Droht Trump die Absetzung?

Es geht in Wirklichkeit um die nächsten Präsidentenwahlen und um falsche Freunde gegen Trump

Was wäre Trump ohne seine Kritiker, die nicht nur an seinen Lippen hängen, sondern jeden Twittereintrag von ihm ausgiebig analysieren und natürlich in Ferndiagnose auch den Gemütszustand des US-Präsidenten kennen? So wissen sie natürlich auch, dass er nach dem Schuldspruch seines Anwalts in Schockstarre verfallen sei. Tatsächlich gab sich Trump schon wenige Stunden später auf einer Rede in Virginia gewohnt angriffslustig. Es ist auch nicht anzunehmen, dass ihn die Urteile überrascht haben.

Auf einmal ist das I-Wort wieder in der Diskussion

Wenn das I-Wort für Impeachment nur von den Medien und Politikern, die Trump nie im Weißen Haus sehen wollten und eigentlich auch sicher waren, dass er nie Präsident wird, wieder in die Diskussion gebracht wird, ist das nun nicht verwunderlich. Sie reden von seiner Absetzung, seit er Präsident ist. Dabei wurden die unterschiedlichen Varianten durchgespielt.

So gab es selbst die Diskussion, ob Trump wegen geistiger Unfähigkeit, das Amt zu führen, abgesetzt werden könne. Dass nun Trump selber das I-Wort in den Mund nimmt und vor dem Zusammenbruch der Märkte warnt, wenn er abgesetzt werde, macht deutlich, dass auch das Lager des Präsidenten die Angelegenheit jetzt ernster nimmt. Aber nicht etwa deshalb, weil ein Impeachment oder auch nur die Einleitung unmittelbar bevor stehen könnte. Es geht vielmehr um die Positionierung für die nächsten Wahlen.

Trump und sein Lager haben bereits deutlich gemacht, dass er noch einmal für eine zweite Amtszeit antreten will. Die entsprechenden Banner dazu würden angeblich schon im Niedriglohnland China fabriziert. Nun hat da, auch wenn es Trump nicht gefällt, auch die Republikanische Partei ein Wörtchen mitzureden. Eigentlich lässt sie Präsidenten, die noch mal kandidieren wollen, nicht fallen, wenn sie zumindest die Chance haben zu gewinnen. Das ist im Fall von Trump bisher nicht entschieden.

Denn mögen auch die Trump-Gegner zumindest von Europa aus gesehen immer zahlreicher werden, was dann zu Schlagzeilen wie „Es wird einsam um Trump“[1] führt, so ist entscheidend bei den Wahlen, ob seine Basis, die im Regelfall nicht im Blickfeld der liberalkapitalistischen US-Medien ist, die das Europabild der USA wesentlich prägen, weiterhin zu Trump hält. Sonst könnte sich bei den nächsten Wahlen das Szenario von 2016 wiederholen.

Alle gingen davon aus, dass Trump eine krachende Niederlage erleidet. Schließlich war ja die liberalkapitalistische Szene aus New York und Washington ebenso gegen ihn wie die die meisten Künstler und Intellektuellen. Dabei wurde vergessen, dass auch Stahlarbeiter und Farmer aus den US-Staaten, die in Deutschland kaum jemand aussprechen kann, das Wahlrecht haben. Und dass es in den USA ein Wahlsystem gibt, das sie sogar bevorzugt, so dass eben Trump weniger Wahlstimmen als Clinton hatte, aber mehr Wahlmänner -und frauen, auf die es ankam. Die wenigen Journalisten, wie die Taz-Publizistin Bettina Gaus, die für ein Reportagebuch[2] durch diese vergessenen Bundessstaaten reiste, hielt bereits im Sommer 2016 einen Trump-Wahlsieg für wahrscheinlich und wurde damals von vielen für verrückt erklärt.

Einen zweiten Trump-Sieg kann man am besten verhindern, wenn man dafür sorgt, dass er gar nicht erst antritt. Darum geht es, auch bei der aktuellen Debatte. Die erste Etappe sind die Zwischen- oder Midtermwahlen in den nächsten Monaten. Wenn dort die Demokraten stark zulegen, könnten sie auch ein Impeachment einleiten. Ob dann allerdings eine Zweidrittelmehrheit für eine Absetzung von Trump zustande käme, ist unwahrscheinlich, aber auch nicht wichtig. Schließlich würde sich das Prozedere bis zu den nächsten Wahlen hinziehen. Doch einem Präsident mit einem Impeachment-Verfahren am Hals, der zudem für Wahlverluste seiner Partei gesorgt hat, könnte die Republikanische Partei eher deutlich machen, dass er kein zweites Mal kandidieren kann. Dann könnte er immer noch als Unabhängiger antreten, aber mit sehr ungewissen Aussichten.

Um also eine zweite Kandidatur von Trump möglichst zu verhindern, wird nun die Debatte um seine Absetzung geführt. Daran beteiligen sich allerdings nicht alle Demokraten, weil sie nicht wissen, ob ihnen eine Impeachment-Debatte überhaupt nützt oder ob sie nicht das Trump-Lager eher eint.

Erinnerungen an die Clinton-Lewinsky -Affäre

Es gibt schließlich ein Beispiel, das ihnen sehr präsent sein dürfte. 1998 betrieben die damals oppositionellen Republikaner ein Absetzungsverfahren gegen den demokratischen Präsident Clinton. Es beschäftigte die Medien wochenlang. Doch Clinton blieb im Amt, obwohl ihm ein Meineid vorgeworfen wurde. Eine Zweidrittenmehrheit für eine Absetzung kam nicht zustande und am Ende wendete sich die Stimmung gegen die Republikaner, die auf die Absetzung insistierten.

Das Verfahren hatte eines mit der aktuellen Debatte um Trump gemeinsam. Es ging um außerehelich Beziehungen von Präsidenten, ein Thema, für das sich eigentlich nur die eigene Familie und eine sehr fromme Wählerschaft interessieren dürfte. Auch Trump werden jetzt solche außerehelichen Affären vorgeworfen, die eigentlich in einem säkularen Staat des 21. Jahrhunderts eine Privatangelegenheit sein müssten und kein Politikum.

Es war von Trump seit Langem bekannt, dass er kein praktizierender Evangelist ist. Es ist daher schon zu fragen, warum Trump den Frauen überhaupt Schweigegeld bezahlt hat. Schließlich kamen in der letzten Runde der Präsidentenwahlen noch klar sexistische Äußerungen an die Öffentlichkeit, die Trump in einer Männerrunde geäußert hat. Für die Liberalen war das ein Grund mehr, ihn nun endgültig für erledigt zu erklären. Doch ein Großteil der konservativen und auch religiösen Wählerbasis sah das anders. Und die hätte ihn zwei oder auch mehr weitere außerehelich Affären nicht verziehen? Das ist ziemlich unwahrscheinlich. Wo also lag da die Wahlbeeinflussung?

In der aktuellen Diskussion wird fast schon suggeriert, hier wären Gelder geflossen, um irgendwelche Russland-Kontakte zum Trumplager unter Verschluss zu halten. Doch aktuell geht es um angebliche Schweigegelder wegen außerehelichen Affären.

Wo bleiben die Anwaltsrechte?

Nun wird argumentiert, die Aufdeckung der Russland-Kontakte könne noch folgen. Da müssen nur weitere Personen aus Trumps Umfeld gehörig unter Druck gesetzt und mit hohen Strafen wegen Delikten, die mit der Russland-Connection gar nichts zu tun haben, bedroht sein, damit sie sich dann gegen Straferlass auf eine Aussage einlassen.

Nur fällt vielen gar nicht auf, wie rechtsstaatlich fragwürdig diese Methoden sind. Da könnte man auch von Nötigung und Erpressung reden, auf jeden Fall von totalitären Methoden. Wieso wird denn fast selbstverständlich angenommen, dass die unter Druck stehenden Personen dann die Wahrheit sagen und nicht irgendwelche Behauptungen erfinden, um von den Straferleichterungen zu profitieren?

Eine besondere Note bekommt die Sache, dass nun Trumps Privatanwalt die Schlüsselfigur in dieser Angelegenheit ist (Donald Trump in Bedrängnis[3]). Wie steht es da mit den Schutzrechten zwischen Anwalt und Mandanten? Ist es nicht ein in Deutschland hochgehaltenes Recht, dass die Korrespondenz und auch das gesprochene Wort zwischen Anwalt und Mandant geheim bleiben sollen? Die Methode, eine Anwalt mit hohen Strafen in einem Strafverfahren zu Kooperation und Aussagen zu erpressen, um damit Material in einem anderen Fall in die Hand zu bekommen, erinnert doch eher an Rechtsstaatsmethoden, wie sie der Türkei unter Erdogan oder Russland unter Putin immer vorgehalten werden. Trump wird beschuldigt, solche Methoden auch in den USA etablieren zu wollen.

Falsche Freunde gegen Trump

Die Justiz und die Sondermittler werden dagegen als Bollwerk gegen das Abrutschen in einen illiberalen Staat immer wieder verteidigt. Dabei wird dann wohl weggesehen, wenn jetzt nicht Trump, sondern genau diese Institutionen selber Methoden anwenden, die einen illiberalen Staat auszeichnen. Hier bestätigt sich nur einmal mehr, was seit Trumps Antritt von vielen seiner Kritikern praktiziert wird. Justiz und Sondermittler werden mit einen liberalen Nimbus umgeben, der ihnen weder historisch noch aktuell zusteht.

Der US-Politikprofessor Michael J. Glennon[4] hat in einen informativen Artikel[5], der in der Le Monde Diplomatique erschienen ist, diese falschen Freunde gegen Trump prägnant benannt. Über das Agieren von Sondermittlern schreibt Glennon:

Wenn solche nicht gewählten Bürokraten rechtmäßige politische Initiativen von gewählten Amtsträgern blockieren, wird damit ein wichtiges Prinzip geopfert: die Verantwortlichkeit demokratischer Repräsentanten. Und dieses Opfer kommt einem Selbstmord gleich, wenn dieses Blockieren an der Spitze der Sicherheitsbürokratie von Leuten abgesegnet wird, die sich keineswegs immer als verlässliche Wächter der Bürger- und Freiheitsrechte erwiesen haben.

Michael J. Glennon

Er kritisiert auch die Verteidigung der Geheimdienste durch die Trump-Kritiker in den USA und diese Kritik gilt natürlich auch für diejenigen in Deutschland, die sich oft auch am liberalen White-Washing der US-Geheimdienste beteiligen:

Eine solche Haltung gegenüber der Sicherheitsbürokratie ist auf tragische Weise kurzsichtig. Die Verfassung sieht Institutionen vor, die Schutz vor unklugen politischen Entscheidungen gewählter Amtsträger bieten sollen – die Geheimdienste gehören nicht zu ihnen: Sie sind vertrauenswürdig aufgrund ihrer Expertise, aber vor allem deswegen, weil sie gewählten Funktionsträgern unterstellt und ihnen gegenüber verantwortlich sind. Löst sich diese Verbindung zu gewählten Politikern auf, erlischt auch ihre von der Verfassung verliehene Legitimität.

Michael J. Glennon

Er erinnert diese liberalkapitalistischen Trump-Gegnern daran, dass die Geheimdienste und Sicherheitsagenturen, die in den vergangenen Jahrzehnten ihre Macht wiederholt schwer missbraucht haben, keine Garanten für Demokratie sind. Er wies auf historisches Material[6] über die illiberale Geschichte der heute so hochgelobten repressiven Staatsapparate hin.

Eine solche historisch Aufklärung ist wichtiger denn je. Denn je mehr Trump zum Feindbild aufgebaut wird, ohne das kapitalistische System, das ihn hervorgebracht wird, auch nur zu erwähnen, um so mehr werden diese Staatsapparate legitimiert, die seit Jahrzehnten an der Unterdrückung einer grundsätzlichen Opposition in den USA ebenso beteiligt sind, wie an der Fabrizierung von Kriegsgründen. Es steht zu befürchten, dass diese Kräfte in einer Zeit nach Trump, ob nach den nächsten oder übernächsten Wahlen, noch stärker werden.

URL dieses Artikels:
http://www.heise.de/-4145808

https://www.heise.de/tp/features/Droht-Trump-die-Absetzung-4145808.html

Peter Nowak
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.sz-online.de/nachrichten/es-wird-einsam-um-trump-4001283.html
[2] https://www.buecher.de/shop/fachbuecher/auf-der-suche-nach-amerika/gaus-bettina/products_products/detail/prod_id/23826627/
[3] https://www.heise.de/tp/features/Donald-Trump-in-Bedraengnis-4143301.html
[4] http://www.oxfordscholarship.com/view/10.1093/acprof:oso/9780190206444.001.0001/acprof-9780190206444
[5] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5518791
[6] https://www.intelligence.senate.gov/sites/default/files/94755_II.pd

„Tiefer Staat“ gegen Trump

Kommentar zum Streit um den US-Präsidenten und den Hoffnungen auf ein Impeachment

Einige Monate ist es schon her, da war Sigmar Gabriel noch SPD-Chef und wurde als glückloser Kanzlerkandidat seiner Partei gehandelt. Trump war gerade zum US-Präsidenten gewählt und alle Welt überbot sich mit Empörung und Überraschung. Auch Gabriel ließ sich mit der Einschätzung vernehmen[1], dass Trump der Vorreiter einer neuen autoritären und chauvinistischen Internationale sei.

Mehr als 6 Monate später bereist dieser Präsident Europa und sagt über Deutschland einige Sätze, die viele denken, aber kaum mehr zu sagen wagen. Beispielsweise, dass Deutschlands Haushaltsüberschüsse gefährlich für viele andere Länder sind. Trump meinte vor allem die USA, die er ja schließlich wieder groß machen will. Und da ist Deutschland einfach ein Konkurrent auf dem Weltmarkt, der sich sehr schlecht benimmt. Das ungefähr dürfte der Sinn der Trump-Äußerungen sein, die nun aktuell für Aufregung sorgen.

Auf dem Kirchentag kannte man angesichts der Trump-Schelte keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche:

Ich bin zwar im Wahlkampf, aber man muss die deutsche Kanzlerin wirklich in Schutz nehmen, dass sie sich dem nicht beugt.
Sigmar Gabriel[2]

Martin Schulz, den das Merkel-Lob seines Parteifreunds und potentiellen Konkurrenten sicher getroffen hat, übertrug den Ärger auf Trump und nannte ihn einen „Autokraten“.


Deutsche Politiker haben andere Staaten schon oft so behandelt

Wenn nun das SPD-Spitzenpersonal sich so echauffiert, dann wird eines deutlich. Bisher haben immer deutsche Politiker, ob von Union oder SPD, Kollegen vor allem aus Ländern der europäischen Peripherie so von oben herab behandelt. Schlimmer noch, sie sind wie Autokraten aufgetreten, die gleich die Gesetzgebungen anderer Staaten außer Kraft setzten. Griechische Politiker hätten darüber sicher eine Menge zu erzählen.

Erst in den letzten Tagen verhinderte Bundeswirtschaftsminister Schäuble, dass Griechenland zumindest einige Schuldenerleichterungen gewährt werden. Anders als die Trump-Äußerungen sorgt das Verhalten von Schäuble nicht für Empörung, sondern erhöht seine Zustimmungswerte. Nur Eric Bonse brachte es auf den Punkt[3]: „Die Schuldenkrise wird in Griechenland noch Generationen plagen. Und das nur, weil Wolfgang Schäuble Finanzminister ist. Der CDU-Hardliner stoppte nicht nur die Auszahlung des nächsten Hilfskredits. Und das, obwohl Athen ein neues Austeritätsprogramm beschlossen hat, gegen das die Hartz-Reformen nur ‚ein mildes Lüftchen‘ waren, wie Schäubles Gegenspieler Sigmar Gabriel (SPD) zu Recht anmerkte.“

Was Schäubles Druck auf Griechenland bedeutet, formuliert Bonse auch sehr klar, nur mit den Zahlen hat er sich etwas vertan: „So soll die Schuldenlast gedrückt werden – wenigstens auf dem Papier. In der Praxis bedeutet dies aber eine 50-jährige Knechtschaft. Die Schuldenkrise, die 2010 begann, wird noch Generationen plagen. Und das nur, weil Schäuble Finanzminister ist. Höchste Zeit, dass er abdankt.“

Denn es sind eigentlich über 75 Jahre Knechtschaft. Die fing an, als die deutsche Wehrmacht Griechenland besetzte und ausplünderte, selbst die Kredite, die es dem Land abpresste, wurden nicht zurückbezahlt, von Reparationen für die Güter, die man außer Landes brachte, und den Menschen, die zur Zwangsarbeit verpflichtet wurden, gar nicht zu reden. Darüber wurde im kurzen europäischen Frühling 2015 geredet, als es die Mehrheit der griechischen Bevölkerung wagte, eine Partei zu wählen, die nicht die Interessen Deutschlands und seines europäischen Vorfelds bedienen wollte.

Der europäische Frühling endete, als die griechische Regierung gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung und ihrer Wähler, vor Deutsch-Europa kapitulierte und sich deren Austeritätsprogramm beugte. Seitdem ist die Frage nach Rückzahlung der deutschen Schulden in Griechenland und von Reparationen wieder ein Thema für kleine linke Zirkel, wie schon Jahre zuvor.

Die Kritik an Deutschland aber wird von der politischen Rechten formuliert, sei es Le Pen in Frankreich, Wilders in Holland oder von führenden Politikern der polnischen Nationalkonservativen und natürlich von Erdogan und Trump. Liberale und große Teile der Linken scharen sich dann umso bedingungsloser hinter Merkel und damit explizit auch hinter eine exponierte Stellung in der Bundesregierung hat. Nun kann man Trump nicht so schnell unter Druck setzen wie die griechische Regierung.

Notfalls muss Trump beseitigt werden

Doch noch hat Deutsch-Europa eine Hoffnung, dass die Trump-Ära eine Episode bleiben könnte. Anfangs hegten manche Kommentatoren noch die Hoffnung, Trump werde schnell die Lust am Präsidentenjob verlieren und selber aufgeben. Doch als sich abzeichnete, dass es hier um Wunschdenken handelt, schließlich hat der Mann ja zielbewusst auf dieses Amt hingearbeitet und auch Unterstützer in bestimmten Kapitalkreisen, wurde die Entmachtung durch ein Impeachment von fast allen Medien in aller Ausführlichkeit geschildert.

Nur am Rande wurde von einigen Kommentatoren angemerkt, dass für ein solches Verfahren eigentlich alle Grundlagen fehlen, weil die Voraussetzung wäre, dass relevante Teile der Republikanischen Partei sich gegen Trump stellen müssten. Und das nach den Erfahrungen im Vorwahl- und im Wahlkampf. Damals gab es den Aufruf, Trump die Nominierung zu verweigern, obwohl er genügend Wahlleute hatte. Das wäre theoretisch möglich gewesen, hätte aber die Republikaner in den Grundfesten erschüttert. Damals war nur einige kleine Zahl von Delegierten dazu bereit. Viele stimmten aus Parteiräson für Trump, obwohl sie befürchteten, er werde krachend verlieren und auch die Zahl ihrer Mandatsträger in Senat und Repräsentantenhaus dezimieren.

Nachdem es anders gekommen ist, sollen nun diese Republikaner einem Impeachment zustimmen, das ungleich schwerwiegendere Erschütterungen in Partei und den gesamten USA nach sich ziehen würde, als die Verweigerung der Nominierung vor der Wahl? Da muss man sich schon fragen, in welchen alternativen Welten diese Kommentatoren eigentlich leben.

Sollten Trump-Gegner auf ein Impeachment setzen?

Die technischen Details einmal beiseite gestellt könnten wir uns auch fragen, ob ein solches Impeachment von einem emanzipatorischen Standpunkt überhaupt sinnvoll wäre. Die Frage sollte klar verneint werden, schon weil als Alternative nur Vizepräsident Pence nachrücken würde, der für eine genauso reaktionäre Politik wie Trump steht und deshalb ja auch von ihm ernannt wurde. Wichtiger aber ist, dass mit dem Impeachment FBI und andere Geheimdienste einen Machtzuwachs erfahren würden, die von niemanden gewählt und damit noch weniger als der zwar nicht von der Mehrheit der Wähler, aber der Wahlleute bestätigte Trump legitimiert sind. Nun ist es in den USA keineswegs einmalig, dass der „tiefe Staat“, also demokratisch unlegitimierte Institutionen, Politiker stürzen oder aufsteigen lassen können. Das ist immer ein Zeichen für tiefgreifende Zerwürfnisse im herrschenden Machtapparat.

In den Zeiten des McCarthyismus wurden schließlich nicht nur vermeintliche oder tatsächliche Linke, sondern sogar führende Politiker und Minister beschuldigt, mit der Sowjetunion und der Kommunistischen Partei der USA zu kooperieren. Damals gab es in der herrschenden Klasse einen Streit darum, ob die USA mit der Sowjetunion gute Beziehungen wie im Kampf gegen das Nazi-Deutschland haben sollten oder ob es darum geht, sie im Kalten Krieg zu besiegen. Beide Seiten gehörten zum politischen Etablissement der USA und reklamierten das nationale Interesse der USA für sich.

Auch der momentane Streit um den Umgang mit Russland findet innerhalb der herrschenden Kreise der USA statt. Auch hier stehen sich unterschiedliche Kapitalinteressen gegenüber. Auch die Verschwörungstheorien über die angeblich so große Macht Russlands erinnern an ähnliche Kampagnen gegen den angeblichen Weltkommunismus bzw. Bolschewismus. Auch die antisemitische Note darf dabei nicht fehlen, dass nun ausgerechnet Trumps Schwiegersohn Kushner in den Fokus des „tiefen Staates“ rückt, dem bisher nachgesagt wird, er versuche, Trump eine realpolitische Note zu geben. Mehr noch ist bekannt, dass er für die Beziehungen zwischen Trump und Israel zuständig war. Es ist sicher kein Zufall, dass er nun ebenfalls als zu russlandfreundlich gilt.

Da wird jeder Kontakt von US-Politikern mit russischen Kollegen in die Nähe des Geheimnisverrats gerückt. Da wird eine Unterredung zwischen Trump und dem russischen Außenminister skandalisiert. Dabei nehmen die, die sich am lautesten über den Geheimnisverrat echauffieren, in Kauf, dass durch die Fokussierung das Thema erst so richtig weltweit bekannt wird. Da wird endlos kommentiert, ob es bereits eine Behinderung der Justiz ist, wenn Trump Ermittlern gegenüber äußert, dass er hoffe, dass sie das Verfahren gegen seine engsten Mitarbeiter einstellen.

Wenn nun Vergleiche zur Watergate-Affäre gezogen werden, sollte daran erinnert werden, dass Nixon nicht abgesetzt werden sollte, weil er von Ermittlern eine Einstellung von Verfahren gefordert hat, sondern weil er Bespitzelungen von Gegnern und Einbrüche in die Zentrale der oppositionellen Demokraten zu verantworten hatte. Solange nicht ähnliche Vorwürfe gegen das Trump-Team laut werden, dürfte eigentlich jede Diskussion über ein Impeachment als das Wunschdenken von Menschen klassifiziert werden, die sich gegen einen Rechtspopulisten mit noch weniger legitimierten Institutionen des Tiefen Staats verbünden würden.


Geheimdienste trockenlegen und dann soll Trump verschwinden

Die Gründe sind unterschiedlich. Deutsch-Europa hofft, so schnell wie möglich einen US-Präsidenten los zu werden, der seine Politiker ähnlich behandelt, wie es sich gegen schwächere Staaten in der EU verhält.

In den USA hat ein Teil der Demokraten ihre Wahlniederlage noch immer nicht überwunden und will nun mit Hilfe des „Tiefen Staates“ Rache nehmen. Dabei hätte doch Clintons Umfeld als erstes den Rücktritt von FBI-Chef Comey fordern müssen. Er und nicht Russland hat mit seinen Ermittlungen in der Email-Affäre kurz vor den Präsidentenwahlen starken Einfluss auf deren Niederlage gehabt.

Die Oppositionellen in den USA sollten sich hüten, im Kampf gegen Trump auf die Institutionen des „Tiefen Staates“ setzen. Denn damit würden sie garantieren, dass in den USA selbst moderate Reformen nicht möglich sind. Das FBI und ähnliche Institutionen haben bisher immer nach der Devise gehandelt, dass es ihnen egal sei, wer unter ihnen Präsident ist. Eigentlich wäre es eine demokratische Aufgabe, diesen jahrzehntealten „Tiefen Staat“ endlich trockenzulegen. Das geht nach Lage der Dinge nur durch das Präsidentenamt. Soll doch Trump diese Aufgabe übernehmen und dann verschwinden, müsste die Forderung der Opposition lauten.

Peter Nowak
https://www.heise.de/tp/features/Tiefer-Staat-gegen-Trump-3726780.html
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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.welt.de/politik/ausland/article159356652/Tuerkei-gratuliert-Trump-und-fordert-Auslieferung-von-Guelen.html
[2] http://www.dw.com/de/gabriel-geht-auf-kirchentag-hart-mit-trump-ins-gericht/a-38991087
[3] http://www.taz.de/!5403119