG Metall ein Gesetz zur Tarifeinheit durchsetzen, das die Rechte von Branchen- und Basisgewerkschaften einschränken würde. In Italien, Frankreich und Spanien schließen die großen Gewerkschaften Abkommen mit der Regierung. Branchen- und Basisgewerkschaften werden ignoriert, ihre Rechte teilweise massiv eingeschränkt.

Daher riefen die Redner in mehreren Sprachen den DGB-Vorstand dazu auf, sich an der Einschränkung von Gewerkschaftsrechten nicht zu beteiligen. Der Protest war der Abschluss des diesjährigen Treffens der europäischen Basisgewerkschaften, das vom 14. bis 16.März in Berlin stattfand. Seit 2001 finden diese Treffen jährlich in einem anderen europäischen Land statt.

Die Wurzeln für das Netzwerk reichen ins Jahr 1995 zurück, als ein großer Streik in Frankreich die Notwendigkeit deutlich machte, dass sich Basisgewerkschaften europaweit koordinieren. Das war natürlich auch in Berlin das zentrale Thema. In mehreren Resolutionen wurde die Teilnahme am «Marsch der Würde» am 22.März in Madrid beschlossen, einige der anwesenden Gewerkschafter beteiligten sich daran sogar persönlich im Block der Internationalen Solidarität. Auch an den Blockupy-Aktionstagen, die Mitte Mai in mehreren europäischen Ländern stattfinden werden, wollen sich die Basisgewerkschaften beteiligen.

Doch darin erschöpft sich ihre Arbeit nicht, wie sich in den Arbeitsgruppen zeigte. Besonders gut besucht war das Netzwerk «Bahn ohne Grenzen,» an dem neben europäischen auch afrikanische Bahnbeschäftigte teilnahmen. Aus Berlin waren Delegierte des gewerkschaftlichen Bündnisses «100 Prozent S-Bahn» als Gäste zugegen, die sehr zufrieden über den Austausch mit ihren Kollegen aus den anderen Ländern waren.

Etwas enttäuscht zeigte sich dagegen eine Delegierte der polnischen Gewerkschaft der Hebammen und Krankenschwester. Im Workshop über den Widerstand gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens blieb sie allein. Dabei liegt seit Monaten ein Manifest gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens in verschiedenen Sprachen vor. (Die deutsche Version kann unter www.vdaeae.de/images/stories/fotos2/europmanifest_gegen_ kommerzialisierung_g-wesen_121001.pdf aufgerufen werden.)

Zum Treffen in Berlin ging die Initiative von belgischen, französischen und polnischen Gewerkschaften aus. Wieder einmal zeigte sich, dass Deutschland auf diesem Gebiet immer noch Schlusslicht ist. Auch linksgewerkschaftliche Kreise waren auf der Konferenz nur schwach vertreten, und die linken Medien ignorierten das Treffen fast vollständig, obwohl sie eingeladen waren. Das nächste Treffen der Basisgewerkschaften soll in Barcelona stattfinden. Dort dürfte die regionale und mediale Verankerung wesentlich besser sein.

Konferenz europäischer Basisgewerkschaften in Berlin

von Peter Nowak