In Berlin läuft eine Veranstaltungsreihe zur Ausstellung »Who by fire: On Israel«

Israel: Über die deutsche Befindlichkeit hinaus

Das Gespräch setzte mit dem sachlichen Vortrag Maßstäbe für die Veranstaltungsreihe zu der Ausstellung. Am 28. Juni wird ab 19 Uhr der Film »Antisemitismus als Kulturtechnik« von Leon Kahane und Fabian Bechtle gezeigt.

Der Titel der Ausstellung »Who by fire« im Haus am Lützowpark ist eine Hommage an den Künstler Leonard Cohen. Die Zeilen »Wer durch Wasser und wer durch Feuer, wer durch Schwert und wer durch wildes Tier, wer durch Hunger und wer durch Durst, wer durch Erdbeben und wer durch Pest« schrieb er nach seinem Aufenthalt in Israel während des Jom-Kippur-Kriegs 1973. »On Israel«, so lautet der Untertitel. Cohens Verse zeigen die gängige Modalität des Sprechens über den Staat in einem Kriegs- und Krisenmodus. In Deutschland funktioniert Sprechen über Israel oft über eine Antisemitismus-Debatte, bei der deutsche Befindlichkeiten ausgetauscht werden, die eine wirkliche Diskussion gar nicht erlauben. Dass die Veranstaltung »Über Israel reden«, die im Rahmen der Ausstellung am vergangenen Mittwoch stattfand, anders wurde, lag …

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Eine ganz große Koalition verurteilt die Israel-Boykott-Kampagne

Eine Auseinandersetzung mit Antizionismus und Antisemitismus sollte geführt werden, aber bitte nicht im Sinne der Staatsräson

Mit großer Mehrheit hat der Bundestags in einer fraktionsübergreifenden Resolution die BDS-Bewegung verurteilt, die mit einem Boykott Israel seit 15 Jahren politisch, wirtschaftlich, kulturell und wissenschaftlich isolieren will. CDU, CSU, FDP, SPD sowie große Teile der Grünen unterstützten…

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Solidarität statt Boykott

Basisgewerkschaften gegen die BDS-Kampagne – ein Kommentar

Jede Israel-Boykottkampagne kann – nicht nur bei Überlebenden des NS-Terrors – Erinnerungen an die „Kauft nicht beim Juden“-Hetze der Nazis wecken. Die Beteiligung von Deutschen an einer solchen Kampagne ist angesichts der Shoah inakzeptabel. Der folgende Kommentar bietet Einblicke in die gewerkschaftliche Debatte. (GWR-Red.)

„Gewerkschaften stehen heute an vorderster Stelle bei der Verteidigung der Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Freiheit“, heißt in einem Aufruf, in dem Gewerkschaften aus aller Welt dazu aufgerufen werden, Israel zu boykottieren. Sieben der 340 im Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) zusammengeschlossenen Organisationen haben diesen Aufruf der BDS-Bewegung, wie die Boykottbewegung international abgekürzt wird, unterstützt. „Das sind etwas mehr als zwei Prozent, aber bezogen auf die Mitgliederzahl vertreten diese sieben Verbände 12,5 Millionen der 182 Millionen IGB- Mitglieder“, schreibt der Journalist Martin Hauptmann in der Jüdischen Allgemeinen Zeitung. 2017 haben sich die tunesische UGTT und die norwegische LO der Israel-Boykottkampagne angeschlossen. Der DGB lehnt die Boykottforderung strikt ab und verweist auf die enge Kooperation mit dem israelischen Gewerkschaftsverband Histadrut. Diskutiert wird die Frage des Israelboykotts jedoch von kleinen Gewerkschaften.
Vor kurzem veranstaltete die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU) Berlin eine Diskussion zum Thema „Gewerkschaftliche Solidarität statt Boykott“. Die Aktivistin Detlef Georgia Schulze sieht in der Forderung nach einem Boykott Israels keine Perspektive für eine Überwindung von Nationalismus, Klassen- und Geschlechterwidersprüchen. Die BDS-Bewegung positioniere sich im Kampf zweier nationaler Bewegungen auf einer Seite. Das sei nicht die Aufgabe von Gewerkschaften, betonte Schulze mit Verweis auf Grundsatztexte der Boykottkampagne. So sei auffällig, dass es dort keine Kritik an der gewerkschaftsfeindlichen Politik der Hamas gebe. Der israelische Gewerkschaftsbund Histadrut hingegen werde von der BDS als Teil des israelischen Staates bezeichnet und heftig angegriffen. Marc Richter ist aktiv in der Bremer Sektion der Basisgewerkschaft IWW. Auch er formulierte auf der Veranstaltung eine Kritik an der BDS-Kampagne aus gewerkschaftlicher Perspektive. „Diese Kampagne stärkt auf keinen Fall den solidarischen Kampf der ArbeiterInnenklasse überall auf der Welt, sondern begünstigt eine Entsolidarisierung und unnötige Spaltung in der Arbeiterbewegung“. Über diese Frage habe es innerhalb der IWW heftige Diskussionen gegeben, erklärte Richter. Als Alternative zu einem Boykott solle die Ko operation mit gewerkschaftlichen Organisationen in der Region gesucht werden, die Lohnabhängige unabhängig von der Nationalität organisieren. Bereits vor 20 Jahren organisierte die AK Internationalismus der IG Metall in Berlin Veranstaltungen mit Initiativen, in denen palästinensische und israelische ArbeiterInnen kooperierten. Dass eine solche Kooperation heute schwieriger ist, liegt nicht in erster Line an der Politik Israels. So ist der Druck auf Basisgewerkschaften sowohl im Gaza als auch in der Westbank groß. Ein aktuelles Beispiel für Solidarität statt Boykott kommt vom israelischen Dachverband Histadrut, der in seiner politischen Ausrichtung mit dem DGB verglichen werden kann. Die Histadrut hat ein Abkommen mit dem palästinensischen Gewerkschaftsbund PGFTU geschlossen. Seitdem überweist der is raelische Gewerkschaftsbund 50% der Mitgliedsbeiträge von PalästinenserInnen, die legal in Israel arbeiten, an die PGFTU. „Das geschieht aus Solidarität, um die palästinensischen Gewerkschaften zu stärken und unabhängig zu machen“, erklärte Avital Shapira-Shabirow, die beim Histadrut-Vorstand für internationale Beziehungen zuständig ist, in einem Interview in der Konkret. Maya Peretz von der linken israelischen Gewerkschaft Koach La‘Ovdim, die die Histadrut in vielen Punkten kritisiert, ist sich in dieser Frage mit ihr einig. Die BDS-Kampagne trägt zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse bei. Für BasisgewerkschafterInnen müsste daher klar sein, dass sie nicht Teil der BDS- Kampagne sein sollen. Das gilt auch unabhängig davon, wie man sonst zu dieser Kampagne steht. Ich halte es für falsch, die BDS-Kampagne, an der sich in vielen Ländern der Welt sehr unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Motiven beteiligen, pauschal als antisemitisch zu bezeichnen. Ich will aber klarstellen, dass sie für den gewerkschaftlichen Kampf kontraproduktiv ist. Das Prinzip gewerkschaftlicher Kämpfe soll die transnationale Solidarität aller Lohnabhängigen sein und bleiben.

aus: graswurzelrevolution dezember 2017/424

http://www.graswurzel.net/424/bds.php

Peter Nowak

Mit Druck und Drohungen für und gegen Israel?

Nun hat sich das Kampffeld auf die Kulturindustrie erweitert

Bisher konnte man davon ausgehen, dass Konzertabsagen von Bands persönlichen oder wirtschaftlichen Gründen geschuldet sind. Doch in letzter spielt dabei auch der Nahostkonflikt zunehmend eine Rolle. So sagten beim Berlin-Pop-Festival[1] Ende August einige Bands ab, weil die israelische Botschaft[2] die Reisekosten der israelischen Künstlerin Riff Cohen bezuschusst hat.

Der Boykott ist ein Beispiel für eine regressive Israelkritik und wurde so zu Recht scharf kritisiert. Schließlich wurde kein anderes Land, sondern ausschließlich Israel an den Pranger gestellt. Und es grenzt tatsächlich an Antisemitismus, wenn im Land der Shoah die Teilnahme israelischer Künstlerinnen und Künstler und die Unterstützung durch eine Behörde ihres Landes skandalisiert wird.

Durch die Absage der Künstler wurde auch die BDS-Kampagne[3] einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Das Kürzel bedeutet Boykott, Desinvestionen und Sanktionen und steht für ein weltweites Bündnis, die die israelische Regierung mit diesen Mitteln unter Druck setzen wollen und sich auf einen Aufruf[4] der palästinensischen Zivilgesellschaft bezieht.

Das Bündnis ist eindeutig pro-palästinensisch und stellt sich im Konflikt zwischen Israel und den arabischen Ländern klar auf einer Seite. Menschenrechtsverletzungen im Gaza und der Westbank werden dort ebenso wenig öffentlich dokumentiert, wie die Terroraktionen von islamistischen, aber auch arabisch-nationalistischen Gruppen gegen Israelis.

Wie aus einem Reisezuschuss für eine israelische Künstlerin eine israelische Unterstützung wurde

Die BDS-Kampagne hat mit einen Offenen Brief[5] an die Beteiligten des Berliner Pop-Festivals die Absagen zu verantworten. Dass sie dabei auch mit Falschmeldungen arbeite, zeigt die nachträgliche Richtigstellung[6].

Wir haben geschrieben: „Das Kultur- und Music Festival ‚Pop Kultur‘, das Ende August in Berlin stattfindet, wird von der israelischen Botschaft mitorganisiert.“ Das ist falsch. Richtig ist, dass die Kulturabteilung der israelischen Botschaft dem Festival Pop Kultur 2017 500 Euro als Reisekostenzuschuss für Künstler*innen zur Verfügung gestellt hat und daher auf der Webseite des Festivals gelistet ist, wie alle anderen Kultur-Partner auch.

BDS-Kampagne

Wenn es gegen Israel geht, nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau

Diese Korrektur nach der großen öffentlichen Aufmerksamkeit, die die BDS-Kampagne durch den Rückzug zahlreicher Künstlerinnen und Künstler von dem Pop-Festival ausgelöst hatte, müsste für die BDS-Organisatoren Anlass einer Kritik ihrer Prämissen sein. Denn die Faktenlage hat sich nicht geändert. Wie konnte aus einem Reisezuschuss für eine israelische Künstlerin eine Mitorganisation des Festivals durch die israelische Botschaft werden?

Und warum fiel den BDS-Organisatoren erst jetzt auf, dass viele andere Künstler auch von staatlichen Institutionen „ihrer Länder“ Zuschüsse für die Reisekosten bekommen haben? Wird hier nicht die der BDS-Kampagne unterstützte Diskriminierung und Dämonisierung Israels deutlich? Und warum haben die Organisatoren die Richtigstellung nicht mit einer Entschuldigung und dem klaren Rückzug des Boykott-Aufrufs verbunden?

Das wäre doch eigentlich die logische Konsequenz ihrer Feststellung, dass sie eine Fake-News einer angeblichen Mitorganisation der israelischen Botschaft verbreitet haben. Auf dieser Grundlage haben einige Bands ihre Teilnahme abgesagt. Schließlich war die angebliche Mitorganisation der israelischen Botschaft die zentrale Aussage des Aufrufs.

„Beenden Sie die Partnerschaft mit der israelischen Botschaft“, heißt es dort[7]. Die Forderung konnte gar nicht eingelöst werden, weil es diese Partnerschaft nie gab.

Eine Band hat allgemein gesagt, dass sie sich wegen der durch den Boykottaufruf ausgelösten Debatte um das Festival zurückgezogen hat. Doch diese Konsequenz, ihren Aufruf zurückzuziehen und um Entschuldigung für ihre Falschaussagen und die Folgen zu bitten, sucht man in der BDS-Erklärung vergeblich. Die lapidaren Sätze der Richtigstellung zeigen, dass entweder die Organisatoren die Tragweite der Folgen nicht begriffen habe, die ihre Falschaussagen ausgelöst haben oder es ist ihnen schlicht egal.

Wenn es gegen Israel geht, nimmt man es mit der Wahrheit nicht so genau. Da wird ein Reisezuschuss für eine israelische Künstlerin gleich zu einem Festival, an dem die israelische Botschaft beteiligt ist. Dieser laxe Umgang mit der Wahrheit und die fehlende Bereitschaft, die Prämissen der eigenen Arbeit selbstkritisch zu hinterfragen, waren dann auch der Anlass, dass der Gegenwind gegen die BDS-Kampagne wuchs.

In mehreren Städten wie Frankfurt/Main und München wurden ihr städtische Räume verweigert. Auch Linke wie Jutta Ditfurth positionierten[8] sich klar gegen die BDS-Kampagne. Weniger bekannt ist das sehr differenzierte Grundsatzpapier[9] der Ökologischen Linken zum Israel-Palästina-Konflikt.

Ist die BDS-Kampagne antisemitisch?

Denn so berechtigt die Kritik an der BDS-Kampagne ist, so verkürzt ist es, sie pauschal als antisemitisch zu bezeichnen. Das wird der Tatsache nicht gerecht, dass an der Kampagne weltweit sehr unterschiedliche Menschen mit sehr unterschiedlichen Motivationen beteiligt sind. Der BDS-Kritiker Micha Brumlik, ist einer der wenigen, der hier sehr klar zu differenzieren in der Lage ist.

Er verteidigte beispielsweise die Adorno-Preisträgerin Judith Butler gegen den Vorwurf des Antisemitismus[10] . Heute wird das Adjektiv „antisemitisch“ im Zusammenhang mit der BDS-Kampagne sehr freigiebig verwendet und oft nicht einmal mehr begründet. So hat man den Eindruck, bei der Etikettierung wird voneinander abgeschrieben.

Die Mühe, die sich vor einigen Jahren noch die Kritiker der BDS-Kampagne gemacht haben, ihre Beurteilung nachvollziehbar zu machen, unterbleibt. Das ist auch einem Schwarz-Weiß-Denken auf beiden Seiten geschuldet. Warum soll es nicht möglich sein, die BDS-Kampagne zu kritisieren, ohne sie gleich als antisemitisch zu etikettieren?

Tatsächlich gibt es bei der BDS-Kampagne starke Anleihen an einem regressiven Antizionismus, der offene Flanken zum Antisemitismus hat. Deswegen sind nicht alle Menschen, die diese Kampagne unterstützen Antisemiten. Diese Differenzierung hat Konsequenzen bei der Behandlung der Menschen, die die BDS-Kampagne unterstützen.

Künstlerin wurde unter Druck gesetzt, weil sie angeblich BDS-Kampagne unterstützt

Das zeigte sich im Umgang mit der Rapperin Kate Tempest[11]. Sie war schon für einen Gig in der Volks-Bühnen-Dependance[12] am ehemaligen Flughafen Tempelhof in Berlin gebucht, als sie sich zur Absage des Konzerts entschlossen. Der Grund liegt im Streit um den Umgang mit Israel.

Die Berliner Zeitung schreibt[13] über die Absage der Künstlerin:

Tempests Absage ist doppelt schade und zugleich symptomatisch für das erhebliche kulturpolitische Störpotenzial, dass die BDS-Aktivitäten inzwischen auch für den hiesigen Kulturbetrieb darstellen.

Berliner Zeitung
Doch diese Darstellung ist zumindest irreführend. Denn tatsächlich ging der Absage von Tempest massiver Druck auf die Künstlerin voraus, dieses Mal von Kritikern der BDS-Kampagne[14]:

Wie aus einer Pressemitteilung der Volksbühne hervorgeht, veröffentlichte ihr Management folgendes Statement: „Wir erhalten weiterhin persönliche Drohungen via E-Mail oder sozialer Netzwerke und das ist keine akzeptable Umgebung, um unser Konzert zu präsentieren. Kate will in einer derartig aggressiven Atmosphäre nicht auftreten und ich will kein weiteres Risiko über ihre mentale Gesundheit oder die Sicherheit unseres Teams eingehen.“ 

Gegenüber der Zeit[15] erklärte die Künstlerin: „Ich möchte klarstellen, dass ich über die Handlungen der israelischen Regierung gegen die palästinensische Bevölkerung entsetzt bin. Ich habe lange darüber nachgedacht und mich, gemeinsam mit vielen anderen Künstlerinnen und Künstlern, die ich respektiere, als Akt des Protestes dem kulturellen Boykott angeschlossen. Ich bin eine Person jüdischer Abstammung und zutiefst von den Vorwürfen, ich würde eine antisemitische Organisation unterstützen, verletzt. Die israelische Regierung ist nicht die einzige Stimme des Judentums. Dieser Auftritt war dazu gedacht, darauf aufmerksam zu machen, welchen Horror Migrantinnen und Migranten auf der Suche nach einem besseren Leben durchmachen müssen und Solidarität mit ihnen als Menschen zu zeigen und ich bin darüber enttäuscht, dass daraus ein politischer Spielball gemacht wurde. Ich bedauere, dass ich den Auftritt abgesagt habe, aber ich hatte das Gefühl, dass es weder ein angemessener noch ein sicherer Rahmen für mich wäre, meine Kunst zu präsentiere.“

laut.de[16]

Das war eine sehr differenzierte Stellungnahme, die die BDS-Kritiker zur Kenntnis nehmen sollten, denen es wirklich um den Kampf gegen Antisemitismus geht. Denn es gibt neben den von ihnen mit Recht herausgestellten israelbezogenen Antisemitismus weiterhin den gegen Linke, Antinationale und Kosmopoliten.

Vor allem der Teil der Rechten, die Israel als Vorposten des Kampfes gegen den Islamismus schätzen gelernt hat, konzentriert sich bei ihren Antisemitismus jetzt auf die Hetze gegen israelkritische Jüdinnen und Juden. Daher wäre es angebracht, wenn diese BDS-Kritiker sich klar von der Hetze gegen Tempest distanzieren würden.

Die Taz hat da auch Ross und Reiter genannt[17] beispielsweise den Berliner SPD-Jungpolitiker Sercan Aydilek. Er wird mit diesem Twitter-Posting[18] an Tempest zitiert: „Jetzt weißt du, dass dein Dreck in Berlin nicht willkommen ist.“

Jetzt sollten die BDS-Kritiker Aydilek deutlich machen , dass er mit diesen Statement seinen eigenen Grundsatz „Gegen jeden Antisemitismus“, selber nicht gerecht geworden ist und eine Entschuldigung fällig wäre.

Eine andere Kritik der BDS-Kampagne ist möglich

Dass man eine Kritik am regressiven Antizionismus auch ohne Diffamierung der Gegner führen kann, zeigte die kleine Basisgewerkschaft Wooblies[19]. Sie erstellte ein Dossier[20]. Dort zeigte sie auf, wieso die transnational arbeitende Gewerkschaft die BDS-Kampagne einst unterstützte und wo die Kritikpunkte liegen.

Dabei machte sie auch deutlich, dass kritische Artikel[21] den internen Diskussionsprozess beförderten. Die Verfasser kommen zu dem Schluss, dass es die Aufgabe einer Gewerkschaft nicht sein kann, Ausschlüsse und Spaltungen durch Boykottaufrufe, die sich in einem nationalen Konflikt einseitig auf eine Seite stellen, zu befördern.

Vielmehr müsste es konkret für die Region Israel/Palästina darum gehen, Organisationen und Gewerkschaften zu unterstützen, die Lohnabhängige binational organisieren und gemeinsam im Kampf für bessere Arbeitsbedingungen und bessere Löhne unterstützen.

Ein solche Orientierung schließt natürlich auch eine Absage ein an jede Unterstützung der Politik der israelischen Regierung wie jeder Staats- und Regierungsinteressen. Es wäre zu wünschen, wenn sich die BDS-Kritiker an den Umgang der Wooblies mit der Thematik ein Beispiel nehmen würden und nicht ihrerseits zu Druck und Beleidigungen greifen würden.

https://www.heise.de/tp/features/Mit-Druck-und-Drohungen-fuer-und-gegen-Israel-3848225.html

Peter Nowak
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http://www.heise.de/-3848225

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.pop-kultur.berlin
[2] http://www.bento.de/musik/pop-kultur-2017-der-boykott-von-kuenstlern-und-die-bds-kampagne-erklaert-1623203/)
[3] http://bds-kampagne.de
[4] http://bds-kampagne.de/aufruf/aufruf-der-palstinensischen-zivilgesellschaft/
[5] http://bds-kampagne.de/2017/08/15/offener-brief-an-alle-beteiligten-gruppen-aus-uk-am-berlin-pop-kultur-2017-festival/
[6] http://bds-kampagne.de/2017/08/17/richtigstellung-zu-update-weitere-kuenstlerinnen-ziehen-ihre-teilnahme-am-pop-kultur-festival-2017-zurueck/
[7] http://bds-kampagne.de/2017/08/18/israelischen-buergerinnen-an-die-veranstalter-des-pop-kultur-festivals-in-berlin-bitte-beenden-sie-ihre-partnerschaft-mit-der-israelischen-botschaft/
[8] http://www.jutta-ditfurth.de/dl/dl.pdfa?download=Ditfurth-BDS-Hamas-20170609.pdf

 [9] http://www.oekologische-linke.de/dl/dl.pdfa?download=Oekologische-Linke_20170619_Position-zu-Israel.pdf
[10] https://www.heise.de/tp/news/Verdient-Judith-Butler-den-Adorno-Preis-1993079.html
[11] https://www.katetempest.co.uk
[12] https://www.volksbuehne.berlin/de/service/presse/418/kate-tempest
[13] http://www.berliner-zeitung.de/28446252
[14] http://www.laut.de/News/Israelkritik-Kate-Tempest-rechtfertigt-Berlin-Absage-22-09-2017-14006
[15] http://www.zeit.de/kultur/2017-09/israelkritik-konzert-absage-kate-tempest-volksbuehne/seite-2
[16] http://www.laut.de/News/Israelkritik-Kate-Tempest-rechtfertigt-Berlin-Absage-22-09-2017-14006
[17] http://www.taz.de/!5446621
[18] https://twitter.com/AydilekSercan/status/911286935599112192
[19] https://www.wobblies.org/CMS/dossier-bds-israel

Kleine Gewerkschaften diskutieren über Israel-Boykott

Kleine linke Basisgewerkschaften stehen in Deutschland der BDS-Kampagne kritisch gegenüber

»Gewerkschaften stehen heute an vorderster Stelle bei der Verteidigung der Rechte des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und Freiheit«, heißt es in einem Aufruf, in dem Gewerkschaften in aller Welt zu einem ökonomischen, kulturellen und akademischen Boykott Israels aufgefordert werden. Lediglich sieben der 340 im Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) zusammengeschlossenen Organisationen haben diesen Aufruf der BDS-Bewegung, wie die Bewegung für »Boykott, Desinvestition und Sanktionen« abgekürzt wird, unterstützt. Sie vertreten allerdings über 12 Millionen Menschen. In diesem Jahr schlossen sich der wichtige tunesische Gewerkschaftsdachverband UGTT und der größte norwegische Gewerkschaftsverband LO der Boykottbewegung an, die 2005 gestartet wurde.

Damals riefen über 170 palästinensische Organisationen die internationale Gemeinschaft auf, Waren und Unternehmen aus Israel zu boykottieren, Investitionen abzuziehen und Sanktionen zu verhängen, bis das Land internationalem Recht nachkomme und die Menschenrechte der Palästinenser achte. Für sie ist Israel ein Apartheidstaat. Und wie einst Südafrika soll daher auch Israel boykottiert werden.

Der DGB lehnt die Forderung strikt ab und verweist auf die enge Kooperation mit dem israelischen Gewerkschaftsverband Histradut. Noch nicht entschieden ist die Frage jedoch bei kleinen linken Basisgewerkschaften wie der Freien Arbeiterunion (FAU), die noch eine Position suchen.

Bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin kritisierte die Bloggerin und Aktivistin Detlef Georgia Schulze die Einseitigkeit der BDS-Bewegung. Im Kampf zwischen zwei nationalen Bewegungen positioniere sie sich auf einer. So sei auffällig, dass es dort keine Kritik an der gewerkschafsfeindlichen Politik der Hamas gebe. Der israelische Gewerkschaftsbund Histradut hingegen werde von der BDS-Kampagne als Teil des israelischen Staates bezeichnet und heftig angegriffen. Für die Überwindung von Nationalismus, Klassen- und Geschlechterwidersprüchen leiste der Boykott keinen Beitrag.

Auch Marc Richter von der internationalen Basisgewerkschaft IWW sieht die Kampagne kritisch, wobei er einräumt, dass das Thema intern heftig umstritten ist. Aus Sicht des Bremer Aktivisten begünstigt der Boykott »Entsolidarisierung und Spaltung in der Arbeiterbewegung«. Vor allem in den USA hat die Bewegung jedoch starke Unterstützung. Ähnlich positionieren sich Basisgewerkschaften in Spanien, Italien und Frankreich. Anhänger der BDS-Bewegung im Publikum, die auf ihren T-Shirts für ein »freies Palästina« warben, betonten, dass mit dem Boykott UN-Beschlüsse und Menschenrechte durchgesetzt werden sollen.

Andere Anwesende sehen diese Aufgabe eher bei Menschenrechtsorganisationen als bei Gewerkschaften. Als Alternative zu einem Boykott wollen sie die Kooperation mit gewerkschaftlichen Organisationen in der Region suchen, die Lohnabhängige unabhängig von der Nationalität organisieren. Vor 20 Jahren hatte der Arbeitskreis Internationalismus bei der Berliner IG Metall Basisgewerkschaften aus Israel eingeladen, in denen die Nation keine Rolle spielt. Solche Kooperationen sind heute schwieriger geworden. Das liege aber nicht allein an der Politik Israels, wurde auf der Veranstaltung betont. Der Druck auf Gewerkschaften im Gazastreifen wie auch in der Westbank sei gewachsen.

Ein aktuelles Beispiel für binationale Solidarität kommt nun ausgerechnet aus dem von der BDS-Kampagne kritisierten israelischen Dachverband. Histradut hat ein Abkommen mit dem palästinensischen Gewerkschaftsbund PGFTU geschlossen. Er überweist diesem seither die Hälfte der Mitgliedsbeiträge von Palästinensern, die legal in Israel arbeiten. Damit will man die palästinensischen Gewerkschaften stärken und unabhängig machen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1060192.kleine-gewerkschaften-diskutieren-ueber-israel-boykott.html

Peter Nowak