Die entscheidende Frage ist, ob wir von einer Wechselwirkung zwischen mehreren, grundlegenden (strukturellen) Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnissen ausgehen (das ist die Position des Feminismus von den 1960er bis 1980er Jahren, soweit dieser nicht in Umkehrung des marxistischen Klassenreduktionismus seinerseits geschlechterreduktionistisch war, sowie die intersektionale Position) oder ob wir von einem grundlegenden Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnis – den Klassenverhältnissen – ausgehen, von denen beispielsweise das Geschlechterverhältnis „abgeleitet“ ist bzw. einseitig determiniert wird.
Karl-Heinz Schubert studierte Politologie und Soziologie. Anschließend arbeitete er mehrere Jahrzehnte lang in verschiedenen Bildungseinrichtungen. Er ist seit 1966 Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), für die er 1985 zusammen mit Kolleg*innen »Trend« als Zeitung gründete. Seit Januar 1996 erschien sie von ihm redigiert und herausgegeben als Online-Zeitung. Seit 2021 verwaltet er den Datenbestand der Zeitung als digitales Archiv.
Als 1996 die Online-Zeitung »Trend« gegründet wurde, waren digitale Medien ja noch kaum verbreitet. Warum entschieden Sie sich damals für die Veröffentlichung im Internet? …
Lou Marin ist unter anderem Journalist und lebt in Marseille. Er ist Teil des Buchverlagskollektivs der »Graswurzelrevolution«. Kürzlich hat er das Buch »Hell no, we won’t go!« über antimilitaristischen Widerstand in der US-Armee und der US-Zivilgesellschaft während des Vietnamkrieges herausgegeben.
Was bedeutet das RH-Motto »Solidarität verbindet« in einer Zeit, in der die gesellschaftliche Linke in zentralen politischen Fragen zerstritten ist, zum Beispiel in der Positionierung zum Krieg im Nahen Osten? In den vergangenen Monaten gingen auch in Deutschland Tausende gegen die Kriegführung Israels in Gaza, aber auch im Libanon, auf die Straße. Die Polizei verbot viele dieser Aktionen, es gab Festnahmen und auch harte Strafen vor Gericht. Ein Teil der israelsolidarischen Linken sieht hierin keine Repression gegen Linke, sondern notwendige Maßnahmen gegen einen sogenannten israelbezogenen Antisemitismus.
Der Kern des Engagments von Organisationen wie der Roten Hilfe lässt sich wohl mit einem Statement von Ingrid Strobl zusammenfassen: »Wenn ich mit anderen Linken solidarisch bin, heißt das nicht, dass ich immer alles gut finde, was sie tun. Aber für ihr Recht darauf stehe ich ein.« Die vor gut einem Jahr verstorbene österreichische Journalistin, Publizistin und Dokumentarfilmerin war 1989 selbst wegen Unterstützung einer »terroristischen Vereinigung« und »Beihilfe zum Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion« zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Bereits seit 1987 saß sie in Untersuchungshaft, und ihre gesamte Haftzeit bis 1990 musste sie in Isolation verbringen. Strobl war festgenommen worden, weil sie …
Peter Badekow, Andre Rebstock, Rüdiger von Hanxleden, Henning Fischer, Rainer Naujoks, Ursel Hochhuth und Fritz Winzer: Martha und Harry Naujoks. Zwei Leben für die Befreiung. Aufbrüche und Niederlagen. Zwischen Revolution und Inferno. Ein Doppelband (Lesebuch 1: Das vergessene Leben der Martha Naujoks; Lesebuch 2: Mein Leben im KZ Sachsenhausen). Kinder des Widerstands Hamburg/Galerie der abseitigen Künste (Hg.), erscheint am 28. März 2025, 1.400 Seiten, 59 Euro
Auf 1.400 Seiten Maßstäbe gesetzt – »Martha und Harry Naujoks. Zwei Leben für die Befreiung« 47 Beiträge zum Thema Faschismus von unterschiedlichen linken Autor*innen machen das Kompendium zu einem Lesebuch über Widerstand und Verfolgung. Die beiden Bände setzen Maßstäbe, wie in einer Zeit, in der die Zeitzeug*innen nicht mehr leben, mit der Geschichte des antifaschistischen Widerstands umgegangen werden könnte.
„Dieser kleine gedrungene unauffällige Mann mit dem ausdrucksvollen Kinn und den hinter einer Brille mit dünnen Metallrahmen versteckten flinken Augen, der mit seinem seltsam wiegenden Gang eher einem Seemann ähnelte, war einer der standhaftesten und klügsten Menschen, die ich in meinen Leben kennenlernte« – Mit dieser Eloge beschrieb der Wissenschaftler Jiří Hájek 1984 den in Harburg geborenen …
Simon Schaupp gehört nicht zu denen, die behaupten, es gäbe heute keine Bewegung der ArbeiterInnen mehr. Er besteht aber darauf, dass sich die heutigen ArbeiterInnen und die Klimabewegung verbünden müssen. „Die Relevanz einer solchen proletarischen Umweltpolitik resultiert insbesondere daraus, dass es die Arbeitenden sind, die den Stoffwechsel mit der Natur vollziehen.“ Sie seien als erste von ökologischen Problemen betroffen. Daher hätten sie besonderen Anlass, darauf hinzuwirken, dass ökologische Risiken minimiert werden. Damit gibt Schaupp wichtige Impulse für eine wirkliche Klimagerechtigkeitsdebatte, indem er deutlich macht, dass es sich hier auch um eine Klassenfrage handelt.
„Tiere und Pflanzen, die man als Naturprodukte zu betrachten pflegt, sind nicht nur Produkte vielleicht vom vorigen Jahr, sondern, in ihren jetzigen Formen, Produkte einer durch viele Generationen unter menschlicher Kontrolle, vermittels menschlicher Arbeit, fortgesetzten Umwandlung“, schrieb Karl Marx im ersten Band seiner bekanntesten Schrift „Das Kapital“. Der in Basel lehrende Soziologe Simon Schaupp beruft sich darauf gleich am Anfang seines …
Zur Person Anne Seeck (geboren 1962 in Stralsund) war seit den 1990ern in der Erwerbslosenbewegung aktiv und gründete die Initiative „Die Hängematten“ mit. Der Name ist eine Parodie auf die Behauptung, Arbeitslose würden in der „sozialen Hängematte“ liegen. Sie ist Mitherausgeberin von KlassenLos. Sozialer Widerstand von Hartz IV bis zu den Teuerungsprotesten (Die Buchmacherei 2023, S. 256, 12 €).
Im Gespräch Anne Seeck hat sich vor 20 Jahren an den großen Hartz-IV-Demos beteiligt. Heute ist sie geschockt, welche Änderungen die FDP beim Bürgergeld plant. Glaubt sie daran, dass sich Arbeitslose heute wieder so stark mobilisieren lassen wie 2004?
Es ist genau 20 Jahre her: Am 30. August 2004 demonstrierten mindestens 200.000 Menschen in über 200 deutschen Städten. Es war der Höhepunkt einer wochenlangen Protestbewegung gegen die von SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder vorangetriebenen Hartz-IV-Reformen, die am 1. Januar 2005 in Kraft traten. Anne Seeck war damals eine der Demonstrantinnen. Wundert es sie nicht, dass heute keiner gegen das Bürgergeld auf die Barrikaden geht? Und das, obwohl für Arbeitslose mittlerweile strengere Regeln gelten als zu Hartz-IV-Zeiten? Ein Gespräch über die Frage, unter welchen Bedingungen arme Menschen ihre Wut auf die Straße tragen. …
Klaus Jünschke wurde 1947 in Mannheim geboren. Über das Sozialistische Patientenkollektiv kam er zur Roten Armee Fraktion. Nach einem 16jährigen Gefängnisaufenthalt engagierte sich Jünschke gegen Rassismus und Wohnungslosigkeit sowie für die Abschaffung von Gefängnissen und anderen Zwangsanstalten.
Sie haben sich kürzlich in Berlin an einem Gespräch zum Thema Abolitionismus beteiligt. Warum engagieren Sie sich für die Abschaffung des Gefängnissystems? …
Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es: Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft ist im November 2023 im Alibri-Verlag erschienen (220 S., 18 Euro)
Im Gespräch: Kirchliche Wohnungsunternehmen werben gerne mit ihrem „christlich-sozialen Auftrag“. Dabei wird Mietern dort genauso übel mitgespielt wie woanders. Publizist Ralf Hutter hat ein Buch über die Heuchelei der religiösen Hausherren geschrieben
Sind christliche Immobilienfirmen sozialer als säkulare? Der Publizist Ralf Hutter hat recherchiert und mit vielen Mieterinnen und Mietern gesprochen. In dem Buch …
Viele Fragen zur Pandemie, ihrer Politik und den Folgen offen. Das liegt auch an alten Frontstellungen. Und einer nachhaltigen Gefahr aus der Pandemiezeit..
Auf einem Kongress Corona-Aufarbeitung 2025 sollten die realen Leiden weder verharmlost noch gegeneinander ausgespielt werden: Sowohl Long Covid als auch Impfschäden sind sehr reale Leiden. Der Arbeitsmediziner und Mitbegründer der Arbeitergesundheitsbewegung Wolfgang Hien hat im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Universität Bremen sechs Fallgeschichten von Long-Covid-Betroffenen untersucht.
Über die Aufarbeitung der Corona-Zeit wird in letzter Zeit wieder viel diskutiert, auch bei Telepolis …
Ralf Hutter arbeitet in Berlin als freier Journalist für diverse Medien. Kürzlich ist sein Enthüllungsbuch erschienen, das auch in vier Berliner Ortsteilen spielt: Der Hausherr gibt es, der Hausherr nimmt es. Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft, Alibri, 220 Seiten, kartoniert, 18 €
taz: Herr Hutter, Sie haben ein Buch über Profitgier und Verdrängung im christlichen Immobiliengeschäft geschrieben. Warum der Fokus auf christliche Unternehmen? …
Boris »Ad« Buster ist Gründungsmitglied des Berlin Busters Social Club. Laut Selbstbeschreibung »sammelt, kuratiert und archiviert« der Club »Mythen, Geschichten und Legenden« der Berliner Kommunikationsguerilla-Szene.
Conrad Kunze, Jahrgang 1981, ist Historiker und Soziologe. Er engagiert sich in der Klimagerechtigkeitsbewegung und forscht zur Geschichte der Autobahn. Im Transcript Verlag erschien sein Buch „Deutschland als Autobahnland“.
Es ist kein Zufall, dass viele Reichsautobahn-Videos von rechten Youtubern ins Netz gestellt werden. Die neuen Nazis wissen ganz genau, dass das ihre Architektur ist. Die Beendigung des Baus nach 90 Jahren würde den „Mythos“ Autobahn endgültig begraben.
taz: Am 23. September 1933wurde Hitlers erster Spaten- stich für die Reichsautobahn von den Nazis inszeniert. Warum sollten wir uns 90 Jahre später daran noch erinnern? …
Conrad Kuntze: Deutschland als Autobahnland – eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus. transcript, 2022. 460 Seiten. ca. SFr. 55.00. ISBN: 978-3-8376-5943-6.
Es war nun mal die so genannte Strasse Adolf Hitlers. Und es ist eben kein Zufall, dass viele Reichsautobahn-Videos von rechten Youtubern ins Netz gestellt werden. Die neuen Nazis wissen ganz genau, dass das ihre Architektur ist. Die Beendigung des Autobahnbau nach 90 Jahren, würde den Mythos Autobahn endgültig natürlich begraben
UB: Am 23. September 1933 wurde Hitlers erster Spatenstich für die Reichsautobahn von den Nazis inszeniert. Warum sollten wir uns 90 Jahre später daran noch erinnern? …
Im Gespräch Ist jeder Spatenstich für Autobahnen die Fortschreibung eines alten Hitler-Traums? Der Historiker Conrad Kunze sieht das so und protestiert gegen neue Projekte. Ein Gespräch über den Zusammenhang von Nationalismus und Automobilismus
Im März hat sich Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) durchgesetzt: 144 Autobahn-Projekte werden „beschleunigt ausgebaut“. Warum das nicht nur fatal für das Klima ist, sondern auch nationalistische Stimmungen befeuert, erklärt Conrad Kunze im Gespräch.
der Freitag: Herr Kunze, Sie beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Autobahnbau im Nationalsozialismus. Wie kommt man denn darauf? …