Neuauflage der Pädophiliedebatte bei den Grünen

Mall of Berlin – auf Ausbeutung errichtet

„Die Firma aber glaubt, dass sie über dem Gesetz steht“, meint Nicolae Molcoasa. Der rumänische Bauarbeiter hat am 10. April vor dem Berliner Arbeitsgereicht einen ersten juristischen Sieg gegen das Subunternehmen openmallmaster GmbH errungen. Molcoasa gehört zu einer Gruppe von 8 rumänischen Bauarbeitern, die über Leiharbeitsfirmen bei der Mall of Berlin beschäftigt waren und um einen Großteil ihres Lohns geprellt worden sind [vgl. GWR 396].

Die für den Bau der Mall of Berlin zuständigen Unternehmen schoben sich die Verantwortung für die nicht bezahlten Löhne gegenseitig zu. Die Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, die Generalunternehmer auf der Mall of Berlin war und mittlerweile Insolvenz angemeldet hat, verwies auf die Subunternehmen Metatec-Fundus GmbH & Co. KG“ aus Berlin sowie openmallmaster GmbH aus Frankfurt/ Main. Beide Unternehmen lassen Presseanfragen unbeantwortet.

In großen Teilen der Öffentlichkeit war mittlerweile bekannt geworden, dass die Mall of Berlin auf Ausbeutung gebaut ist. Das ist ein Imageverlust für das Einkaufszentrum für die gehobenen Ansprüche in der Nähe des Potsdamer Platzes. Im Internet hat sich mittlerweile auch der Name Mall of Shame für das Einkaufszentrum durchgesetzt.

Dafür hatte auch die Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU) gesorgt, die die Bauarbeiter seit Monaten in ihrem Kampf um den Lohn unterstützt.

Bei Kundgebungen wurde von den ehemaligen Beschäftigten und der FAU immer auch auf die Verantwortung des ehemaligen Generalunternehmens der Mall of Berlin, der Firma Fettchenhauer Controlling & Logistic, hingewiesen. Das versuchte deren Inhaber Andreas Fettchenhauer juristisch zu verhindern. In einer Einstweiligen Verfügung, die der FAU Mitte Januar zuging, wurde der Gewerkschaft die Aussage verboten, sie befinde sich mit Andras Fettchenhauer in einem Arbeitskampf. Ebenfalls untersagt wurde ihr die Behauptung, Fettchenhauer habe im Zusammenhang mit dem Arbeitskonflikt „eine große negative Öffentlichkeit erhalten. Auch dass gegen die Firma Fettchenhauer Vorwürfe der „massiven Schwarzarbeit“ und der Nichtabführung von Beiträgen an die Versicherungsträger“ gegeben habe, sollte die FAU nicht mehr behaupten.

Bei einer Zuwiderhandlung droht der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro und den verantwortlichen Sekretären eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Wenn die Kapitalseite glaubte, den Konflikt mit Repression beenden zu können, hat sie sich gründlich getäuscht.

Dieser Disziplinierungsversuch einer kämpferischen Gewerkschaft führte zu noch mehr Aufsehen und mobilisierte Solidarität für die FAU und die um den Lohn geprellten Beschäftigten.

So erklärte die Sprecherin für Soziale Menschenrechte der Bundestagsfraktion DIE LINKE. Azize Tank:

„Es ist doch kein Geheimnis, dass seit Wochen ein Arbeitskampf der um ihre Löhne geprellten rumänischen Bauarbeiter der Mall of Berlin geführt wird. Nach meinem Kenntnisstand, wurden auch auf der Baustelle offenbar sozialversicherungsrechtlichen Melde-, Beitrags- oder Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt.“

Kritik am Vorgehen des DGB

Solche Fälle von Lohndumping sind durchaus nicht selten. Das Besondere ist, dass sich die Betroffenen so ausdauernd wehren und dass die kleine FAU schafft, was der große DGB nicht einmal in Erwägung zog. Nachdem der Kampf um die vorenthaltenen Löhne auch die Öffentlichkeit erreicht hatte, fragten mehrere Zeitungen, wo denn der DGB in dem Konflikt bleibe. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter sich Ende Oktober zunächst an dem DGB-Berlin Brandenburg gewandt und nach Unterstützung gefragt. Das im dortigen Gewerkschaftshaus angesiedelte „Beratungsbüro für entsandte Beschäftigte“ nahm Kontakt mit den Unternehmen auf und schrieb Geltendmachungen. Außer Abschlagszahlungen, die nur einen Bruchteil des vorenthaltenen Lohnes ausmachten, konnten die Bauarbeiter auf diesem Weg allerdings nichts erreichen. Sie hatten weder Arbeitsverträge noch Gewerbescheine – das macht die Durchsetzung ihrer Ansprüche schwierig. Einige nahmen die Abschlagszahlungen an und unterzeichneten zudem eine vom Unternehmen vorbereitete Erklärung, nach der sie auf weitere rechtliche Schritte verzichten sollten. Andere beharrten darauf, ihren vollen Lohn zu erhalten und klagen nun den vorenthaltenen Lohn ein. Der Erfolg vom 10. Mai ist ein erster Erfolg, aber noch ist die Auseinandersetzung nicht endgültig gewonnen. Weil openmallmaster GmbH die Klage nicht ernst nahm, ignorierten sie den Gerichtstermin. Weil von den Beklagten niemand erschienen war, blieb dem Arbeitsgericht nur die Möglichkeit, der Klage stattzugeben. Die Leiharbeitsfirma geht in die nächste Instanz. Die Beschäftigten werden für den Kampf um ihre Löhne noch mehr Solidarität brauchen. Noch größer allerdings muss der Druck werden, damit auch die politischen Grundlagen infrage gestellt werden, die ein solches Lohndumping erst möglich macht. Der bereits unter Rot-Grün gezielt geschaffene Billiglohnbereich und die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse schaffen erst die Grundlagen für eine Praxis der Lohndrückerei, die nicht nur bei der Mall of Berlin Schlagzeilen macht.

graswurzelrevolution
399 mai 2015

http://www.graswurzel.net/399/mall.php

Peter Nowak

Anfang vom Ende des Merkel-Feudalismus

»Die Russen sind da!«

In Polen steht das Ende des Zweiten Weltkriegs für den Beginn einer neuen Besatzungszeit.

Geht es nach dem polnischen Präsidenten Bronislaw Komorowski,  soll der 8. Mai in diesem Jahr zu einem geschichtsrevisionistischen  Spektakel werden.  An  diesem Tag will er die Staats- und Regierungschefs aller EU-Staaten  auf die Westerplatte bei  Gdańsk zu einer Konferenz  begrüssen. auf der eine Lesart der Geschichte europäisiert werden soll, die in den letzten Jahren in Polen zum Allgemeingut geworden ist. Ihr zufolge hat die Rote Armee Polen im Frühjahr 1945 besetzt und die Befreiung habe erst 1989  stattgefunden. Es ist verständlich, dass  auf einer solchen Konferenz  ein Vertreter der russischen Regierung  keinen Platz hat.

Auf der Westerplatte, auf der die Deutschen mit einem Schuss ausder Kanone eines Panzerkreuzersd den Zweite Weltkrieg eröffneten, soll  am 8. Mai  der  in Russland weiter gepflegten sowjetischen Geschichtserzählung die Perspektive der  Länder entgegenstellen werden, für die 1945 keine volle nationale Freiheit gebracht hat, heißt es in polnischen Medien. Das Gedenken dürfe nicht politisiert werden,  entgegnete der  polnische Präsident den Kritikern, die an den historischen Fakt erinnern, dass  die Rote Armee mit großen Opfern die deutsche Wehrmacht  aus Polen vertrieben hat.

Der absichtsvolle  Ausschluss Russlands als Rechtsnachfolger der Sowjetunion hat für die Vertreter der aktuellen polnischen Geschichtspolitik allerdings mit Politik nichts zu tun; er zählt zur polnischen Staatsraison. Damit werden allerdings nicht nur die Angehörigen der Roten Armee aus der offiziellen Gedenkpolitik ausgeschlossen.  „Die  vielfältigen Organisationsformen des antifaschistischen Widerstands in Polen und insbesondere die Bedeutung der 1. und 2. Polnischen Armee, die Seite an Seite mit der Roten Armee kämpfte,  werden heute in Polen kaum gewürdigt. Die Befreiung vom Faschismus im Mai 1945 wird in den Schulbüchern nicht als Befreiung, sondern Beginn einer neuen Besatzungsperiode gedeutet. Nicht der Kampf gegen den deutschen Faschismus und Nationalismus wird hervorgehoben, sondern der eigene Nationalismus verklärt“,  kritisiert der  Jurist und Publizist Kamil Majchrzak die neue polnische Geschichtspolitik.   Einen zentralen Grund für das Verschweigen des linken polnischen Beitrags bei der Zerschlagung des NS  sieht er darin, dass die Kombattanten nicht nur gegen die deutschen    Besatzer kämpften, sondern für eine grundlegende gesellschaftliche Umgestaltung  in Polen eintraten.

Nach neueren historischen    Forschungen beteiligten  sich an den Kämpfen um Berlin insgesamt 170 000 polnische Soldaten .12 000 von ihnen kämpften in der Berliner Innenstadt gegen die letzten  Nester von Wehrmacht und Volkssturm.  An den verschiedenen Fronten kämpften nach Majchrzaks Recherchen ca. von 600.000   polnischen Kombattanten gegen die Wehrmacht.   Ihr Beitrag zur  Zerschlagung des NS wird   heute in Polen ignoriert, weil sie an der Seite der Roten Armee kämpften.

Selbst die Rolle der Roten Armee bei der Befreiung von Auschwitz ist in der heutigen offiziellen Geschichtspolitik zumindest  strittig.  Der polnische Präsident Komorowski  erklärte  in einem Interview mit der  Gazeta Wyborcza,  den Häftlingen von Auschwitz könne man nicht absprechen, dass sie sich von den sowjetischen Truppen befreit fühlten. Dies habe aber nicht für alle Menschen in Ostmitteleuropa gegolten. Dass die  letzten Überlebenden von Auschwitz von der Roten Armee real befreit wurden, kam ihm nicht über die Lippen.

Polens Außenminister Grzegorz Schetyna  versuchte  mit der These, Auschwitz sei nicht von „Russen“, sondern von Ukrainern befreit worden, die neue polnische Geschichtsdoktrin auszuweiten. Er  begründete seine Auffassung auf den Umstand, dass die 1945 in Südpolen operierenden sowjetischen Einheiten der „1. Ukrainischen Front“ angehörten. Dieser eigenwilligen Geschichtsinterpretation  konterte das russische Außenministerium mit einer Erklärung,  in der  dem Außenminister Wissenslücken attestiert worden. „Es ist allgemein bekannt, dass das KZ Auschwitz von den Truppen der Roten Armee befreit wurde, in der Vertreter vieler Nationalitäten heldenhaft kämpften“, heißt es darin.

Unter den sowjetischen Soldaten der sogeannten  Ukrainischen Front, die Auschwitz befreiten, viele Juden. Etwa Anatolij Schapiro; er  öffnete als erster Soldat der Roten Armee das Tor von Auschwitz öffnete und wurde von den Überlebenden  mit  dem Jubelschrei „Die Russen sind da!“  begrüßt.         Den  Angehörigen  der Ukrainischen Front  in der Roten Armee stand die nationalistische  ukrainische  Bewegung gegenüber, die sich im Kampf gegen die Sowjetunion     mit Nazideutschland verbündete und schon unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht mit den Massenmorden an den ukrainischen Juden  begann. Führende Köpfe dieser Bewegung,  zum Beispiel  Stephan Bandera,  werden in der heutigen Ukraine rehabilitiert und als Freiheitskämpfer gegen Russland gefeiert. Daher ist es eine besonders perfide Geschichtsklitterung, wenn der polnische Außenminister diese Ukraine heute in die Tradition der Auschwitzbefreier stellt.

Nicht nur als Befreier vom NS   auch als Opfer der Nazis sind Kommunisten in der neuen polnischen Gedenkpolitik nicht vorgesehen. Die Konsequenzen   bekamen Angehörige von  NS-Opfern  aus verschiedenen europäischen Ländern zu spüren. Sie wollten am 30. Januar 2015 im westpolnischen Slonsk an der  Einweihung   der neu gestalteten  Ausstellung über das Konzentrationslager  und Zuchthaus Sonnenburg  teilnehmen.  „Sie waren eingeladen aber nicht willkommen. Nur unter großen Schwierigkeiten kamen sie in den Saal, in dem die Eröffnungsveranstaltung stattfand. Dort wurden sie nicht begrüßt. Als die Ausstellung eröffnet wurde, mussten sie vor dem Museum warten bis die Führung für die offiziellen Gäste beendet war“, heißt es in einer Pressemitteilung  des Internationalen Arbeitskreises zum Gedenken an die Häftlinge des KZ und Zuchthauses Sonnenburg bei der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA).

In  Sonnenburg wurden  bereits im Frühjahr 1933 hunderte Kommunisten und bekannte linke Nazigegner wie Erich Mühsam, Carl  von Ossietzky und  Johannes Litten inhaftiert und gefoltert. Nach dem 2. Weltkrieg wurden sogenannte Nacht-und Nebel-Gefangene aus ganz Europa nach Sonnenburg verschleppt.  819 Gefangenen wurden  in  der Nacht vom 31. Januar 1931 von einem SS-Kommando erschossen, kurz bevor die  Roten Armee das Lager erreichte?    Ob der polnischen Präsidenten den wenigen  Gefangenen, die sich vor dem Massaker verstecken konnten, wohl  ausnahmsweise zugesteht, dass die   von der Roten Armee real und nicht nur gefühlt befreit  wurden?

aus: Konkret 5/2015

http://www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2015/heft-52015/articles/in-konkret-1488.html

Peter Nowak

Fällt das KPD-Verbot wegen V-Leute-Einsatz?

Während das Bundesverfassungsgericht sehr darauf achtet, dass vor einem NPD-Verbot alle V-Leute abgeschaltet sind, besteht weiter ein Parteienverbot, das erlassen wurde, obwohl damals zahlreiche V-Leute in der KPD aktiv waren

Manche sahen vor einigen Wochen bereits den zweiten Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Scheitern [1]. Bis Ende letzter Woche mussten die Bundesländer belegen, dass alle V-Leute bei der NPD abgeschaltet sind.

Nun sind die geforderten Dokumente fristgerecht bei dem Bundesverfassungsgericht eingegangen [2]. Dabei soll es sich um insgesamt vier Aktenordner mit Beweismaterial zur Abschaltung der V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD handeln. Laut Spiegel Online [3] hat der Inlandsgeheimdienst vor dem Verbotsantrag insgesamt elf V-Leute in der NPD-Spitze abgeschaltet. Der letzte soll im April 2012 abgezogen worden sei.

Alle elf seien „Führungskräfte“ aus Bundesvorstand und Landesvorständen gewesen, berichtete das Magazin unter Berufung auf ein Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Bundesrats an das Bundesverfassungsgericht.

Zum Stichtag 1. Dezember 2011 wurden demnach drei der Neonazifunktionäre vom Bundesamt für Verfassungsschutz geführt, zwei vom Bayerischen Landesamt und zwei weitere vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalens. Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen hatten demnach jeweils eine Quelle in Vorstandsgremien, die restlichen Bundesländer angeblich keine. Die Namen der ehemaligen Zuträger nannte der Bundesrat dem Bundesverfassungsgericht nicht .

Als Begründung gab er an, dass eine Offenlegung der Identität die Quellen „erheblicher Gefahr“ aussetzen könnte. Die Bevollmächtigten der Länder brachten ein sogenanntes In-camera-Verfahren ins Spiel, bei dem Vertreter des Verfassungsgerichts die angeschwärzten Geheimunterlagen hinter verschlossenen Türen einsehen könnten. „Ob sich die Karlsruher Richter auf dieses Prozedere einlassen, gilt jedoch als fraglich“, schreibt Spiegel-Online.

KPD trotz V-Leute verboten

Die Akribie der Richter des Bundesverfassungsgerichts ist auf den ersten Blick verständlich. Ein Parteienverbot ist eine gravierende Entscheidung, so dass im Vorfeld alle Eventualitäten ausgeschlossen werden müssen, die eine Revision der Entscheidung bei europäischen Gerichten ermöglichen. Die NPD hat diesen Schritt bereits angekündigt.

Auf den zweiten Blick ergeben sich allerdings aus der Sorge des Bundesverfassungsgerichts um die Gegnerfreiheit der NPD auch Fragen. Zunächst geht es um eine gravierende Ungleichheit. Beim KPD-Verbot 1956 spielte es keine Rolle, dass bei der Kommunistischen Partei auch an entscheidenden Stellen V-Leute aktiv waren. Das bestätigen unabhängig voneinander unterschiediche Juristen, die damals als Anwälte im KPD-Verbotsverfahren engagiert waren oder Mandaten verteidigten, die im Zeuge der Kommunistenverfolgung angeklagt waren.

Zu diesen Juristen gehörte der spätere SPD-Politiker Diether Posser [4], der über seine Zeit als Anwalt im Kalten Krieg ein Buch [5] schrieb. Auch der Anwalt Heinrich Hannover [6] hat über seine Zeit als Rechtsanwalt, als er angeklagte Linke vertrat, geschrieben. Systematisch aufgearbeitet hat der Jurist Alexander von Brünneck [7] den Komplex des KPD-Verbots. Alle diese Schriften bestätigen, dass V-Leute vor und während des Verbotsverfahrens in der KPD aktiv waren und kein Hinderungsgrund für ein Verbot gewesen sind.

KPD-Aufhebung ohne Gesichtsverlust

Nun könnte man argumentieren, die Akribie beim NPD-Verbotsverfahren sei genau dieser negativen Erfahrung geschuldet. Man wollte nicht erneut eine Partei verbieten, obwohl an entscheidenden Stellen V-Leute aktiv sind.

Doch gegen diese Lesart spricht, dass in der Regel überhaupt nicht erwähnt wird, dass beim KPD-Verfahren eben nicht diese die rechtsstaatliche Akribie angewandt wurde, die der NPD jetzt zugute kommt. Würde diese Debatte geführt, könnte sie durchaus noch Konsequenzen für die Gegenwart haben. Mag das KPD-Verbot mittlerweile auch fast 60 Jahre alt sein, so hat es noch immer Bestand.

Es gab seit dem Verbot immer einen Initiativkreis, der sich für eine Aufhebung stark machte. Bis 1968 spielte er in der bundesdeutschen Innenpolitik durchaus eine Rolle und die Mitglieder waren auch öfter mit Anklagen konfrontiert, weil sie sich allein durch ihre Forderung nach der Aufhebung des KPD-Verbots nach Auffassung von Juristen in gefährlicher Nähe zur verbotenen KPD bewegten.

Mit der Gründung der DKP [8] ohne die Aufhebung des KPD-Verbots verloren die Bemühungen des Initiativkreises in der Öffentlichkeit an Bedeutung. Doch diese Forderung spielt durchaus bis heute noch eine Rolle [9]. Man sollte diese Bemühungen allerdings nicht vorschnell als Aktivitäten von Ewiggestrigen abstempeln.

Es handelt sich vielmehr auch um die Frage der politischen Rehabilitierung von tausenden Menschen, die im Rahmen des KPD-Verbots kriminalisiert worden sind. Dabei ging es nicht nur um monatelange Prozesse und teilweise jahrelange Haftstrafen. Viele verloren damals ihre berufliche Perspektive und mussten in prekären Verhältnissen leben. Andere Betroffene, die schon im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren, verloren finanzielle Entschädigungen, die sie als Opfer des Naziregimes bekommen haben. Manche mussten schon gezahlte Gelder wieder zurückzahlen.

Daher fordern [10] die Betroffenen und ihre Angehörigen auch eine Rehabilitierung der Opfer des kalten Krieges auf Seiten der BRD. Eine Aufhebung des KPD-Verbots wäre dafür ein wichtiger Schritt. Es war bisher nicht zu erwarten, dass sich die Politik bzw. die Gerichte in dieser Frage bewegen. Zumindest die Unionsparteien und auch die Mehrheitsströmung der SPD haben immer deutlich gemacht, dass sie am KPD-Verbot nicht rütteln wollen.

Nun könnte die aktuelle Diskussion um das NPD-Verfahren eine Möglichkeit aufzeigen, wie eine Aufhebung des KPD-Verbots ohne Gesichtsverlust von Politik und Justiz möglich wäre. Sie könnten die unbestrittene Tatsache, dass es an wichtigen Stellen in der KPD V-Leute gab, zum Aufhänger dieser Aufhebung nehmen. Dabei bräuchten sie nicht einmal das Urteil von 1956 in Frage stellen, aber eben feststellen, dass die Maßstäbe für ein Parteienverbot heute in Bezug auf die V-Leute strenger sind.

Daher ist nach heutigen Maßstäben das Verbot nicht mehr zu rechtfertigen und eben aufzuheben. Mit diesem Schritt würde das Bundesverfassungsgericht zumindest deutlich machen, dass es beim Parteienverbot nicht unterschiedliche Maßstäbe anlegt.

Solange aber die durchaus berechtigte Diskussion um die Rolle der V-Leute in der NPD nicht auch dazu führt, das KPD-Verbot infrage zu stellen, das trotz des Einsatzes von V-Leuten beschlossen und vollstreckt wurde, gilt auch hier der Grundsatz: Weil man sich bei den Kommunisten mit verfassungsrechtlichen Bedenken nicht lange aufgehalten hat, ist man bei den Rechten besonders akribisch?

http://www.heise.de/tp/news/Faellt-das-KPD-Verbot-wegen-V-Leute-Einsatz-2651779.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-05/npd-verbotsverfahren-v-leute-laender

[2]

http://www.bundesverfassungsgericht.de/DE/Homepage/homepage_node.html

[3]

http://www.spiegel.de/spiegel/vorab/verfassungsschutz-fuehrte-elf-v-leute-in-der-npd-spitze-a-1033840.html

[4]

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ehemaliger-nrw-finanzminister-diether-posser-ist-tot-a-671364.html

[5]

http://www.luise-berlin.de/lesezei/blz01_01/text32.htm

[6]

http://heinrich-hannover.de/person.htm

[7]

http://www.zeit.de/1979/46/eine-waffe-des-kalten-krieges

[8]

http://www.dkp-online.de/marxbild/doku/60er-kp.pdf

[9]

http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/021/1802152.pdf

[10]

http://irokkinfo.blogspot.de/2014/11/stellungnahme-der-initiative-zur.html

Linke Mythen, neue Rechte

KRIEG Im Haus der Demokratie sorgt die Einladung des Historikers Peter Brandt für heftige Debatten

Die Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa sind eigentlich vorbei. Doch im Haus der Demokratie löste eine Veranstaltung mit dem Titel „Der 8. Mai 1945 – zwischen Befreiung und neuer Weltordnung der Blöcke“ am vergangenen Freitag schon im Vorfeld heftige Diskussionen aus. Dafür sorgte der Historiker Peter Brandt, den der AK Geschichte Soziale Geschichte Ost-West eingeladen hatte, um linke Mythen zum 8. Mai zu knacken. „Der ,Tag der Befreiung‘ wurde zugleich zum Auftakt der Errichtung einer neuen Weltordnung imperialistischer Blöcke – und damit der Teilung Europas unter das Regime von Jalta“, hieß es in der Einladung.

Doch viele BesucherInnen wollten über die politische Biografie des Referenten reden. „Er ist nicht nur Mitglied der SPD und ein Vertreter nationalrevolutionären Denkens, der in Medien der ,Neuen Rechten‘ publiziert. Damit ist er ungeeignet, in einem Haus der Demokratie an einem Podium teilzunehmen“, erklärte die Redaktion der ostdeutschen Zeitschrift telegraph, die von DDR-Oppositionellen herausgegeben wird. Moniert wurde besonders, dass der Sohn des ersten SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt Reden vor Burschenschaften hält und Autor und Interviewpartner der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit ist.

Renate Hürtgen vom AK Geschichte Ost-West, in dem linke DDR-Oppositionelle und undogmatische Westlinke zusammenarbeiten, zeigte in ihren einleitenden Worten Verständnis für die KritikerInnen, verteidigte aber auch die Einladung. „Was nun Peter Brandt betrifft, so kann seine politische Torheit, sich auf einen Diskurs mit der Jungen Freiheit einzulassen, seine politische Glaubwürdigkeit als Linkssozialist im sozialdemokratischen Spektrum beschädigen, aber nicht auslöschen“, betont Hürtgen, die im Herbst 1989 zu den VerfasserInnen eines Aufrufs zur Gründung unabhängiger Gewerkschaften in der DDR gehörte. Schaden genommen hat allerdings nicht nur der Frieden im Haus der Demokratie, sondern auch die Diskussion über einen linken Umgang mit dem 8. Mai 1945. „Ich diskutiere gerne über linke Mythen. Aber ich diskutiere sie nicht mit einem Mann, der sich selber als linker Nationalist versteht und den seit den 70er Jahren die Sorge um die deutsche Nation umtreibt“, so eine Kritikerin.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F05%2F18%2Fa0138&cHash=3a9c31fba899e25b151370566306545f

Peter Nowak

Erwitte feiert Jubiläum

Neues Buch zu erster Fabrikbesetzung in der BRD

»Keiner, auch der Seibel nicht, keiner schiebt uns weg«. Das von der Liedermacherin Fasia Jansen umformulierte Streiklied erinnert an einen besonderen Arbeitskampf in der nordrheinwestfälischen Kleinstadt Erwitte. 150 Beschäftigte hatten dort am 10. März 1975 das Zementwerk Seibel & Söhne besetzt, um gegen Massenentlassungen zu protestieren.

40 Jahre später hat Dieter Braeg im Verlag »Die Buchmacherei« ein Buch herausgegeben, das an den bundesweit ersten Arbeitskampf erinnert, bei dem eine Belegschaft ihre Fabrik besetzt. »Das ging alles Ruck zuck. Nach fünf Minuten kam keiner mehr rein und keiner mehr raus«, erinnert sich ein beteiligter Vertrauensmann an die entscheidenden Minuten. Was die Beschäftigten nicht ahnten, war die Resonanz, die die Besetzungsaktion auslösen würde. Dass Arbeiter nicht mehr vor den Fabriktoren stehen blieben, sondern mit der Fabrikbesetzung den Einsatz von Streikbrechern verhinderten, mobilisierte am 1. Mai 1975 Tausende in das kleine konservative Erwitte.

Im Buch wird beschrieben, wie entsetzt die bürgerliche Öffentlichkeit der Stadt über die vielen roten Fahnen auf der Kundgebung war. Die Arbeiter hatten danach die Sympathie mancher Honoratioren verloren, die zwar Firmeneigner Clemens Seibel als zu autoritären Unternehmer ablehnten, aber über den Kapitalismus nicht reden wollten. Dafür hatten die Fabrikbesetzer viele neue Freunde auch außerhalb Deutschlands gewonnen. Auch die Belegschaft der französischen Uhrenfabrik Lip, die zur gleichen Zeit in Selbstverwaltung die Produktion wiederaufgenommen hatte, gehörte dazu. Nach knapp sechs Wochen beendeten die Arbeiter die Besetzung. Während lokale Protagonisten der IG Chemie-Papier-Keramik die Kollegen unterstützten, wollte der Gewerkschaftsvorstand den Konflikt in juristische Bahnen lenken.

Im Buch wird auch eine Rede des damaligen DGB-Vorsitzenden Heinz Oskar Vetter dokumentiert, in der er sich zwar von linken Unterstützern distanziert. Doch heute klingen seine Forderungen nach Zurückdrängung der Unternehmer- und Konzernmacht fast schon linksradikal. Trotz breiter Unterstützung haben die Beschäftigten den Konflikt nicht gewonnen. Viele sahen in der Entscheidung, die Besetzung nach sechs Wochen zu beenden, einen großen Fehler. Die Arbeiter gewannen viele Prozesse, doch Seibel ignorierte die Urteile. Er stellte eine neue Belegschaft zusammen und ließ einen neuen, ihm ergebenen Betriebsrat wählen.

Eine wahre Fundgrube sind die Protokolle der Frauengruppe der Beschäftigen. Sie wurde bald zum eigentlichen Motor des Arbeitskampfes. Die Frauen kritisierten die Gewerkschaftstaktik, während die Männer hilflos die Fäuste ballten. Die Frauengruppe wollte auch nicht akzeptierten, dass der Gewerkschaftsvorstand linke Gruppen, die sich mit der Besetzung solidarisierten, ausgrenzen wollte. Die Frauen beteiligten sich noch jahrelang an politischen Auseinandersetzungen. So ist das Buch nicht nur ein Zeugnis für Unionbusting vor 40 Jahren sondern auch ein Dokument einer Emanzipation im und durch den Streik.

Die Buchmacherei hat sich schon in der Vergangenheit große Verdienste bei der Dokumentierung wichtiger Arbeitskämpfe erworben. Das neue Buch kann daran anknüpfen.

Dieter Braeg (Hg.), Erwitte – »Wir halten den Betrieb besetzt«. Geschichte und Aktualität der ersten Betriebsbesetzung in der Bundesrepublik. Die Buchmacherei, Berlin. 19,90 Euro, 258 Seiten. Direktbezug: www.diebuchmacherei.de

https://www.neues-deutschland.de/artikel/971036.erwitte-feiert-jubilaeum.html

Peter Nowak

Der Streik des 21. Jahrhunderts

Angesichts einer größeren Zahl an Ausständen ist derzeit vom »Streikland Deutschland« die Rede. Tatsächlich hat die Zahl der Streiktage abgenommen. Das liegt auch an den veränderten Arbeits- und Streikformen.

In Brandenburg rief der Sender RBB in der vergangenen Woche eine alte Aktionsform der außerparlamentarischen Bewegung in Erinnerung, den »Roten Punkt«. Zwischen 1968 und 1971 hatten Fahrgäste aus Protest gegen die Erhöhung der Ticketpreise in verschiedenen bundesdeutschen Städten den öffentlichen Nahverkehr boykottiert. Autofahrer konnten damals mit einem »Roten Punkt« am Wagen zeigen, dass sie den Boykott unterstützten und die Protestierenden kostenlos transportierten.

Der RBB hat den »Roten Punkt« allerdings unter anderen Vorzeichen übernommen, wie schon das Motto »Mit dem Roten Punkt gemeinsam durch den Streik« zeigt. Der Sender hat Autofahrer dazu aufgerufen, Busse und Bahnen für die Zeit des Streiks kostenlos zu ersetzen. In Brandenburg befinden sich seit über einer Woche die Fahrer von 16 Verkehrsgesellschaften für eine Lohnerhöhung von 120 Euro im Monat im Streik. Der Ausstand könnte dazu beitragen, dass Mitfahrgelegenheiten in Brandenburg wieder populärer werden.

Schwierig wird es mit der Selbsthilfe allerdings angesichts eines anderen Streiks. Manche Geldautomaten in Potsdam geben keine Scheine mehr aus, manche Einzelhändler und Supermärkte in Brandenburg und Berlin haben kein Kleingeld oder zu viel Papiergeld im Tresor. Dafür ist ein Streik der Fahrer der Geldtransportfirma Prosegur verantwortlich. Die Beschäftigten verlangen einen höheren Stundenlohn als den bisherigen von 10,92 Euro und Verbesserungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld. Doch das Unternehmen zeigte sich bislang nicht zu Zugeständnissen bereit. Und nicht nur in Berlin und Brandenburg wird gestreikt. In Rheinland-Pfalz traten beispielsweise Beschäftigte des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Ende April in einen eintägigen Warnstreik.

Solche Arbeitskämpfe sorgen in der Regel kaum für Schlagzeilen. Der Streik der Lokführer unter Leitung der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer (GDL) hat hingegen zur Konsequenz, dass in Wirtschaft, Politik und Medien weitere Einschränkungen des Streikrechts gefordert werden. Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört die Etablierung einer Zwangsschlichtung, mit der aufsässigen Gewerkschaften das Streiken erheblich erschwert werden soll. Ohnehin soll das geplante Tarifeinheitsgesetz dafür sorgen, dass Gewerkschaften wie die GDL ihre Verhandlungsmacht verlieren.

Ideologische Rechtfertigungen für die Einschränkung der Gewerkschaftsrechte konnte man in diesen Tagen häufig hören und lesen. »Streikland Deutschland« heißt ein neuer Slogan, mit dem der Eindruck erweckt werden soll, deutsche Beschäftigte zettelten besonders häufig Arbeitskämpfe an. Der Düsseldorfer Streikforscher Werner Dribbusch widersprach im RBB diesem Eindruck: »Die derzeitige Häufung von Streiks ist ein Zufall.« Von einer Absprache der unterschiedlichen Einzelgewerkschaften könne keine Rede sein.

Der Streik bei der Bahn wird sogar von der Konkurrenz zwischen der im Beamtenbund organisierten GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) befeuert, die zum DGB gehört. Aber auch unter den Einzelgewerkschaften des DGB gibt es Revierkämpfe. So streiten sich die IG Metall und Verdi in manchen Branchen um Mitglieder. Auch die Zahlen des wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung widerlegen die Behauptung vom »Streikland Deutschland«. Demnach sank die Zahl der ausgefallenen Arbeitstage von 551 000 im Jahr 2013 auf 392 000 im Folgejahr, die Zahl der an Arbeitskämpfen beteiligten Kollegen ging von einer knappen Million 2013 auf 345 000 im vergangenen Jahr zurück.

Diese Zahlen und der Eindruck von recht häufigen Ausständen in den vergangenen Wochen stehen nicht im Widerspruch. Mit der Auflösung der fordistischen Arbeitsverhältnisse sind Arbeitskämpfe entgegen einer auch in Teilen der Linken verbreiteten Meinung nicht obsolet geworden. Doch ihre Erscheinungsformen haben sich verändert. In Deutschland und den meisten europäischen Staaten sind nur noch selten große Arbeitermassen zu sehen, die Streikparolen rufend, mit geballten Fäusten vor ihrer Fabrik stehen. Dafür gibt es Lohnabhängige, die auch in kleinen Firmen und Geschäften, teilweise über längere Zeiträume hinweg, Arbeitskämpfe führen.

Manchmal streiken auch Personen, die formal nicht zu den Lohnabhängigen gehören. So traten Ende April die Künstler des Projektraums OKK in Berlin-Wedding wegen ihrer prekären Lebensbedingungen in einen unbefristeten Streik. Dieser richte sich vor allem gegen die verschärften Aufnahmebedingungen in die Künstlersozialkasse, sagte Pablo Hermann, Mitorganisator des »Art Strike«, dem Neuen Deutschland. Es handle sich um eine »Arbeitskampfmaßnahme im politischen Sinn«, mit der auch auf die schwierige Lage für bildende Künstler in ganz Berlin aufmerksam gemacht werden solle, nicht um eine Kunstaktion.

Dieser Wandel der Arbeitskämpfe führt dazu, dass trotz einer größeren Anzahl von Streiks die Zahl der Streiktage und der daran beteiligten Menschen sinkt. Allerdings wird auch das Bewusstsein der Beschäftigten dafür geweckt, dass sie selbst die Initiative für einen Arbeitskampf ergreifen können. In großen Fabriken war es in der Vergangenheit für eine gut verankerte DGB-Gewerkschaft einfach, ihre Mitglieder für einen Warnstreik vor die Tore zu bewegen. In kleinen Betrieben mit häufig niedrigem gewerkschaftlichen Organisationsgrad kommt es hingegen in höherem Maß auf die Eigeninitiative und das Engagement der einzelnen Beschäftigten an. Zudem müssen diese neben ihren Kollegen weitere Verbündete suchen.

Besonders im Care-Bereich kann ein solcher Arbeitskampf nur erfolgreich sein, wenn auch die Nutzer der bestreikten Einrichtungen in die Schritte einbezogen werden. So wandten sich Beschäftigte der Berliner Charité in ihrem Streik für einen besseren Personalschlüssel Ende April auch an Patienten und Angehörige, die ebenfalls ein Interesse an der Durchsetzung dieser Forderung haben. Der Erfolg des Kita-Streiks, der Anfang Mai in verschiedenen Bundesländern begonnen hat, wird unter anderem davon abhängen, ob die Eltern bereit sind, Nachteile durch den Ausstand in Kauf zu nehmen, weil sie die Forderungen der Beschäftigten unterstützen. Allerdings wiegen die Nachteile in diesem Fall schwer. Eltern müssen nicht nur sehen, wo die Kinder in der Zeit bleiben. Sie müssen für die wegen des Streiks entfallenden Kita-Tage trotzdem Gebühren zahlen. Die Arbeitgeber werden hingegen kaum

http://jungle-world.com/artikel/2015/20/51947.html

Peter Nowak

Sich einen Wolf suchen

Wer am Samstagnachmittag den Berliner Hauptbahnhof verlassen wollte, geriet in eine obskure Veranstaltung. NPD-Mitglieder und Angehörige verschiedener Nazikameradschaften aus dem gesamten Bundesgebiet hatten sich dort mit Reichsbürgern und rechten Eso­terikern unter dem Motto »100 000 Stimmen gegen die Islamisierung und Amerikanisierung Europas« versammelt. Die Teilnehmer machten ihre Gesinnung durch Aufschriften auf T-Shirts und Bannern deutlich. Parolen wie »Wo Unkraut wächst, muss gejätet werden« oder »Unser Leben, unser Land, maximaler Widerstand« waren dort zu lesen. Dazwischen tummelte sich ein junges Paar mit einer Israel-Fahne. »Wir wollen als Juden ein Statement gegen Islamisierung abgeben, aber mit dem, was hier vertreten wird, sind wir nicht einverstanden«, sagten sie zu Henryk M. Broder. Der Publizist dürfte mit seiner Stippvisite bei diesem Stelldichein neue Erkenntnisse über die Befindlichkeit der völkischen Bewegung gesammelt haben. Die Redner beschworen den Kampf gegen die USA, gegen die »Früh­sexualisierung« deutscher Kinder und die »Flüchtlingsinvasion«. Wirklich zufrieden mit dem Aufmarsch verschiedener rechter Gruppen konnten die Veranstalter nicht sein. Mit 400 Teilnehmern fiel die Großkundgebung eher klein aus. Zudem ließen die russischen »Nachtwölfe«, die von den Veranstaltern als besondere Gäste angekündigt waren, den Termin am Hauptbahnhof einfach sausen. Auf rechten Internetseiten wird Pegida-Gründer Lutz Bachmann als Schuldiger für diesen Flop ausgemacht. Bachmann hatte sich noch am Vortag mit einigen »Nachtwölfen« getroffen, habe aber aus »egoistischen Gründen« nicht nach Berlin mobilisiert. Im Treptower Park wurden allerdings »Nachtwölfe« gesichtet. Die Rechten planen derweil ihre nächste Pleite. Eine Initiative »Widerstand Ost West« ruft für den 20. Juni zu einer Großdemonstration »gegen islamischen und linksradikalen Faschismus« in Frankfurt am Main.

http://jungle-world.com/artikel/2015/20/51960.html

Peter Nowak

Mumia schwer erkrankt

MAHANOY. Starker Gewichtsverlust, schuppige Haut, verbunden mit Juckreiz und Schwindel. So beschreibt eine Besucherin Mitte April den Gesundheitszustand des US-amerikanischen Journalisten Mumia Abu Jamal, der sich auf der Krankenstation des Gefängnisses SCI Mahanoy befindet. Sein Gesundheitszustand sei weiterhin ernst, habe sich aber gegenüber Ende März gebessert. Damals war bekannt geworden, dass Mumia mit einem schweren Diabetesschock aus dem Gefängnis in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Zunächst durfte er keinen Besuch empfangen. Erst nach zahlreichen Protestmails und Kundgebungen vor US-Botschaften in aller Welt wurde seine Totalisolation aufgehoben. „Jetzt muss Mumia endlich freigelassen werden. Im Gefängnis ist seine vollständige Genesung nicht möglich“, betont Anton Mestin von der Berliner „Mumia-Solidarität“. Mumia Abu Jamal war 1982 wegen Mordes an einem Polizisten zum Tode verurteilt worden. Der Journalist, der auch Ehrenmitglied von ver.di ist, hat die Tat immer bestritten. Nach weltweiten Protesten wurde das Urteil in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt.

weitere Infos:

http://www.freiheit-fuer-mumia.de/
http://mmm.verdi.de/aktuell-notiert/2015/weltweit-sorge-um-die-gesu

aus: «M» – MENSCHEN – MACHEN – MEDIEN

http://mmm.verdi.de/medien-international/02-2015/mumia-schwer-erkrankt

Peter Nowak

Erschütternd aktuell: der Report „Deutsche Flüchtlingspolitik“

Dass Tausende Flüchtende im Mittelmeer sterben, schockiert uns immer wieder. Weniger Schlagzeilen machen die mindestens 451 Refugees, die seit 1993 in Deutschland den Tod gefunden haben. Dass diese Zahlen überhaupt bekannt werden, ist Ehrenamtlichen zu verdanken, die sich in der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI) engagieren. Seit 1993
geben sie den Report Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen heraus, der die verschiedenen
Formen von Gewalt, Verletzungen und Diskriminierungen gegen Flüchtlinge recherchiert und auflistet. Alljährlich
wird er aktualisiert, gerade ist eine neue Auflage erschienen, die alle Fälle bis zum Jahresende 2014 erfasst. Die Schicksale, die dort chronologisch aufgelistet sind, schaffen es meist nur als kleine Meldung auf die hinteren Seiten der Zeitungen. Da übergießt sich am 20. Februar 2014 der Iraner Kahve Pouryazdani mit Benzin und stirbt den Feuertod. Am 11. März vergangenen Jahres versucht sich eine 39-jährige Abschiebegefangene zu vergiften, am 7. September eine Nigerianerin mit ihren beiden Kindern. Elke Schmidt, die seit Jahren die Dokumentation koordiniert, führt die Suizide auf die wachsende Verzweiflung angesichts der schlechten Lebensbedingungen zurück, denen Flüchtlinge, Asylbewerber und Menschen ohne Papiere in Deutschland  ausgesetzt sind. Das Problem, sagt Elke Schmidt, seien nicht nur die restriktiven Rahmenbedingungen, die durch die bundesdeutschen Asylgesetze vorgegeben werden: „Es sind auch die Mitarbeiter der Ämter, der Polizei und der Abschiebegefängnisse, die oft mit Allmachtsgebaren, Willkür,  Schikanen, Rechtsbruch und purer Gewalt gegen die Schutzsuchenden vorgehen.“ Für die Erstellung der Dokumentation wertet die Gruppe Presseartikel, Polizeiberichte und Informationen von Flüchtlingshilfsorganisationen aus. Alle Meldungen werden gegenrecherchiert und erst veröffentlicht, wenn sie von zwei unabhängigen Quellen bestätigt werden. Elke Schmidt hat das Projekt 1993 mit einer Mitstreiterin gestartet, nachdem sich der Onkel eines verschwundenen tamilischen Flüchtlings an die ARI gewandt hatte. Sie forschten nach und fanden heraus, dass er mit acht anderen tamilischen Flüchtlingen beim Grenzübertritt in der Neiße ertrunken war. Mit einem Filmteam machte die ARI damals den Tod in der Neiße öffentlich. Seitdem sammelt das kleine Team Nachrichten über Todesfälle, Misshandlungen und Gewalt, die in direktem Zusammenhang mit der deutschen Flüchtlingspolitik stehen. Noch so ein Fall: Am 20. Januar 2014 stoppt die griechische Küstenwache einen Fischkutter. Darin sitzen 27 Geflüchtete aus Afghanistan und Syrien. Einige wollen zu Verwandten nach Deutschland. Die griechische Küstenwache versucht den Fischkutter zurück auf türkisches Territorium zu drängen und nimmt ihn ins Schlepptau. In der stürmischen See reißt das Seil, der Kutter sinkt. Drei Frauen und acht Kinder sterben. Die Überlebenden mussten über Monate mit Hilfe von Pro Asyl darum kämpfen, dass sie bei Verwandten in Deutschland leben können. Auch darüber informiert die Dokumentation, die in Zeiten von Pegida und der erneuten Verschärfung der Asylgesetzgebung noch immer  so wichtig ist wie vor über zwei Jahrzehnten. Dabei ist der größte Wunsch der Herausgeber, Zustände zu schaffen, in denen ihre Dokumentation endlich überflüssig wird.

S. 14

Peter Nowak

Kampf für Lohn und Rente


Im Gefängnis ist reine politische Organisierung out, der Beitritt zu einer Gewerkschaft ist dagegen der Renner

Mehr als drei Jahrzehnte hörte man auf linken Demonstrationen: »Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen.« Heute hört man diese Parole seltener. Dabei sitzen auch jetzt Aktivisten hinter Gittern.

»Als politische, kämpfende und widerständige Gefangene grüßen wir aus den Kerkern der imperialistischen Bundesrepublik Deutschland die Völker der Erde, mit dem Geist der internationalen Solidarität und der Liebe zur Freiheit«, begann ein Aufruf, mit dem sich sieben Gefangene aus verschiedenen Justizvollzugsanstalten anlässlich des 1. Mais zu Wort meldeten. Der einzige deutsche Unterstützer des Aufrufs, Thomas Meyer-Falk, bezeichnet sich selbst als anarchistischer Red-Skin. 1996 wurde er nach einen Bankraub verhaftet. Das Geld sollte linken Projekten zufließen. Von Anfang an verstand sich Meyer-Falk als politischer Gefangener. Er ist damit eine Ausnahme.

Die anderen Unterzeichner des Aufrufs waren in der Türkei in militanten linken Organisationen aktiv, haben dort früher schon im Gefängnis gesessen und sich gegen Folter und Isolationshaft gewehrt. Einige beteiligten sich an langen Hungerstreiks. In Deutschland wurden sie wegen Mitgliedschaft oder Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach dem umstrittenen Paragrafen 129b verurteilt. Seit dem 6. April befindet sich eine von ihnen, Gülaferit Ünsal, in einem unbefristeten Hungerstreik, weil ihr in der JVA Pankow linke Literatur und Medien verweigert oder erst mit großer Verzögerung ausgehändigt wurden.

Die neue Gefangenenplattform erinnert in der Diktion an ähnliche Projekte der Gefangenen der Rote Armee Fraktion (RAF) und des antiimperialistischen Widerstands in den 70er und 80e Jahren. Sie organisierten damals kollektive Hungerstreiks und wurden von Gruppen draußen unterstützt. Mehr als drei Jahrzehnte hörte man auf linken Demonstrationen die Parole: »Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen.«

Seit die letzten Gefangenen aus organisierten linken Strukturen freigelassen wurden, hört man diese Parolen jedoch seltener. Für Wolfgang Lettow von der Publikation Gefangeneninfo, der seit Jahrzehnten politische Gefangene besucht, ist diese Entwicklung Ausdruck einer politischen Defensive. »Die durch den Kapitalismus hervorgerufene Vereinzelung geht auch an den Weggebunkerten nicht spurlos vorbei«, erklärt er gegenüber »nd«.

Der Sprecher der im letzten Jahr in der JVA Tegel gegründeten Gefangenengewerkschaft, Oliver Rast, zieht aus dem Wegbrechen organisierter linker Strukturen auch im Gefängnis Konsequenzen. »Jetzt sollte die Frage nach einem Gewerkschaftsengagement hinter Gittern offensiv ausgeworfen werden. Der Kampf gegen die staatlich sanktionierte Billiglöhnerei und die arbeits- und sozialrechtliche Diskriminierung von Gefangenen halten wir für hochpolitisch«, meint Rast gegenüber »nd«.

Gefängnisleitungen scheinen die Neuformierung ernst zu nehmen. So wurden in den vergangenen Wochen die Mitgliederzeitung sowie Ausweise und Materialien der Gefangenengewerkschaft immer wieder beschlagnahmt. Das Anwachsen der Vernetzung hinter Gittern auf über 500 Mitglieder konnten sie nicht verhindern. Hier sieht Rast ein großes Potenzial für eine Politisierung von Gefangenen, die wegen unterschiedlicher Delikte inhaftiert sind.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/970952.kampf-fuer-lohn-und-rente.html

Peter Nowak

Pegida oder FDP – Streit in einer Rechtspartei

Hungern aus Überzeugung

PROTEST Gülaferit Ünsal ist in der JVA Pankow in Hungerstreik getreten und fordert freien Medienzugang

„Schluss mit der Zensur von Zeitschriften und Zeitungen. Schluss mit der Provokation und dem Mobbing“ – so beginnt die Hungerstreikerklärung von Gülaferit Ünsal, die in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pankow inhaftiert ist. Seit 6. April verweigert die nach dem Paragraf 129 b wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilte Frau die Nahrung. Damit protestiert Gülaferit Ünsal dagegen, dass ihr die linke türkische Zeitung Yürüyus nicht ausgehändigt wird und andere Zeitungen mit großer Verspätung ankommen. Als weiteren Grund für den Hungerstreik nennt Ünsal das Mobbing von anderen Gefängnisinsassen.

„Sie wird von Mitgefangenen immer wieder beschimpft und bedroht“, erklärt Wolfgang Lettow vom Netzwerk „Freiheit für alle politischen Gefangenen“, der Ünsal regelmäßig besucht und mit ihr in Briefkontakt steht. „Ünsal hat seit Monaten versucht, ihre Situation mit juristischen Mitteln zu verbessern. Erst als das scheiterte, griff sie zum Mittel des Hungerstreiks“, sagte Lettow der taz.

Nach mehr als einem Monat der Nahrungsverweigerung beginnt langsam die Solidaritätsarbeit. Die Ortsgruppe der Roten Hilfe Berlin will mit Kundgebungen die Forderungen von Ünsal unterstützen.

Solidaritätshungerstreik

Ab 11. Mai ist Ahmed Yüksel, der in der JVA Düsseldorf inhaftiert ist, in zunächst auf drei Tage befristeten Solidaritätshungerstreik getreten. Sollte sich die gesundheitliche Situation von Ünsal verschlechtern, wollen weitere Gefangene teilnehmen.

Zum 1. Mai hatten sich sieben Insassen aus verschiedenen Gefängnissen mit einer Erklärung zu Wort gemeldet, in der sie sich als revolutionäre, widerständige und politische Gefangene bezeichnen.

Auch Gülaferit Ünsal hat diesen Aufruf unterschrieben. Die Mehrheit der UnterzeichnerInnen wurde wie sie wegen angeblicher Mitgliedschaft und Unterstützung der in Deutschland und der Türkei verbotenen Revolutionären Volksbefreiungsfront-Partei (DHKP-C) verurteilt.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F05%2F12%2Fa0141&cHash=6da23a95fbf880a96ab6ea84aea83789

Peter Nowak

Raus aus der Deckung

Der Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) beklagt die Überlastung der Berliner Ausländerbehörde durch Flüchtlinge. Der Mann hat eine rechtspopulistische Vergangenheit, die Gewerkschaft scheint das nicht zu stören.

»Ausländer überfordern Behörde«, lautete die Überschrift eines Artikels, die vermuten ließ, hier handele es sich um eine pegidagerechte, perfide Hetze gegen Flüchtlinge. Doch der Artikel, der Ende April im Berlin-Teil der Taz erschien, thematisierte die unzureichende Personalausstattung der Berliner Ausländerbehörde.

Bereits seit Monaten weisen Flüchtlingsorganisationen darauf hin, dass wegen dieses Personalmangels neu ankommende Geflüchtete oft wochenlang ohne jede Versorgung bleiben. Die zusätzliche Belastung, die der behördliche Notstand den Flüchtlingen bereitet, war jedoch nicht Thema des Artikels. Dort wurde stattdessen betont, dass die Flüchtlinge dadurch sogar Vorteile haben könnten.

»Weil die Mitarbeiter dem Ansturm von Asylbewerbern, Flüchtlingen und anderen Migranten nicht mehr gewachsen sind, stellen sie offenbar seit Jahresbeginn Aufenthaltsgenehmigungen und Duldungen für einen längeren Zeitraum aus, als gesetzlich vorgesehen ist – damit die Betreffenden nicht so schnell wiederkommen müssen.« Zudem werde bei Ausländern, die einen Antrag auf Niederlassungserlaubnis stellen, nicht mehr die obligate Anfrage an die Sicherheitsbehörden gestellt, ob die Antragsteller als Straftäter oder Extremisten bekannt seien, lautet eine weitere Warnung. Dabei könnte man doch von der Taz eigentlich erwarten, dass sie sich dagegen wendet, Geflüchtete als Sicherheitsproblem zu betrachten.

Der Tenor des Artikels ist allerdings weniger verwunderlich, wenn man den Stichwortgeber für dieses Lamento kennt, wonach Geflüchtete die Behörden belasten. Es handelt sich um den Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Steve Feldmann. Ende März ist der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt seinetwegen aus der GdP ausgetreten. Feldmann wurde von seiner Vergangenheit in rechtspopulistischen Organisationen eingeholt, seiner Karriere in der GdP tat das keinen Abbruch, eher im Gegenteil. Eine Kritikerin Feldmanns innerhalb der GdP wurde hingegen entlassen. Weil sie dagegen klagte, wurde die Vergangenheit des Kriminalkommissars überhaupt erst bekannt.

Vor 15 Jahren war er Kreisvorsitzender des rechtspopulistischen »Bundes freier Bürger«, der bis zu seiner Auflösung im Jahr 2000 unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand. »Im Anschluss versuchte Steve Feldmann, der bis zu seiner Heirat Schwittek hieß, eine Polit-Karriere als Bundesvorsitzender der rechtsorientierten Freiheitlichen Jugend (FJ), bis 2009«, berichtete der Berliner Kurier. »In der Funktion nahm er an einer Demo gegen das Holocaust-Denkmal teil, das belegen Fotos«, heißt es dort. Doch auch 15 Jahre später scheint Feldmann, der seinen Ausflug in die rechtspopulistische Szene heute als Jugendsünde abtut, ideologisch nicht so weit von solchen Positionen entfernt zu sein.

Im vorigen Jahr geriet er in die Kritik, nachdem er im April in einem Gespräch in der RBB-Abendschau polnische Arbeiter als »alternative Spargelstecher« bezeichnet hatte. Die damalige Pressesprecherin der GdP, Silvia Brinkhus, kritisierte Feldmanns Auftritt und verlangte eine klare Distanzierung. Brinkhus wurde Anfang 2015 gekündigt, zu ihrem Nachfolger wurde Feldmann gekürt. Dass seine Pressearbeit nicht erfolglos ist, zeigt sich auch daran, dass sogar die Taz seine Stichpunkte zum Thema Ausländerbehörde aufnahm.

Dieser erfolgreiche Marsch durch die Institutionen macht deutlich, in welcher Nähe sich Positionen der sogenannten Mitte der Gesellschaft zu rechtspopulistischen Erklärungsansätzen bewegen. Ein GdP-Pressesprecher, der sich für die Forderung einsetzen würde, Flüchtlinge in die Gewerkschaft aufzunehmen, wäre wohl undenkbar. Das aber ist eine Forderung von kritischen Gewerkschaftern, die sich bisher zum Umgang der GdP, die als Einzelgewerkschaft Teil des DGB ist, mit der Causa Feldmann nicht öffentlich geäußert haben. Die Forderung »Polizeigewerkschaft raus aus dem DGB«, die vor Jahren noch oft auf Demonstrationen zu hören war, könnte übrigens auch ein Betrag zur gewerkschaftlichen Willkommenskultur für Geflüchtete sein.

http://jungle-world.com/artikel/2015/19/51911.html

Peter Nowak