Es war ein warmer Sommerabend im Jahr 2015, als eine Spontandemonstration durch die Berliner Innenstadt zum Amtssitz des damaligen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble führte. Schäuble war das Gesicht jener Troika, die damals der linkssozialdemokratischen Syriza-Regierung in Griechenland das EU-Austeritätsprogramm aufdrückte. Die circa 1200 Demonstrant*innen, darunter viele junge Menschen, unterstützen in Sprechchören die griechische Bevölkerung, die sich gegen die Politik der Austerität wehrte. Doch als sie vor dem menschenleeren, von der Polizei gesicherten Finanzministerium ankam, …
„Das Kapital und die Rechte“ weiterlesenSchlagwort: Querfront
»Alles andere als Wehrkraftzersetzung«
In seinem Buch »Lieber tot als rot« dekonstruiert Malte Mayer den Mythos, Gewerkschaften seien Teil der Friedensbewegung gewesen. Ein Gespräch
Malte Meyer studierte Politikwissenschaft und Geschichte in Marburg und stieg über die dortige „Arbeitsgemeinschaft für gewerkschaftliche Fragen“ in die Bildungsarbeit ein. Im Verlag Edition Assemblage veröffentlichte er kürzlich sein Buch „Lieber tot als rot. Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914“ „»Alles andere als Wehrkraftzersetzung«“ weiterlesen
Feindbild Israel
Bild: K. Culina // CC BY-SA 4.0
Kevin Culina und Jan Fedders untersuchen den Antisemitismus und regressiven Antizionismus in einer wichtigen Publikation der neuen Rechten
Die AfD hat seit Wochen einen handfesten Antisemitismusstreit. Ausgelöst wurde er durch antisemitische Schriften des mittlerweile zurückgetretenen AfD-Landtagsabgeordneten von Baden Württemberg Wolfgang Gedeon. Sofort hatte sich auch der Chefredakteur der Monatszeitschrift Compact in diese Angelegenheit zu Wort gemeldet. Unter dem Titel »Appell an die Einheit der AfD« ergriff er Partei für Gedeon. »Schließt keine Personen aus, deren Ausschluss der politische Gegner fordert, sondern stellt Euch gerade hinter solche Angegriffenen, auch wenn sie in der Vergangenheit politische Fehler gemacht haben.« Diese Parteinahme von Compact ist nicht verwunderlich, wenn man ein kürzlich im Verlag Edition Assemblage unter dem Titel »Im Feindbild vereint« erschienenes Buch zur Grundlage nimmt. Auf knapp 100 Seiten untersuchen die Sozialwissenschaftler Kevin Culina und Jonas Fedders den Stellenwert des Antisemitismus bei dem Monatsmagazin Compact.
Die Zeitschrift habe sich innerhalb kurzer Zeit zu einem der relevantesten Querfrontorgane im deutschsprachigen Raum entwickelt, begründen die Autoren ihr Interesse an dieser Publikation. Zudem betonten sie, dass Compact sich von den anderen rechten Medien dadurch unterscheidet, dass dort immer wieder versucht wird, Brücken zu Teilen der Linken zu bauen. Elsässer hat wiederholt dazu aufgerufen, Rechte und Linke sollten gemeinsam für die Souveränität Deutschlands kämpfen. In den beiden ersten Kapiteln geben die Autoren einen kurzen Überblick über die wissenschaftlichen Diskussionen zu Querfront und zum Antisemitismus. Dabei stellen sie dem codierten Antisemitismus in den Mittelpunkt ihre Überlegungen. »Während also der offen neonazistische Antisemitismus bisweilen aus politischen Diskursen ausgegrenzt wird, haben sich gewisse Artikulationsformen für antisemitische Ressentiments herausgebildet, welche zwar auf das starke Fortbestehen von antisemitischen Positionen in der Gesellschaft verweisen, aber nicht immer als solche (an)erkannt werden und daher bis weit in die selbst ernannte bürgerliche ‘Mitte’ hineinreichen«, schreiben die Sozialwissenschaftler. Anhand der sehr detaillierten Analyse verschiedener Compact-Artikel zeigten Culina und Fedders auf, der ein codierter Antisemitismus einen zentralen Stellenwert in der Compact-Berichterstattung hat. Die Autoren sprechen sogar davon, dass er der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den sich die Leser einigen können. Dabei wird man offen antisemitische Äußerungen wie sie in den Schriften Gedeons in der Compact kaum finden. Dafür wird mit Metaphern und Bildern gearbeitet, der die Leser durchaus entsprechend zu deuten wissen. Das zeigt sich an einigen abgedruckten Leserbriefen, in denen die Zeitschrift als letzte Verteidigerin des freien Wortes hochgelobt wird.
»Für den judenfeindlichen Gehalt einer Aussage über die ‘Rockefellers’ oder die ‘Rothschilds’ ist deren tatsächliche Religionszugehörigkeit von keinerlei Bedeutung, solange in einem breiteren Rezipient_innenkreis die Auffassung vorherrscht, es handele sich um einflussreiche Familien mit jüdischen Wurzeln. Adorno schrieb einst sehr treffend, der Antisemitismus sei ‘das Gerücht über die Juden’«, schreiben die Herausgeber. Am Schluss des Buches gehen sie auch auf die kontroverse Debatte um die Friedensmahnwachen ein, die heute weitgehend vergessen ist. Das Buch soll eine kritische Debatte um den Umgang mit Compact anregen. »Denn von der Compact geht eine Gefahr aus, dem viel mehr Widerspruch entgegengestellt werden muss«, so der Wunsch der beiden Herausgeber.
Kevin Culina / Jonas Fedders
Im Feindbild vereint: Zur Relevanz des Antisemitismus in der Querfront-Zeitschrift Compact 2016, Edition Assemblage, 96 Seiten, 9,80 Euro
ISBN 978–3-96042–004-0 | WG 973
Querfront ohne linken Flügel
An die 800 Personen haben in Berlin an einer verschwörungstheoretischen Kundgebung „für den Frieden” teilgenommen.
„Keine Blutschuld mehr auf das deutsche Volk. Es reicht!“ und „Wir wollen als freie Menschen in Deutschland leben“, lauteten einige der Parolen auf den Transparenten, die auf am Samstagnachmittag in Berlin auf einen Sternmarsch getragen wurden, zu dem von Teilen der so genannten Montagsmahnwachen unter dem Motto „Deutschland raus aus dem Ukraine-Krieg“ mobilisiert worden war. Die Polizei spricht von knapp 800 Teilnehmern.
In dem Aufruf wurde eine Querfront für den Frieden propagiert: „Antifa, Pegida, Mahnwache, Linke, Rechte, marschiert zusammen… ihr braucht Euch nicht zu lieben, ihr habt jetzt nur eine Bürgerpflicht: Denen da oben eine Grenze aufzuzeigen,“ hieß es dort. Der einschlägig bekannte Publizist Jürgen Elsässer, einer der beiden Hauptredner bei der Abschlusskundgebung vor dem Reichstag, stellte seinen Beitrag unter das Motto „Von links bis rechts – gemeinsam für den Frieden“. Als Vorbild propagierte er die neue griechische Regierungskoalition zwischen der linken Syriza und der rechten Anel. Wie mehrere andere Redner erklärte auch Elsässer das Attentat auf Boris Nemzow in Moskau als False-Flag-Aktion westlicher Geheimdienste zur Diskreditierung des russischen Präsidenten.
„Amis raus aus Facebook“
Als weiterer Hauptredner trat mit Stephane Simon ein Mann auf, der seit Monaten einen Brückenschlag zwischen den Friedenmahnwachen und der Pegida-Bewegung propagiert. Der Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt wertete Teile von Simons Rede auf einer Pegida-Kundgebung in Dresden als Volksverhetzung. Simon war in der Vergangenheit auch bei einem wesentlich von extremen Rechten organisierten Aufzug gegen den Bau einer Moschee in Leipzig aufgetreten. Zu den Teilnehmern des Berliner Sternmarsches gehörte mit Karl Schmitt der Anmelder des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida, der auch häufig bei Veranstaltungen der Rechtspopulistentruppe „pro-Deutschland“ auftritt. Aus dem Pegida-Rahmen fiel eine Rednerin, die in Berlin die iranische Revolution und Ayatollah Khomeni in höchsten Tönen lobte.
Während Jürgen Elsässer auf seiner Homepage von einem gelungenen Frühjahrsstart der Friedensmahnwachenbewegung schreibt, äußerten sich andere Teilnehmer enttäuscht über die schwache Beteiligung. Sie hatten aber dafür eine Erklärung parat, die dem Publikum einleuchtete. Die Zensur durch Facebook habe die Mobilisierung geschwächt und dahinter stecken natürlich die USA respektive die Amis. Einige Teilnehmer skandierten nach der häufig gerufenen Parole „Ami go home“ auch „Amis raus aus Facebook“.
http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/querfront-ohne-linken-fl-gel
Peter Nowak
Neue Friedensbewegung oder Querfront?
Eine Studie zur politischen Verfasstheit der Montagsmahnwachen bestätigt Kritiker in vielen Punkten
Die Montagsmahnwachen für den Frieden und gegen die FED [1] verlieren an Anziehungskraft. Doch aus den Schlagzeilen verschwunden sind sie nicht. Der Auftritt des Liedermachers Dieter Dehm [2], der auch noch Bundestagsabgeordneter der Linken ist, auf der Berliner Montagsmahnwache hat in und außerhalb der Linkspartei zu viel Kritik [3]geführt (Gemeinsam gegen Rothschild?) [4]
Im Hintergrund der Auseinandersetzung steht eine unterschiedliche Einschätzung des Charakters der Montagsmahnwachen und ihrer Teilnehmer. Handelt es sich hauptsächlich um ein Treffen von politisch unerfahrenen Menschen, die sich gegen den Krieg engagieren wollen und die von
einigen Rechten vereinnahmt werden sollen? Dann würde sich eine Beteiligung linker Gruppen und Personen als eine Art Antifaschismus darstellen. Oder handelt es sich um eine strukturell rechte Bewegung, die durch eine linke Beteiligung nur aufgewertet würde?
Der Streit über die Frage wird auch weitergehen, nachdem Mitarbeiter des Zentrums für Protestforschung [5] am Montag das Ergebnis einer Befragung [6] von Teilnehmern der Proteste auf einer Pressekonferenz vorstellten. In sieben Städten hat das Forscherteam, zu dem Peter Ullrich, Simon Teune, Wolfgang Stuppert und Priska Daphi gehören, Teilnehmer der Montagsmahnwachen befragt. Mit Handzetteln suchten sie Freiwillige, die einen Online-Fragebogen ausfüllen sollten. Fast 400 haben sich beteiligt, die Rücklaufquote für die verteilten Handzettel mit einem individuellen Code lag in Berlin bei 34,6 und in den anderen Städten bei 16,1 Prozent.
Die Forscher machen schon bei der Vorstellung ihrer Methode darauf aufmerksam, dass dadurch die internetaffinen Aktivisten besonders angesprochen worden sein könnten, die überwiegend männlich und im Durchschnitt jünger als die Gesamtbevölkerung sind. Auch eine weitere Verzerrung der Ergebnisse wurde reflektiert. In der wochenlangen Diskussion über die Montagsmahnwachen gerieten nach rechts offene Positionen, eine verkürzte Kapitalismuskritik und Verschwörungstheorien in die mediale Kritik. Die war den Teilnehmenden an den Aktionen durchaus bekannt. Schließlich haben sich verschiedene Redner auf den Podien immer wieder darüber beklagt, dass die Aktionen angeblich zu unrecht in die rechte Ecke gerückt würden. Sie bekamen dafür viel Applaus.So dürften viele der an der Befragung teilnehmenden Aktivisten auch versucht haben, diesem Eindruck entgegen zu wirken.
Andererseits könnten die an den Montagsmahnwachen teilnehmenden bekannten Mitglieder verschiedener rechten Gruppierungen, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker die Befragung
schon deshalb abgelehnt haben, weil sie sie für eine weitere Verschwörung hielten. Protestforscher Rucht machte darauf auf der Pressekonferenz aufmerksam: „Es gibt das Bewusstsein für die soziale Nicht-Erwünschtheit bestimmter Antworten – die Leute antworten nicht ehrlich, sind vorsichtig, und das mag auch in dieser Befragung eine Rolle gespielt haben.
Nur leicht codierter Antisemitismus
Deshalb ist es nicht besonders überraschend, dass nur 2,1 Prozent der Befragten der offenantisemitischen Aussage „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß“ zustimmten. 27 Prozent der aussagebereiten Mahnwachenteilnehmer hingegen stimmten der nur leicht codierten antisemitischen Aussage überwiegend oder ganz zu: „Die Zionisten haben sich weltweit an die Hebel der Macht gesetzt und lassen nun Politik, Börse und auch die Medien nach ihrer Pfeife tanzen.“ Schon seit Jahren wird auch in Kreisen der extremen Rechten der Terminus Zionisten eingesetzt, wenn sie gegen Juden hetzen.
Für mehr als 50 Prozent der Mahnwachenteilnehmer ist die BRD kein souveräner Staat. Der Anteil der Befragten, die sich durch „eine gleichgeschaltete Presse in eine rechte Ecke gestellt“ sehen, erhielt den Rekordwert von über 88 %.
Gerade dieses Ergebnis sagt doch viel über den Mangel an Kritikfähigkeit einer Bewegung aus. Es wäre ja eigentlich eine naheliegende Reaktion, sich zu fragen, ob die Kritik an einer Rechtslastigkeit nicht sehr konkrete Gründe hat, weil dort eben Angehörige diverser dieser Gruppierungen entweder als Redner auftreten oder wie bekannte NPD-Vorstandsmitglieder mit Vorankündigung teilnahmen und weder von den Veranstaltern noch den Teilnehmern als unerwünscht abgewiesen wurden, solange sie eben nicht für ihre Organisationen aktiv werben.
Das Reden von der gleichgeschalteten Presse zeigt auch, dass die Kritik an verschwörungstheoretischen Ansätzen in dieser neuen Bewegung in der Studie durchaus eine Grundlage besitzt. Über 50 Prozent sehen zudem das US-Militär als Gehilfen der US-Notenbank FED.
Ein Führer mit der harten Hand
Besonders auffällig ist die große Zustimmung zu der eindeutig antidemokratischen Aussage: „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland mit starker Hand zum Wohle aller regiert.“ 19,3 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage vollständig und 14, 5 Prozent überwiegend zu. Damit sind ca. 30 Prozent der Befragten für rechtsautoritäre Alternativen zum bürgerlich-demokratischen System offen. Dass Redner der Berliner Montagsmahnwachen auch für langatmige Ausführungen, die mit dem Anspruch einer Erklärung der Welt verlesen wurden, großen Applaus erhielten, bestätigt diesen Befund.
Dass sich viele der Teilnehmenden trotzdem zur Demokratie im Allgemeinen bekennen, ist kein Widerspruch. Hat doch in diesem Füllbegriff durchaus auch ein demokratisch gewählter autoritärer Herrscher seinen Platz, der bei bestimmten Reizthemen Volksbefragungen ansetzt. Plebiszitäre Elemente haben längst auch schon Rechte als gutes Mittel erkannt, um Abstimmungsmehrheiten gegen Flüchtlinge und Minderheiten zu bekommen.
Anleihen aus der Occupy-Bewegung
39 Prozent der Befragten wollen sich nicht auf einer Links-Rechts-Skala verorten. Links und Rechts werden als „altpolitische Paradigmen“ und Bauernfängerphrasen abgelehnt. Dadurch wird auch erklärbar, dass die Teilnahme offen rechter Protagonisten akzeptiert und zumindest nicht offen bekämpft wird, auch wenn man deren Ansichten nicht akzeptiert.
Hier gibt es Parallelen zur Occupy-Bewegung, die eine der Vorläuferbewegungen für die Montagsmahnwachen ist. Die Mobilisierung über das Internet gehört ebenso zu den Gemeinsamkeiten wie das Lamento über Verschwörungen. „Die deutliche Koexistenz linker und rechter Inhalte wird anscheinend kaum als problematisch empfunden. Das Szenario, das
also linke und rechte Positionen integriert, erscheint durchaus plausibel“, so die Einschätzung der 5 Autoren der Studie.
Auch wenn die Montagsdemonstrationsbewegung ähnlich kurzlebig wie die Occupy-Bewegung sein sollte, wofür es Anzeichen gibt, könnten die Ergebnisse der Studie für die Bewertung künftiger Bewegungen interessant sein. Denn es ist die Schwäche einer emanzipatorischen Linken und die Irrationalität der kapitalistischen Verfasstheit einer von vielen Menschen nicht mehr durchschauten Gesellschaft, die zu den widersprüchlichen, überwiegend selbst irrationalen und regressiven
Elementen der Opposition führt.
http://www.heise.de/tp/news/Neue-Friedensbewegung-oder-Querfront-2230553.html
Peter Nowak
Links:
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Rechte demonstrieren für Putin
Während in der Ukraine auch ultrarechte Kräfte aktiv sind, solidarisieren sich ihre Kameraden in Deutschland mit Putin
„Etwa 400 Deutsche und Russen haben am 30. März 2014 im Herzen Berlins für die deutsch-russische Freundschaft demonstriert. An der von Karl Schmitt hervorragend organisierten Demonstration nahmen Mitglieder verschiedener deutscher und russischer politischer Vereinigungen und Künstlergruppen teil“ – dieser Text steht nicht etwa auf der Homepage einer Friedensgruppe, sondern wurde von der rechtspopulistischen Gruppierung Pro Deutschland gepostet. Sie war Teil des rechten Bündnisses Patrioten.net, an dem sich auch die rechtsesoterischen Reichsbürger (staatenlos.info) und weitere kleine rechte Splittergruppen beteiligten.
Die mit vielen Fahnen beteiligte russische Große Vaterlandspartei [1] verortet sich selber im stalinistisch-nationalistischen Spektrum und bezeichnet sich als Gegner des Liberalismus. Was die Demonstranten einigte, war der Ruf nach einem starken Deutschland, das sich mit Russland gegen die USA stellen soll.
Auf verschiedenen Plakaten wurden die USA als Kriegstreiber dargestellt, der Deutschland in einen Krieg mit Russland ziehen will. Hier werden Anleihen genommen an Motive der Friedensbewegung der 1980er Jahre, wo das Bild eines von den Alliierten besetzten Deutschland gezeichnet wurde, das zum Kriegsschauplatz werden könnte.
Der Publizist Wolfgang Pohrt nannte die Friedensbewegung deshalb eine deutschnationale Erweckungsbewegung, die der Anti-Hitler-Koalition den Sieg über die Nazis nicht verzeihen kann. Wenn man den Pro-Deutschland-Vorsitzenden Manfred Rouhs auf der Demonstration reden hörte, sieht man Pohrts Thesen bestätigt.
Rouhs erklärte, dass die Alliierten nach 1945 Menschen ohne Bindung an Deutschland eingesetzt hätten, teilweise ehemalige Gefängnisinsassen, die kein Rückgrat für eine eigenständige Politik gehabt hätten. Hier wird schnell deutlich, da hat einer den Alliierten und den wenigen deutschen Hitlergegnern, die nach 1945 aus den Zuchthäusern und Konzentrationslagern befreit wurden, noch immer nicht verziehen.
NPD-Mann auf linker Friedensdemo?
Auch in anderen Städten beteiligten sich unterschiedliche rechte Kräfte an prorussischen Demonstrationen, so in Frankfurt/Main [2] und in München. Dort rief eine Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung am 20. März zu einer Demonstration „Gegen Rohstoffkriege der Nato [3]“ auf.
Deren Homepage macht den Eindruck, als handele es sich um ein Relikt der Friedensbewegung der 1980er Jahre. Die weiße Taube auf blauem Grund ist dort ebenso vertreten wie Hinweise auf den nächsten Ostermarsch. Doch auf der Kundgebung konnte auch das NPD-Mitglied Karl Richter, der für die Bürgerinitiative Ausländerstopp im Münchner Rathaus sitzt, reden. Richter spricht in einer Pressemitteilung von einer „erfolgreichen Querfrontaktion“ [4]: „Statt der erwarteten 300 Versammlungsteilnehmer fanden sich dann allerdings nur rund 60 auf dem Stachus ein, die meisten aus dem linken Spektrum, die sich an der Teilnahme des BIA-Stadtrats auch nach seiner ‚Enttarnung‘ allerdings nicht weiter störten.“ Doch, wenn man den Aufruf zur Demonstration gegen die Rohstoffkriege liest, verwundert die Teilnahme von Richter wenig.
„Wir wollen als Bürger des ’souveränen‘ Staates Deutschland nicht in die kriegerischen Rohstofffeldzüge, angeführt von der USA bzw. der Finanzmafia involviert werden“, heißt es dort. Diesen Satz können NPD-Mitglieder auf jeden Fall unterschreiben. Ob das auch für die Aktivisten diverser Friedensgruppen gilt, die auf der Homepage der Münchner Initiative verlinkt wurden, ist fraglich. Trotzdem hat es scheinbar über den Auftritt des NPD-Mitglieds Richter bisher wenig kritische Diskussionen gegeben.
Die ukrainische Rechte im Umbruch?
Die rechte Parteinahme für Putin ist auf den ersten Blick erstaunlich, hatte doch die sächsische NPD-Fraktion vor noch nicht allzu langer Zeit die ukrainische Swoboda-Partei in den Dresdner Landtag eingeladen [5]. Diese Partei hat nach dem Umbruch in der Ukraine an Einfluss gewonnen. Warum ein Großteil der Rechten trotzdem im aktuellen Konflikt für Putin Partei ergreift, liegt an ihrer Ablehnung der EU und der USA.
Während fast alle ukrainischen Parteien einschließlich der Swoboda-Partei für eine schnelle Annäherung an die EU eintreten, führen in Deutschland fast alle Kräfte rechts von der Union einen scharfen Anti-EU-Kampf.
Doch in der ukrainischen Rechten dürfte es bald Umbrüche geben. Der Rechte Sektor agiert auch in der Haltung zur EU zunehmend im Widerspruch zu Swoboda. Führende Anführer dieser rechten Kameradschaftsszene in der Ukraine haben sich bereits gegen die EU ausgesprochen. Diese Tendenz dürfte zunehmen, wenn EU-Politiker darauf drängen, den Einfluss der ultrarechten Gruppen einzugrenzen und die bewaffneten rechten Formationen aufzulösen.
So könnte es in der ukrainischen ultrarechten Szene zu Umbrüchen kommen. Die Swoboda-Partei könnte sich auch unter dem Einfluss von Beratern des französischen Front National zu einer rechtspopulistischen Kraft entwickeln. Der Rechte Sektor hingegen könnte die Radaunationalisten anziehen, die sich gegen die EU positionieren.
Damit könnte er auch im rechten Milieu Deutschlands und anderer EU-Länder zum Bündnispartner ultrarechter Gruppierungen werden. Vor allem aber könnte er damit auch Anhänger unter den Ukrainern finden, die heute schon am Rande des Existenzminimus leben und deren Lebensstandard noch weiter absinken dürfte. Denn, ob die Pro-EU-Stimmung in der Ukraine auch dann noch anhält, wenn die Folgen der wirtschaftlichen Anpassungsprozesse spürbar werden, die für eine Annäherung an die Europäische Union verlangt werden, ist wenig wahrscheinlich.
Der Abbau von Subventionen, steigende Preise, Privatisierungen könnten den ärmeren Teilen der Bevölkerung rasch deutlich machen, dass ihre Lebenssituation doch noch schlechter werden kann, als sie jetzt schon ist. Wer wird aber von einer fast zwangsläufig einsetzenden Enttäuschung über die EU in der Ukraine profitiert, ist kein großes Geheimnis Mit Swoboda und dem rechten Block stehen gleich zwei regressive Alternativen bereit.
http://www.heise.de/tp/news/Rechte-demonstrieren-fuer-Putin-2160035.html
Peter Nowak
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