Die Rebellion erinnern

BRAND Der „Gemischtladen für Revolutionsbedarf M99“ in der Manteuffelstraße bleibt versiegelt

Eine Menschentraube steht vor den verschlossenen Türen des „Gemischtladens für Revolutionsbedarf M99“ in der Manteuffelstraße 99 in Berlin-Kreuzberg. Am Sonntagvormittag wurden alle Zugänge zu dem Laden und der Privatwohnung des Betreibers Hans-Georg Lindenau von der Polizei versiegelt. Eine Besucherin war mit einer Zigarette eingeschlafen und hatte am Sonntagmorgen eine Matratze in Brand gesetzt. Das Feuer war schnell gelöscht, aber für Lindenau sind die Folgen fatal. Zurzeit kann er sich nur noch in einem Raum im ersten Stock aufhalten. Auch nach einer Begehung von Ordnungsamt und Vattenfall am Montag blieben Laden und Privatwohnung versiegelt.

Ein Vattenfall-Mitarbeiter erklärte Lindenau, er könne nicht ausschließen, dass durch das Löschwasser des Feuerwehreinsatzes die Elektrik in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Lindenaus Anwalt Burhardt Dräger hingegen erklärte seinem Mandanten, die Räume seien weiter verschlossen, weil die Polizei wegen des Brands ermittle und das LKA eingeschaltet sei.

„Wenn die Sperrung des Ladens nicht aufgehoben wird, bin ich bald bankrott“, erklärt Lindenau gegenüber der taz. Er verliere jeden Tag etwa 500 Euro an Einnahmen.

Freuen über diese Entwicklung wird sich hingegen die Idema Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft, die das Haus im letzten Jahr gekauft hat. Ende Februar entschied das Berliner Amtsgericht in erster Instanz, dass Lindenau den Laden und die Wohnräume bis zum 31. Dezember 2015 räumen muss. Dagegen wollte der Ladenbetreiber in die zweite Instanz gehen. Er verweist darauf, dass er als Querschnittgelähmter durch den Verlust von Laden und Wohnung besonders tangiert ist.

Auch gegen die Versiegelung will sich Lindenau wehren. Er hat mittlerweile ein „Protestschlafen“ vor dem Laden angekündigt. Dabei sollen Schlafsäcke und Isomatten mitgebracht werden. Einige UnterstützerInnen haben bereits ihre Beteiligung zugesagt. Schließlich gilt der Laden M99 in der linken Szene als eine Erinnerung an das rebellische Kreuzberg.

Der Pressesprecher der Polizei Stefan Redlich erklärte gegenüber der Taz, dass die Sperrung der Räume nicht wegen Brandschäden erfolgt sei. Vielmehr  seien Mauerdurchbrüche und  unsachgemäß verlegte Stromleitungen der Grund, weil eine Gefahr für die BewohnerInnen nicht auszuschließen sei. Über die Fortdauer    der Sperre entscheide die zuständige Bauaufsicht. 

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F03%2F10%2Fa0136&cHash=d57fc28f507ab8b3fcc9d6bf20a99569

Peter Nowak

Was ist Arbeit wert?

Ab jetzt wird gedroht

In der Berliner Mieterbewegung wird angesichts des Wohnungsmarkts ein linker Klassiker diskutiert: die Hausbesetzung.

Hausbesetzungen bringen immer noch Erfolge – selbst wenn sie nur angedroht werden. Diese Erfahrung konnten die letzten Mieter der Beermannstraße 20 im Berliner Stadtteil Treptow machen. Da die von ihnen bewohnten Häuser dem Ausbau der umstrittenen Stadtautobahn A100 weichen sollten, betrieb der Senat eine Enteignung der Mietverträge (Jungle World 45/2014). Zugleich weigerte er sich, den Bewohnern Wohnungen mit vergleichbaren Mieten anzubieten.

Mittlerweile hat die Enteignungsbehörde den sechs verbliebenen Mietparteien doch Ausgleichszahlungen für die Differenz zwischen der Miete ihrer bisherigen Wohnung und der neuen Bleibe zugesprochen. Die Zahlungen werden eingestellt, wenn das Gericht die Kündigungen für rechtmäßig erklärt. Ansonsten erhalten die Mieter die Differenz 16 Jahre lang. Sie mussten sich allerdings zum sofortigen Auszug verpflichten.

Die Mieter erhielten lange Zeit wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Doch die Treptower Stadtteil­initiative Karla Pappel unterstützte die Bewohner und gab die Parole aus: »Keiner wird alleingelassen«. Dabei stellte sie eine Aktionsform zur Diskussion, die in den vergangenen Jahren selbst in Berlin nur noch Gegenstand nostalgischer Jubiläumsveranstaltungen war. »Besetzen statt räumen« lautete der Slogan eines Bündnisses, das in den vergangenen Wochen auch Menschen zum Handeln bewegte, die zu jung sind, um in Berlin jemals ein besetztes Haus betreten zu haben. Denn bis auf die Rigaer Straße 94 sind alle Haus­projekte vertraglich legalisiert, selbst wenn sie sich nach außen auf Plakaten und Transparenten als besetzt bezeichnen.

Die Bewohner solcher Projekte waren mehrheitlich nicht anwesend, als im Februar im Friedrichshain-Kreuzberg-Museum mehr als 100 Menschen über die Notwendigkeit neuer Besetzungen diskutierten. Kurze Anregungen kamen von Karla Pappel, der Umweltorganisation Robin Wood und dem Berliner Bündnis »Zwangsräumung verhindern«. Die derzeitige Diskussion über Besetzungen unterscheidet sich dabei sehr von der in den siebziger Jahren in Westberlin und Anfang der neunziger Jahre im Osten der Stadt. Nicht der Kampf um Freiräume, sondern der Widerstand gegen eine kapitalistische Wohnungspolitik, die für das einkommensschwache Drittel der Bevölkerung die Verdrängung an den Stadtrand bedeutet, steht im Vordergrund. Auf der Veranstaltung wurde das Konzept öffentlicher Massenbesetzungen diskutiert, das sich auf besonders benachteiligte Bewohner stützt. Es wurde vorgeschlagen, Geflüchtete und Wohnungslose in die schon leeren Wohnungen in der Beermannstraße einziehen zu lassen. Auch auf mehreren Demonstrationen in der Beermannstraße wurde die Notwendigkeit von Besetzungen herausgestellt.

Mit der für die ehemaligen Mieter der Beermannstraße vorteilhaften Vereinbarung ist diese Debatte allerdings nicht beendet. »In der aktuellen Phase geht es darum, die Idee einer breit aufgestellten Besetzungsperiode einzuleiten, welche die Aneignung bezahlbaren Wohnraums in einer Breite propagiert, verankert und ein Klima schafft, das zu breiten gesellschaftlichen Mobilisierungen in der Lage ist«, sagt ein Mitglied des Bündnisses »Besetzen statt räumen«.

Die Abkehr von der Hausbesetzung als subkulturelle Praxis empfiehlt auch der Berliner Polito­loge Armin Kuhn, der kürzlich im Verlag Westfälisches Dampfboot das Buch »Vom Häuserkampf zur neoliberalen Stadt« veröffentlichte. »Viele Initiativen in der neuen Mieterbewegung haben erkannt, dass ein Zusammenfinden auf der Grundlage subkultureller Gemeinsamkeiten kaum ein Weg sein kann, um diejenigen zu erreichen, die am meisten von Verdrängung und gesellschaftlicher Marginalisierung in der Stadt betroffen sind«, sagt er der Jungle World. Grischa Dallmer, der im Rahmen der transnationalen Veranstaltungsreihe »Wohnen in der Krise« Mietrebellen aus verschiedenen Ländern nach Berlin eingeladen hat, betont im Gespräch mit der Jungle World, dass in der Stolarska-Straße im polnischen Poznan und in vielen spanischen Städten Besetzungen längst an der Tagesordnung sind.

http://jungle-world.com/artikel/2015/10/51546.html

Shopping-Schande

Maulkorb für den FAU-Protest gegen die „Mall of Shame“

Seit Ende November unterstützt die Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) rumänische Bauarbeiter, die über eine Leiharbeitsfirma beim Bau des Einkaufszentrums Mall of Berlin beschäftigt waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt wurden. Bei Kundgebungen wurde von den ehemaligen Beschäftigten immer wieder auch auf die Verantwortung des ehemaligen Generalunternehmens der Mall of Berlin, die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, hingewiesen. Das versucht deren Inhaber Andreas Fettchenhauer jetzt, juristisch zu verhindern. In einer einstweiligen Verfügung, die der FAU Mitte Januar zuging, wurde der Gewerkschaft die Aussage verboten, sie befinde sich mit Andreas Fettchenhauer in einem Arbeitskampf. Ebenfalls untersagt wurde ihr die Behauptung, Fettchenhauer habe im Zusammenhang mit dem Arbeitskonflikt „eine große negative Öffentlichkeit“ erhalten. Auch dass die Firma Fettchenhauer für „massive Schwarzarbeit“ und die „Nichtabführung von Beiträgen an die Versicherungsträger“ verantwortlich sei, darf die FAU nicht mehr behaupten. Bei einer Zuwiderhandlung droht der Gewerkschaft ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro und den verantwortlichen Sekretären eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

Der Pressesekretär der Berliner FAU, Stefan Kuhnt, sieht in der einstweiligen Verfügung einen Angriff auf die Gewerkschaftsfreiheit. Die FAU Berlin musste inzwischen mehrere Texte auf ihrer Homepage ändern. „Einstweilige Verfügungen sind ein gängiges Mittel gegen Gewerkschaften“, erklärt die FAU-Sekretärin Nina Matzek. Die FAU  hat  rechtliche Schritte dagegen eingeleitet,  die allerdings mit zusätzlichen Kosten verbunden sind, die die Gewerkschaft lieber in den Arbeitskampf investieren würde. Im Falle eines Widerspruchs könnte sie auf das kritische Pressecho zur Mall of Berlin ebenso wie auf die aktuelle Rechtslage hinweisen. „Die rechtliche Situation sieht vor, dass die Auftraggeber für die ausstehenden Löhne haften, wenn ein Subunternehmer nicht bezahlt“, erklärt Kuhnt.

Um den Lohn betrogen

Mit der einstweiligen Verfügung reagiert Fettchenhauer nun darauf, dass nicht nur der Subunternehmer, sondern auch seine Firma im Dezember durchaus in der Medienöffentlichkeit stand. Zahlreiche Zeitungen berichteten über den Arbeitskampf, auch im Deutschlandfunk gab es zwei Beiträge. Die Mall of Berlin ist ein Einkaufszentrum für die gehobenen Ansprüche in der Nähe des Potsdamer Platzes. Anfang Dezember begann eine Gruppe von acht rumänischen Bauarbeitern, unterstützt von der FAU, vor dem Eingang der Mall ihren Protest. Die Rumänen hatten auf der Baustelle der Mall gearbeitet und waren um einen Teil ihres Lohnes betrogen worden. Insgesamt 3000 Euro wurden ihnen vorenthalten. Die für den Bau der Mall of Berlin zuständigen Unternehmen schoben sich die Verantwortung für die nicht bezahlten Löhne wechselseitig zu. Die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, die der Generalunternehmer auf der Baustelle war und mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, verwies auf die Subunternehmen Metatec-Fundus GmbH & Co. KG aus Berlin sowie openmallmaster GmbH aus Frankfurt/Main. Beide Unternehmen lassen Presseanfragen unbeantwortet

Nachdem der Kampf um die vorenthaltenen Löhne auch die Öffentlichkeit erreicht hatte, fragten mehrere Zeitungen, wo denn der DGB in dem Konflikt bleibe. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter sich Ende Oktober zunächst an den DGB-Berlin Brandenburg gewandt und nach Unterstützung gefragt. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit den Unternehmen auf und schrieb Geltendmachungen. Außer Abschlagszahlungen, die nur einen Bruchteil des vorenthaltenen Lohnes ausmachten, konnten die Bauarbeiter auf diesem Weg allerdings nichts erreichen. Sie hatten weder Arbeitsverträge noch Gewerbescheine – das macht die Durchsetzung ihrer Ansprüche schwierig. Einige nahmen die Abschlagszahlungen und unterzeichneten zudem eine vom Unternehmen vorbereitete Erklärung, nach der sie auf weitere rechtliche Schritte verzichten sollten. Andere beharrten darauf, ihren vollen Lohn zu erhalten und wollten weiter gehen.

Eine politische Kampagne hatte der DGB jedoch nicht geplant. Erst nachdem sich die verbliebenen Bauarbeiter an die FAU wandten, begann die wochenlange Öffentlichkeitsarbeit, die nun mit der einstweiligen Verfügung beantwortet wird. Die FAU betont, dass sie die Kollegen weiterhin im Kampf um die vorenthaltenen Löhne unterstützen wird, u.a. durch Klagen gegen die Subunternehmen vor dem Arbeitsgericht. Zudem erinnert die FAU mit gezielten Aktionen immer wieder an die Verantwortung des Generalunternehmens Fettchenhauer. Dafür bekamen sie jetzt Unterstützung von unerwarteter Seite.

„Ein Generalunternehmen haftet gegenüber Arbeiterinnen und Arbeitern nachgeordneter Unternehmer und Subunternehmer, wenn diese ihren Arbeitgeberverpflichtungen nicht nachkommen“, stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von Ministerin Andrea Nahles (SPD) fest. So geht es aus einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Azize Tank (parteilos, für DIE LINKE) hervor. Die Sprecherin für Soziale Menschenrechte hatte nach der aktuellen Rechtslage gefragt. „Nach Paragraf 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) haftet ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, wie ein Bürge“, heißt es in der Antwort des Ministeriums. Damit referiert das Ministerium die seit 2002 geltende Rechtslage. Angesichts der Insolvenz des Generalunternehmens Fettchenhauer ist es trotzdem schwierig, die Forderungen durchzusetzen. Die FAU führt zunächst Klage gegen die Subunternehmen, behält sich aber auch eine Klage gegen den Generalunternehmer vor. Fettchenhauer arbeitet nach der Pleite seines vormaligen Unternehmens nun unter dem Firmennamen Fettchenhauer Construction weiter. Interessanterweise pflegt er auch zu dem Investor der Mall of Berlin, Harald Huth, weiterhin geschäftliche Beziehungen – Huth hatte nach Bekanntwerden des Skandals in der Berliner Zeitung vom 11.12. 2014 behauptet, dass die Geschäftsbeziehungen zu Fettchenhauer beendet worden seien.  „So wollen wir nicht mehr weiter- machen. Die Zusammenarbeit ist im Nachhinein sicher ein Fehler gewesen“, wird Huth in dem Blatt zitiert.

Die FAU braucht für die Fortführung des Arbeitskampfs Unterstützung und Spenden. Spenden können für den Arbeitskampf können auf folgendes Konto  überwiesen werden

Konto-Inh.: Allgemeines Syndikat Berlin
IBAN: DE45 1605 0000 3703 0017 11
BIC: WELA DE D1 PMB
Verwendungszweck: Spende

aus:

express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 2/2015

http://www.labournet.de/express/

Peter Nowak

Ausgenutzt und ausgebeutet

Junge Spanier in Deutschland kämpfen gegen Knebelverträge und miese Arbeitsbedingungen in der Pflege

Tausende junge gut ausgebildete Spanier hat die Wirtschaftskrise ins Ausland getrieben. Aber auch in Deutschland erwarten sie miese Arbeitsbedingungen. Jetzt wehren sie sich.

Deutsche Pflegeheime und Krankenhäuser werben seit Jahren ihr Fachpersonal im Ausland an. Geschah dies zunächst in Polen oder Bulgarien, hat sich durch die Wirtschaftskrise im Süden Europas eine neue Quelle aufgetan. In Spanien sind 55 Prozent der jungen Leute arbeitslos. Sie warten nur darauf, endlich einen Job zu finden, von dem sie leben können. Tausende sind mit dieser Hoffnung in den vergangenen Jahren nach Deutschland gekommen.

Doch die Realität sieht oft anders aus, wie die im Pflegebereich arbeitende Mayte Marin gegenüber »nd« berichtet. »Wir müssen 12 bis 14 Tage ohne Pause arbeiten und bekommen bis zu 40 Prozent weniger Lohn als deutsche Kollegen«, erzählt die Krankenpflegerin. Sie müssten dabei auch Aufgaben übernehmen, die nicht in ihren Arbeitsverträgen stehen, wie die Wohnung saubermachen, den Einkauf erledigen, den Hund ausführen.

Marin hat mit einigen Kollegen die Grupo de Acción Sindical (GAS) gegründet, was »Gruppe gewerkschaftliche Aktion« heißt. Sie ging aus der Versammlung der 15-M-Bewegung in Berlin hervor. Viele der Aktivisten hatten sich zuvor schon in Spanien in der Bewegung der »Empörten« engagiert. Wie in Spanien versuchte die Bewegung auch hierzulande, öffentliche Plätze zu besetzen, widmete sich dann aber der Organisierung in der Arbeitswelt. Fast jeden Tag bekommen sie inzwischen Anrufe aus verschiedenen Orten in Deutschland.

Ein Schwerpunkt der Gruppe liegt darauf, Kollegen über ihre Rechte und Widerstandsmöglichkeiten zu informieren. »Weil sie manchmal die Sprache nicht genug beherrschen und aus einem Land mit einer hohen Arbeitslosigkeit kommen, fällt es ihnen oft schwer, sich über ihre Arbeitsbedingungen zu beschweren«, beschreibt Marin die Situation.

Die Gruppe kämpft auch gegen die Vertragsstrafe, die Pflegekräfte aus anderen Ländern bezahlen müssen, wenn sie ihren Arbeitsplatz vorzeitig wechseln wollen. Sie kann bis zu 12 000 Euro betragen. »Die Strafe bringt uns um«, lautet daher das drastische Motto der aktuellen Kampagne von GAS.

Dominique John, der beim DGB das Projekt Faire Mobilität betreut, unterstützt die Gruppe. Er hat die Broschüre »Wissen ist Schutz« in spanischer Sprache herausgegeben, die Arbeitsmigranten in Spanien und Deutschland über ihre Rechte informiert. Zusammen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haben sie im Juni 2014 eine Veranstaltung für das Fachpflegepersonal aus Spanien organisiert. »Dort wurde auch das Problem mit den Knebelverträgen besprochen«, erklärt John gegenüber »nd«. Obwohl die Beschäftigen durch die Verträge unter Druck gesetzt werden, seien diese rechtlich schwer zu knacken, bedauert er. Daher begrüßt es John, dass die Kollegen die Verträge politisch bekämpfen wollen.

Auch der für den Fachbereich Gesundheit und soziale Dienstleistungen bei ver.di zuständige Gewerkschaftssekretär Kalle Kunkel spricht von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der migrantischen Gruppe. Im Kampf gegen die Knebelverträge habe man die gleiche Position. »Wir lehnen sie ab und gehen politisch und, wo es möglich ist, auf betrieblicher Ebene dagegen vor.« Außerdem kämpfe ver.di überall, wo man stark genug sei, für Tarifverträge. »Der einzige wirklich wirksame Schutz gegen ungleiche Bezahlung«, wie Kunkel gegenüber »nd« betont. Vergangenen September hatte ver.di gemeinsam mit Pflegekräften aus verschiedenen europäischen Ländern eine Kundgebung für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und eine Aufhebung der Knebelverträge vor dem Bundesgesundheitsministerium organisiert.

www.neues-deutschland.de/artikel/963953.ausgenutzt-und-ausgebeutet.html

Peter Nowak

Gewonnen in der ersten Instanz

GENTRIFIZIERUNG Großer Jubel: Keine Mieterhöhungen im Hausprojekt Brunnenstraße 7 in Mitte

Um 11 Uhr knallten am Mittwoch die Sektkorken vor dem Amtsgericht Mitte in der Littenstraße. Die BewohnerInnen des Hausprojekts Brunnenstraße 7 und ihre UnterstützerInnen hatten auch Grund, zu feiern. Eben wurde ihnen von der Richterin bestätigt, dass ein Satz in ihrem im Jahr 2000 am Runden Tisch ausgehandelten Vertrag weiterhin Gültigkeit hat, in dem es heißt. „Weitere Mieterhöhungen sind ausgeschlossen“.

Der Eigentümer der Hauskomplexes Uwe Heiland wollte die Mieten gemäß dem aktuellen Mietspiegel erhöhen. In dem mittlerweile massiv aufgewerteten Stadtteil rund um den Rosenthaler Platz hätte das beträchtliche Mieterhöhungen bedeutet. „Für viele der BewohnerInnen wären die Kosten finanziell nicht mehr tragbar gewesen“, erklärt Brunnenstraßenbewohnerin Petra Lange gegenüber der taz. Deshalb war auch die Mobilisierung unter den HausbewohnerInnen und ihrer UnterstützerInnen groß, nachdem die Hausverwaltung Gawehn Klagen zur Durchsetzung der Erhöhungen angekündigt hatte. Der Prozess am Mittwoch war die erste Klage gegen eine Mieterin des Hauses. Er dauerte nur knapp 15 Minuten. Die Richterin erklärte, dass der Mietspiegel grundsätzlich auch auf die Brunnenstraße 7 Anwendung finden könnte. Dass die BewohnerInnen kollektive Wohnstrukturen entwickelt haben, sei kein Hinderungsgrund für Mieterhöhungen. Wohl aber der Satz, der Mieterhöhungen ausschließt. Der sei eindeutig und könne nicht missverstanden werden. Das Urteil wird erst in drei Wochen bekannt gegeben.

„Das ist das übliche Prozedere beim Amtsgericht. Es gibt aber keinen Zweifel, dass wir in der ersten Instanz gewonnen haben“, erklärte der MieteInnenanwalt Moritz Heusinger. Allerdings werde der Fall wohl in die zweite Instanz gehen. Der Eigentümer Heiland war bei der Verhandlung telefonisch zugeschaltet und erklärte, er wolle sich erst wieder auf eine Mediation einlassen, wenn der Fall durch alle Instanzen gegangen ist.

In der zweiten Instanz könnte dann auch ein ominöses Protokoll von den Verhandlungen am Runden Tisch eine Rolle spielen, das die AnwältInnen der Eigentümer gestern an Heusinger schickten. Dort sei vermerkt, dass doch Mieterhöhungen möglich sein sollen. Da das Protokoll bei der heutigen Verhandlung keine Rolle spielte, brauchte Heusinger auch nicht zu fragen, wer es erstellt hat, und vor allem nicht, ob es vielleicht die subjektive Sicht der EigentümerInnen wiedergibt.

Die waren natürlich auch damals nicht von der Klausel begeistert, die Mieterhöhung ausschloss.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F03%2F05%2Fa0196&cHash=a37887db5fb479b559de1abe42a974f6

Peter Nowak

Streit um Flüchtlingspolitik in Thüringen

Flüchtlingsproteste in Dresden und Erfurt. AfD und CDU machen Druck auf die linke Regierung

Erst versuchten Pegida-Anhänger das am vergangenen Samstag nach einer bundesweiten antirassistischen Demonstration in Dresden errichtete Refugee-Camp [1] anzugreifen [2]. Dann kam die Polizei und räumte das Camp. Reporter von der Zeit [3] brachten den Zusammenhang gut auf den Punkt:

Damit verschwindet ein nur kurz sichtbares Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten, das Aktivisten als Antwort auf Pegida und staatliche Asylpolitik aufgebaut haben.

Die sächsische Landesregierung hat damit signalisiert, dass sie umsetzen kann, was Pegida nur fordert. Allen verbalen Abgrenzungsbemühungen zum Trotz ist man sich einig, dass Geflüchtete in Dresdens guter Stube nicht geduldet werden.

Auch die rot-rot-grüne Landesregierung gerät in der Flüchtlingsfrage von verschiedenen Seiten unter Druck. Die Landkreise Sonneberg, Greiz und der Wartburgkreis wollen beim Landesverwaltungsamt erreichen, dass sie vorübergehend keine Flüchtlinge mehr aufnehmen müssen [4]. Dahinter steckt der Versuch der abgewählten CDU, die Versuche der neuen Landesregierung, die Flüchtlingspolitik zu humanisieren, zu torpedieren.

Auch die Thüringer AfD, die zum rechten Flügel der Partei zählt, macht Druck [5] in der Flüchtlingsfrage und geißelt den Winterabschiebestopp für Flüchtlinge aus 25 Ländern als rechtswidrig [6]. Notfalls müssten die Geflüchteten wieder zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung geschickt werden, forderte die Präsidentin des Landkreistages, die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU): „Das ist genau das, was wir nicht wollen.“

Ein solches Konzept wäre hart an der Grenze zu einer Abschiebeeinrichtung, konterte der Thüringische Migrationsminister Dieter Lauinger von den Grünen. Schließlich hatte sich die rot-rot-grüne Landesregierung eine Verbesserung der Situation der Flüchtlinge auf die Fahnen geschrieben. Der bis zum 31. März terminierte Abschiebestopp für Geflüchtete wurde von Flüchtlingsinitiativen als ersten Schritt begrüßt.

Doch sie erwarten weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Geflüchteten im Land und setzen auf die Zivilgesellschaft. Die hat sich bereits vor einigen Wochen für ein Bleiberecht der Romafamilie Memedowich in Erfurt eingesetzt [7]. Es gab erste Erfolge, weil die Härtefallkommission sich ebenfalls für ein Bleiberecht der Familie ausgesprochen hat. Nun liegt der Fall bei der Erfurter Ausländerbehörde, die in einer Petition [8] aufgefordert wird, die Familie nicht auseinanderzureißen.

Am 4. März will ein zivilgesellschaftliches Bündnis ebenfalls in Erfurt die Abschiebung von Frau C. und ihren beiden schulpflichtigen Kindern aus Erfurt nach Tschechien verhindern [9]. Sie waren 2014 aus Kambodscha geflohen und haben in Deutschland Asyl beantragt. Weil sie in Tschechien zum ersten Mal das Gebiet der Europäischen Union betreten haben, ist nach der Dublin III Verordnung dieses Land für das Asylverfahren zuständig.

Diese Flüchtlinge fallen auch nicht unter den Winterabschiebestopp der Thüringischen Landesregierung. Doch die Familie hat Angst vor einem Leben in Tschechien. „Ich möchte, dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und ich will selbst die deutsche Sprache lernen und hier Arbeit finden“, erklärt Frau C. Auch Alexandra Hoffmann fordert ein Bleiberecht für die Familie. „Eine Abschiebung ist ein gewaltsamer Eingriff in das Leben von Menschen“, erklärt sie gegenüber Telepolis.

Bereits am 24. Februar musste die Abschiebung der Mutter und ihrer beiden Kinder abgebrochen werden, weil 150 Menschen den Eingang zur Flüchtlingsunterkunft in Erfurt blockierten, in der die Familie untergebracht ist. Die Freude bei der Familie und ihren Unterstützern war groß, als der zuständige Einsatzleiter der Polizei erklärte, dass die Abschiebung angesichts der Proteste [10] abgebrochen wird. Für den 4. März ist der zweite Abschiebeversuch angekündigt.

Einen Tag läuft die sechsmonatige Frist ab, nach der sich aufgrund des Dublin III Verfahrens Deutschland um das Asylverfahren der Familie kümmern müsste. „Für uns ist es selbstverständlich, dass wir auch am 04. März ab 21 Uhr auf einer Kundgebung vor der Unterkunft in der Stauffenbergallee 25 gegen die Abschiebung unserer Freundinnen und Freunde protestieren werden“, erklärt Alexandra Hoffmann gegenüber Telepolis. Sie sieht auch die Landesregierung in der Verantwortung. „Es wird sich zeigen, ob in Thüringen eine Mutter mit ihren Kindern mit Polizeigewalt abgeschoben wird.“

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/news/Streit-um-Fluechtlingspolitik-in-Thueringen-2566427.html

Links:

[1]

https://refugeestruggledresden.wordpress.com/

[2]

http://www.heise.de/tp/artikel/44/44293/1.html

[3]

http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/03/03/dresden-raeumung-des-refugee-struggle-camps-nach-angriffen-von-pegida_18783

[4]

http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Thueringer-Landkreise-rebellieren-gegen-Asylplaene-der-Regierung-264034811

[5]

http://afd-thueringen.de/2015/03/obrigkeitsstaatliches-gehabe-afd-kritisiert-lauingers-erstaufnahmeplaene/

[6]

http://www.welt.de/regionales/thueringen/article137782585/Winterabschiebestopp-rechtswidrig.html

[7]

http://www.alle-bleiben.info/pm-kundgebung-vor-auslaenderbehoerde-in-erfurt/

[8]

https://www.openpetition.de/petition/online/reissen-sie-familie-memedovich-nicht-auseinander-dauerhaftes-bleiberecht-fuer-die-ganze-familie

[9]

http://breakdeportation.blogsport.de/2015/02/24/kinder-geben-anstoss-fuer-erfolgreiche-blockade-gegen-abschiebung-in-erfurt/

[10]

http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/spontandemo-gegen-abschiebung-erfurt100.html

Abschiebung soll erneut misslingen

Protestierer in Erfurt wollen Familie schützen

Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen hatte – unter anderem mit der Ausrufung eines Winterabschiebestopps – Erwartungen bei Flüchtlingen geweckt, dass sich ihre Lage verbessern könnte. Doch inzwischen ist die Koalition auch in dieser Frage in den Mühen der Ebenen angekommen. Die Landkreise Sonneberg, Greiz und der Wartburgkreis wollen beim Landesverwaltungsamt erreichen, dass sie vorübergehend keine Flüchtlinge mehr aufnehmen müssen. Notfalls müssten die Geflüchteten wieder zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung geschickt werden, forderte die Präsidentin des Landkreistages, die Greizer Landrätin, Martina Schweinsburg (CDU).

»Das ist genau das, was wir nicht wollen. Ein solches Konzept wäre hart an der Grenze der Abschiebeeinrichtung«, konterte der Thüringische Migrationsminister Dieter Lauinger (Grüne). Der bis 31. März terminierte Abschiebestopp für Geflüchtete aus 15 Ländern war von deren Unterstützern als erster Schritt begrüßt worden. Doch sicherheitshalber setzen sie weiter in erster Linie auf die Zivilgesellschaft. Diese soll unter anderem die Abschiebung einer kambodschanischen Familie an diesem Mittwoch aus Erfurt nach Tschechien verhindern. Frau C. und ihre beiden schulpflichtigen Kinder waren 2014 aus Kambodscha geflohen und haben in Deutschland Asyl beantragt. Weil sie in Tschechien zuerst das Gebiet der Europäischen Union betraten, ist nach der Dublin-III-Verordnung dieses Land für das Asylverfahren zuständig. Diese Flüchtlinge fallen auch nicht unter den Winterabschiebestopp der Landesregierung.

Doch die Familie hat Angst vor einer Abschiebung nach Tschechien. »Ich möchte, dass meine Kinder hier zur Schule gehen können und ich will selbst die deutsche Sprache lernen und hier Arbeit finden«, erklärt Frau C. Auch Alexandra Hoffmann vom Freundeskreis der Familie fordert ein Bleiberecht. »Eine Abschiebung ist ein gewaltsamer Eingriff in das Leben von Menschen«, meint sie gegenüber nd.

Bereits am 24. Februar hatte die Abschiebung der Mutter und ihrer beiden Kinder abgebrochen werden müssen, weil 150 Menschen den Eingang zur Erfurter Flüchtlingsunterkunft blockierten. Die Freude bei der Familie und ihren Unterstützern war groß, als der zuständige Einsatzleiter der Polizei erklärte, dass die Abschiebung angesichts der Proteste abgebrochen wird. Für diesen Mittwoch ist der zweite Abschiebeversuch angekündigt. Einen Tag später läuft die sechsmonatige Frist ab, nach der sich Deutschland als reales Aufenthaltsland um das Asylverfahren der Familie kümmern muss – ebenfalls Festlegung des Dublin-III-Verfahrens. »Für uns ist es selbstverständlich, dass wir auch am 4. März ab 21 Uhr auf einer Kundgebung vor der Unterkunft in der Stauffenbergallee 25 gegen die Abschiebung unserer Freundinnen und Freunde protestieren werden«, erklärt Alexandra Hoffmann. Es werde sich nun zeigen, ob im rot-rot-grün regierten Thüringen eine Mutter mit ihren Kindern mit Polizeigewalt abgeschoben wird.

Peter Nowak

Spenden für Szepansky

ERINNERUNG Gedenktafel für NS-Verfolgten und Antifaschisten in Kreuzberg zerstört

Eine Gedenktafel für den Berliner Wolfgang Szepansky haben Unbekannte in der Methfesselstraße 42 in Kreuzberg zerstört. „Die Vorgehensweise deutet unseres Erachtens auf eine gezielte Tat unter Verwendung von Werkzeugen hin“, erklärte Markus Tervooren, Geschäftsführer der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V. (VVN-BdA), gegenüber der taz. Von der Zerstörung, die bereits vor einigen Tagen erfolgte, sei die VVN-BdA von einem Anwohner erst jetzt informiert worden, so Tervooren.

Die Gedenktafel war im August 2012 angebracht worden. Dafür hatten sich die VVN-BdA und die geschichtspolitische Initiative Aktives Museum mehrere Jahre eingesetzt und im Stadtteil viel Unterstützung für das Engagement erhalten. Der Ort für die Gedenktafel erinnert an eine antifaschistische Aktion des jungen Wolfgang Szepansky, die in Berlin für Aufsehen sorgte.

Am 11. August 1933 hatte der damals 23-Jährige an die Hausmauer der Methfesselstraße 42 die Parolen „Nieder mit Hitler! KPD lebt! Rot Front!“ gepinselt. Er wurde verhaftet und ins Columbiahaus, das berüchtigte Konzentrationslager Berlins am Tempelhofer Feld, eingeliefert.

Nach seiner Freilassung war Szepansky nach Holland emigriert, wo ihn der Naziterror nach der deutschen Besetzung einholte. 1940 wurde er an die Gestapo ausgeliefert und in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht. Als Teilnehmer der Todesmärsche, bei denen die SS in den letzten Tagen des Naziregimes im April 1945 KZ-Häftlinge durch Deutschland trieb, wurde Szepansky durch britische Alliierte befreit.

Sofort nach dem Kriegsende beteiligte er sich am Aufbau des antifaschistischen Jugendausschusses in Tempelhof. Szepansky arbeitete als Lehrer, wurde aber im Zuge der Kommunistenverfolgung des Kalten Krieges aus dem Berliner Schuldienst entlassen. Bis zu seinem Tod 2008 engagierte er sich aktiv gegen alte und neue Nazis und begleitete antifaschistische Stadtrundfahrten.

„Wir wollen die Gedenktafel so schnell wie möglich erneuern“, betonte Tervooren. Dafür sammle die VVN-BdA jetzt Spenden ein.

Peter Nowak

Bankverbindung: Postbank Berlin, IBAN: DE18100100100315904105 · BIC: PBNKDEFF

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2015%2F03%2F03%2Fa0149&cHash=e1e4f1eca6d61b8a65eb9fdec6258b87

Querfront ohne linken Flügel

An die 800 Personen haben in Berlin an einer verschwörungstheoretischen Kundgebung „für den Frieden” teilgenommen.

„Keine Blutschuld mehr auf das deutsche Volk.  Es reicht!“  und „Wir wollen als freie Menschen in Deutschland leben“, lauteten einige der Parolen auf den Transparenten, die auf am Samstagnachmittag  in Berlin auf einen Sternmarsch getragen  wurden, zu dem von Teilen der so genannten Montagsmahnwachen unter dem Motto „Deutschland raus aus dem Ukraine-Krieg“  mobilisiert worden war. Die Polizei spricht von knapp 800 Teilnehmern.

In dem Aufruf wurde  eine Querfront für den Frieden propagiert: „Antifa, Pegida, Mahnwache, Linke, Rechte, marschiert zusammen… ihr braucht Euch nicht zu lieben, ihr habt jetzt nur eine Bürgerpflicht: Denen da oben eine Grenze aufzuzeigen,“ hieß es dort. Der einschlägig bekannte Publizist Jürgen Elsässer,  einer  der beiden Hauptredner bei der Abschlusskundgebung vor dem Reichstag, stellte seinen Beitrag unter das Motto „Von links bis rechts – gemeinsam für den Frieden“. Als Vorbild propagierte er die neue griechische Regierungskoalition zwischen der linken Syriza und der rechten Anel. Wie mehrere andere Redner erklärte auch Elsässer das Attentat auf Boris Nemzow in Moskau als False-Flag-Aktion westlicher Geheimdienste  zur Diskreditierung  des russischen Präsidenten.

„Amis raus aus Facebook“

Als weiterer Hauptredner trat mit Stephane Simon ein Mann auf, der seit Monaten einen Brückenschlag zwischen den Friedenmahnwachen und der Pegida-Bewegung propagiert. Der Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt wertete Teile von Simons Rede auf einer Pegida-Kundgebung in Dresden als Volksverhetzung. Simon war in der Vergangenheit auch bei einem wesentlich von extremen Rechten organisierten Aufzug gegen den Bau einer Moschee in Leipzig aufgetreten. Zu den Teilnehmern des Berliner Sternmarsches gehörte mit Karl Schmitt  der Anmelder des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida, der auch häufig bei Veranstaltungen der Rechtspopulistentruppe „pro-Deutschland“ auftritt. Aus dem Pegida-Rahmen fiel eine Rednerin, die in Berlin die iranische Revolution und Ayatollah Khomeni in höchsten Tönen lobte.

Während Jürgen Elsässer auf seiner Homepage von einem gelungenen Frühjahrsstart der Friedensmahnwachenbewegung schreibt, äußerten sich andere Teilnehmer enttäuscht über die schwache Beteiligung. Sie hatten aber dafür eine Erklärung parat, die dem Publikum einleuchtete. Die Zensur durch Facebook habe die Mobilisierung geschwächt und  dahinter  stecken natürlich die USA respektive die Amis. Einige Teilnehmer skandierten nach der häufig gerufenen Parole „Ami go home“ auch „Amis raus aus Facebook“.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/querfront-ohne-linken-fl-gel

Peter Nowak

Querfront-Kundgebung vor dem Berliner Reichstag

Filmpiraten durch FPÖ-Klage in ihrer Existenz bedroht