Freundeskreis Paul Wulf (Hg.): »Ich lehre euch Gedächtnis«. Paul Wulf: NS-Opfer, Antifaschist, Aufklärer. Unrast-Verlag, Münster 2021, 304 Seiten, 19,80 Euro

»Paul bleibt«

Wulf verbrachte viel Zeit in Bibliotheken, um über die Nazivergangenheit von Münsteraner Medizinern zu recherchieren. »Mein Ziel ist es«, erklärte er, »den kleinkarierten Bürgern, die immer noch den Nazis nachtrauerten, Aufklärung zu bieten.«

Am 2. Mai dieses Jahres versammelten sich rund 100 Menschen in Münster, um Paul Wulfs zu gedenken, der an diesem Tag seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Aus diesem Anlass hat der Freundeskreis Paul Wulf den Band »›Ich lehre euch Gedächtnis‹« herausgegeben, der das Leben eines Mannes nachzeichnet, der als Jugendlicher …

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Ausstellung in Berlin über Arbeiterschriftsteller*innen von Ina Wudtke

Greif zur Feder

Ab 19 Juni kann die Ausstellung in der Galerie Futura am Flutgraben 3 in Berlin-Treptow wieder besucht werden. Am 20. Mai spricht aber Ina Wudtke auf einer Onlineveranstaltung unter dem Titel »Kunst ist Waffe. Arbeiterschriftsteller*innen von den 1920er Jahren bis heute«. Eine Anmeldung ist erforderlich und möglich unter: mail@alpha-nova-kulturwerkstatt.

«Die Gewehre der Frau Carrar», «Das Leben des Galilei», Der gute Mensch von Sezuan«. Brecht-Liebhaber*innen sind diese Titel natürlich bekannt. Die Bücher liegen auf einen Tisch in der Galerie Futura am Flutgraben 3 in Berlin-Treptow. Dort widmet sich die Berliner Konzeptkünstlerin Ina Wudtke unter dem Titel »Greif zur Feder« der Geschichte der marxistischen Arbeiterschriftsteller*innen in der Weimarer Republik und in der DDR. Mit der Exposition will sie auch das verzerrte Bild von den »Goldenen Zwanziger Jahren« korrigieren, das die individuelle Freiheit einer kleinen Mittelschicht in den Großstädten betont. Wudtke legt dagegen das Augenmerk auf die Freiheiten, die sich damals vor allem der linke Flügel der Arbeiter*innenbewegung kollektiv erkämpft hat.  Die Arbeiterschriftsteller*innen, die über das schrieben, was sie …

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Sven Gringmuth: Was war die Proletarische Wende? Ein Beitrag zur Mentalitätsgeschichte der bundesrepublikanischen Linken. Verlag Westfälisches Dampfboot 2021, 442 Seiten, 44 Euro.

Als chinesische Chöre die Doors ersetzten

In einer lesenswerten Studie beschäftigt sich der Sozialwissenschaftler Sven Gringmuth mit der Begeisterung für die Geschichte und Kultur der Arbeiterschaft, die die intellektuelle Linke Ende der sechziger Jahre erfasste.

Seltsam entrückt scheint die Zeit, als Tausende angehende linke Akademiker die Weltrevolution vorantreiben wollten. Und doch ist die »Proletarische Wende« in der außerparlamentarischen Opposition der Bundesrepublik und Westberlins gerade mal 50 Jahre her. Vor allem jüngere Leser werden sich fragen: »Was war die Proletarische Wende?« So lautet auch der Titel eines Buchs, das der Sozialwissenschaftler Sven Gringmuth kürzlich im Verlag Westfälisches Dampfboot veröffentlicht hat. Der im Untertitel versprochene »Beitrag zur Mentalitätsgeschichte der bundesrepublikanischen Linken« konzentriert sich vor allem auf die …

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Ausbeutung der migrantischen Arbeiter*innen in Deutschland

Arbeitskampf als verlorene Zeit?

Zum Weiterlesen: Hendrik Lackus, Olga Schell (Hg.): Mall Shame, Kampf um Würde und Lohn, Die Buchmacherei, Berlin 2020, 200 Seiten, 10 Euro, ISBN: 978-3-9822036-69. Dietl Stefan, Birner Kathrin, Die modernen Wanderarbeiter*innen, Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte, Unrast-Verlag, Münster 2021, 140 Seiten, 12,80 Euro, ISBN: 978-3-89771-299-7.

Wer pflückt unsere Erdbeeren? Wer erntet den Spargel“ Wer putzt, pflegt und bringt die Pakete? Je schlechter eine Arbeit, je Mieser bezahlt, desto stärker setzt die Branche migrantische Arbeit ein. Kapitalistische Logik: Menschen, die die Landessprache nicht sprechen; Menschen, die die Gesetze nicht kennen; Menschen, die Geld brauchen, weil sich in ihrer Heimat der Kapitalismus ohne soziale Maske zeigt, lassen sich leichter ausbeuten. Peter Nowak schreibt über die migrantische Arbeit in Deutschland und das System der Subunternehmen. …

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Eine Buchvorstellung zur Situation migrantischer Wander-Arbeiter:innen

ES HILFT NUR SELBSTORGANISATION

Birner Kathrin, Dietl Stefan. Die modernen Wanderarbeiter*innen, Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte, Unrast-Verlag, 139 Seiten, ISBN: 978-3-89771-299-7, 12,90 Euro

„Fast 2000 Menschen drängen sich am Osterwochenende 2020 dicht an dicht im Wartebereich des Flughafens im rumänischen Cluj. Der Grund für den Zustrom auf das Flughafengebäude sind drei Sondermaschinen, die in Richtung Deutschland abheben. Wenige Tage zuvor hatte die deutsche Bundesregierung den Weg dafür geebnet, Erntehelfer:innen mit Charterflügen ins Land zu bringen.“ Mit dieser Szene, die vor einem Jahr mediale Aufregung auslöste, beginnt ein Buch, das die beiden Verdi-Gewerkschafter:innen …

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In Münster wurde an Paul Wulf erinnert, der 100 Jahre alt geworden wäre

Aufklärer und Antifaschist

Als besonderes Geburtstagsgeschenk hat der Freundeskreis zudem im Unrast-Verlag ein vorzüglich gestaltetes Buch mit dem programmatischen Titel »Ich lehre Euch Gedächtnis - Paul Wulf: NS-Opfer, Antifaschist, Aufklärer« herausgegeben.

»Ich lehre Euch Gedächtnis« lautet der programmatische Titel einer Gedenkveranstaltung, an der sich am 2. Mai in Münster rund 100 Menschen beteiligten. Sie erinnerte an Paul Wulf, einen Mann, der im Nationalsozialismus zwangssterilisiert und nach 1945 immer wieder ausgegrenzt wurde. Heute ist er auch über Münster hinaus sehr bekannt. Der Freundeskreis Paul Wulf hatte zur Matinee eingeladen. Unterstützt wurde die Gedenkveranstaltung auch von der Stadt Münster. Die Gedenkveranstaltung fand vor der Paul-Wulf-Skulptur in der Nähe des Münsteraner Hauptbahnhofs statt. Das Kunstwerk hatte …

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Die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Winker plädiert für eine Allianz aus Feminismus und Klimabewegung

Mit Vergesellschaftung gegen Care- und Klimakrise

Im Gespräch mit ak legt die Autorin des kürzlich erschienenen Buchs »Solidarische Ökonomie – revolutionäre Realpolitik für Care und Klima« dar, wo Schnittpunkte zwischen der Care Revolution und der Klimagerechtigkeitsbewegung zu suchen sind.

2015 haben Sie im Transcript-Verlag schon ein Buch zur Care-Revolution herausgegeben. Wo ist der Unterschied zu Ihrem aktuellen Buch?

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Kritisch-lesen.de feiert aktuell zehnten Gründungstag, für eine linke Gegenöffentlichkeit ist die Internetseite unverzichtbar

Es geht um die Bücher

Die Ursprünge von Kritisch-lesen.de liegen im Projekt Stattweb.de, einer digitalen Auskopplung der Stattzeitung, so die Selbstbezeichnung, aus Südbaden. Der mittlerweile verstorbene Lehrer Fritz Güde hatte nach seiner Pensionierung gemeinsam mit dem Publizisten und nd-Autor Sebastian Friedrich ein Kollektiv gegründet, in dem ausschließlich Buchrezensionen veröffentlicht wurden.

»Jugoslawien – 30 Jahre später« lautet der aktuelle Schwerpunkt der Plattform Kritisch-lesen.de. Elf Bücher mit dem Schwerpunkt Jugoslawien werden vorgestellt. Es geht sowohl um die Geschichte der jugoslawischen Arbeiterselbstverwaltung als auch um die Rolle der Partisan*innen in dem Land. Auch die Wiederauflage des heute weitgehend vergessenen »Proletarischen Humanismus« des Marxisten Miladin Životić wird rezensiert. Er war Mitglied der Praxisgruppe, die nach 1968 für einige Jahre auch über Jugoslawien hinaus eine wichtige Adresse für dissidenten Marxismus gewesen ist. Es ist die insgesamt 59. Ausgabe von Kritisch-lesen.de, jede hat einen eigenen Schwerpunkt. Die Seite feiert nun ihren zehnten Gründungstag. Die Ursprünge von Kritisch-lesen.de liegen im …

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Am Weltgesundheitstag kooperieren Klimaaktivsten und Pflegekräfte. Eine die unterschiedlichen Gruppen verbindende Losung lautet: Der Markt wird es nicht richten

Kohle nur noch für die Pflege

Zur theoretischen Fundierung der Aktivitäten im Carebereich trägt ein Buch bei, das die Sozialwissenschaftlerin Gabriele Winker kürzlich unter dem Titel "Care Revolution Schritte in eine solidarische Gesellschaft" herausgegeben hat. Winker beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, warum die Sorgearbeit im Kapitalismus zunehmend zum Problem wird.

„Der Markt wird es nicht richten – Gesundheit ist keine Ware“, lautet das Motto beim Berliner Aktionstag für eine bessere Gesundheit am 7. April. Wie in vielen Städten nutzen auch in Berlin Beschäftigte aus dem Medizin- und Pflegebereich gemeinsam mit Unterstützern den Weltgesundheitstag, um für ihre Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen und mehr finanziellen Mitteln im Care-Bereich, wie der Gesundheits- und Pflegesektor genannt wird, an die Öffentlichkeit zu tragen. Durch die Corona-Pandemie ist das Thema Gesundheit stärker in das Blickfeld der Gesellschaft gerückt. Das wollen Bündnisse in verschiedenen Städten nutzen, um …

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Anette Hoffmann hat nun eine Pionierarbeit geleistet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen acht Tonbandaufnahmen, die der österreichische Anthropologe und Arzt Rudolf Pöch bei der kolonisierten afrikanischen Bevölkerung machte.

Gewaltförmiges in Tonaufnahmen

Anette Hoffmann: Kolonialgeschichte hören, Das Echo gewaltsamer Wissensproduktion in historischen Tondokumenten im südlichen Afrika. Mandelbaum Verlag, Wien 2020, 172 Seiten, 22 Euro

Historische Sprachaufnahmen, die während der kolonialen Herrschaft in afrikanischen Ländern aufgenommen wurden, spielten in der Debatte um die koloniale Vergangenheit bisher kaum eine Rolle. Die Kulturwissenschaftlerin Anette Hoffmann hat nun eine Pionierarbeit geleistet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen …

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Notizen zu einer Debatte zweier linker Soziologen: Malm & Clover

Die Wiederkehr der Aufstände

Joshua Clover: Riot. Strike. Riot. Die neue Ära der Aufstände. Galerie der abseitigen Künste & Non Derivate, 234 S., br, 19 €. Malm Andreas: Wie man eine Pipeline in die Luft jagt. Kämpfen lernen in einer Welt in Flammen. Matthes & Seitz, 211 S., geb., 18 €.

Sicherlich wäre es eine viel besuchte, lebhafte Veranstaltung des Bildungsvereins Helle Panke e. V. – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin geworden. Zwei Soziologen waren eingeladen, deren Thesen in der linken Bewegung breit diskutiert werden. »Kämpfe in einer erhitzten Welt« lautete denn auch der Titel der pandemiebedingt ins Internet verlegten Debatte. Dabei ging es unter anderem um zwei aktuelle Bücher der beiden Diskutanten, deren Titel allein schon aufmerken lassen. »Wie man eine Pipeline in die Luft jagt« nennt der schwedische Soziologe Andreas Malm sein Werk. Er stellt allerdings gleich zu Beginn klar, dass er keineswegs dazu aufrufen möchte, Öl- oder Gaspipelines zu attackieren, was die Umwelt schließlich noch mehr schädigen würde. Der verkaufsfördernde Titel des Buches ist eine Metapher. Malm erläutert darin sein Konzept, mit Mitteln des …

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Maik Fielitz/Holger Marcks: Digitaler Faschismus, Die sozialen Medien als Motor des Rechtsextremismus. Dudenverlag, 256 S., geb., 18 €.

Gaslighting und Dogpilling

Im letzten Kapitel setzen sich die Autoren für eine Regulierung der digitalen Medien ein, für eine »Ermächtigung des Gemeinwesens über die neuen Technologien«. Dazu hätte man von den Autoren, die aus der außerparlamentarischen Linken kommen, gerne Ausführlicheres gelesen. In den USA wird immerhin in sozialen Bewegungen bereits die Vergesellschaftung von Internetkonzernen diskutiert. Statt konkrete gesellschaftskritische Akzente zu setzen, beschwören Fielitz und Marcks immer wieder ziemlich vage die »offene Gesellschaft«, die vor den rechten Internetstrategien verteidigt werden muss.

Endlich wird hierzulande ernsthaft diskutiert, welchen Anteil die sozialen Medien an der akuten Rechtsentwicklung in jüngster Zeit haben. Den Sozialwissenschaftlern Maik Fielitz und Holger Marcks geht es darum, nicht nur Fragen aufzuwerfen, sondern auch …

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Neue »Cilip«-Ausgabe zum Thema Polizei und Rechtsextremismus

Wie rechts sind die Sicherheitsbehörden?

Der linke Gewerkschaftshistoriker Malte Meyer, dem wir auch die Erkenntnis verdanken, dass eine Massenbewegung die Kennzeichnungspflicht vor mehr als 170 Jahren durchgesetzt hatte, untersucht in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift »Cilip« die Gründe, warum die Polizeigewerkschaften konservative Standesorganisationen geblieben sind. Sein Aufsatz endet mit der Feststellung: »Eine kritische Geschichte deutscher Polizeigewerkschaften wäre erst noch zu schreiben.«

Der linke Gewerkschaftshistoriker Malte Meyer, dem wir auch die Erkenntnis verdanken, dass eine Massenbewegung die Kennzeichnungspflicht vor mehr als 170 Jahren durchgesetzt hatte, untersucht in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift »Cilip« die Gründe, warum die Polizeigewerkschaften …

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Lothar Fritze: Kulturkampf. Moralischer Universalismus statt Selbstbehauptung? Jungeuropa-Verlag, 224 S., geb., 22€.

Rechte Stichwortgeber

Warum man das neue Buch von Lothar Fritze nicht lesen muss: Schwafelei vom »Kulturkampf«

»Wer wissen will, wie der Sieg von Antifa, Big Tech und Establishment gestoppt werden kann, muss Fritze lesen. Kurz: Wer die linke Diktatur noch verhindern will, muss sich bilden. Mit Fritzes ›Kulturkämpfe‹ hat man endlich das passende Werk zur Hand.« So überschwänglich wurde auf der ultrarechten Onlineplattform »PI-News« ein Buch beworben, das in neurechter Diktion raunt, eine …

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Die jüngsten Unruhen von den Niederlanden bis Tunesien haben Gemeinsamkeiten, die in der politischen und medialen Debatte im Westen ausgeblendet werden

Rückkehr der (Corona-)Riots

Mit Blick auf die Lage in den Niederlanden ist es auffällig, dass der Begriff der Unruhe oder der Riots selten fällt. Dabei gibt es seit einigen Wochen das Buch Riot.Strike.Riot des US-Soziologen Joshua Clover in deutscher Sprache erschienen.

Die Unruhen der letzten Tage, die in den Niederlanden vor den Wahlen die innenpolitische Diskussion bestimmen, haben sich Mitte der Woche zunächst nicht fortgesetzt. Auffällig ist, wie schwer sich die Medienvertreter tun, das Geschehen auch nur zu benennen. Neben dem eingangs verlinkten Bericht von Stephan Schleim auf Telepolis schrieb die linksliberale taz

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