Im Bundestag übte man sich 16. Dezember in Symbolpolitik und stritt über die Sitzordnung. Die neue Bundesregierung setzte mit ihrer Mehrheit durch, dass die FDP in die Mitte zwischen SPD und Grüne rückt und folglich die Unionsparteien neben der AfD sitzen müssen. Es war eine Lektion in Gesäßpolitik mit karnevalesken Anklängen, die natürlich die AfD am besten nutzen konnte. Sie kann sich ihren Anhängern weiterhin als ausgegrenzte Partei präsentieren, neben der niemand sitzen will. Vielleicht liegt das Fremdeln der Union mit der neuen Sitzordnung schlicht daran, dass sie einen Grundsatz ihres ehemaligen Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß …
„Die Normalisierung des Militärischen in Deutschland“ weiterlesenSchlagwort: No War Berlin
Radeln gegen Rüstung
RALLYE Antimilitaristisches Bündnis ruft Montagabend zu Protest gegen Sicherheitskonferenz auf
Nach Lösungen für „Europa in Gefahr“ suchen am kommenden Montag VertreterInnen der Politik, Nato und Rüstungsindustrie. Organisiert von der Zeitschrift Behördenspiegel treffen sie sich bei der „Berliner Sicherheitskonferenz“ (BSC) im Hotel Andel’s in der Landsberger Allee 106. Am Montagabend organisiert das antimilitaristische Mit einer sechs Kilometer langen Fahrradtour wollen die
AntimilitaristInnen Orte im Berliner Regierungsviertel aufsuchen, die mit Aufrüstung in Verbindung stehen sollen. Die Tour beginnt am Bundeswehr-Showroom gegenüber dem SBahnhof Friedrichstraße, gefolgt vom Bundesverteidigungsministerium und der Berliner
Dependance der Europäischen Kommission. Beendet wird die Tour mit einer Kundgebung vor der französischen Botschaft am Pariser Platz. Dort treffen sich die TeilnehmerInnen der BSC ab 19 Uhr zu einem Empfang und werden so mit den Protesten konfrontiert. Mehrere Jahre tagte die BSC ohne öffentliche Wahrnehmung. „Die Konferenz hat auf Öffentlichkeitsarbeit weitgehend verzichtet und war daher lange nicht bekannt“, erklärte Martina Roth vom No-War-Bündnis der taz. Sie verweist auf die zahlreichen SponsorInnen aus der Rüstungsindustrie. Dazu gehört der Kampfflugzeughersteller Lockheed Martin aus den USA ebenso wie der europäische Konzern Airbus Defence and Space, der die Bundeswehr mit Elektronik und IT-Systemen beliefert.
aus Taz vom MONTAG, 28. NOVEMBER 2016
Peter Nowak
Friedenswinter ade?
Ein bündnispolitischer Irrweg könnte die Reste der deutschen Friedensbewegung noch länger beschäftigen, doch eine Trennung ist nicht einfach für sie
„Die DFG-VK zieht ihre Unterstützung des ‚Friedenswinters‘ zurück“, vermeldete[1] die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner[2], eine antimilitaristische Organisation mit langer Geschichte. Mit einem Satz beendet sie eine Bündnisoption der Reste der deutschen Friedensbewegung, die diesen noch lange zu schaffen machen werden.
Weil die Aktivisten immer wieder registrierten, dass ihre Aktionen nur wenig Zuspruch vor allem bei jungen Leuten fanden, versuchte sie eine neue Bündnispolitik. Schließlich hatten sich die sogenannten Friedensmahnwachen gebildet, die offiziell weder rechts noch links und ideologiefrei sein wollten und damit viele Verschwörungstheoretiker aller Couleur geradezu anzogen. Anfangs hatten noch viele Aktivisten der alten Friedensbewegung den Charakter dieser rechtsoffenen Friedensmahnwachen richtig erkannt und sind auf Distanz gegangen. Doch dann scheint bei den Friedensfunktionären die Verlockung, wieder Massen anführen zu können, zu groß geworden sein und man kreierte den sogenannten Friedenswinter[3], das Bündnis zwischen alter Friedensbewegung und Mahnwachen (Rechtsruck in der deutschen Friedensbewegung?[4]) und riskierte damit sogar, wichtige antimilitaristische Organisationen wie die VVN/BdA[5] oder die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft[6] vor dem Kopf zu stoßen (Friedenscocktail aus Berlin[7]).
„Was ’spontan‘ und ‚unorganisiert‘ wirkt, wurde allerdings von Personen initiiert, die entweder selbst rechts verortet sind, oder von solchen, die keine Notwendigkeit sehen, sich nach rechts abzugrenzen“, begründete die VVN-BdA die Ablehnung des Bündnisses mit den Mahnwachen.
Wenn Kritiker zu von der Nato gekauften Feinden werden
Die DFG-VK war im Herbst 2014 noch bereit, dem Bündnis mit den Friedensmahnwachen eine Chance zu geben[8], auch weil sie den Dissens in der sowie so marginalen Antikriegsbewegung nicht weiter befördern wollte. Der unmittelbare Anlass für den Rückzug der DFG-VK lieferte dann ein verbaler Ausfall des Mahnwachen-Aktivisten Ken Jebsen gegen den politischen Geschäftsführer der DFG-VK Monty Schädel. Auf einer Kundgebung bezeichnete[9] der wegen seiner regressiven Israelkritik von einem Radiosender geschasste Moderator Schädel als Feind, der von der Nato gekauft ist. Damit reagierte Jebsen auf ein Interview[10], in dem Schädel eine kritische Bilanz des Friedenswinters zog und zu dem Fazit kam, dass dieser die Friedensbewegung nicht etwa voranbringt, sondern kaputt macht. Dabei äußerte Schädel auch Selbstkritik über seine Einschätzung der Abgrenzung der Mahnwachen nach rechts:
Meine Beobachtung ist, dass es von den Mahnwachen zwar viele Erklärungen gab, die sich von rechts distanzierten oder zum Antifaschismus und Humanismus bekannten. Diese Erklärungen wollte auch ich beim Wort nehmen. Es hatten sich verschiedene Mahnwachenaktivisten mit Personen der Friedensbewegung, die ich seit Jahren und Jahrzehnten kenne, zusammengetan, sie haben miteinander geredet, Positionen angeglichen. Das deckte sich mit meinen Ansichten nicht in allen Punkten, aber in den allermeisten. In der Realität, vor allem in den vergangenen Wochen, sehe ich aber, dass bei Mahnwachenveranstaltungen Leute aufgetreten sind, die auch in anderen Zusammenhängen eine Rolle spielen, zum Beispiel bei ‚Endgame‘, den neurechten ‚Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas‘[11]. Es gab eine klare Distanzierung von bestimmten Personen aus dem rechten Spektrum, und trotzdem agieren Mahnwachenvertreter, die auch für den ‚Friedenswinter‘ sprechen wollen, also mit mir und uns als DFG-VK in einem Bündnis sind, mit solchen Personen auf Demonstrationen.
Gerade die Endgame-Veranstaltungen haben anders als die Pegida-Aufmärsche tatsächlich in Teilen eine Querfront verwirklicht und Menschen mit einbezogen, die sich weiterhin als links verstehen. So bringen es Andreas Neumann und Annelie Fikentscher fertig, einerseits Proteste gegen die Pegida-Ableger in NRW positiv zu bewerten und gleichzeitig zu schreiben[12]:
„Die ‚Engagierten Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas‘ dagegen sind diejenigen, die erkannt haben, von wo die großen Bedrohungen für die Menschheit ausgehen.“ Dabei ist bei einen Blick auf die Endgame-Internetpräsenz[13] zu erkennen, dass dort mit dem Antiamerikanismus und dem Lügenpresse-Vorwurf sowie Verschwörungstheorien aller Art nur eine Variante von Pegida aktiv ist. Nun kommen allerdings Neumann und Fikentscher nicht aus dem Spektrum der Mahnwachenbewegung, sondern sind Traditionslinke, die nach dem Ende des Nominalsozialismus die politische Orientierung verloren haben. Damit dürften sie allerdings auch in der alten Friedensbewegung nicht allein sein, weshalb die Trennung von den Mahnwachen so einfach nicht sein dürfte.
Friedensbewegungsaktivisten in Duisburg bestanden etwa darauf, dass in der Stadt bei einer der Ostermärsche-Auftaktveranstaltungen[14] die Band Bandbreite[15] auftritt, weil die ja bei den Friedensmahnwachen und bei vielen anderen Querfrontprojekten sehr beliebt[16]. Nun muss sich der Kopf der Bandbreite dafür rechtfertigen, dass er mit einem bekannten Neonazi auf einem Foto[17] zu sehen ist. Doch was kann er dafür, wenn er von diesem nach einem Auftritt auf der Endgame-Kundgebung in Erfurt von diesem Rechten angesprochen wird? Schließlich ist sich die Bandbreite mit Fikentscher und Neumann einig, dass Endgame engagierte Friedenskämpfer sind.
Kann sich Friedensbewegung in eine Antimilitarismusbewegung transformieren?
Dass die Trennung vom Friedenswinter für manche Aktivisten der alten Friedensbewegung schwierig wird, zeigen auch die Beobachtungen[18], die der Journalist Kevin Culina bei dem Koordinationstreffen des Friedenswinters in Frankfurt/Main[19] gemacht hat. Er kommt zu einem sehr pessimistischen Resümee, was die Perspektiven der Friedensbewegung betrifft:
Die Distanzierungen mancher Protagonisten des „Friedenswinters“ verhallen, deren eigene Gruppen suchen lieber die Nähe. Die große Solidarität mit Ken Jebsen, die nicht feststellbare Ablehnung einer Beteiligung Jürgen Elsässers auf der Konferenz sowie die Verschwörungstheorien um gesteuerte Medien zeugen ebenfalls von den verschwommenen ideologischen Grenzen. Auch die mit Applaus bedachten Vorschläge aus dem Plenum, das Bündnis solle die „Solidarität mit Palästina gegen die israelische Besatzung“ und die „Souveränitätsproblematik“ stärker thematisieren, unterstreichen das. Da längst überfällige Abgrenzungen nicht vollzogen wurden und nicht zu erwarten sind, wird man große Teile der Friedensbewegung zukünftig einfach als Querfrontbewegung bezeichnen können – der gemeinsame Auftritt der Mahnwächter Jebsen und Märholz mit dem „Distanzierer“ Braun auf der Berliner Mahnwache am Montag spricht Bände.
In dem Maße, wie Deutschland selber an Kriegen beteiligt ist, muss eine Antimilitarismusbewegung genau diese Politik in den Fokus der Kritik rücken und erreicht damit natürlich keine Massenmobilisierung. Alte Denkmuster von vor 1989 hingegen sind mit ein Grund, warum in Teilen der alten Friedensbewegung das Bündnis mit dem Friedenswinter favorisiert wurde. Da werden weiter die USA und nicht die Politik Deutschlands und der EU als Hauptgefahr bezeichnet und manche imaginieren in Putin die frühere Sowjetunion. Unabhängig von der alten Friedensbewegung hat sich schon vor einigen Jahren eine junge Antimilitarismusbewegung[20] entwickelt, die sich mit den aktuellen Militarisierungstendenzen in Deutschland befasst, die Rekrutierung von Soldaten in Schulen und Jobcenters ebenso kritisiert, wie sie das im Bau befindliche Gefechtsübungszentrum[21] bei Magdeburg jährlich besucht[22] (Vor dem Auslandseinsatz geht es künftig zur Probe in die Altmark[23]).
Es gab in den letzten Jahren eine lose Kooperation zwischen dieser Antimilitarismusbewegung und der alten Friedensbewegung. Zurzeit liegt sie auf Eis, weil die jungen Antimilitaristen die Zusammenarbeit mit den Friedensmahnwachen ablehnen[24]. So hätte der Teil der ehemaligen Friedensbewegung durchaus andere Bündnisoptionen und könnte so Teil einer Antimilitarismusbewegung werden, die sich den aktuellen Fragen in Deutschland 2015 widmet und nicht die Schlachten des Kalten Krieges weiter schlägt und verliert.
http://www.heise.de/tp/artikel/44/44540/1.html
Anhang
Links
[1]
http://www.rostocker-friedensbuendnis.de/node/448
[2]
http://www.dfg-vk.de/willkommen/
[3]
http://friedenswinter.de/aufruf/
[4]
http://www.heise.de/tp/news/Rechtsruck-in-der-deutschen-Friedensbewegung-2467899.html
[5]
http://www.vvn-bda.de/keine-zusammenarbeit-mit-den-mahnwachen/
[6]
http://www.facebook.com/GEW.BERLIN/posts/846498025413760
[7]
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43622/
[8]
http://friedenswinter.de/die-vvn-bda-sollte-ihre-stellungnahme-zum-friedenswinter-ueberdenkenvon-harald-fuchs-dfg-vk-koeln/
[9]
http://www.dfg-vk.de/aktuelles/dfg-vk-neuigkeiten/2015/1025
[10]
http://www.jungewelt.de/2015/03-21/005.php
[11]
http://www.facebook.com/EnDgAmEU
[12]
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21428
[13]
https://www.facebook.com/EnDgAmEU
[14]
http://www.ostermarsch-ruhr.de/
[15]
http://www.diebandbreite.de/
[16]
http://www.antifaschismus2.de/rechte-strategien/kultur/452-die-bandbreite-eine-ausfuehrliche-kritik
[17]
http://www.diebandbreite.de/foto-mit-neonazi-aufgetaucht/
[18]
http://jungle-world.com/artikel/2015/12/51640.html
[19]
http://friedenswinter.de/2-aktionskonferenz-frieden-samstag-14-maerz-2015-frankfurtmain-1130-ca-1700/
[20]
http://nowar.blogsport.de/
[21]
http://www.deutschesheer.de/portal/a/heer
[22]
http://www.warstartsherecamp.org/de/gefechts%C3%BCbungszentrum-g%C3%BCz
[23]
http://www.heise.de/tp/news/Vor-dem-Auslandseinsatz-geht-es-kuenftig-zur-Probe-in-die-Altmark-2015096.html
[24]
http://nowar.blogsport.de/2015/01/22/offener-brief-an-die-berliner-friedenskoordination/#more-108