Diesen Jahrestag dürfte kaum jemand in Erinnerung behalten haben. Am 25. Juni 1986 zeichnete der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker Lisa Fittko mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse aus. Verliehen wurde es ihr für vorbildliche Leistungen auf wirtschaftlichen, politischen oder kulturellen Gebiet. Die Leistung von Lisa und Hans Fittko war wirklich beispielhaft. Sie hatten hunderten Verfolgten des Naziregimes in den Jahren 1940/41 bei der Flucht von Südfrankreich über die spanische Grenze geholfen. „Getragen von tief verwurzelten humanistischen Überzeugungen retteten die Fittkos vor den Nazis Geflohene, ohne nach deren sozialer Herkunft, Parteizugehörigkeit oder weltanschaulicher Position zu fragen“, heißt es in einem Gedenkartikel. 37 Jahre nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Lisa Fittko erinnerte die Organisation Borderline Europe mit …
„Flucht und Migration: Lob der Schlepper und Schmuggler“ weiterlesenSchlagwort: Lisa Fittko
Fluchthilfe braucht Netzwerke
Am Schluss wurde es noch einmal richtig laut im überfüllten Saal des Ballhaus Prinzenstraße im Wedding. „Fight borders – not Migration“ skandierten die Besucher*innen einer Gala für Fluchthelfer*innen, zu der die Organisation borderline europe eingeladen hatte. Ausgezeichnet wurden Mahtab Sabetara und Hamza Haddi, weil sie oder ihre Verwandten geholfen haben, Geflüchtete nach Europa zu bringen. Beide waren dafür kriminalisiert worden. In bewegenden Worten schilderte der marokkanische Menschenrechtsaktivist Hamza Haddi, wie er …
„Fluchthilfe braucht Netzwerke“ weiterlesenVerdienstkreuz für Fluchthelfer – oder ab ins Gefängnis?
Aktivisten protestieren im Deutschen Historischen Museums gegen die Kriminalisierung von Flucht
Punkt zwölf Uhr knallte der Sektkorken im Foyer des Deutschen Historischen Museums (DHM) in Berlin. Feierlich wurde dort eine Stellwand eingeweiht, die das Motto »Refugees Welcome? Der Umgang der BRD mit Fluchthilfe in Vergangenheit und Gegenwart« trägt. Die Tafel passte sich gut ein in die Sonderführung des Museums am Tag der Menschenrechte zum Thema Flucht, Geflüchtete und Fluchthelfer in der deutschen Geschichte.
Erstellt wurde sie jedoch nicht von dem Museum – sondern von den Aktivisten der »Schleusergewerkschaft«, die damit gegen die Kriminalisierung von Fluchthilfe in Deutschland protestierte. »Erst im Rahmen der letzten Asylrechtsverschärfung wurde für das Vergehen eine Mindesthaftstrafe von drei Monaten eingeführt. 800 Fluchthelfer sitzen derzeit in Bayern in Untersuchungshaft. Ihnen drohen Haftstrafen bis zu zehn Jahren«, erklärte der »Schleusergewerkschafter« Alex Glaser.
Auf der Stellwand kommen verschiedenste Fluchthelfer zur Geltung, denen geschichtlich ganz unterschiedliche Ehrungen zuteil wurden. Lisa Fittko etwa rettete NS-Verfolgten das Leben, weil sie ihnen als Initiatorin einer Fluchthilfeorganisation ermöglichte, das von der Wehrmacht besetzte Frankreich über die Pyrenäen zu verlassen. Geehrt wurde die Frau in Deutschland dafür nie. Der Fluchthelfer Burkhart Veigel hingegen erhielt 2012 das Bundesverdienstkreuz am Band. Ab 1961 betätigte sich der Westdeutsche als Fluchthelfer für Ausreisewillige in der DDR. Insgesamt 650 Menschen verhalf er so zur Flucht.
Der in Syrien geborene Mohammad Darwish wurde zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt, weil er einige Menschen aus seinem Heimatland bei der Flucht über Griechenland nach Deutschland unterstützte. Obwohl mehrere Betroffene aussagten, dass sie durch die Aktivitäten von Darwish vor Verfolgung und Folter gerettet worden seien, wurde er verurteilt. Auch der Bundesgerichtshof, den Darwish anrief, entschied, dass der Fluchthelfer zu Recht bestraft wurde.
Doch er ist nicht der Einzige. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit sind Hunderte von Menschen angeklagt, weil sie Geflüchtete in Privatautos über die deutschen Grenzen transportierten. Die genaue Anzahl ist nicht bekannt.
Mit der Stelltafel im DHM wollen die Aktivisten nicht nur gegen die Kriminalisierung von Fluchthilfe protestieren. Ihre Forderungen gehen noch weiter, wie Alex Glaser gegenüber »nd« betonte. »Es gilt, Grenzen zu öffnen und für sichere Fluchtwege über die Balkan-Route und das Mittelmeer zu sorgen«.
Die Stelltafel musste allerdings nach der Einweihung wieder aus dem Foyer des DHM getragen werden. Sie war von der Museumsverwaltung nicht genehmigt. So durfte sie nur vor dem Eingang des Gebäudes aufgebaut werden und an Fluchthelfer damals und heute erinnern.
www.neues-deutschland.de/artikel/994325.verdienstkreuz-fuer-fluchthelfer-oder-ab-ins-gefaengnis.htm
Peter Nowak
Brauchen Fluchthelfer eine eigene Gewerkschaft?
Antirassisten werben für die Rehabilitierung einer sehr umstrittenen Zunft und treten gleichzeitig dafür ein, dass diese überflüssig wird
Lisa Fittko [1], Burkhart Veigel [2] und Mohamad Darwish [3] haben eines gemeinsam. Sie haben Menschen auf ihrer Flucht vor Verfolgung geholfen. Fittko rettete viele NS-Gegner auf der Flucht vor dem von der deutschen Wehrmacht besetzten Frankreich. In Deutschland wurde sie dafür bis heute nicht geehrt. Der Westdeutsche Burkhart Veigel half dabei, ca. 650 DDR-Bürger in den Westen zu schleusen. Dabei verschwieg er nie, dass er dafür gut bezahlt wurde. Er ärgerte sich sogar, dass er nicht mehr Geld genommen hat. 2012 wurde ihn das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Der Syrier Darwish half einigen Landsleuten bei der Flucht über Griechenland nach Deutschland. Dafür wurde er angeklagt und zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt. Auch das Bundesverfassungsgericht bestätigte [4] das Urteil. Selbst Juristen forderten [5] seine Begnadigung. In der Begründung heißt es:
Am 10. Dezember nutzte eine Gruppe von Antirassisten den Tag der Menschenrechte, um im Deutschen Historischen Museum [6] für die Rehabilitation der Zunft der Fluchthelfer einzutreten. Unter dem Namen Gewerkschaft der Schleusenden [7] lud sie um 12 Uhr zur feierlichen Einweihung einer Stelltafel im Foyer des Museus ein, die in Kurzform darlegt, wie ein Mann als Fluchthelfer ins Gefängnis muss, während zur gleichen Zeit ein anderer geehrt wird. In der Einladung heißt es:
schwierig bis unmöglich von diesem Recht Gebrauch zu machen. Vor diesem Hintergrund soll die Ausstellung des DHM um eine Stellwand erweitert werden, die über Fluchthilfe als wichtige Fluchtstrategie sowie den juristischen Umgang der BRD mit Fluchthelfer*innen informiert.
Anhand von Zeitzeuginnenberichten und Archivdokumenten werden
verschiedene Epochen der Fluchthilfe erläutert und Fluchthelfer*innen vorgestellt.
Massenrepression gegen Fluchthelfer
Nach der Eröffnung musste die Gruppe die Tafel wieder einpacken. Im Foyer des DHM war sie nicht genehmigt. Allerdings konnte sie vor dem Eingang des Museums über die Geschichte der Fluchthelfer informieren. Alex Glaser, einer der jungen Antirassisten, die die Tafel erstellten, betont, dass es der Gruppe um zwei Anliegen geht. Sei wollen gegen die Kriminalisierung von Fluchthelfern kämpfen.
Das ist ein sehr aktuelles Thema. Ziemlich unbemerkt von der Öffentlichkeit sind hundert Menschen angeklagt, weil sie Geflüchtete in Privatautos über die deutschen Grenzen transportierten. Zahlreiche Menschen sitzen in Untersuchungshaft. Mit der Stelltafel im DHM wollen die Antirassisten für die Entkriminalisierung von Fluchthelfer eintraten.
Doch die Forderungen gehen noch weiter, so Alex Glaser von der Gewerkschaft der Schleusenden gegenüber der Zeitung Neues Deutschland. Als vor über 15 Jahren Taxifahrer in Sachsen verurteilt wurden, weil sie Flüchtlinge transportieren, war die Empörung noch größer. Doch die Gewerkschaft der Schleusenden wolle eigentlich den Beruf der Fluchthelfer überflüssig machen, in dem sie für Transitwege eintritt, die keine Scouts nötig machen, sagt Glaser.
Peter Nowak
Links:
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