«Ich habe drei Kinder, drei Hunde und sieben Hamster», so bescheiden stellte sich Olga Karach in Berlin vor. Doch die freundliche Frau wird von den belorussischen Geheimdiensten und den Minsker Machthaber Lukaschenko als Terroristin bezeichnet. Ihre Heimat musste sie verlassen. Sie lebt mittlerweile in Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Denn Olga Karach ist aktiv in der zivilgesellschaftlichen belorussischen Organisation Nash Dom (Unser Haus). Unter der Parole «Keine zweite Front» ruft sie die Wehrpflichtigen im Land auf, alles zu tun, damit …
„«Wir ziehen nicht in eure Kriege»“ weiterlesenMonat: Juni 2023
Flucht und Migration: Lob der Schlepper und Schmuggler
Diesen Jahrestag dürfte kaum jemand in Erinnerung behalten haben. Am 25. Juni 1986 zeichnete der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker Lisa Fittko mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse aus. Verliehen wurde es ihr für vorbildliche Leistungen auf wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Gebiet. Die Leistung von Lisa und Hans Fittko war wirklich beispielhaft. Sie hatten hunderten Verfolgten des Naziregimes in den Jahren 1940/41 bei der Flucht von Südfrankreich über die spanische Grenze geholfen. „Getragen von tief verwurzelten humanistischen Überzeugungen retteten die Fittkos vor den Nazis Geflohene, ohne nach deren sozialer Herkunft, Parteizugehörigkeit oder weltanschaulicher Position zu fragen“, heißt es in einem Gedenkartikel. 37 Jahre nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Lisa Fittko erinnerte die Organisation Borderline Europe mit …
„Flucht und Migration: Lob der Schlepper und Schmuggler“ weiterlesenNIEDRIGLOHNSEKTOR GEFÄNGNIS IST NOCH LÄNGST NICHT BEENDET
Eine gute Nachricht für die über 40000 lohnarbeitenden Gefangenen, könnte man denken. Und es ist auch ein Erfolg der Gefangenengewerkschaft/bundesweite Organisierung (GG/BO), die das Urteil aus Karlsruhe mit dem nüchternen Satz kommentiere „Gefangenengewerkschaft erwartet Anstieg der Löhne in Haft“. Die GG/BO hatte sich 2013 in Berlin gegründet und dann schnell im ganzen Bundesgebiet ausgeweitet, weil sie drei zentrale Forderungen hatte. Neben dem Kampf für Gewerkschaftsfreiheit im Gefängnis gehörte dazu…
„NIEDRIGLOHNSEKTOR GEFÄNGNIS IST NOCH LÄNGST NICHT BEENDET“ weiterlesenRekonstruktion der Racket-Theorie
Aber im Atomstaat Russland hätten viele Beobachter*innen den Kampf unterschiedlicher Machtzentren nicht vermutet. Da lohnt es sich, Thorsten Fuchshubers gründliche Beschäftigung mit der Racket-Theorie zur Hand zu nehmen, die bereits 2019 im Ca Ira-Verlag erschienen ist. Die Leser*innen sollen sich von dem Umfang des Werkes nicht abschrecken lassen. Denn Fuchshuber versteht es, die doch recht trockene Materie verständlich zu vermitteln. Vor allem ist die hervorragende Gliederung zu loben, die den Leser*innen nachvollziehen lässt, warum die Theoretiker der Frankfurter Schule Adorno und Horkheimer die Racket-Theorie vor dem Hintergrund …
„Rekonstruktion der Racket-Theorie“ weiterlesenWie sich die Linke selbst abschafft
Warum blicken jetzt so viele Medien auf den kleinen thüringischen Ort Sonneberg? Weil sich dort gerade an diesem Sonntag entscheidet, ob die AfD einen Landrat stellen kann. Bei der Stichwahl stehen sich ein AfD-Kandidat und ein CDU-Mitglied gegenüber. Letzteres wird von einer ganz großen Koalition von der Linkspartei über Grüne und SPD bis zur FDP unterstützt. Die AfD lässt die Gelegenheit nicht aus, von einer Neuauflage der Nationalen Front in der DDR zu polemisieren. Nun fragen sich wieder Kommentatoren von Medien, die erst mal googeln mussten, wo Sonneberg liegt, ob die berühmte „Brandmauer“ hält, die die AfD von der Macht fernhält – und geht es nur um den weitgehend einflusslosen Posten eines Landrats. Auch Hildburghausen ist nicht so weit von Sonneberg entfernt, nicht geographisch und noch weniger politisch. Die Stadt wurde lange Zeit von …
„Wie sich die Linke selbst abschafft“ weiterlesenFluchthilfe braucht Netzwerke
Am Schluss wurde es noch einmal richtig laut im überfüllten Saal des Ballhaus Prinzenstraße im Wedding. „Fight borders – not Migration“ skandierten die Besucher*innen einer Gala für Fluchthelfer*innen, zu der die Organisation borderline europe eingeladen hatte. Ausgezeichnet wurden Mahtab Sabetara und Hamza Haddi, weil sie oder ihre Verwandten geholfen haben, Geflüchtete nach Europa zu bringen. Beide waren dafür kriminalisiert worden. In bewegenden Worten schilderte der marokkanische Menschenrechtsaktivist Hamza Haddi, wie er …
„Fluchthilfe braucht Netzwerke“ weiterlesenAutoritäre Populismen
Wer es in Deutschland ablehnt, der Lieferung von immer mehr Waffen in die Ukraine zuzustimmen, wird politisch schnell als Putin-Versteher*in verleumdet. Aus eben diesem Grund hat der österreichische Autor und Verleger Hannes Hofbauer gleich zu Beginn der Vorstellung seines neuen Buches in Berlin mehrmals betont, dass er und seine Mitautor*innen keineswegs das derzeitige Präsidialregime in Moskau und dessen Krieg in der Ukraine verteidigen. In dem von ihm und Stefan Kraft herausgegebenen Buch geht es denn auch nicht primär um Putin, sondern um …
„Autoritäre Populismen“ weiterlesenIsrael: Über die deutsche Befindlichkeit hinaus
Der Titel der Ausstellung »Who by fire« im Haus am Lützowpark ist eine Hommage an den Künstler Leonard Cohen. Die Zeilen »Wer durch Wasser und wer durch Feuer, wer durch Schwert und wer durch wildes Tier, wer durch Hunger und wer durch Durst, wer durch Erdbeben und wer durch Pest« schrieb er nach seinem Aufenthalt in Israel während des Jom-Kippur-Kriegs 1973. »On Israel«, so lautet der Untertitel. Cohens Verse zeigen die gängige Modalität des Sprechens über den Staat in einem Kriegs- und Krisenmodus. In Deutschland funktioniert Sprechen über Israel oft über eine Antisemitismus-Debatte, bei der deutsche Befindlichkeiten ausgetauscht werden, die eine wirkliche Diskussion gar nicht erlauben. Dass die Veranstaltung »Über Israel reden«, die im Rahmen der Ausstellung am vergangenen Mittwoch stattfand, anders wurde, lag …
„Israel: Über die deutsche Befindlichkeit hinaus“ weiterlesenRebellisches Berlin-eine Buchbesprechung
Rebellisches Berlin beschreibt die Berliner Stadtgeschichte von unten – von der Seite der Kämpfe, der versuchten kaum geglückten sozialen Revolution(en).“ (S. 13) So beschreiben die Herausgeber*innen ihr Buch, das im Covertext den Anspruch formuliert, „eine einzigartige Mischung aus Reiseführer und Geschichtsbuch“ und gleichzeitig ein „Standardwerk der linken widerständigen Geschichte Berlins“ zu sein. Die Autor*innen des mit über 800 Seiten voluminösen Werks müssen daran scheitern. Eine linksradikale Gegengeschichte braucht schließlich kein Standardwerk. Steht dieser Anspruch nicht auch im Widerspruch zum subjektivistischen Blick viele Autor*innen auf die Geschichte, wie sie vor allem in den ersten neun der 13 Kapitel deutlich wird? Das Buch beginnt mit einem Aufruf zur …
„Rebellisches Berlin-eine Buchbesprechung“ weiterlesenErzählen statt zählen
„Wir hatten kein Geld, aber auch die Stellen, wo wir Essen und Hilfe bekommen konnten, hatten geschlossen“, erinnerte sich Dietlind Schmidt an die Zeit im Frühjahr und Sommer 2020. Die resolute Frau ist selbst wohnungs-, aber nicht rechtlos, wie sie betont. Schmidt ist Mitbegründerin der Union für Obdachlosenrechte Berlin (UFO). Dort haben sich Wohnungs- und Obdachlose gemeinsam mit solidarischen Menschen zusammengeschlossen, die sich von einer Parole leiten lassen, die in der Zeit der Pandemie auf vielen Transparenten zu lesen war. „Leave no one behind“ (Lasst niemanden zurück). Das kann man auch als Leitmotiv von UFO verstehen. Wichtig ist den Aktivist/innen, dass nicht über, sondern mit den Wohnungs- und Obdachlosen geredet wird. Das wird als Anspruch von vielen Gruppen propagiert, aber längst nicht immer praktiziert. Ein Beispiel war die …
„Erzählen statt zählen“ weiterlesenBarnim: Ernstes und Heiteres im Oderbruch
Rote Stoffbahnen hängen aus den Fenstern des alten Rathauses in der Brandenburger Kleinstadt Oderberg im Landkreis Barnim. Auf dem Rathausplatz stehen Stühle und Bänke, die sich langsam mit Besucher*innen füllen. Plötzlich erschallt lautes Glockengeläute über dem Rathaus, eine Frau stimmt aus einem der oberen Fenster des alten Gebäudes einen Gesang an. Die Szene ist Teil der Rathausspiele, mit denen Künstler*innen aus …
„Barnim: Ernstes und Heiteres im Oderbruch“ weiterlesenKlimaprotest: Banken, Konzerne und Reiche im Visier
„Klimaprotest: Banken, Konzerne und Reiche im Visier“ weiterlesen
Rotes Bayern
Bayern ist als Ort der Reaktion schon in der Weimarer Republik bekannt. In München begann der Aufstieg der NSDAP. Nürnberg wurde zum Inbegriff der Reichsparteitage der Nazis. Viel weniger ist über den linken Widerstand in Bayern bekannt. Vielleicht ist einigen gerade noch die Münchner Räterepublik im Gedächtnis. Umso verdienstvoller, dass Max Brym eine kleine Geschichte des antifaschistischen Widerstands in Südbayern vorgelegt hat. Der 1957 in Altötting geborene Historiker ist im Freistaat seit Jahrzehnten in der linken Bewegung aktiv und hat zur Geschichte der Linken schon einige Bücher verfasst. In seiner neuen Publikation beginnt Brym ebenfalls mit den verschiedenen Räterepubliken in Bayern 1919. Denn nicht nur in München, sondern in vielen kleineren Städten …
„Rotes Bayern“ weiterlesenRüstzeug für den Widerstand
Diese zentralen Fragen stellen verschiedene Autor/innen in der aktuellen 11. Ausgabe der „Berliner Hefte zur Geschichte und Gegenwart der Stadt“. Die Herausgeber/innen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die sozialen, kulturellen und ökonomischen Veränderungen in Berlin und anderen Städten zu analysieren und zu kritisieren. Die Hefte bieten Informationen über die Berliner Immobilienbranche und ihre Verflechtung mit der Politik, die auch für Menschen nützlich sind, die von diesen Praktiken betroffen sind und sich dagegen wehren wollen. Denn dafür ist es notwendig und wichtig, über Eigentumsverhältnisse auf dem Berliner Immobilienmarkt informiert zu sein. Und das leisten die Berliner Hefte in einer größtenteils allgemein verständlichen Sprache. In der 9. Ausgabe stand die Europacity am Berliner Hauptbahnhof im Zentrum (siehe MieterEcho 428). In der aktuellen Ausgabe mit dem kurzen und prägnanten Titel „X Properties“ liefern die Autor/innen anschauliche Beispiele für die …
„Rüstzeug für den Widerstand“ weiterlesenVerfassungswidrig: Ist der Niedriglohnsektor im Gefängnis am Ende?
„Gesetzliche Regelungen zur Vergütung von Gefangenenarbeit in Bayern und Nordrhein-Westfalen sind verfassungswidrig“ – so lautet die bürokratische Überschrift einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni. Im gleichen Ton geht es weiter: …
„Verfassungswidrig: Ist der Niedriglohnsektor im Gefängnis am Ende?“ weiterlesen