Ausbeutung der migrantischen Arbeiter*innen in Deutschland

Arbeitskampf als verlorene Zeit?

Zum Weiterlesen: Hendrik Lackus, Olga Schell (Hg.): Mall Shame, Kampf um Würde und Lohn, Die Buchmacherei, Berlin 2020, 200 Seiten, 10 Euro, ISBN: 978-3-9822036-69. Dietl Stefan, Birner Kathrin, Die modernen Wanderarbeiter*innen, Arbeitsmigrant*innen im Kampf um ihre Rechte, Unrast-Verlag, Münster 2021, 140 Seiten, 12,80 Euro, ISBN: 978-3-89771-299-7.

Wer pflückt unsere Erdbeeren? Wer erntet den Spargel“ Wer putzt, pflegt und bringt die Pakete? Je schlechter eine Arbeit, je Mieser bezahlt, desto stärker setzt die Branche migrantische Arbeit ein. Kapitalistische Logik: Menschen, die die Landessprache nicht sprechen; Menschen, die die Gesetze nicht kennen; Menschen, die Geld brauchen, weil sich in ihrer Heimat der Kapitalismus ohne soziale Maske zeigt, lassen sich leichter ausbeuten. Peter Nowak schreibt über die migrantische Arbeit in Deutschland und das System der Subunternehmen. …

„Arbeitskampf als verlorene Zeit?“ weiterlesen
Urteil zum Lohnbetrug bei der »Mall of Berlin«

»Konservative Rechtsprechung«

"Da das Gericht mit seiner Entscheidung den juristischen Weg verschlossen hat, sehe ich jetzt nur noch in einem verstärkten gesellschaftlichen Kampf von Gewerkschaften und politischen Gruppen einen Weg."

Am Mittwoch voriger Woche wies das Bundesarbeitsgericht in Erfurt die Klage von Ovidiu Mindrila und Niculae Hurmuz gegen den In­vestor des Einkaufszentrums »Mall of Berlin« zurück. Die rumänischen Bauarbeiter hatten auf Zahlung des Lohns geklagt, den sie…..

„»Konservative Rechtsprechung«“ weiterlesen

»Ausbeutung wieder ein Thema«

Seit mehr als zwei Jahren kämpfen die ehemaligen Bauarbeiter des Einkaufszentrums Mall of Berlin um ihren Lohn. Über den aktuellen Stand sprach die Jungle World mit Clemens Melzer und Tinet Ergazina von der Berliner Sektion der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion (FAU).

Small Talk mit Clemens Melzer und Tinet Ergazina (FAU) von Peter Nowak

Sie haben den Bauinvestor Harald Huth verklagt. Warum?

Clemens Melzer: Wir verklagen nicht Huth persönlich, sondern eines seiner zahlreichen Unternehmen, die HGHI Leipziger Platz GmbH. Laut dem ­Arbeitnehmerentsendegesetz haftet der Auftraggeber wie ein Bürge für die Zahlung des tariflichen Mindestlohns an die Arbeitnehmer seiner Subunternehmen.

Warum klagen Sie erst jetzt?

Melzer: Am Bauprojekt war ein ganzes Geflecht von Unternehmen beteiligt. Die HGHI Holding GmbH beauftragte als Generalunternehmerin die Fettchenhauer Controlling und Logistic GmbH. Diese beauftragte als Subunternehmen unter anderem die Openmallmaster GmbH und die Metatec Fundus GmbH & Co. KG, für die unsere Mitglieder gearbeitet haben. Wir haben stets alle Akteure als verantwortlich benannt und in einem offenen Brief an die damalige Arbeitssenatorin Dilek Kolat auch auf die Rolle von Staat und Politik hingewiesen. Die Arbeiter haben zuerst die Subunternehmen verklagt und in acht von zehn Fällen Recht bekommen. Jedoch hat Metatec direkt nach dem Urteil Insolvenz angemeldet und Openmallmaster ist für das Gericht nicht mehr auffindbar.

Warum klagt eigentlich nur ein Bauarbeiter?

Tinet Ergazina: Die erste Klage ist schon fertig, weitere sind in Vorbereitung. Zwei Kollegen befinden sich in Berlin, die anderen arbeiten in anderen Ländern. Aber alle bestehen auf der Zahlung ihres Lohns.

Dieser Lohnkampf sorgt für große Aufmerksamkeit, trotzdem bekamen die Arbeiter ihr Geld nicht. Zeigen sich hier die Grenzen einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik?

Melzer: Nicht das Konzept einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik stößt an seine Grenzen. Es ist der lange juristische Weg. Wenn sich in Zukunft Bauarbeiter in ­einem höheren Grad organisieren und es möglich wird, in Fällen von Lohnraub zu Arbeitskampfmaßnahmen zu greifen, dann wären langwierige Gerichtsprozesse gar nicht unbedingt notwendig. Die Frage ist doch, wie es sein kann, dass diese Arbeiter allen Widrigkeiten zum Trotz nicht aufgegeben haben? Auf der Baustelle wurden Hunderte Arbeiter extrem ausgebeutet. Die Arbeiter, die auf ihren Löhnen und schriftlichen Verträgen bestanden, wurden oft sofort gefeuert. Es gab einen fast unendlichen Nachschub an Arbeitern, die noch nichts über die Zustände wussten, und ein einzelner Arbeiter war leicht zu ersetzen. Das Beispiel der Arbeiter, die trotzdem nicht aufgegeben haben, zeigt, dass es auch unter diesen Umständen möglich ist, Widerstand zu leisten. Wenn andere daraus lernen, wird es in Zukunft einfacher sein.

Proteste vor der Mall of Berlin sind seltener geworden. Ist der Lohnkampf in der Linken kein Thema mehr?

Ergazina: Wo immer die FAU Berlin hingeht, werden unsere Mitglieder auf die »Mall of Shame« angesprochen. Es ist weiterhin ein großes Thema. Die große Unterstützung, die wir im Rahmen dieses Kampfes erfahren haben, zeigt, dass Lohnarbeit und Ausbeutung wieder ein Thema in der deutschsprachigen Linken sind. Gewerkschaftsneugründungen wie zuletzt die Basisgewerkschaft Unterbau an der Frankfurter Goethe-Universität und die Gefangenengewerkschaft GG/BO, aber auch der wilde Streik bei Daimler in Bremen und das Sick-out, die gezielten Krankmeldungen, bei mehreren Flug­gesellschaften dieses Jahr lassen darauf schließen, dass immer häufiger der Mut da ist, sich zu organisieren.

Small Talk von Peter Nowak

http://jungle-world.com/artikel/2016/49/55356.html