Verliert die Linkspartei ihre friedenspolitische Unschuld?

Morgen wird sich zeigen, ob manche Abgeordnete der Linkspartei dem Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen zustimmen werden

Einige Friedensgruppen sehen das so und haben in den letzten Tagen eine sehr zivile Schlacht der Offenen Briefe [1] eröffnet. Gewarnt wird, dass die Linkspartei ihr parlamentarisches Alleinstellungsmerkmal als Friedenspartei verlieren würde, wenn, wie angekündigt, einige ihrer Abgeordneten den Bundeswehreinsatz im Rahmen der Vernichtung syrischer Chemiewaffen [2] zustimmen. Abgestimmt wird auch über einen Antrag der Linken [3], in dem von der Bundesregierung gefordert wird, keine zivil wie militärisch verwendbaren Güter, die zur Herstellung chemischer oder biologischer Waffen verwendbar sind, an Staaten zu genehmigen, die die Chemiewaffen- und die Biowaffenkonvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert haben.

Kritisch ist die parlamentarische Absegnung des von der Bundesregierung in der vergangenen Woche beschlossenen Mandats. Es sieht vor, dass die Bundeswehr mit 300 Soldaten und einer Fregatte den Einsatz des US-Spezialfrachters „Cape Ray“ [4] schützen soll. Auf dem Schiff werden im Mittelmeer die syrischen Chemiewaffen durch das sogenannte Hydrolyseverfahren [5] unbrauchbar gemacht. Die Zustimmung der Linkspartei ist nicht notwendig, weil bereits eine ganz große Koalition aus Union, SPD und Grünen eine Zustimmung zu dem Einsatz angekündigt haben.

Wenn einige Linke nun in dieser Frage auch mit Ja stimmen, wollen sie ein Signal setzen, nicht zu den ewigen Neinsagern gehören zu wollen. Das aber wird als erster Schritt in ein potentielles Bündnis mit der SPD und vielleicht auch den Grünen verstanden. Der einer Regierungsbeteiligung aufgeschlossene, in den Medien als Reformer titulierte Flügel und die nicht so sehr darauf erpichten Kreise, die gerne als Traditionalisten abgewatscht werden, belauern sich gegenseitig. Wer gibt wieder welche Signale, ist immer die großeFrage. Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Abstimmung über eine Begleitung eines zur Vernichtung vorgesehenen Giftgastransportes eine solch heftige Debatte provozierte.

Abrüstungspolitisch glaubwürdig?

Paul Schäfer war verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion in der letzten Legislaturperiode. Weil er bei den letzten Wahlen den Wiedereinzug ins Parlament verfehlte, kann er jetzt nur noch per Offenem Brief [6] agieren und seine Parteifreunde zur Zustimmung auffordern [7]:

„Ein Nein zum Antrag der Bundesregierung käme für mich nicht in Frage. Dass die Koalition diesen Einsatz auch zur Legitimation anderer Militäreinsätze missbrauchen wird, ist klar, aber kein ausreichender Grund.
Eine Enthaltung wäre eine Option, weil man sich der Abrüstung nicht verweigern will, aber die besonderen Begleitumstände – ’neue deutsche Verantwortung‘ heißt mehr Militäreinsätze – kritisch sieht. Ein Ja wäre meine bevorzugte Option, weil man sich in der Sache, um die es eigentlich geht, konsequent verhält und abrüstungspolitisch glaubwürdig bleibt.“

Vor allem die beiden letzten Absätze in Schäfers Text sind interpretationsfähig. Obwohl er die Stimmenthaltung als eine Option sieht, nicht die Waffenvernichtung, aber deutsche Militäreinsätze abzulehnen, bezeichnet er am Schluss eine Zustimmung als seine bevorzugte Option. Aus der Logik seiner Argumentation kann das aber nur bedeuten, dass er beides, die Vernichtung des Giftgases und die neue deutsche Verantwortung, nicht kritisch sieht. Inhaltich argumentiert Schäfer, die Begleitung des Giftgases sei „kein Kampfeinsatz. Die UN-Resolution 2118 stützt sich nicht auf das Kapitel VII der UN-Charta, der Auftrag lautet nicht, einen Gegner militärisch zu bezwingen, sondern ist auf Begleitschutz und hierbei auf Selbstverteidigung und die Pflicht zur Nothilfe festgeschrieben.“

Symbolpolitik der Bundeswehr?

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Annette Groth widersprach [8] ihrem Ex-Kollegen.

„Selbstverständlich ist die Vernichtung der syrischen Chemiewaffen zu begrüßen. Die geplante Entsendung von 300 Soldaten zum maritimen Begleitschutz des US-Schiffes CAPE RAY, an dessen Bord die syrischen Chemiewaffen unbrauchbar gemacht werden sollen, ist aber mehr als fragwürdig. Denn sie stellt formal einen Kampfeinsatz dar.“

Groth weist auch darauf hin, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Giftgastransport nicht benötigt und die Gefährdungslage von der Bundesregierung selber als niedrig eingeschätzt wird Daher sei die
Beteiligungder Bundeswehr selber eine Symbolpolitik. Die Bundesregierung will damit weltpolitisch Flagge zeigen. Ähnlich argumentiert der aktuelle verteidigungspolitische Sprecher der Linksfraktion, Alexander Neu. Die Argumente seines Vorgängers für eine Zustimmung überzeugen ihn nicht. In einem Interview [9] sagte er:

„Paul Schäfer kann mir den militärischen Mehrwert durch eine deutsche Fregatte nicht plausibel erklären. Die Sicherheitsmaßnahmen sehen so aus: Auf dem US-Schiff, das die Vernichtung der Chemiewaffen vornimmt, ist eine US-Spezialeinheit. Um das Schiff herum bilden US-Kriegsschiffe einen ‚Schutzgürtel‘. Jenseits dieses Schutzgürtels soll es einen zweiten durch Kriegsschiffe anderer Staaten, darunter der deutschen Fregatte, geben. Zugleich wird seitens der Bundesregierung gesagt, die Bedrohungslage sei ‚gering‘. Der zweite, äußere Schutzgürtel ist faktisch nicht erforderlich.“

Das Parteizentrum um Gysi versucht den Konflikt um den Bundeswehreinsatz nun dadurch zu entschärfen, dass er für alle Bundestagsabgeordneten der Linkspartei eine Stimmenthaltung empfiehlt.

http://www.heise.de/tp/news/Verliert-die-Linkspartei-ihre-friedenspolitische-Unschuld-2166325.html

Peter Nowak

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Konferenz europäischer Basisgewerkschaften in Berlin

Deutsche KollegInnen schwach vertreten

Ein seltenes Bild bot sich den wenigen Passanten, die am 16.März an der Zentrale des DGB-Vorstands in Berlin-Mitte vorbeikamen. Dort hatten sich Gewerkschafter aus mehreren europäischen Ländern versammelt und hielten ihre Transparente und Fahnen in den scharfen Wind. Mehrere Banner der Cobas aus Italien, mehrere Sektionen der französischen Gewerkschaft SUD waren ebenso vertreten wie die polnische Gewerkschaft der Krankenschwestern und Hebammen. Vor der DGB-Zentrale protestierten sie gegen alle Versuche, die Gewerkschaftsrechte für Basis- und Spartengewerkschaften einzuschränken.

Der Protest hatte einen konkreten Anlass: In Deutschland will der DGB vor allem mit Hilfe der IG Metall ein Gesetz zur Tarifeinheit durchsetzen, das die Rechte von Branchen- und Basisgewerkschaften einschränken würde. In Italien, Frankreich und Spanien schließen die großen Gewerkschaften Abkommen mit der Regierung. Branchen- und Basisgewerkschaften werden ignoriert, ihre Rechte teilweise massiv eingeschränkt.

Daher riefen die Redner in mehreren Sprachen den DGB-Vorstand dazu auf, sich an der Einschränkung von Gewerkschaftsrechten nicht zu beteiligen. Der Protest war der Abschluss des diesjährigen Treffens der europäischen Basisgewerkschaften, das vom 14. bis 16.März in Berlin stattfand. Seit 2001 finden diese Treffen jährlich in einem anderen europäischen Land statt.

Die Wurzeln für das Netzwerk reichen ins Jahr 1995 zurück, als ein großer Streik in Frankreich die Notwendigkeit deutlich machte, dass sich Basisgewerkschaften europaweit koordinieren. Das war natürlich auch in Berlin das zentrale Thema. In mehreren Resolutionen wurde die Teilnahme am «Marsch der Würde» am 22.März in Madrid beschlossen, einige der anwesenden Gewerkschafter beteiligten sich daran sogar persönlich im Block der Internationalen Solidarität. Auch an den Blockupy-Aktionstagen, die Mitte Mai in mehreren europäischen Ländern stattfinden werden, wollen sich die Basisgewerkschaften beteiligen.

Doch darin erschöpft sich ihre Arbeit nicht, wie sich in den Arbeitsgruppen zeigte. Besonders gut besucht war das Netzwerk «Bahn ohne Grenzen,» an dem neben europäischen auch afrikanische Bahnbeschäftigte teilnahmen. Aus Berlin waren Delegierte des gewerkschaftlichen Bündnisses «100 Prozent S-Bahn» als Gäste zugegen, die sehr zufrieden über den Austausch mit ihren Kollegen aus den anderen Ländern waren.

Etwas enttäuscht zeigte sich dagegen eine Delegierte der polnischen Gewerkschaft der Hebammen und Krankenschwester. Im Workshop über den Widerstand gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens blieb sie allein. Dabei liegt seit Monaten ein Manifest gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens in verschiedenen Sprachen vor. (Die deutsche Version kann unter www.vdaeae.de/images/stories/fotos2/europmanifest_gegen_ kommerzialisierung_g-wesen_121001.pdf aufgerufen werden.)

Zum Treffen in Berlin ging die Initiative von belgischen, französischen und polnischen Gewerkschaften aus. Wieder einmal zeigte sich, dass Deutschland auf diesem Gebiet immer noch Schlusslicht ist. Auch linksgewerkschaftliche Kreise waren auf der Konferenz nur schwach vertreten, und die linken Medien ignorierten das Treffen fast vollständig, obwohl sie eingeladen waren. Das nächste Treffen der Basisgewerkschaften soll in Barcelona stattfinden. Dort dürfte die regionale und mediale Verankerung wesentlich besser sein.

Konferenz europäischer Basisgewerkschaften in Berlin

von Peter Nowak

Putin die Grenzen zeigen oder mit ihm im Gespräch bleiben

Ukrainische Rechte bekamen Unterstützung aus Schweden

Renzi: Mit neuem Wahlgesetz für große Koalitionen, gegen kleine Parteien

Italien: Parlamentsreform im Abgeordnetenhaus mit großer Mehrheit angenommen

Wie lange kann sich Erdogan noch halten?

Zeichen der Solidarität

Eine deutsche Delegation beteiligt sich an Protesten gegen Treffen der Waffen-SS in Riga

Die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten VVN-BdA beteiligen sich in diesem Jahr erstmals an den Protesten gegen den Aufmarsch zu Ehren der Waffen-SS im lettischen Riga. Mit dem Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren, sprach für »nd« Peter Nowak.

nd: Wer sind Ihre Partner beim Protest gegen das Waffen-SS-Treffen?
Tervooren: Unsere Partner in Riga sind unter Anderem das Lettische Antifaschistische Komitee und die Organisation Lettland ohne Nazismus. Hauptorganisator in Riga ist deren Vorsitzender Josef Koren. Er koordiniert die Proteste am 16. März seit vielen Jahren. Viele der Protestierer aus Lettland sind Nachkommen von Holocaustopfern, aber auch die Kinder ehemaliger Widerstandskämpfer.

Warum gibt es dieses Jahr erstmals eine europaweite Mobilisierung?
An den Protesten haben sich schon immer Menschen aus Europa und auch Israel beteiligt, so war Efraim Zuroff vom Simon Wiesenthal Centrum Jerusalem dabei. Es sind aber nie sehr viele gewesen. Auch in diesem Jahr wird nur eine Delegation von Antifaschisten aus Deutschland an den Protesten teilnehmen, darunter auch die LINKE-Bundestagsabgeordnete Martina Renner. Wir wollen damit ein Zeichen der Solidarität mit den Opfern des Nazismus und den lettischen Antifaschisten setzen.

Was ist in Riga geplant?
In Riga soll es einen Runden Tisch zu Neonazismus und neuem Nationalismus geben. Außerdem sind Kundgebungen gegen den Aufmarsch der Veteranen und Sympathisanten der Waffen-SS in Riga geplant.

Wie reagieren die lettischen Behörden darauf?
Die Polizei und die Gerichte versuchen im Moment, die Antifaschisten weit weg vom eigentlichen Geschehen »protestieren« zu lassen. Gleichzeitig wurden dem Runden Tisch das zweite Mal die Veranstaltungsräume gekündigt. So etwas kennen wir auch aus Deutschland und anderen EU-Ländern.

Haben Sie Informationen, ob auch Neonazis oder SS-Veteranen aus Deutschland oder Österreich am Treffen der Waffen-SS teilnehmen?
Aktuell haben wir keine Informationen. Aber gerade die baltischen Nationalisten unterstützen sich bei vielen Anlässen. Im letzten Jahr haben auch belgische und holländische Waffen-SS-Veteranen teilgenommen

Soll die Kooperation mit den lettischen Antifaschisten auch nach den Protesten vom Wochenende weitergehen?
Der FIR und der VVN-BdA sind Kontakte gerade in den Osten Europas sehr wichtig. Die sind in den letzten Jahren etwas eingeschlafen. Ein Grund liegt darin, dass viele antifaschistische Veteranenorganisationen mit denen Partnerschaften bestanden haben, oft aus Altersgründen nicht mehr richtig arbeitsfähig sind. Wir wollen alte Kontakte erneuern und freuen uns über neue. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren sicher öfter nach Riga und auch in andere baltische Staaten fahren. So ist für den Sommer eine Beteiligung an antifaschistischen Protesten gegen einen Aufmarsch der Waffen-SS in Estland geplant.

Gibt es neben den Veteranenverbänden auch junge Antifagruppen?
Es gibt nur ganz wenige junge aktive Antifaschisten im Baltikum. Auch eine aktive Zivilgesellschaft, die sich gegen rechte Aufmärsche ausspricht, ist nicht vorhanden. Die einzige politische Kraft, die in den letzten Jahren das Treffen der lettischen Waffen-SS-Veteranen kritisierte, ist die sozialdemokratische Harmoniepartei, die zum großen Teil von den russischsprachigen Bürgern in Riga gewählt wird.

Spenden für die Delegation nach Lettland können unter dem Stichwort »Spende Riga« auf das Konto der VVN-BdA Bundesvereinigung, Konto-Nr: 190037270, bei der Berliner Sparkasse, BLZ 10050000 gezahlt werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/926884.zeichen-der-solidaritaet.html

Peter Nowak

Ultrarechte Bestrebungen in Osteuropa unter Beobachtung

Politische Initiativen sorgen sich um eine Entwicklung in der Ukraine, die ähnlich verlaufen könnte wie in Ungarn

Am 16. März wollen in der lettischen Hauptstadt Riga wieder die Veteranen der ehemaligen Waffen-SS und ihre jüngeren Epigonen durch die Stadt ziehen. Nur kleine Gruppen meist aus der russischsprachigen Bevölkerung protestieren gegen den Tag der Legionäre. Doch in diesem Jahr beteiligt sich erstmals auch eine Delegation von Antifaschisten aus Deutschland an den Protesten.

Die FIR [1] und die VVN-BdA [2] organisieren einen Bus, mit dem die Delegation in die lettische Hauptstadt fährt. Damit wollen sie das Bündnis für ein Lettland ohne Nazis unterstützen [3], das im Wesentlichen die Proteste in Lettland organisiert. Viele von ihnen sind Holocaustopfer oder Kinder ehemaliger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Antifa nach Riga

Der Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA Markus Tervooren erklärte gegenüber Telepolis, dass die Delegation nach Riga keine einmalige Aktion bleiben soll: „Wir wollen alte Kontakte erneuern. Daher werden wir auch in den kommenden Jahren sicher öfter nach Riga und auch in andere baltische Staaten fahren. So ist für den Sommer eine Beteiligung an antifaschistischen Protesten gegen einen Aufmarsch der Waffen-SS in Estland geplant.“

Das verstärkte Interesse an einer Koordination des Widerstands gegen Rechts ist auch den aktuellen politischen Entwicklungen in Osteuropa geschuldet. Nachdem bereits in Ungarn eine rechte Ordnungszelle entstanden ist, in der eine mit absoluter Mehrheit regierende rechtskonservative Regierungspartei und eine rechtsextreme Oppositionspartei die politische Agenda bestimmen, könnte sich in der Ukraine eine ähnliche Entwicklung wiederholen.

Im Zuge des Umsturzes haben organisierte Ultrarechte in vielen Regionen an Einfluss gewonnen. Dabei geht es nicht darum zu behaupten, dass alle oder auch nur die Mehrheit der Protestierenden organisierte Rechte sind. Doch sie haben offenbar an vielen Orten eine politische Hegemonie, weil sie gut organisiert sind und es auch verstehen, Kritiker zu bedrohen und einzuschüchtern. Solche Meldungen sind in den letzten Wochen aus verschiedenen Regionen der Ukraine gekommen.

Streit unter Linken und Grünen

Mittlerweile hat die linke Solidaritätsorganisation Rote Hilfe [4] einen Solidaritätsaufruf für verfolgte Antifaschisten in der Ukraine veröffentlicht. Michael Dandl aus dem Bundesvorstand der Roten Hilfe erklärte in einem Interview: „Aktivisten, die versucht haben, im Zusammenhang mit den Maidan-Protesten linke Positionen zu vertreten, wurden wiederholt angegriffen, so dass viele von ihnen die Stadt verlassen mussten. Ebenso wurde uns von Todesdrohungen und entsprechenden Listen, über die der ‚Rechte Sektor‘ verfügt, berichtet. Das ist äußerst bedrohlich für die Genossen vor Ort – und ein Ende ist nicht abzusehen.“

Nach ihm sollen Ortsgruppen der Roten Hilfe direkte Kontakte in die Ukraine haben und könnten Berichte über rechte Übergriffe in der Ukraine nachprüfen. Eine genaue Überprüfung der Quellen ist natürlich auch in diesen Fällen unbedingt erforderlich. Denn in den letzten Wochen hat sich über das Ausmaß der Beteiligung rechter Gruppen an den Protesten in der Ukraine eine politische Kontroverse entzündet.

Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde ein Aufruf grünennaher Wissenschaftler [5], die erklärten, die Protestbewegung sei nicht extremistisch, sondern freiheitlich. Den Autoren scheint nicht bewusst gewesen zu sein, dass der Begriff „freiheitlich“ in vielen Ländern das Adjektiv von rechten Parteien ist. Als Beispiel seien nur die Freiheitlichen in Österreich genannt. In dem Aufruf wird suggeriert, die extreme ukrainische Rechte sei im wesentlich ein Phantasma Moskaus [6]. Auch in Medien, die unverdächtig sind, Moskauer Interessen zu vertreten, kann man von Aktivitäten der Ultrarechten in der Ukraine lesen. Die Grünen warnen die Medien davor, sich von der russischen Propaganda instrumentalisieren zu lassen.

In der Linkspartei werden die Grünen kritisiert. Sahra Wagenknecht wirft [7] ihnen „Blindheit für die faschistischen Teile“ der Interims-Regierung vor. Die Abgeordnete Sevim Dagdelen twitterte: „sehen noch immer den Wald vor lauter Bäumen nicht.Sehen in Kiew noch immer gar keine Faschisten.Auf dem rechten Auge blind?“ Allerdings gibt es auch in der unabhängigen Linken Kontroversen über den Umgang mit den Rechten.

So erklärten ukrainische Anarchisten [8] Ende Januar, warum sie sich trotz der starken Präsenz der Ultrarechten an den Protesten beteiligen: „Der Faschismus von der Partei der Regionen ist heute viel realistischer als der angebliche Faschismus der Swoboda Partei oder von den Deppen aus dem Rechten Sektor [außerparteiliche Nazis, die bei den Protesten aktiv sind und einen großen Anteil von Riot Porn produzieren, aber keine Massenunterstützung haben].“

Auffällig ist, wie inflationär hier der Faschismusvorwurf gegenüber der prorussischen Seite benutzt wird und wie er bei den Kräften, die sich auf den historischen ukrainischen Nationalismus beziehen, relativiert wird.

Russland – antifaschistisches Bollwerk?

Andere Kräfte wiederum imaginieren im Putin-Russland die Wiedergänger der autoritären nominalsozialistischen Sowjetunion und wollen noch einmal frühere Schlachten reinszenieren.

Tatsächlich bemüht sich die offizielle russische Seite sehr um eine antifaschistische Rhetorik. In den letzten Wochen ist in vielen Erklärungen darauf hingewiesen worden, dass Ultrarechte und Antisemiten in der ukrainischen Regierung sitzen. Auf der Krim wurden die Swoboda-Bewegung und der Rechte Sektor mittlerweile verboten.

Doch das macht aus der russischen Seite natürlich keinesfalls Antifaschisten. So etwa wird in einem demnächst im Kino anlaufenden Film „Die Moskauer Prozesse“ [9] des Schweizer Regisseurs Milo Rau deutlich, dass auch in Russland Neonazis und Ultrarechte im Herrschaftssystem aktiv gegen kritische Künstler, Juden, Linke und Unangepasste agieren.

Deswegen ist aber die russische Kritik der Beteiligung der ukrainischen Ultrarechten keinesfalls falsch. Zumal sie längst nicht nur von der Regierung und der ihnen nahestehenden Presse kommt. So haben auf einem Treffen am 25. Februar in Moskau auch libertäre und rätekommunistische Gruppen eine Erklärung verfasst, in der zum Aufbau eines „antifaschistischen Stabs Ukraine“ aufgerufen wird. Dort wird die Situation der letzten Monate in der Ukraine recht gut beschrieben:

„Die langjährige Politik der bürgerlichen Machthaber der Ukraine sowie die weltweite Wirtschaftskrise haben zu unerträglichen Lebensbedingungen für die Mehrheit der Bevölkerung geführt. Das Janukowitsch-Regime hatte während des letzten halben Jahres versprochen, einen bedeutenden Teil der wirtschaftlichen Probleme durch die europäische Integration zu lösen. Der plötzliche Verzicht auf die angekündigten Pläne provozierte eine weit verbreitete Unzufriedenheit und deren Ausbruch. Der Prozess war klassenübergreifend und weitgehend spontan. Am Besten darauf vorbereitet war die nationalistische Bewegung, die von der liberalen Opposition als Stoßtrupp des Straßenkampfes verwendet wurde, wodurch der Protest anti-kommunistische oder sogar faschistische Züge bekam.“

http://www.heise.de/tp/news/Ultrarechte-Bestrebungen-in-Osteuropa-unter-Beobachtung-2141120.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.fir.at/

[2]

http://www.vvn-bda.de/

[3]

http://worldwithoutnazism.org/deutsch/

[4]

http://www.rote-hilfe.de

[5]

https://www.boell.de/de/2014/02/20/euromaidan-freiheitliche-massenbewegung-zivilen-ungehorsams

[6]

http://anton-shekhovtsov.blogspot.de/2014/02/pro-russian-network-behind-anti.html

[7]

http://www.tagesspiegel.de/politik/krim-krise-sahra-wagenknecht-warnt-vor-dem-dritten-weltkrieg/9605202.html

[8]

http://syndikalismus.wordpress.com/2014/01/23/aufruf-zur-solidaritat-mit-den-ukrainischen-anarchisten/

[9]

http://www.filmstarts.de/kritiken/225160.html

Rechte Massenbewegung, Putsch oder Bewegung von unten

Wie rechts ist die Maidan-Bewegung?

Links

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http://www.02elf.net/politik/steinbach-julia-timoschenko-und-die-ukrainische-demokratiebewegung-stehen-vor-grossen-herausforderungen-385734

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http://batkivshchyna.com.ua

[3]

http://www.epp.eu/

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http://www.epp.eu/

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http://www.gernot-erler.de/cms/front_content.php

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http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/umsturz-in-der-ukraine-erler-timoschenko-eine-scharfmacherin-12817503.html

[7]

http://www.boell.de/de/2014/02/20/euromaidan-freiheitliche-massenbewegung-zivilen-ungehorsams

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http://www.heise.de/tp/blogs/8/155893

[9]

http://www.heise.de/tp/blogs/8/155721

[10]

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/18169

[11]

http://www.svoboda.org.ua/

[12]

http://www.kpu.ua/

[13]

http://jungle-world.com/artikel/2014/02/49128.html

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http://anton-shekhovtsov.blogspot.de/2014/02/pro-russian-network-behind-anti.html

[15]

http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-erler-timoschenko-ist-keine-ikone.694.de.html?dram:article_id=278305

Vor neuen Protesten in der Türkei?

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http://www.taz.de/!133339

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http://www.gulenmovement.com/

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http://www.akparti.org.tr/english

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http://www.chp.org.tr/

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http://www.sueddeutsche.de/politik/neue-partei-der-tuerkischen-protestbewegung-waehlt-gezi-park-1.1803861

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http://www.labournet.de/internationales/tuerkei/arbeitskaempfe-tuerkei/kazova-textil-fur-ein-leben-ohne-chefs/

Vorschub einer braunen Revolution?

Links

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http://www.heise.de/tp/artikel/41/41032/1.html

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http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=sw&dig=2014%2F02%2F20%2Fa0101&cHash=4ac56827ea9c8015429efb67af8ac7d1

[3]

http://www.heise.de/tp/artikel/40/40495/1.html

[4]

http://www.n-tv.de/politik/Proteste-gehen-weiter-article335285.html

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http://www.heise.de/tp/artikel/23/23573/1.html

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http://www.kontextwochenzeitung.de/ueberm-kesselrand/131/fuer-die-heimat-bereit-1763.html

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http://www.eurobuch.com/buch/isbn/9783492039390.html

Warten auf den neuen Berlusconi

Links

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http://www.matteorenzi.it/

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http://www.partitodemocratico.it

[3]

http://www.tagesschau.de/multimedia/audio/audio118254.html

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http://brf.be/nachrichten/presseschau/712129/

[5]

http://www.fiom.cgil.it/

[6]

http://fiomcarrozzeriamirafiori.jimdo.com/

Wer hat sich in der Knesset unwürdig verhalten?

Links

[1]

http://www.martin-schulz.info/index.php?link=4&bereich=1&details=1&id=1253

[2]

http://www.timesofisrael.com/full-text-of-european-parliament-presidents-speech-to-knesset/

[3]

http://www.deutschlandfunk.de/eklat-in-der-knesset-frueherer-israel-botschafter-dressler.694.de.html?dram:article_id=277388

[4]

http://www.deutschlandfunk.de/avi-primor-ueber-martin-schulz-eine-sehr-gute-rede.694.de.html?dram:article_id=277332

[5]

http://www.timesofisrael.com/testing-the-water-did-eu-visitor-get-his-numbers-right/

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http://www.timesofisrael.com/testing-the-water-did-eu-visitor-get-his-numbers-right/

[7]

http://www.haaretz.com

[8]

http://www.haaretz.com/news/national/.premium-1.573877

„Es geht um Elitenherrschaft“

MITBESTIMMEN Modelle der Bürgerbeteiligung können durchaus kritisch gesehen werden, sagt der Kultursoziologe Thomas Wagner, der gerade ein Buch dazu veröffentlichte

taz: Herr Wagner, Sie haben sich in mehreren Büchern kritisch mit den verschiedenen Formen der Bürgerbeteiligungen auseinandergesetzt. Warum?

Thomas Wagner: Unter dem Stichwort Bürgerbeteiligung werden auch Gesellschaftsmodelle propagiert, die in Bezug auf die Partizipation großer Teile der Bevölkerung noch hinter die parlamentarische Demokratie zurückfallen.

Inwiefern?

Die Forderung nach der Direktwahl von PolitikerInnen erfreut sich etwa bei Wirtschaftslobbyisten wie Olaf Henkel großer Beliebtheit. Ihnen geht es dabei vor allem um eine plebiszitär abgesicherte Elitenherrschaft. Trotzdem wird diese Forderung auch von linken Parteien oft kritiklos unterstützt. Modelle der Bürgerbeteiligung werden so zum Herrschaftsinstrument. Einst kam der Ruf nach BürgerInnenbeteiligung aus dem alternativen Milieu. Mittlerweile versprechen sich maßgebliche Kreise aus Wirtschaft und Politik davon eine Imageförderung oder wollen damit der schwindenden Zustimmung von neoliberalen Reformprojekten entgegenwirken.

Können Sie Beispiele nennen?

Ein in Berlin viel diskutiertes Projekt war 2012 das BMW Guggenheim Lab. Hier wurde unter dem Stichwort „BürgerInnenbeteiligung“ Imagepflege für einen international agierenden Autokonzern getrieben. Es gibt auch viele weniger bekannte Beispiele. Bei Mediationsverfahren etwa stellen engagierte BürgerInnen Unternehmen ihre Expertisen zur Verfügung. Im Rahmen von BürgerInnenhaushalten sollen sie selbst entscheiden, an welcher Stelle gekürzt werden soll. Die Frage, ob und wie politischer Druck zur Verhinderung von Kürzungsprogrammen aufgebaut werden kann, wird dann gar nicht mehr gestellt.

Warum befürchten Sie, dass die Interessen einkommensschwacher Teile der Bevölkerung durch Bürgerbeteiligungsmodelle noch mehr unter den Tisch fallen?

Verschiedene Studien weisen nach, dass sich an BürgerInnenbeteiligungsmodellen stärker als in den traditionellen Parteien Angehörige der Mittelschichten engagieren. Die Interessen der Marginalisierten sind dort noch weniger vertreten als bei traditionellen Partizipationsmodellen wie Parteien und Gewerkschaften.

Ist Bürgerbeteiligung also eine Klassenfrage?

Es ist auf jeden Fall ein Fakt, dass sich marginalisierte Menschen selbst dann weniger an Volksentscheiden beteiligen, wenn sie von den Forderungen direkt betroffen sind. So ist 2010 in Hamburg eine vom Senat geplante Schulreform, die mehr Chancengleichheit für SchülerInnen aus der einkommensschwachen Bevölkerung bringen sollte, daran gescheitert, dass sich genau diese Teile der Bevölkerung nicht an der Abstimmung beteiligt haben. Den Ausschlag gaben die Hamburger Mittelschichten, die sich massiv gegen die Reform engagierten.

Auch die Wahlbeteiligung ist bei Marginalisierten niedriger als bei Angehörigen der Mittelschichten. Insofern kann man daraus doch kein Argument gegen Volksentscheide machen.

Wenn InitiatorInnen von Volksbegehren mit der direkten Demokratie argumentieren, müssen sie sich schon Gedanken darüber machen, wie marginalisierte Teile der Bevölkerung einbezogen werden können. Sonst ist es zumindest keine Demokratie für alle.

Was hieße das für das Tempelhof-Volksbegehren?

Auch hier wäre wichtig, dass MieterInneninitiativen sowie Erwerbslosen- und Migrantengruppen in die Diskussion einbezogen werden.

Thomas Wagner Jahrgang 1967, ist Kultursoziologe und hat sich in mehreren Büchern kritisch mit Modellen von direkter Demokratie und BürgerInnenbeteiligung auseinandergesetzt, u. a. „Demokratie als Mogelpackung“ sowie „Die Mitmachfalle“, erschienen bei Papyrossa

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F02%2F11%2Fa0128&cHash=133ea2e8d6c1867f8a7a01627

INTERVIEW PETER NOWAK