Deutschland war für einen Tag erneut im Lockdown, erklärten wütende Kapitalvertreter:innen. Doch am 27. März war es kein Virus, der das Land lahmlegte.

ALLE RÄDER STEHEN STILL

Genug ist genug – das könnte auch in Deutschland zum Motto einer Arbeiter:innenbewegung werden, die gerade in Zeiten von steigender Inflation nicht mehr bereit ist weiter für die Krise zu zahlen und Reallohnverluste hinzunehmen. Der beste Kampf gegen steigende Mieten und Energiepreise wären Streiks für mehr Lohn, die den Bossen auch wehtun. Denn nur dann sind sie wirksam. Da haben uns die Kolleg*innen Frankreich einiges voraus.

Deutschland war für einen Tag erneut im Lockdown, erklärten wütende Kapitalvertreter:innen. Doch am 27. März war es kein Virus, der das Land lahmlegte. Es waren die Beschäftigten von Bahn und Öffentlichem Nahverkehr, die im Rahmen ihres Tarifkampfs in einen eintägigen bundesweiten Warnstreik traten. Er wurde im Wesentlichen von den DGB-Gewerkschaften Verdi und EVG getragen und hat eine Ahnung von der Macht der Lohnabhängigen vermittelt. „Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will“, heißt es in einem bekannten Lied der frühen Arbeiter:innenbewegung von 1863. Der Spruch hat auch 160 Jahre später nichts von seiner Bedeutung verloren, da mögen postmoderne Theoretiker:innen auch noch so oft die Arbeiter:innenbewegung beerdigen. Von der Stärke der organisierten Arbeiter:innen bekamen wir beim Warnstreik vom 27. März eine Ahnung. In Frankreich konnten wir in den letzten Monaten sehen, wie das Land stillsteht, wenn die Arbeiter:innen sich ihrer Macht bewußt werden. Dort protestieren seit Monaten …

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Aus ökologischen Gründen ist ein schneller Ausstieg nötig, aber leider dominieren geopolitische Interessen. Was ist vom Vorschlag einer Inbetriebnahme von Nord Stream 2 zu halten?

Entscheidet sich die Zukunft der Grünen am Umgang mit der Gaskrise?

Vorbild könnte da der AKW-Kompromiss sein, wo ja auch kein sofortiger Ausstieg umgesetzt wurde. Als Übergangstechnologie könnte russische Energie genutzt werden, wenn es dazu keine ökologisch günstigere Alternative gibt. Es sollte um eine Energiepolitik mit ökologischem Hintergrund gehen, geopolitische Einflüsse sollten hingegen keine Rolle spielten.

„Herr Habeck, was braut sich da im Herbst zusammen?“ Diese Frage stellte Markus Lanz dem grünen Bundeswirtschaftsminister am 6. Juli und mit apokalyptischem Unterton zählte er auf: Corona, Inflation und am Ende: kalte Wohnungen. Der Minister konnte da wenig Beunruhigendes sagen und nur versichern, dass eine Triage bei Gas, das heißt eine Zuteilung nach der Wichtigkeit, aktuell nicht anstehe. Schließlich sind wir ja auch mitten im Sommer, akut wird die Frage aber nicht erst zum Beginn der kalten Jahreszeit. Schon in wenigen Wochen könnte es zu einem „D-Day“ beim Gas kommen, also dem Tag der Entscheidung, der eine klar militaristische Note hat, weil damit der Tag bezeichnet wird, an dem die westlichen Alliierten in der Normandie landeten. Jetzt ist damit der Tag gemeint, an dem sich zeigen wird, ob Russland nach den Reparaturen bei Nord Stream 1 die Gasmenge drosselt oder gar einstellt. Dann würde schnell deutlich werden, dass bei allem zur Schau getragenen Selbstbewusstseins …

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Aktivisten werfen der Deutschen Bahn vor, sich an Verbrechen in Mexiko zu beteiligen. Doch nicht alle indigenen Gemeinden lehnen das Tourismusprojekt ab

„Tren Maya“: Naturzerstörung oder Entwicklungsprojekt?

Der Diskurs der Gegner des Extraktivismus verweist auf die ökologischen Konsequenzen der Rohstoffausbeute, hat aber auch ökoromantische Züge, wenn immer wieder die "Mutter Erde" beschworen wird, wie auch bei der Kundgebung in Berlin zu hören. Zudem wird recht unkritisch von "indigenen Völkern" gesprochen, ohne zu berücksichtigen, dass es auch dort unterschiedlich Macht- und Ausbeutungsverhältnisse gibt.

„Deutsche Bahn und deutsches Geld morden mit in aller Welt“, skandierten rund 80 Demonstranten, die sich am Samstag vor der Zentrale der Deutschen Bahn am Potsdamer Platz in Berlin versammelten. Sie protestierten dort gegen die Beteiligung der DB am Tourismusprojekt „Tren Maya“, einem Renommierobjekt des sozialdemokratischen Präsidenten Mexikos, Andrés Manuel López Obrador. Der DB werfen die Kritiker vor, dass sie …

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So wird die Rechte zum Garanten für die EU

Sollten diese Beispiele Schule machen und die Rechte normalisiert werden, wenn sie sich nur zur EU bekennt, werden die Rechten sich bald konsequenterweise als die besten Verteidiger der EU aufspielen, so wie schlauere Vertreter dieses Lagers seit Jahren als die vehementesten Verteidiger der rechtsgerichteten israelischen Regierungen auftreten.

Bis zum September 2019 waren die italienische Rechtspartei Lega Nord und ihr Vorsitzender Matteo Salvini häufig in den Medien. Salvini wurde als Beispiel für eine europäische Rechtsentwicklung angeführt. Als Gegenmodell führten zahlreiche Journalisten und auch politische Akteure eine moderne, diverse und liberale Europäische Union an. Doch an dieser Darstellung kommen bei einem genauen Blick auf die modernisierte Rolle rechter Parteien Zweifel. Die Rechte scheint auch in der angeblich so liberalen EU auf Akzeptanz zu stoßen, sofern sie dieses Projekt mitträgt. Salvini jedenfalls ist seit September 2019 kein Außenminister mehr, doch die Lega Nord ist weiterhin in der italienischen Regierung. Allerdings ist sie dort Teil einer …

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Im Irak und Iran wird den Strategien der iranischen Hegemonie auch von Trump-Gegnern keine Träne nachgeweint

Soleimani war kein iranischer Che Guevara

Dass sich nur wenige Tage nach dem vom Regime organisierten Trauermärschen, die die islamistische Volksgemeinschaft dokumentieren sollten, Menschen klar gegen die Verantwortlichen der Islamischen Republik engagieren, zeugt von viel Mut und Selbstvertrauen der Aktivisten.

So schnell kann sich das politische Szenario ändern. Noch vor einer Woche schlagzeilten nicht wenige Medien, nun habe Trump mit der Tötung des iranischen Generals Soleimani einen großen Krieg mit unabsehbaren Folgen ausgelöst. Manche mutmaßten schon, dass er damit von innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken wollte. Dann kam das große Erstaunen, dass es….

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In Berlin und in anderen EU-Ländern tun Politiker angesichts Trumps rassistischer Äußerungen jetzt so, als wären sie die US-Oppositionsbewegung

Heuchelei in der europäischen Flüchtlingsdiskussion

"Mittlerweile jagen ehemalige Fluchthelfer Migranten im Auftrag der EU; ähnlich wie in Libyen, wo Europa kriminelle Milizen mit der Bewachung der Küste betraut. So wird die Verfolgung illegalisierter Flüchtlinge zu einer Einkommensquelle für diejenigen, die ihnen früher halfen."

In Berlin sind sich bis auf die AfD scheinbar alle Parteien einig, dass der Rassismus eines Donald Trump nicht tragbar ist. Auch Bundeskanzlerin Merkel hat sich in ihrer Sommerpressekonferenz auf Nachfragen ausdrücklich von seinen Tweets distanziert, in denen er vier Politikerinnen vom linken Flügel der Demokratischen Partei dazu aufforderte, in „ihre Herkunftsländer“ zurückzukehren. Nur sind drei von ihnen in den USA geboren, eine kam als Migrantin aus Somalia in die USA.Die Äußerungen von Trump sind zweifellos ein Beispiel, wie Rassismus als Strategie im beginnenden US-Wahlkampf benutzt wird (Trumps Rassismus kommt bei seiner Wählerschaft an [1]). Es gibt für Oppositionelle in den USA allen Grund, dagegen zu mobilisieren. Wenn aber in Berlin und auch in anderen EU-Ländern Politiker jetzt alle so tun, als wären sie die US-Oppositionsbewegung, dann ist das pure Heuchelei. Warum fragt keiner, wo denn….

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Bayern-Wahl als Ziel von Online-Aktivisten?

Das Institute for Strategic Dialogue beobachtet nichtkonforme Meinungen. Gerne wird übersehen, dass es auch linke Brexitbefürworter gibt

Vor der Bayernwahl haben unterschiedliche Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Natürlich gibt es diverse rechte Verschwörungstheorien, die auch immer wieder Gegenstand von Diskussionen sind. Doch es gibt auch die Verschwörungstheorien der sich als liberale Mitte verstehenden Verteidiger des Status quo. Da wird schon von der Beeinflussung von international vernetzten Online-Aktivisten in die bayerischen Landtagswahlen gewarnt [1]. Als Gegenmittel gibt es dann die sogenannten Trollbeobachter, die eigentlich eine NGO zur Beobachtung abweichender Meinungen sind und sich mit dem Label Kampf gegen Rechts als Teil der Guten gegen die Bösen geriert.


Bei der Bundestagswahl 2017 haben wir beobachtet, wie rechte Trolle koordiniert Desinformations- und Einschüchterungskampagnen im Netz betrieben und so den öffentlichen Diskurs zu Gunsten rechter Themen und Erzählungen verzerrten.

Julia Ebner vom Londoner Institute for Strategic Dialogue [2] (ISD)

„700 Posts, 16.830 Kommentare und 1,2 Millionen Likes werteten die Forscher_innen damals aus“, so der Bericht Hass auf Knopfdruck [3]. Über soviel Engagement würde sich jeder Staatsschutz freuen. Man könne „zum Beispiel beobachten, wenn ein Artikel oder ein Post überdurchschnittlich performt“, erklärt Jakob Guhl, der nach der Taz „Russland-affine und Verschwörungstheorien zugeneigte Facebookgruppen und die rechte Vlogger-Szene auf YouTube beobachtet“. Dabei müssen die hauptamtlichen Trollbeobachter einräumen, dass es für die Beeinflussung eigentlich keine Beweise gibt.

Wie groß der Effekt solcher Echokammern letztlich auf Wahlentscheidungen und auf die Diskussion im Mainstream ist, lässt sich auch trotz der Analysetools nur schwer quantifizierbar messen. Alexander Sängerlaub, der für die Stiftung Neue Verantwortung in Berlin ebenfalls zu rechten Einflüssen in Sozialen Netzwerken forscht, hält ihn für eher gering – einfach weil laut Erhebungen seines Instituts [4] nach wie vor mehr als 60 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung Vertrauen in die Mainstream-Medien haben und sich daher Desinformationskampagnen oft unterhalb des allgemeinen Radars bewegen.

taz, 8.10.2018

Wer das Performen eines Artikels oder eines Tweets für den Aufstieg der rechten verantwortlich macht, braucht nicht darüber zu diskutieren, welche Verantwortung der Kapitalismus für die Rechtsentwicklung trägt und wie sehr sich bei allem Feindschaft die liberalen Eliten und ihre rechten Gegner gleichen. Serge Halimi und Pierre Rimbert sehen hier und nicht in einen performenden Tweet die eigentlichen Ursachen für die Krise der bürgerlichen Demokratie. In einem Essay [5] schreiben sie:


Zum anderen haben die Erschütterungen des Jahres 2008 samt ihren Nachbeben auch die politische Ordnung durcheinander gewirbelt, in der die demokratische Marktwirtschaft als Vollendung der Geschichte gilt. Die aalglatte Technokratie, die von New York oder Brüssel aus im Namen des Expertenwissens und der Modernität unpopuläre Maßnahmen durchsetzte, hat den Weg für populistische und konservative Regierungen geebnet. Trump, Orban und Jarosław Kaczyński berufen sich genauso auf den Kapitalismus, wie Barack Obama, Angela Merkel oder Emmanuel Macron es tun. Aber es handelt sich um einen anderen, von einer illiberalen, nationalen und autoritären Kultur geprägten Kapitalismus, der eher das flache Land als die Metropolen repräsentiert.

Serge Halimi und Pierre Rimbert, Le Monde diplomatique

Beide Fraktionen stellen die Kapitalverwertung nicht infrage, wie Rimbert und Halimi richtig feststellen:

Das Ziel der neuen Kapitalisten ist dasselbe wie bei den alten: die Reichen noch reicher zu machen. Nur ihre Methode ist eine andere. Sie nutzen die Gefühle aus, die Liberalismus und Sozialdemokratie bei großen Teilen der Arbeiterklasse auslösen: Abscheu, vermischt mit Wut.

Serge Halimi und Pierre Rimbert

Einseitige Berichterstattung zum Brexit

Diese Einschätzung trifft auch auf den Mainstream der britischen Brexitgegner und Brexitbefürworter zu. Viele EU-Befürworter sehen dort größere Möglichkeiten, eine Politik für das Kapital zu machen, und auch ein Teil der Brexitbefürworter will aus Großbritannien eine Art Sonderwirtschaftszone machen, in der die Macht des Kapitals noch wächst.

Wenn wir in Deutschland über den Brexit lesen, wird überwiegend behauptet, dass er das Werk von Nationalisten und Wirtschaftsliberalen ist. Es kommen auch überwiegend Interessengruppen zu Wort, die durch einen EU-Austritt Nachteile befürchten. Nur ganz selten wird erwähnt, dass es auch linke Brexit-Befürworter gibt. Der Taz-Auslandsredakteur Dominic Johnson hat in der letzte Zeit ab und an Texte aus dieser Richtung veröffentlicht. So hat er einen Text des Gründers der linken Organisation The Full Brexit [6] Philip Cunliffe übersetzt [7].

Wir von „The Full Brexit“ halten den Brexit für eine zumindest potentielle Verkörperung traditionell linker Ideale, nicht zuletzt die Souveränität des Volkes gegen eine ferne, sich der Rechenschaft entziehende bürokratische Macht. Viele von uns sehen das Brexit-Votum als Volksaufstand gegen einen parteiübergreifenden Elitekonsens und als Geltendmachung von Demokratie gegen die von der EU verkörperte Technokratie und transnationale Regierungsführung.

Philip Cunliffe

Allerdings triftet auch Cunliffe mit seiner linken Brexit-Verteidigung in idealistische Sphären ab:

Für uns ist der Brexit eine Chance, die linken Ideale zurückzugewinnen. Es geht ums Ganze. Das Wachstum des Rechtspopulismus in ganz Europa zeigt uns, was geschehen würde, wenn britische Politiker das Versprechen des Brexits nicht erfüllen und mit einer EU verbunden bleiben, die danach strebt, den Volkswillen und die Demokratie zu begrenzen. Je länger die Linke die vom Brexit verkörperten Ideale und Chancen verleugnet, desto höher wird langfristig der Preis.

Philip Cunliffe

Hier ist viel von linken Idealen die Rede, die aber nicht näher definiert werden. So wie die Brexitgegner argumentieren auch die Befürworter gerne mit Werten, Idealen und Chancen. Doch es gibt politische Kräfte, die im Brexit eine Chance für die Linke sehen. Diese unterschiedlichen Eurokonzepte wurden auch auf dem Attac-Europakongress [8] in Kassel vor einigen Tagen diskutiert (Ist ein „demokratisches, friedliches, ökologisches, feministisches, solidarisches“ Europa möglich? [9]). Der Streit spitzt sich letztlich auf die Frage zu: Ist ein soziales Europa mit oder gegen die aktuelle EU möglich? Das sind Fragen, die es wert sind, diskutiert zu werden. Die Frage allerdings, wie ein Artikel oder ein Tweet performt oder ob hinter dem Brexit auch russische Trolle stehen, sollte man getrost Verschwörungstheorien überlassen.

Peter Nowak

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http://www.heise.de/-4188388
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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.taz.de/!5538004/
[2] https://www.isdglobal.org/
[3] http://www.isdglobal.org/wp-content/uploads/2018/07/ISD_Ich_Bin_Hier_2.pdf
[4] https://www.stiftung-nv.de/de/publikation/verzerrte-realitaeten-fake-news-im-schatten-der-usa-und-der-bundestagswahl
[5] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5527381
[6] https://www.thefullbrexit.com/
[7] http://www.taz.de/!5533273/
[8] https://www.ein-anderes-europa.de/index.php?id=76417
[9] https://www.heise.de/tp/features/Ist-ein-demokratisches-friedliches-oekologisches-feministisches-solidarisches-Europa-moeglich-4186910.html

Droht Trump die Absetzung?

Es geht in Wirklichkeit um die nächsten Präsidentenwahlen und um falsche Freunde gegen Trump

Was wäre Trump ohne seine Kritiker, die nicht nur an seinen Lippen hängen, sondern jeden Twittereintrag von ihm ausgiebig analysieren und natürlich in Ferndiagnose auch den Gemütszustand des US-Präsidenten kennen? So wissen sie natürlich auch, dass er nach dem Schuldspruch seines Anwalts in Schockstarre verfallen sei. Tatsächlich gab sich Trump schon wenige Stunden später auf einer Rede in Virginia gewohnt angriffslustig. Es ist auch nicht anzunehmen, dass ihn die Urteile überrascht haben.

Auf einmal ist das I-Wort wieder in der Diskussion

Wenn das I-Wort für Impeachment nur von den Medien und Politikern, die Trump nie im Weißen Haus sehen wollten und eigentlich auch sicher waren, dass er nie Präsident wird, wieder in die Diskussion gebracht wird, ist das nun nicht verwunderlich. Sie reden von seiner Absetzung, seit er Präsident ist. Dabei wurden die unterschiedlichen Varianten durchgespielt.

So gab es selbst die Diskussion, ob Trump wegen geistiger Unfähigkeit, das Amt zu führen, abgesetzt werden könne. Dass nun Trump selber das I-Wort in den Mund nimmt und vor dem Zusammenbruch der Märkte warnt, wenn er abgesetzt werde, macht deutlich, dass auch das Lager des Präsidenten die Angelegenheit jetzt ernster nimmt. Aber nicht etwa deshalb, weil ein Impeachment oder auch nur die Einleitung unmittelbar bevor stehen könnte. Es geht vielmehr um die Positionierung für die nächsten Wahlen.

Trump und sein Lager haben bereits deutlich gemacht, dass er noch einmal für eine zweite Amtszeit antreten will. Die entsprechenden Banner dazu würden angeblich schon im Niedriglohnland China fabriziert. Nun hat da, auch wenn es Trump nicht gefällt, auch die Republikanische Partei ein Wörtchen mitzureden. Eigentlich lässt sie Präsidenten, die noch mal kandidieren wollen, nicht fallen, wenn sie zumindest die Chance haben zu gewinnen. Das ist im Fall von Trump bisher nicht entschieden.

Denn mögen auch die Trump-Gegner zumindest von Europa aus gesehen immer zahlreicher werden, was dann zu Schlagzeilen wie „Es wird einsam um Trump“[1] führt, so ist entscheidend bei den Wahlen, ob seine Basis, die im Regelfall nicht im Blickfeld der liberalkapitalistischen US-Medien ist, die das Europabild der USA wesentlich prägen, weiterhin zu Trump hält. Sonst könnte sich bei den nächsten Wahlen das Szenario von 2016 wiederholen.

Alle gingen davon aus, dass Trump eine krachende Niederlage erleidet. Schließlich war ja die liberalkapitalistische Szene aus New York und Washington ebenso gegen ihn wie die die meisten Künstler und Intellektuellen. Dabei wurde vergessen, dass auch Stahlarbeiter und Farmer aus den US-Staaten, die in Deutschland kaum jemand aussprechen kann, das Wahlrecht haben. Und dass es in den USA ein Wahlsystem gibt, das sie sogar bevorzugt, so dass eben Trump weniger Wahlstimmen als Clinton hatte, aber mehr Wahlmänner -und frauen, auf die es ankam. Die wenigen Journalisten, wie die Taz-Publizistin Bettina Gaus, die für ein Reportagebuch[2] durch diese vergessenen Bundessstaaten reiste, hielt bereits im Sommer 2016 einen Trump-Wahlsieg für wahrscheinlich und wurde damals von vielen für verrückt erklärt.

Einen zweiten Trump-Sieg kann man am besten verhindern, wenn man dafür sorgt, dass er gar nicht erst antritt. Darum geht es, auch bei der aktuellen Debatte. Die erste Etappe sind die Zwischen- oder Midtermwahlen in den nächsten Monaten. Wenn dort die Demokraten stark zulegen, könnten sie auch ein Impeachment einleiten. Ob dann allerdings eine Zweidrittelmehrheit für eine Absetzung von Trump zustande käme, ist unwahrscheinlich, aber auch nicht wichtig. Schließlich würde sich das Prozedere bis zu den nächsten Wahlen hinziehen. Doch einem Präsident mit einem Impeachment-Verfahren am Hals, der zudem für Wahlverluste seiner Partei gesorgt hat, könnte die Republikanische Partei eher deutlich machen, dass er kein zweites Mal kandidieren kann. Dann könnte er immer noch als Unabhängiger antreten, aber mit sehr ungewissen Aussichten.

Um also eine zweite Kandidatur von Trump möglichst zu verhindern, wird nun die Debatte um seine Absetzung geführt. Daran beteiligen sich allerdings nicht alle Demokraten, weil sie nicht wissen, ob ihnen eine Impeachment-Debatte überhaupt nützt oder ob sie nicht das Trump-Lager eher eint.

Erinnerungen an die Clinton-Lewinsky -Affäre

Es gibt schließlich ein Beispiel, das ihnen sehr präsent sein dürfte. 1998 betrieben die damals oppositionellen Republikaner ein Absetzungsverfahren gegen den demokratischen Präsident Clinton. Es beschäftigte die Medien wochenlang. Doch Clinton blieb im Amt, obwohl ihm ein Meineid vorgeworfen wurde. Eine Zweidrittenmehrheit für eine Absetzung kam nicht zustande und am Ende wendete sich die Stimmung gegen die Republikaner, die auf die Absetzung insistierten.

Das Verfahren hatte eines mit der aktuellen Debatte um Trump gemeinsam. Es ging um außerehelich Beziehungen von Präsidenten, ein Thema, für das sich eigentlich nur die eigene Familie und eine sehr fromme Wählerschaft interessieren dürfte. Auch Trump werden jetzt solche außerehelichen Affären vorgeworfen, die eigentlich in einem säkularen Staat des 21. Jahrhunderts eine Privatangelegenheit sein müssten und kein Politikum.

Es war von Trump seit Langem bekannt, dass er kein praktizierender Evangelist ist. Es ist daher schon zu fragen, warum Trump den Frauen überhaupt Schweigegeld bezahlt hat. Schließlich kamen in der letzten Runde der Präsidentenwahlen noch klar sexistische Äußerungen an die Öffentlichkeit, die Trump in einer Männerrunde geäußert hat. Für die Liberalen war das ein Grund mehr, ihn nun endgültig für erledigt zu erklären. Doch ein Großteil der konservativen und auch religiösen Wählerbasis sah das anders. Und die hätte ihn zwei oder auch mehr weitere außerehelich Affären nicht verziehen? Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Wo also lag da die Wahlbeeinflussung?

In der aktuellen Diskussion wird fast schon suggeriert, hier wären Gelder geflossen, um irgendwelche Russland-Kontakte zum Trumplager unter Verschluss zu halten. Doch aktuell geht es um angebliche Schweigegelder wegen außerehelichen Affären.

Wo bleiben die Anwaltsrechte?

Nun wird argumentiert, die Aufdeckung der Russland-Kontakte könne noch folgen. Da müssen nur weitere Personen aus Trumps Umfeld gehörig unter Druck gesetzt und mit hohen Strafen wegen Delikten, die mit der Russland-Connection gar nichts zu tun haben, bedroht sein, damit sie sich dann gegen Straferlass auf eine Aussage einlassen.

Nur fällt vielen gar nicht auf, wie rechtsstaatlich fragwürdig diese Methoden sind. Da könnte man auch von Nötigung und Erpressung reden, auf jeden Fall von totalitären Methoden. Wieso wird denn fast selbstverständlich angenommen, dass die unter Druck stehenden Personen dann die Wahrheit sagen und nicht irgendwelche Behauptungen erfinden, um von den Straferleichterungen zu profitieren?

Eine besondere Note bekommt die Sache, dass nun Trumps Privatanwalt die Schlüsselfigur in dieser Angelegenheit ist (Donald Trump in Bedrängnis[3]). Wie steht es da mit den Schutzrechten zwischen Anwalt und Mandanten? Ist es nicht ein in Deutschland hochgehaltenes Recht, dass die Korrespondenz und auch das gesprochene Wort zwischen Anwalt und Mandant geheim bleiben sollen? Die Methode, eine Anwalt mit hohen Strafen in einem Strafverfahren zu Kooperation und Aussagen zu erpressen, um damit Material in einem anderen Fall in die Hand zu bekommen, erinnert doch eher an Rechtsstaatsmethoden, wie sie der Türkei unter Erdogan oder Russland unter Putin immer vorgehalten werden. Trump wird beschuldigt, solche Methoden auch in den USA etablieren zu wollen.

Falsche Freunde gegen Trump

Die Justiz und die Sondermittler werden dagegen als Bollwerk gegen das Abrutschen in einen illiberalen Staat immer wieder verteidigt. Dabei wird dann wohl weggesehen, wenn jetzt nicht Trump, sondern genau diese Institutionen selber Methoden anwenden, die einen illiberalen Staat auszeichnen. Hier bestätigt sich nur einmal mehr, was seit Trumps Antritt von vielen seiner Kritikern praktiziert wird. Justiz und Sondermittler werden mit einen liberalen Nimbus umgeben, der ihnen weder historisch noch aktuell zusteht.

Der US-Politikprofessor Michael J. Glennon[4] hat in einen informativen Artikel[5], der in der Le Monde Diplomatique erschienen ist, diese falschen Freunde gegen Trump prägnant benannt. Über das Agieren von Sondermittlern schreibt Glennon:

Wenn solche nicht gewählten Bürokraten rechtmäßige politische Initiativen von gewählten Amtsträgern blockieren, wird damit ein wichtiges Prinzip geopfert: die Verantwortlichkeit demokratischer Repräsentanten. Und dieses Opfer kommt einem Selbstmord gleich, wenn dieses Blockieren an der Spitze der Sicherheitsbürokratie von Leuten abgesegnet wird, die sich keineswegs immer als verlässliche Wächter der Bürger- und Freiheitsrechte erwiesen haben.

Michael J. Glennon

Er kritisiert auch die Verteidigung der Geheimdienste durch die Trump-Kritiker in den USA und diese Kritik gilt natürlich auch für diejenigen in Deutschland, die sich oft auch am liberalen White-Washing der US-Geheimdienste beteiligen:

Eine solche Haltung gegenüber der Sicherheitsbürokratie ist auf tragische Weise kurzsichtig. Die Verfassung sieht Institutionen vor, die Schutz vor unklugen politischen Entscheidungen gewählter Amtsträger bieten sollen – die Geheimdienste gehören nicht zu ihnen: Sie sind vertrauenswürdig aufgrund ihrer Expertise, aber vor allem deswegen, weil sie gewählten Funktionsträgern unterstellt und ihnen gegenüber verantwortlich sind. Löst sich diese Verbindung zu gewählten Politikern auf, erlischt auch ihre von der Verfassung verliehene Legitimität.

Michael J. Glennon

Er erinnert diese liberalkapitalistischen Trump-Gegnern daran, dass die Geheimdienste und Sicherheitsagenturen, die in den vergangenen Jahrzehnten ihre Macht wiederholt schwer missbraucht haben, keine Garanten für Demokratie sind. Er wies auf historisches Material[6] über die illiberale Geschichte der heute so hochgelobten repressiven Staatsapparate hin.

Eine solche historisch Aufklärung ist wichtiger denn je. Denn je mehr Trump zum Feindbild aufgebaut wird, ohne das kapitalistische System, das ihn hervorgebracht wird, auch nur zu erwähnen, um so mehr werden diese Staatsapparate legitimiert, die seit Jahrzehnten an der Unterdrückung einer grundsätzlichen Opposition in den USA ebenso beteiligt sind, wie an der Fabrizierung von Kriegsgründen. Es steht zu befürchten, dass diese Kräfte in einer Zeit nach Trump, ob nach den nächsten oder übernächsten Wahlen, noch stärker werden.

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4145808

https://www.heise.de/tp/features/Droht-Trump-die-Absetzung-4145808.html

Peter Nowak
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.sz-online.de/nachrichten/es-wird-einsam-um-trump-4001283.html
[2] https://www.buecher.de/shop/fachbuecher/auf-der-suche-nach-amerika/gaus-bettina/products_products/detail/prod_id/23826627/
[3] https://www.heise.de/tp/features/Donald-Trump-in-Bedraengnis-4143301.html
[4] http://www.oxfordscholarship.com/view/10.1093/acprof:oso/9780190206444.001.0001/acprof-9780190206444
[5] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5518791
[6] https://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/94755_II.pd

Mitschwimmen im liberalen Mainstream?

Die außerparlamentarische Linke in Deutschland hat Trump entdeckt. Nach dessen Wahlsieg mobilisiert die Interventionistische Linke[1] für Massenproteste gegen Trump, die Anfang Juli 2017 stattfinden sollen. „Die Proteste gegen den G-20-Gipfel in Hamburg werden auch zur größten Anti-Trump-Demonstration in Deutschland werden“, heißt es in der Pressemitteilung[2] der IL.

Die Strategie ist klar: Mit dem Widerstand gegen Trump hofft man, wieder mehr Schwung in die Gipfelproteste zu bringen. Trump eignet sich schließlich hervorragend für die Rolle des hässlichen Amerikaners. Da kann an Bush und Reagan angeknüpft werden. Es ist schon möglich, dass es auch dieses Mal klappt, hierzulande mit einem Hardliner-US-Präsidenten zu mobilisieren. Das hängt allerdings ganz stark von der konkreten Positionierung der neuen US-Regierung zu entscheidenden politischen Fragen ab.

Wenn Trump nur einen Teil der Versprechungen umsetzt, wird es nämlich gar nicht so einfach sein, ihn zum großen Buhmann aufzubauen. Sollte Trump das TTIP-Abkommen zur Makulatur werden lassen, hat er dafür zwar andere Gründe als ein großer Teil der Gegendemonstranten hierzulande.

Doch wenn das Abkommen dann tatsächlich beerdigt wird, spielt das sicher nicht die zentrale Rolle. Sollte Trump einen eher isolationistischen Kurs fahren und die USA aus den Konflikten der Welt rauszuhalten versuchen, wäre er von einer außerparlamentarischen Linken auch nicht mehr so leicht angreifbar.

Es sind denn auch die bekennenden Linksliberalen wie Claus Leggewie, die in Trump eine große Gefahr für ihre Version der EU sehen. Dabei befürchten sie nicht etwa eine Neuauflage des Kalten Krieges, sondern im Gegenteil einen Schulterschluss zwischen Russland und den USA.

„Es ist genau die Gefahr, dass mit der Wahl von Trump Ideologen allerorten Morgenluft wittern und dass es insbesondere einen Schulterschluss zwischen Moskau und Washington geben könnte. Der wäre für Europa verhängnisvoll“, so die Befürchtung[3] des grünennahen Intellektuellen. Eine weitere Sorge treibt Leggewie um.

Die Gefahr bei Trump ist, dass er die Nato grundlegend in Frage stellt und im Baltikum die alten Satelliten der Sowjetunion ihrem Schicksal überlässt.

Claus Leggewie

Auch um die Ukraine macht man sich Sorgen, weil Trump schon mal angekündigt hat, den Status quo in Europa anzuerkennen, also zu akzeptieren, dass die Krim zu Russland gehört. Als Konsequenz wird der weitere Ausbau der militärischen Kapazitäten der EU forciert, die in der Lage sein müsse, sich ohne Protektion der USA selber verteidigen zu können. Dabei ist die Stoßrichtung ganz klar. Es geht gegen Russland.

Rebecca Harms, die schon vor Monaten für ein militärisches Eingreifen in der Ukraine gegen Russland eintrat, hat sich auch schon für eine Stärkung der EU als Konsequenz aus dem Ergebnis der US-Wahlen ausgesprochen. Es ist schon jetzt klar, dass die Forderungen nach einer Stärkung der EU unter deutscher Führung zunehmen werden.

Das ist auch eine neue Herausforderung an die außerparlamentarische Linke, die mit einer Übernahme des Klischees vom hässlichen Ami bestimmt nicht zu bewältigen sein wird. Komplizierter wird die Positionierung noch dadurch, dass verschiedene rechtspopulistischen Gruppen in vielen europäischen Ländern jetzt den Wahlsieg von Trump feiern.

Diese würden sich über einen Schulterschluss mit Putin freuen und fordern schon lange einen Rückzug der USA aus Europa. Die entscheidende Frage für ihre eigene politische Relevanz lautet: Wie positioniert sich dazu die außerparlamentarische Linke?

Eine Ablehnung von Trump dürfte Konsens sein. Doch wie ist das Verhältnis zu jenen liberalen Kreisen, für die Leggewie und Harms stehen? Schließt man mit diesen Kreisen Bündnisse und schweigt zu ihrem Konzept der Stärkung der Nato und der militärischen Aufrüstung? Dann macht man sich aber auch zum linken Feigenblatt eines EU-Nationalismus, der sich gegen Russland und die USA positioniert. In der Taz hat Leggewie die Konsequenz seiner Vorstellungen klar angesprochen, wenn er fragt, wie die EU auf einen Rückzug der USA reagieren soll.

Ist es uns wert, dass wir uns dann für die Balten einzusetzen? Oder sagen wir: Wir werden auf keinen Fall für Riga sterben.

Claus Leggewie


Hier wird schon deutlich, dass es eine Fraktion im EU-Nationalismus gibt, die nun die Chance sieht, die EU notfalls kriegsfähig zu machen. Dabei soll nie vergessen werden, dass es lange Zeit Konsens in unterschiedlichen linken Strömungen war, dass sich die Nato auflösen soll.

Gerade nach dem Ende des Warschauer Paktes schien das realistisch. Und was die Ukraine oder baltischen Staaten anbelangt, hat sich Rosa Luxemburg darüber mokiert, dass nach dem 1. Weltkrieg allerlei reaktionäre Nationen auf der europäischen Landkarte auftauchten, die ihre eigene Existenzberechtigung ausschließlich im Rekurs auf eine einst glorreiche Vergangenheit begründen.

Nur gibt es jetzt noch den Unterschied, dass die baltischen Staaten und die Ukraine sich ideologisch auch auf die Kräfte stützen, die mit dem Nationalsozialismus kooperierten und bei der Ermordung der Juden die Nazis teilweise noch an Brutalität überboten. Es ist nicht so, dass die neuen Republiken mit diesen Bewegungen gleichzusetzen sind, wie es russische Ideologen zu Propagandazwecken machen.

Doch es ist unbestreitbar, dass die NS-freundlichen Bewegungen ihren Platz in den neuen Republiken haben. Genau da müsste eine linke Kritik ansetzen, die sich ganz klar gegen diese Republiken und ihre Unterstützer wendet, ohne dafür ins Pro-Putin-Lager zu gehen. Hier läge eine wichtige Aufgabe für eine außerparlamentarischen Linke, die sich nicht zum liberalen Feigenblatt machen will.

Die Auseinandersetzung hat nicht nur eine außenpolitische Dimension. Mit der AfD hat auch in Deutschland der Rechtspopulismus jetzt eine feste Adresse. Wird eine Linke sich dann bedingungslos auf die Seite der Gegner schlagen?

Dann besteht die große Gefahr, dass die Rechte davon profitiert. Das zeigte sich beim US-Wahlkampf deutlich. Es ist ausgerechnet der erklärte Gegner jeder linken Idee, Friedrich Merz, der in einem Rundfunkinterview erkannte, dass der Sozialdemokrat Sanders größere Chancen gegen Trump gehabt hätte als die Liberale Clinton.

(…) die enttäuschten Wähler von Sanders sind zu einem großen Teil nicht zu Hillary Clinton gegangen, sondern zu Donald Trump, und auch das konnte man in Umfragen bereits vor Monaten sehen. Vor die Frage gestellt, Trump oder Clinton, lag Trump ganz knapp vorn oder ganz knapp hinten. Vor die Frage gestellt, Trump oder Sanders, lag Sanders häufig vorn.

Friedrich Merz[4]

Damit sprach er aber nicht nur ein Problem der USA an. Überall da, wo sich linke Kräfte auf die Logik des kleineren Übel einlassen und Liberale unterstützen, können die Rechten punkten. Sie können sich dann als die letzte Partei inszenieren, die noch Kontakt zu den Abgehängten und Prekären halten und gegen einen „liberalen Einheitsbrei“ polemisieren. Das Problem wurde in der Monatszeitung Le Monde Diplomatique schon vor Wochen angesprochen[5].

Es fehlt eine Perspektive für die Menschen, die fern der Küsten leben, vom Wohlstand der großen Metropolen nichts abbekommen, von Wall Street und Silicon Valley ausgeschlossen sind. Diese Leute sehen die industriellen Arbeitsplätze schwinden, die lange Zeit einer Mittelschicht ohne höheres Bildungsniveau eine relativ gesicherte Existenz bot.

Diesen ehemaligen Industriearbeitern und den armen „kleinen Weißen“ hatte auch die Republikanische Partei – vor Trump – nicht mehr viel zu bieten. Sie dachte vor allem an die Unternehmen, denen man die Steuern senken sowie Exporte und Auslandsinvestitionen erleichtern wollte. Für die Arbeiter und die weiße Unterschicht hatte man nur Sprüche über Heimat, Religion und Moral übrig. Und über die Bedrohung durch Minderheiten, die von arroganten Intellektuellen Unterstützung erfahren. Auf diese Weise schafften es die konservativen Republikaner, die Opfer ihrer eigenen Wirtschaftspolitik noch einige Zeit bei der Stange zu halten.

(…)

Wie wird für die Grubenarbeiter die „postindustrielle“ Zukunft aussehen, wenn alle Kohlebergwerke geschlossen sind? Wenn die Taxifahrer durch selbst fahrende Google-Fahrzeuge, die Supermarktkassierer durch Scanner und die Arbeiter durch Roboter ersetzt werden? Sollen sie alle Programmierer werden, selbstständige Lieferanten von per Handy-App bestellten Fertiggerichten, Vermieter von Touristenzimmern, Biogärtner oder Haushaltshilfen?

Serge Halimi[6]

Das sind einige der Fragen, die sich viele Menschen nicht nur in den USA stellen. Mit liberalen Rezepten gibt es dafür keine Lösung. Es wäre die Aufgabe einer neuen Linken, hier Konzepte auf der Höhe der Zeit anzubieten. Dabei geht es um Nutzung der modernen Technik, die den Menschen die Möglichkeit gibt, sich von Lohnarbeit in höherem Maße als früher freizumachen.

Dass es für die Arbeiter Verelendung bedeutet, ist aber kein Naturgesetz, sondern eine Folge der kapitalistischen Verwertungslogik. In solchen Auseinandersetzungen könnte Platz für eine Linke sein, die den Menschen auch zeigt, dass ein Leben mit weniger Lohnarbeit nicht in Verelendung führen muss.

Wenn eine außerparlamentarische Linke nicht den Bruch mit den Kräften des liberalen Kapitalismus forciert, kann sie noch so vehement zu Gipfelprotesten mobilisieren, sie wird trotzdem als „Systempartei“ wahrgenommen.

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Peter Nowak


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