Pläne könnten NS-Vergangenheit wieder salonfähig machen. Droht eine schleichende Rehabilitierung? Wie weit darf Tradition gehen?

Bundeswehr: Militärische Traditionspflege im Land von Hitlers Wehrmacht

Der Vorstoß der Ukraine auf russisches Territorium könnte bei nicht wenigen Wehrmachtssoldaten alte Erinnerungen wecken. Die Schlacht um Kursk 1943 war eine der blutigsten Episoden des Zweiten Weltkriegs. Niemand in den deutschen Medien fragt, wie es den Menschen in der Region geht, die damals die Wehrmacht und ihre Verbündeten erlebt haben, wenn heute wieder Soldaten ins Land kommen, mit nationalistischen Symbolen und Schlachtrufen, die sie damals schon gehört haben

Die geplante Änderung in der Traditionspflege der Bundeswehr hat bislang wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, birgt jedoch erhebliches Konfliktpotenzial. Diese Änderung könnte es der Bundeswehr ermöglichen, sich weiterhin auf Militärs mit NS-Vergangenheit zu berufen. Ein Blick auf die historische Entwicklung der Bundeswehr zeigt, dass sie ohne …

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Ein Film und ein Buch rufen zur solidarischen Kooperation auf – auch bei politischen Differenzen

Immer zusammen – nie allein

Entbehrlich wäre das Interview mit Sven Hillenkamp gewesen. Der ehemalige Linke warnt heute die Klimabewegung sogar davor, sich antikapitalistisch aufzustellen. Stattdessen solle sie sich Verstärkung im konservativen Lager suchen, etwa mit dem Ruf nach Verteidigung der Heimat. Das ist zum Glück der einzige Text dieser Art. Ansonsten könnte der Titel des Films „Niemals allein, immer zusammen“ auch das Motto des Buches sein, das hoffentlich viele Diskussionen auslösen wird.

„Genug ist Genug“, stand auf den Plakaten und Transparenten, die an den Wänden des Kulturzentrums Oyoun in Berlin-Neukölln hingen. Es war eine Mut machende Veranstaltung im Rahmen der Teuerungsproteste im September 2022 in Berlin. In kurzen Ansprachen erklärten GewerkschafterInnen, Klimabewegte, MigrantInnen, Beschäftigte aus dem Krankenhaussektor und Reinigungskräfte ihre Bereitschaft, gemeinsam gegen die herrschende Politik Widerstand zu leisten. Die Veranstaltung vor fast zwei Jahren wäre wahrscheinlich schon vergessen, wenn sie nicht in den Film …

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Aktivisten kritisieren Unilever als Kriegsprofiteur

Mit Plakaten gegen Putins Krieg

Auf die Frage, warum sie mit Unilever einen Konzern für ihre Adbusting-Aktion ausgewählt haben, der mit Nahrungsmitteln und Kosmetika und nicht mit Militär- und Rüstungsprodukten Gewinne macht, antwortet Amab-Sprecher Jan Hansen: »Unilever finanziert den russischen Angriffskrieg durch die Steuergelder. Deswegen treten wir als antimilitaristische Gruppe für einen Wirtschaftsboykott Russlands als Alternative zu Waffenlieferungen ein.

»Defend Putins War« steht über dem Kopf des russischen Präsidenten. Damit wurden an 30 Stellen in Berlin Plakate des Unilever-Konzerns verändert, die eigentlich für Eis und ein Duschgel werben sollten. Die Antimilitaristische Aktion Berlin (Amab) wollte mit ihrer …

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David E. Arns: Der Weg in die NS-Diktatur. Die Geschichte von Pfungstadt 1928 bis 1935. Die Buchmacherei, 268 S., 16 €.

Die Mitte stand rechts

Wie kam es in Deutschland zum Faschismus? Dieser Frage wimdete sich der US-Historiker David E. Arns bereits in den frühen 70er Jahren

Restaurierte Fachwerkhäuser, Einkaufszonen und am Stadtrand ein kleiner See: Das ist der erste Eindruck von Pfungstadt. Ziemlich unspektaktulär. Weshalb also wählte der US-amerikanische Historiker David E. Arns gerade diese südhessische Kleinstadt für sein Forschungsprojekt, bei dem er untersuchte, wie sich der NS-Faschismus in Deutschland etablieren konnte? Ein Grund sind die …

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Peter Kern: Dorfansicht mit Nazis, Hentrich & Hentrich, 2024, 280 Seiten, 24,90 Euro.

Über Menschen, die sich widersetzten

Mit seinem neuen Buch gelingt Peter Kern gleich zweierlei: die dichte Beschreibung einer Kindheit und Jugend in der südwestdeutschen Provinz und eine Studie über die weithin vergessene jüdische Geschichte in dieser Region.

In Rodalben strukturierte die Kirche den Alltag der Menschen. „Einmal im Jahr fiel das Läuten der Glocken aus, das war vor Ostern, wenn Jesus für unsere Sünden am Kreuz starb“, beschreibt Peter Kern das Lebensgefühl eines aufgeweckten Kindes dem kleinen Dorf im Süden von Rheinland-Pfalz. Die regelmäßige Beichte war ein Ritual, dem sich niemand entziehen konnte, der nicht zum Außenseiter gestempelt werden wollte. „Messe, Andacht war immer, und immer läuteten die Glocken von Sankt Josef dazu, Mai-Andacht, Rorate-Andacht, Totenmesse, Kindergottesdienst.“ Doch auch nach Rodalben dringt die Kunde von …

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Ulrich Schneider: Krise – Das Versagen einer Republik. 176 Seiten, Westend-Verlag, 20 Euro

Kein einziges Mal fällt das Wort »Kapitalismus«

Ulrich Schneider diskutiert mit Heidi Reichinnek über sein neues Buch »Krise – Das Versagen einer Republik« Am Ende waren sich die Gesprächspartner*innen Schneider und Reichinnek aber einig: »Wir müssen weitermachen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig.«

Über drei Jahrzehnte hat Ulrich Schneider gegen wirtschaftsliberale Politik angeschrieben. »Sozialpolitik gegen die Schwachen – Der Rückzug des Staates aus der Sozialpolitik« lautete der Titel eines Buches, das er 1993 veröffentlichte. 25 Jahre lang versuchte Schneider außerdem als Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlverbands, gegen diesen Rückzug anzukämpfen. Jetzt geht er in Rente und zieht als freier Autor und Sozialexperte eine …

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Polit- und Medienkampagne macht arme Menschen zur Zielscheibe. Warum wehren sie sich kaum? Manche Fürsprecher machen sie selbst klein. Ein Kommentar.

Sozialchauvinismus gegen Bürgergeldbezieher – selbst drei Bier zur EM sind zu viel

Auf einen Hinweis aus dem Publikum, dass der langjährige Erwerbslosenaktivist Harald Rein eine plausible Erklärung dafür gegeben hat, ging Schneider nicht ein. Rein hatte die Frage gestellt, warum sich arme Menschen nach den Terminen richten sollten, die Parteienvertreter oder auch selbsternannte Lobbyistin der Armen für Proteste vorgeben. Das hätte auch eine Frage sein können, die Schneider interessiert. Doch das war nicht der Fall, wie sich bei der Veranstaltung zeigte.

Während nach den Parlamentswahlen in Frankreich in vielen Medien wieder die Phrasen von einer Gesellschaft zu hören sind, die im Kampf gegen Rechts zusammenhalten müsse, nimmt in Deutschland die Hetze gegen Bürgergeldbezieher in bürgerlichen Medien neue Formen an. Spitzenreiter ist hier der Focus, der sich im Hetze gegen arme Menschen einen Negativpreis verdient hat. Dieses Blatt publizierte online in Kooperation mit seinem Youngster-Medienpartner Kukksi tatsächlich die Schlagzeile …

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Beschäftigte im sozialen Bereich kämpfen auch nach der Pandemie mit prekären Arbeitsbedingungen

Infektionsschutz mangelhaft, Arbeitszeiten ausufernd

Beschäftigte im sozialen Bereich kämpfen auch nach der Pandemie mit prekären Arbeitsbedingungen, Lösungsansätze bestünden jedoch in der Selbstorganisierung der Betroffenen. »Wir müssen die Zukunft unseres Berufs in die Hand nehmen, und das nicht, weil die Träger es nicht hinkriegen. Wir müssen unseren Beruf in die Hand nehmen, weil es unsere Verpflichtung in einem (besonderen) Beruf ist«, schreiben die Herausgeber*innen der Studie.

Schon vor der Corona-Pandemie konnten viele Beschäftigte in der sozialen Arbeit nicht über Beginn und Ende der eigenen Arbeitszeit bestimmen. In der Ausnahmesituation wurde es nicht besser, Vorgaben aus dem Infektionsschutz wie etwa Abstandsregeln konnten nicht eingehalten werden. Mit diesen Arbeitsbedingungen haben sich nun die Bundesfachgruppenleiterin für Erziehung und Bildung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, …

Eva Brunnemann, Tobi Rosswog (Hrsg): VW heißt Verkehrswende Konversion und Vergesellschaftung zwischen Theorie und Praxis Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2024 70 Seiten, 5 Euro ISBN 978-3-939045-52-6

In der Höhle des Löwen

Eine Broschüre zeigt, wo der Schlüssel für eine Verkehrswende liegt, die wirklich funktioniert. Interessant ist auch der Beitrag des langjährigen Bochumer Opel-Betriebsrats Wolfgang Schaumberg, der auch als Rentner noch seine Erfahrungen über linke Betriebsarbeit vermittelt.

VW steht für Volkswagen, den Inbegriff des deutschen Automythos – bekanntlich mit NS-Hintergrund …

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Guillaume Gamblin (Hg.): Die Unverschämte - Gespräche mit Pınar Selek. Verlag Graswurzelrevolution, 2023. 228 Seiten ca. 24.00 SFr., ISBN: 978-3939045502

In Solidarität mit antiautoritären Linken

Am 28. Juni beginnt in Istanbul ein neues Verfahren gegen die Sozilogin Pinar Selek. Sie wird für einen Anschlag angeklagt, der nie stattgefunden hatte. Jetzt hat der Graswurzelrevolution-Verlag ein Buch auf Deutsch herausgegeben, das den Kampf der Sozialistin und Feministin bekannt macht.

„Ich wurde mit Gewalt eingeschlossen, wie eine Schauspielerin“ sagte die Soziologin Pinar Selek über die Repression des türkischen Staates, die sie seit fast 30 Jahre erfährt. Im Juni 1998 explodierte auf einem Markt in Istanbul eine Gasflasche. Doch die türkische Justiz fabriziert daraus einen Anschlag der kurdischen Arbeiter*innenpartei (PKK) mit Selek als Verantwortlicher. Seitdem erlebt die Soziologin eine Odyssee von Verfolgung, Verhaftung und Folter. Schliesslich konnte sie ins Ausland fliehen und lebt heute in Frankreich. Aber dem langen Arm der türkischen Justiz kann sie bis heute …

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DIE UNVERSCHÄMTE – GESPRÄCHE MIT PINAR SELEK, GUILLAUME GAMBLIN (HG.), VERLAG GRASWURZELREVOLUTION, 230 SEITEN, ISBN: 978-3-939045-50-2, 20,90 EURO

Pinar Selek –die Unverschämte

Im Buch erfahren wir vom Kampf einer mutigen Sozialistin und Feministin, die keine aufgezwungenen Linien anerkennt und daher auch manchmal mit eigenen Genoss:innen in Konflikt geriet. Auch heute noch wird Pinar Selek von der türkischen Diktatur verfolgt. Am 28. Juni wird in Istanbul erneut ein Prozess gegen sie eröffnet

«Ich wurde mit Gewalt eingeschlossen, wie eine Schauspielerin», sagte die Soziologin Pinar Selek über die Repression des türkischen Staates, die sie jetzt fast 30 Jahre erfährt. Im Juni 1998 explodierte auf einem Markt in Istanbul eine Gasflasche. Doch die türkische Justiz fabriziert daraus einen …

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Helge Döhring: Anarcho-Syndikalismus in Deutschland 1933–1945. Verlag Edition AV, Bodenburg 2023, 244 Seiten, 18 Euro

Historische Pionierarbeit

Helge Döhrings Buch zum Anarchosyndikalismus zwischen 1933 und 1945 in Deutschland. Helge Döhring kann in dem Buch nachweisen, dass auch Anarchosyndikalist*innen am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt waren

Wenn es um antifaschistische Widerstandskämpferinnen geht, wird wenig an Anarchistinne und Anarchosyndikalistinnen gedacht. Daher ist es umso begrüßenswerter, dass sich der Anarchismusforscher Helge Döhring in einem Buch mit dem Anarchosyndikalismus in den Jahren 1933 bis 1945 in Deutschland befasst. Der Historiker fasst auf 244 Seiten kompakt die Geschichte des

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Die Unverschämte, Gespräche mit Pinar Selek; Gullaume Gamblin (Herausgeber), Verlag GraswurzeLrevoLuti_ on, 230 Seiten, ISBN: 978-3-939045- 50-2, 20,90 Euro.

Die Unverschämte – Gespräche mit Pinar Selek

lch wurde mit Gewalt engeschlossen, wie eine Schauspielerin,, sagte die Soziologin Pinar Selek über die Repression des türkischen Staates, die sie jetzt fast 30 Jahre erfährt. lm Juni 1998 explodierte auf einem Markt in Istanbul eine Gasflasche. Doch die türkische Justiz fabrizierte daraus einen Anschlag der kurdischen Arbeiter"innenpartei (PKK) mit Selek als Verantwortlicher. Seitdem erlebt die Soziologin eine Odyssee von Verfolgung, Verhaftung, Folter. Schtießlich konnte sie in Ausland fliehen und lebt heute in Frankreich.

Aber dem Langen Arm der türkischen Justiz kann sie bis heute nicht entfliehen.
Reisen außerhalb von Frankreich könnten eine erneute Inhaftierung und womöglich eine AusLieferung in dLe TürkeL zur Folge haben. Denn die türkischen Behörde haben einen internationalen Haftbefehl gegen Selek ausgestellt. Wenn auch ihr Aktionsradius durch die türkische Justiz noch immer beschränkt ist, so haben wir doch die Gelegenheit mehr über diese Frau, ihre Gedanken und Träume zu erfahren. Unter dem Titel …

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Schmidt Sascha, Weyrauch Yvonne: Rechter Terror in Hessen – Geschichte, Akteure, Orte; Wochenschau-Verlag, 399 Seiten, 29, 80 €.

80 Jahre »Rechter Terror in Hessen«

n den 1960er und 1970er Jahren standen Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Kommunist*innen und linke Gewerkschafter*innen im Visier der Rechten. Später erweiterte sich der Kreis der Opfer auf Punks und andere subkulturelle Jugendliche sowie auf Menschen mit migrantischem Hintergrund. Manche der dokumentierten Angriffe sorgten nach Bekanntwerden auch bundesweit für Empörung, wurden dann aber vergessen.

Am 17. August 2001 wurde Dorit Botts, Inhaberin eines Outdoor-Ladens in Fulda, …

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Scheer Regina, Bitterer Brunnen. Hertha Gordon-Walcher und der Traum von der Revolution. Penguin Verlag, 30 Euro, ISBN: 978-3-328-60208-8.

Brechts Autositze

Hertha Gordon Walcher war über viele Jahrzehnte eine Reisende in Sachen Weltrevolution, wie die Schweizer Historikerin Brigitte Studer in ihrer im Suhrkamp-Verlag erschienen Geschichte der Kommunistischen Internationale die Kommunist:innen der ersten Stunde bezeichnete, die ihr Leben dem Kampf für die sozialistische Revolution widmeten.

Jakob Walcher ist als linker Gewerkschafter nur noch wenigen bekannt. Dabei schreibt der ehemalige SPD-Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Biographie: „Walcher war für mich einer der kernigsten Repräsentanten der alten deutschen Arbeiterbewegung: selbstsicher und kulturbewusst, kein blutleerer Intellektueller, sondern ein intelligenter und vitaler Facharbeiter.“ Doch von Walchers Frau erfahren wir auch bei ihm nichts, wie es oft in der Arbeiterbewegung der Fall war (die hier bewusst nicht gegendert wird). Jetzt hat die Theater- und Kulturwissenschafterin Regina Scheer sie mit einer gründlich recherchierten Biographie dem Vergessen entrissen. Ihre Bekanntschaft geht in die …

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