Berlin-Blockade, zweiter Versuch


Manche verfassen bereits Nachrufe auf das »Blockupy«-Bündnis. Dieses ruft indessen zu einem Aktionswochenende in Berlin auf.

Ende Juli machte eine merkwürdige Reisegruppe mit Koffern und Kartons kurzzeitig Halt vor dem Bundesarbeitsministerium. »Blockupy zieht nach Berlin« hieß das Motto der Veranstaltung, die bei einigen Linken jedoch für Spott sorgte. Schließlich war das »Blockupy«-Bündnis hauptsächlich für drei politische Großdemonstrationen und -blockaden in Frankfurt am Main bekannt, die die Polizei mit Großeinsätzen be­endete, und nicht für Polittheater. Die »Blockupy«-Aktion 2015 war mit einer in den vergangenen Jahren in Deutschland eher ungewöhnlichen linken Militanz verbunden. Deshalb waren manche überaus verwundert, dass die Organi­satoren des Bündnisses mit einem im Vergleich zu den Ereignissen des vergangenen Jahres harmlosen Auftritt ihren Einstand in Berlin gaben.

Ob »Blockupy« auch in Berlin für Protest mit so viel Herz sorgen wird wie hier in Frankfurt im März 2015?

Ob »Blockupy« auch in Berlin für Protest mit so viel Herz sorgen wird wie hier in Frankfurt im März 2015? (Foto: Action Press / NurPhoto / Rex / Markus Heine)

Für den 27. August hatten sich einige Unterstützer von »Blockupy« anlässlich des Tags der offenen Tür der Bundes­regierung erneut das Bundesarbeitsministerium für eine Protestaktion ausgesucht. Sie entrollten ein Transparent mit der Parole »Exit Fortress Europe, Austerity, Capitalism – Blockupy 2.9. Berlin«. Damit machten sie auf den bundesweiten Aktionstag am Freitag aufmerksam. Wie schon anlässlich der Demonstrationen und Blockaden in Frankfurt müssen die Teilnehmer auch in Berlin früh aufstehen. Bereits ab 7.30 Uhr wollen sie vom Potsdamer Platz und vom Gendarmenmarkt aus zur Blockade des Arbeitsministeriums aufbrechen.

Mit der Wahl dieses Ziels richtet das Bündnis seine Kritik unter anderem auf die Austeritätspolitik, die im Wesentlichen von Deutschland ausgeht. »Wir glauben, es ist dringend an der Zeit, das Lager der Solidarität im Zentrum des europäischen Kapitalismus sichtbar werden zu lassen und hier gemeinsam die vermeintliche Alternativlosigkeit der neoliberalen Mitte anzugreifen – bevor nationale ›Lösungen‹ in Gesetzen, in Parlamenten und auf der Straße überhand nehmen«, heißt es in dem zentralen Aufruf. In einem Text zur »Feministischen Intervention« wird an den Druck erinnert, der durch die in Deutschland vorangetriebenen Hartz-Reformen auch europaweit auf die ­Bereiche der sozialen Reproduktion ausgeübt wird. »Was im politischen Labo­ratorium Deutschland erfolgreich getestet wurde, soll nun als Exportschlager allen anderen europäischen Ländern aufgezwungen und in Deutschland weiter verschärft werden«, heißt es dort. Die Verfasserinnen und Verfasser erinnern daran, dass besonders alleiner­ziehende Frauen von Armut betroffen sind.

Die geplante Blockade ist dabei nur der Auftakt eines Aktionswochenendes. Am 3. September ruft ein Bündnis unter dem Motto »Aufstehen gegen rechts« zum Protest gegen den Aufstieg der AfD auf. Die Beteiligung von Grünen und SPD an dieser Demonstration ruft nicht nur Freude hervor. »Vom pragmatischen Antihumanismus von SPD, Grünen und CDU zur authentischen Menschenfeindlichkeit einer Frauke Petry und eines Björn Höcke ist es nur ein kleiner Schritt«, heißt es in einem Aufruf des Blocks »Nationalismus ist keine Alternative«, der vom kommunistischen Bündnis »Ums Ganze« getragen wird. Dort wird auch »Sahra Obergrenze Wagenknecht« als ein Beispiel dafür benannt, wie parlamentarische Linke den Rassismus entschuldigen oder sogar forcieren.

»Mit der geplanten Blockade des Bundesarbeitsministeriums wollen wir deutlich machen, dass die jüngsten Hartz-IV-Verschärfungen von den Intentionen her das umsetzen, was auch die AfD fordert«, sagt Klaus Steinle von der Berliner »Blockupy«-Plattform der Jungle World. »Denn mit den Arbeitsmigranten aus EU-Ländern und den Alleinerziehenden werden genau die Gruppen noch einmal schlechter gestellt, die auch im Visier der Rechtspopulisten stehen«, betont Steinle. Er erwartet eine dreistellige Teilnehmerzahl. Hannah Schuster, Pressesprecherin von »Blockupy«, sieht in dem Aktionswochenende mehr als ein Event. »Es geht um den Versuch, ein linkes Projekt, einen linken Pol zu bilden, der die soziale Frage und Antirassismus offensiv zusammenführt«, sagt sie. Darüber soll am 4. September auch auf einem bundesweiten Aktionstreffen in den Räumen der Rosa-Luxemburg-Stiftung am Berliner Mehringplatz beraten werden.

Das »Blockupy«-Bündnis muss derzeit auch gegen seine mediale Dar­stellung ankämpfen. Denn stellenweise werden schon Nachrufe verfasst. So sieht der Taz-Redakteur Martin Kaul in dem Aktionswochenende den »Abschluss eines einst erfolgreichen Bündnisses«, das seinen Glanz verloren habe. Dass selbst die rechte Boulevardpresse vor der geplanten Ministeriumsblockade keine Schreckensmeldungen über drohende Gewalt verbreitet, zeigt, dass das Bündnis auf der Gegenseite nicht mehr ernst genommen wird. Niemand scheint zu erwarten, dass am kommenden Wochenende Berlin lahmgelegt wird wie Frankfurt die drei Jahre zuvor. Das liegt vor allem an der Rat­losigkeit der Krisenprotestbewegung auf europäischer Ebene. »Bisher gibt es keine wirksame emanzipatorische Antwort auf die europäische Krise«, heißt es im Aufruf von »Nationalismus ist keine Alternative«.

Der Politologe Nikolai Huke hat kürzlich im Verlag Edition Assemblage unter dem Titel »Krisenproteste in Spanien« ein Buch veröffentlicht, in dem er detailliert aufzeigt, wie die verschiedenen gewerkschaftlichen und sozialen Protestbewegungen in den vergangenen fünf Jahren an ihre Grenzen gestoßen sind. Dabei weist Huke auch nach, dass es nicht Parteien wie Podemos waren, die den sozialen Protestbewegungen ihre politische Kraft genommen haben. Vielmehr profitierten solche neuen Parteien von der Erschöpfung des außerparlamentarischen Protestzyklus. Podemos brauchte Huke zufolge gar nicht an die Regierung zu kommen, um zu verdeutlichen, dass der Anspruch einer ganz anderen Politik bereits gescheitert ist. Trotzdem kommt der Autor zu dem gar nicht so pessimistischen Schluss, dass es den unterschiedlichen Bewegungen, aber auch der neuen linken Partei in Spanien gelang, »in diesem Prozess kleine Erfolge zu erzielen, die durch ihr erfolgreiches Scheitern die spanische Gesellschaft grundlegend veränderten«. Huke hat diese These auch am Beispiel der Bewegung gegen die Zwangsräumungen und der jahrelangen Kämpfe im Bildungs- und Gesundheitsbereich gut belegt. In diesen Sektoren führten Beschäftigte teilweise lang anhaltende Arbeitskämpfe, aber meist ohne die bisher dominierenden Gewerkschaften.

Auch das »Blockupy«-Netzwerk hat in den vergangenen Monaten verstärkt das Augenmerk auf Arbeitskämpfe in Bereichen gerichtet, die bisher kaum gewerkschaftlich organisierbar waren. Anfang Oktober 2015 fand in Poznan unter dem Motto »Dem transnationalen Streik entgegen« eine europaweite Konferenz statt (Jungle World 42/15). Im Oktober wird es in Paris erneut eine Konferenz zum selben Thema geben, auf der auch die jüngsten Erfahrungen mit den Arbeitskämpfen und sozialen Bewegungen in Frankreich einfließen sollen. Am 1. März 2016 gab es erstmals in mehreren europäischen Ländern zugleich Aktionen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse (Jungle World 8/16). Wenn das Protestbündnis diese Orientierung weiterverfolgt, könnte der Begriff Krisenproteste eine neue Bedeutung bekommen: Es ginge dann nicht mehr um die Banken und die Börse, sondern um die alltägliche Krise der prekär Beschäftigten im Kapitalismus.

http://jungle-world.com/artikel/2016/35/54762.html

von Peter Nowak

Die vergessene Whistleblowerin Chelsea Manning

Ihr Selbstmordversuch und ihre verschärften Haftbedingungen wurden in Deutschland kaum wahrgenommen

In der letzten Woche wurde in manchen Medien kurz vermeldet, dass die Fraktionen der Linken und der Grünen einen neuen Anlauf nehmen, um den US-Whistleblower Snowden doch noch die Möglichkeit zu geben, in Deutschland vor dem NSA-Untersuchungsausschuss aussagen zu können[1].

In einem Brief an den Bundesgerichtshof fordern beide Fraktionen, dass die Blockade der Bundesregierung gegen eine Vernehmung von Snowden in Deutschland beendet werden soll. Allerdings dürfte das Ansinnen, Snowden nach Deutschland zu bringen, genau so wenig Chancen auf Verwirklichung haben wie bisher. Die mit antiamerikanischem Furor geführte Debatte über die NSA hat in Deutschland merklich an Bedeutung verloren. Im Zuge der internationalen Terrorgefahr betonen Politiker und Geheimdienstexperten wieder die Gemeinsamkeit der unterschiedlichen Dienste.

So würde Chelsea Manning angeblich gerne aussehen. Bild: Save Manning

Zudem dürfte es sich Snowden zweimal überlegen, ob er nach Deutschland reist, wo nicht ausgeschlossen werden kann, dass er in die USA ausgeliefert wird. Zudem haben Medien[2] und Politiker[3] in Deutschland Snowden mehrmals beschuldigt, mit dem russischen Geheimdienst zu kooperieren. Das könnte sogar in Deutschland juristische Folgerungen haben. Das Schicksal der Whistleblowerin Chelsea Manning deutet die Gefahr an, die Snowden droht, sollte er an die USA ausgeliefert werden.

Selbstmordversuch bestätigt

Die Gerüchte, wonach Manning im  Militärgefängnis von Fort Leavenworth einen Selbstmordversuch unternommen hat, bestätigen sich[4] laut der Anwälte von Manning. Ihnen zufolge hat ihre Mandantin in den Morgenstunden des 6. Juli einen Suizidversuch unternommen. Auf ihrer Twitterseite[5] hinterließ Manning die Botschaft: „Ich bin okay. Ich bin froh, am Leben zu sein. Vielen Dank für Eure Liebe. Ich komme da durch.“

Auf der Internetseite der Kampagne für Mannings Freilassung[6] wird der Selbstmordversuch mit den erschwerten Haftbedingungen von Manning in Verbindung gebracht[7].  Erschwerend kommt hinzu, dass der Transgender Manning die 25jährige Haftstrafe wegen Spionage und Verrat in einem Militärgefängnis für Männer verbüßen muss. Chelsea Manning hatte wichtige Dokumente und Videos an die Plattform Wikileaks geschickt, die Kriegsverbrechen von US-Militärs während ihres Engagements im Irak  dokumentieren.

Nach Suizidversuch verschärfte Repression im Gefängnis

Nach ihrem Suizidversuch versuchen Solidaritätsgruppen mit einer Petition gegen die erschwerten Haftbedingungen vorzugehen[8]. Die US-Behörden versuchen hingegen, die Haftbedingungen gegen Manning noch zu erschweren[9].

Manning droht eine erneute Anklage. Vorgeworfen werden ihr bedrohendes Verhalten, der Besitz verbotener Gegenstände und der Widerstand gegen Gefängnispersonal. Kommt es zu einer Verurteilung, befürchten US-Menschenrechtsorganisationen[10] unbefristete Einzelhaft, Wiedereinstufung auf die höchste Sicherheitsstufe sowie neun zusätzliche Haftjahre ohne die Möglichkeit der Haftaussetzung.

Der Chaos Computer Club, dessen Ehrenmitglied Mannings ist[11] fordert eine Begnadigung von Mannings und kritisiert ihre Haftbedingungen. In der Erklärung heißt es:

Die unmenschlichen Haftbedingungen haben Chelsea Manning an den Rand des Selbstmords getrieben. Als Strafe für ihren Versuch sollen diese nun noch verschärft werden. Mannings Haftbedingungen wurden schon 2012 vom UN-Berichterstatter als Folter kritisiert. Wir fordern den scheidenden US-Präsidenten Barack Obama auf, Manning zu begnadigen und so den grausamen Bedingungen ein Ende zu bereiten. Das wäre endlich das langersehnte Zeichen für Whistleblower, auf das viele hoffen.

Die Erklärungen von Netzpolitik und dem CCC sind eine der wenigen Stimmen, die in Deutschland Solidarität mit Mannings fordern. Der Suizidversuch wurde kaum wahrgenommen. Der deutschsprachige Wikileaks-Eintrag zu Manning[12] wurde seit längerem nicht mehr aktualisiert.

Das harte Vorgehen der US-Behörden gegen die Whistleblowerin demonstriert, dass Menschen, die es wagen, Kriegsverbrechen bekannt zu machen, mit den Folgen bis zur Vernichtung rechnen müssen- Dass sich die deutschen Repressionsorgane nicht anders verhalten würden, ist klar. In Zeiten, in denen der Krieg wieder häufiger als Möglichkeit der Politik ins Spiel gebracht wird, gehören harte Sanktionen gegen Menschen, die die Folgen des Krieges nicht einfach als Kollateralschaden  hinnehmen wollen, zum Politikgeschäft.

Eine internationale Plattform für die Freiheit von Manning wäre dringend notwendig. Das Desinteresse in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit zeigt einmal mehr, der Hype um Snowden galt und gilt weniger der Informationsfreiheit und der Solidarität mit den Whistleblowern, er war vielmehr darauf ausgerichtet, moralisch Punkte im Kampf zwischen Deutschland und den USA zu machen.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49295/1.html

Anhang

Links

[0]

https://twitter.com/SaveManning/status/476438342867763200

[1]

http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-08/nsa-edward-snowden-gruene-linke-untersuchungsausschuss-deutschland

[2]

http://www.bild.de/politik/ausland/edward-snowden/von-russen-als-spion-angeworben-46601344.bild.html

[3]

http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/hans-georg-maassen-edward-snowden-ein-russischer-agent-a-1096833.html

[4]

http://de.euronews.com/2016/07/12/chelsea-manning-nach-suizidversuch-ich-bin-okay

[5]

https://pbs.twimg.com/profile_images/643848486010638336/OmQvY0Rl.png

[6]

https://www.chelseamanning.org

[7]

https://www.chelseamanning.org/featured/chelsea-manning-could-face-punishment-for-suicide-attempt

[8]

https://www.freemanning.de

[9]

https://netzpolitik.org/2016/whistleblowerin-chelsea-manning-droht-unbefristete-einzelhaft

[10]

https://www.aclu.org/news/chelsea-manning-faces-new-charges-indefinite-solitary-confinement-related-suicide-attempt

[11]

https://ccc.de/de/updates/2016/begnadigung-fur-chelsea-manning

[12]

https://de.wikipedia.org/wiki/Chelsea_Manning

Giftige Geschäfte

Nach einer Umweltkatastrophe in Vietnam im Frühjahr halten die Proteste gegen das verantwortliche Unternehmen und die vietnamesische Regierung, die mit dem dubiosen Konzern kooperiert, an.

Unabhängige Umweltschützer sind bei vielen Regierungen nicht gerne gesehen. Das ehemals realsozialistische Vietnam, das schon längst den Weg der kapitalistischen Marktwirtschaft eingeschlagen hat, geht derzeit gegen Menschen vor, die die Umweltverbrechen des taiwanesischen Konzerns Formosa Plastics Group (FPG) in Vietnam öffentlich machen wollen. So wurden von der vietnamesischen Regierung kürzlich Repressalien gegen Blogger verschärft, die Videos über weltweite Aktionen ins Netz stellen, mit denen eine angemessene Entschädigung für die Umweltverschmutzungen des Konzerns in Vietnam und die Bestrafung der dafür Verantwortlichen gefordert wird.

Anfang April waren über mehrere hundert Kilometer an der Küste Vietnams Millionen toter Meereslebewesen angeschwemmt worden. Zudem gibt es Berichte über schwere Erkrankungen von Menschen, die Fisch aus diesem Gebiet verzehrt haben. Die Formosa Ha Tinh Steel Company soll zuvor 200 Tonnen hochgiftige Chemikalien ins Meer geleitet haben (Jungle World 25/2016). In Vietnam waren daraufhin wochenlang Menschen aus Protest gegen den Umweltskandal auf die Straße gegangen.

FPG hat zwar mittlerweile eine Entschädigung von 500 Millionen US-Dollar zugesagt. Für die Kritiker des Unternehmens ist diese Summe angesichts der immensen Umweltschäden in Vietnam und der Vergiftung der Meere jedoch völlig unzureichend. Zudem ist noch unklar, wie viele Menschen Gesundheitsschäden durch die Aktivitäten von FGB erlitten haben. Bekannt ist bisher nur, dass ein Taucher gestorben ist, nachdem er in dem Teil des Meeres unterwegs gewesen war, in den FPG das Gift geleitet hatte. Dass die vietnamesische Regierung die Aufklärung der Umweltschäden und der Folgen erschwert, zeigte sich, als Experten vor Ort recherchieren wollten. Die vietnamesische Regierung erlaubte ihnen nicht, Meerwasserproben zu entnehmen, so dass sie sich auf die Daten der Regierung stützen mussten.

Der 1954 in Taiwan gegründete Konzern Formosa war im antikommunistischen Klima des Vietnamkrieges zum weltweit führenden Unternehmen auf dem Gebiet der Chemie und Biotechnologie geworden war. Daher erstaunt die heutige Kooperation, doch schon lange unterhält die Volksrepublik Vietnam, die mit China über Grenzfragen zerstritten ist, gute Kontakte mit Taiwan. Zudem könnte eine unabhängige Zivilgesellschaft die Kritik auch auf die Umweltbilanz vietnamesischer Unternehmen ausweiten. Das wollen die vietnamesischen Behörden verhindern. Dennoch haben sich am 17. Juni anlässlich der FPG-Jahreshauptversammlung in Taiwan neben internationalen Umweltschützern auch Vietnamesen in verschiedenen Ländern an Protesten beteiligt. In Köln organisierte die Gruppe »Viet Zukunft« an diesem Tag eine Unterschriftenkampagne für eine angemessene Entschädigung. Um politische Verfolgung in Vietnam zu vermeiden, unterhält die Initiative aber keine Homepage und es finden sich auch keine Videos über die Aktion.

Doch FPG ist nicht erst wegen der Umweltschäden in Vietnam in die Kritik geraten. Bereits 1998 wurden Konzernmitarbeiter dabei erwischt, wie sie 3 000 Tonnen giftiger Abfälle vor der kambodschanischen Hafenstadt Sihanoukville im Meer versenken wollten. Auch in Kambodscha geht die dortige eng mit der vietnamesischen Regierung verbündete Kommunistische Partei seit Jahren repressiv gegen zivilgesellschaftliche Initiativen und Gewerkschaften vor. In Taiwan ist in den vergangenen Jahren die Kritik an dem Gebaren des Konzerns gewachsen. Mittlerweile steht FPG auf einer Liste der zehn größten Umweltverschmutzer des Landes. Unabhängige Gewerkschaften prangern auch die Arbeitsbedingungen in dem Konzern an. Immer wieder komme es in Betrieben von FPG zu Todesfällen und anderen Unfällen, schreibt auch die Stiftung Ethecon, die dem Konzern bereits 2009 ihren alljährlich ausgelobten Schmähpreis Black Planet Award verliehen hat. Ethecon hat unter anderem die Forderungen der internationalen Protestbewegung gegen FPG in Deutschland bekannt gemacht.

http://jungle-world.com/artikel/2016/34/54726.html

Peter Nowak

Überdosis Trump in den deutschen Medien

– aber zu den Berliner Wahlen nur Kunstkritik?

Droht Anfang November ein Bundespräsident Trump? Diesen Eindruck konnte man in den letzten Wochen haben. Fast täglich wurden wir mit den neuesten Äußerungen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten bombardiert, die in der Regel mit dem Hinweis versehen waren, nun habe Trump endgültig seine Chancen auf einen Sieg verspielt. Wenn es doch anders kommt, wird der Großteil dieser Medien das alte Feindbild Amerika polieren, das unter Bush und Reagan so gut zog und unter Obama etwas floppte.

Was die angeblich karrierehemmenden Äußerungen Trumps betrifft, sei nur daran erinnert, dass Präsident Reagan zum Scherz vor einem nicht abgeschalteten Mikrophon der Sowjetunion mal den Krieg erklärte. Beim konservativen Wählersegment hat ihm das nicht geschadet. Was aber die „Überdosis US-Wahlen“ in den hiesigen Medien betrifft, so hat Karsten Laske in der Wochenzeitung Freitag treffend formuliert[1]: „Eine Nachricht, wer am Ende das Ding gewonnen hat und Präsident wird. Das nehme ich gern zur Kenntnis.“

Berlin-Wahl entscheidet über Karriereknick von Gabriel

Bis dahin könnten wir uns ja mal daran erinnern, dass in den nächsten Wochen in Mecklenburg Vorpommern und Berlin Landtags- bzw. Abgeordnetenhauswahlen abgehalten werden, die durchaus nicht unwichtig für die repräsentative Politik in Deutschland sind. Hier könnte sich entscheiden, ob Sigmar Gabriel noch vor den Bundestagswahlen seinen innerparteilichen Absturz erlebt.

Obwohl viele Konkurrenten ihn gerne die Bundestagswahlen verlieren lassen würden, weil auch sie keine viel besseren Ergebnisse erzielen würden, wäre Gabriel wohl nicht mehr zu halten, wenn die Partei in Mecklenburg Vorpommern nicht mehr den Ministerpräsidenten stellen würde und auch in Berlin hinter die Union zurück fiele. Bisher liegt sie in Umfragen nur noch wenige Punkte vor der Henkel-CDU. Zudem dürfte sich bei beiden Landtagswahlen die Etablierung der rechtspopulistischen AFD fortsetzen, so dass sie dann auch für die Bundestagswahlen gute Ausgangsbedingungen hat.

In Mecklenburg-Vorpommern wird sich zeigen, ob daneben noch eine offen neonazistische Partei eine Chance zum Einzug ins Parlament hat. Die NPD liegt in den Umfragen in einem Bereich, der das nicht als unmöglich erscheinen lasst.

Kunstkritik oder Wahlkampf

Das müssten eigentlich Gründe genug sein, die hiesigen Wahlen und nicht die neuesten Trump-Äußerungen mehr in den Fokus der Berichterstattung zu stellen. Doch in den letzten Wochen hatte man den Eindruck, es handelte sich bei den Wahlen um eine Freiluft-Kunstausstellung. Die Wahlplakate der verschiedenen Parteien wurden zum Gegenstand ästhetischer Betrachtungen, wie sie sonst bei Ausstellungen erfolgen.

Dazu haben die Parteien auch selber beigetragen. So verzichtete die SPD auf ihren ersten großen Plakatwänden ganz auf ihr Logo[2] und zeigte nur ihren Spitzenkandidaten Müller blass im Hintergrund, während im Vordergrund das Leben einer Metropole vorbeizog, beispielsweise eine Frau mit Kopftauch, die eine Rolltreppe hochfährt.

Die Piratenpartei, obwohl bei den Wahlen wohl chancenlos, hat im Bezirk Berlin-Friedrichshain das Thema Gefahrengebiet[3] sogar mit Leuchtdioden zum Ausdruck gebracht. Mittlerweile wurden diese Plakate aber wohl von Sammlern kurzerhand entwendet. Damit hat die Partei nach den Wahlen zumindest nicht das Problem der Entsorgung ihrer eigenen Plakate. Vor allem kleine Parteien erleben eine Überraschung, wenn ihnen eine Rechnung ins Haus flattert, weil sie die ihre Werbung nicht fristgemäß entsorgt haben.

Auch die AFD-Plakate waren Gegenstand ästhetischer Betrachtungen, weil sie Homosexuelle Islamkritik vortragen lassen. Dabei haben sie doch nur von ihren rechtspopulistischen Freunden aus anderen Ländern abgeschrieben, die etwa in Frankreich und Belgien schon längst erkannt haben, dass man auch ungeliebte Minderheiten mal wahltaktisch umarmen kann. Diese Avancen stoßen durchaus bei manchen in der Zielgruppe auf Zustimmung. Bei so viel Kulturkritik im Wahlkampf war man überrascht, dass manchmal auch über Inhalte gestritten wurde.

So reklamierte die SPD „Oma Anni“, die für ein Plakat der Linken als Mietrebellin[4] ausgewiesen wird, für die Sozialdemkokraten[5].

Die Seniorin hat erklärt, dass sie schon so lange SPD wählt, dass sie das mit 95 nicht mehr ändern will. Zum Glück für die Linke hat sie aber der Partei die Zustimmung gegeben, ihr Konterfei für Wahlkampfzwecke zu verwenden. Die Frage wäre jetzt, ob Oma Anni der Ausschluss drohen würde, wenn sie denn SPD-Mitglied wäre. So ist der ganze Streit für die Linke sogar von Vorteil. Sie kann so aufzeigen, dass sogar bei der SPD-Traditionswählerschaft die Vorbehalte gegen die Linkssozialdemokraten zurückgehen und könnte damit entsprechende Signale in die SPD-Stammwählerschaft senden.

Zudem hat die Linke damit klargestellt, dass sie tatsächlich eine echte Mietrebellin abgelichtet haben, die mit anderen Senioren seit Jahren gegen massive Mietsteigerungen in der Siedlung am Steinberg am Rande von Berlinkämpft. Andere Parteien haben für ihre Figuren von professionellen Darstellern spielen lassen.

Dass die Debatte über die Berliner Wahlen in den Medien bisher mehr oder weniger unter Kunstkritik lief, zeigt den Bedeutungsverlust der Parteienpolitik. Wo scheinbar alles Event und Kunst wird, kann die Wahl natürlich keine Ausnahme machen. Warum soll auch um politische Inhalte gestritten werden, wenn prinzipiell alle Parteien scheinbar dasselbe wollen, nämlich den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken, und daher austauschbar sind.

Weil die Zwänge der kapitalistischen Wirtschaft keine Experimente erlauben und Justiz, Schuldenbremse und EU-Verträge dafür sorgen, dass auf keinen Fall eine Reform verabschiedet wird, die nicht „der Wirtschaft“, wohl aber der Mehrheit der lohnabhängigen Bevölkerung Verbesserungen bringt, gibt es auch keinen Grund mehr, bei Wahlen über Politik zu streiten.

Innere Sicherheit als Wahlkampfthema

Da kommen zumindest für die Sicherheitspolitiker aller Parteien die Anschläge der letzten Wochen wie gerufen, um doch noch etwas Politik in den Wahlkampf zu bringen. Die schon abgeschriebene Henkel-CDU hofft, mit Forderungen nach einem Burka-Verbot und nach der Rücknahme der doppelten Staatsbürgerschaft noch aufzuholen.

Denn für ein Burka-Verbot sind auch viele Menschen, die sich für eine säkulare Gesellschaft einsetzen[6] und nicht zu den traditionellen CDU-Wählern zählen. Tatsächlich kann ein Burkaverbot durchaus nicht einfach mit einer Law-and-Order-Politik gleichgesetzt werden und es wäre töricht von Grünen, Sozialdemokraten und Linken, wenn sie als Reflex die Burka verteidigen würden und die Kritik von Feministen und Säkularen ignorieren würden.

Für die Henkel-CDU ist es der letzte Versuch, doch mit dem Sicherheitsthema bei den Berliner Wahlen zu punkten. In den letzten Wochen ist er mit seiner Politik gescheitert, soziale Konflikte um das linke Hausprojekt Rigaer Straße 94[7] zu einem Thema der Sicherheitspolitik zu machen. Doch zumindest in der unmittelbaren Nachbarschaft waren alle Versuche gescheitert, die Bewohner der Hauses, die in der Mehrheit Mietverträge haben, als „Chaoten und Politkriminelle“ zu figurieren. In den Tagen der Rund-um-die-Uhr-Belagerung des Hauses durch die Polizei wuchs die Solidarität der Nachbarschaft[8].

Dadurch wurde auch die Gentrifizierung im Stadtteil ein Thema für Menschen, die sich bisher nicht politisch artikulieren[9]. Nachdem die Forderung nach Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien in der Nachbarschaft immer lauter wurden, die Henkel-CDU aber dazu nicht bereit war, sorgte ein Gerichtsurteil für zeitweilige Entspannung.

Die Räumung von einigen Räumen des Hausprojekts wurde als rechtswidrig erklärt, die Belagerung beendet. Das Beispiel bestätigt die These, die die Politikwissenschaftlerin Anna Kern in ihrem jüngsten Buch Urbane Sicherheitsregime im Neoliberalismus[10] ausführlich begründete. Die Produktion von Sicherheit und Unsicherheit ist gesellschaftlich bedingt und es gibt durchaus nicht nur die Frontstellung repressiver Staat gegen die Bevölkerung.

Wenn große Teile dieser Bevölkerung da nicht mitmachen, hat die Law-and-Order-Politik keine Grundlage. Das musste die Henkel-CDU im Fall der Rigaer Straße erfahren. Ob sie mit dem Versuch die Anschläge der letzten Wochen für Gesetzesverschärfungen mehr Erfolg hat, wird sich am Wahlabend zeigen. Dann werden wir auch feststellen, dass die vollmundigen Erklärungen von Grünen und SPD, mit der Henkel-CDU kein Bündnis einzugehen, nur bis zum Wahlabend gelten.

Entweder die CDU ist der große Verlierer, dann kommt es zu einer Koalition der Parteien links von der Union. Sollte aber die CDU stärkste Partei werden, werden alle sagen, der Wähler hat eben anders entschieden. Zumindest hat die Debatte über die Innere Sicherheit dazu geführt, dass im Vorfeld der Berliner Wahlen nicht nur über die Ästhetik der Plakate gesprochen wird.

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49192/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[0]

https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Abgeordnetenhaus.jpg

[1]

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/lasst-es-doch-einfach-mal

[2]

http://www.tagesspiegel.de/berlin/wahlkampagne-fuer-berlin-spd-wirbt-mit-mueller-aber-ohne-parteilogo/13944720.html

[3]

https://berlin.piratenpartei.de/wp-content/uploads/2016/06/bknvuTLQ.jpg

[4]

http://images.google.de/imgres?imgurl=http://bilder4.n-tv.de/img/incoming/crop18365631/7811322856-cImg_16_9-w1200/oma-anni.jpg&imgrefurl=http://www.n-tv.de/politik/Linke-werben-mit-SPD-Waehlerin-Oma-Anni-article18365676.html&h=675&w=1200&tbnid=LS1nOToFaFEZQM:&tbnh=90&tbnw=160&docid=kj8AyfSvo9_EhM&client=firefox-b&usg=__1NfVVIOv1rCFm-lXEDMkKOtRScE=&sa=X&ved=0ahUKEwjyk7T1x9LOAhWLJsAKHU0pBd0Q9QEINjAH

[5]

https://www.berlinonline.de/mitte/nachrichten/4519369-4015813-streit-um-oma-anni-aus-kleinkleckersdorf.html

[6]

http://www.a3wsaar.de/aktuelles/details/d/2014/07/12/ja-zum-burka-verbot-in-frankreich/

[7]

https://rigaer94.squat.net

[8]

https://nordkiezlebt.noblogs.org/

[9]

http://mietenstoppfriedrichshain.blogsport.de

[10]

http://www.dampfboot-verlag.de/shop/artikel/produktion-von-un-sicherheit-urbane-sicherheitsregime-im-neoliberalismus

Schläge in der Fleischfabrik

Die Arbeitsbedingungen vor allem für osteuropäische Migranten in Deutschland erinnern teils an frühkapitalistische Zustände. Das Projekt »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship« setzt sich deshalb für die Stärkung der Rechte von Beschäftigten im EU-Raum ein.

Der Kampf dauert mittlerweile fast zwei Jahre. Dennoch haben die acht rumänischen Bauarbeiter bislang keinen Cent ihres Lohns erhalten. Sie waren auf der Baustelle des Einkaufszentrums »Mall of Berlin« tätig. Doch ihre Arbeitgeber haben ihnen den Lohn vorenthalten. Die Beschäftigten gewannen, unterstützt von der Basisgewerkschaft FAU, mehrere Prozesse. Doch auch das nützte nichts. Denn die beklagten Unternehmen gingen durch alle Gerichtsinstanzen, nur um am Ende Insolvenz anzumelden. Die Arbeiter befinden sich mittlerweile längst wieder in Rumänien oder arbeiten in anderen europäischen Ländern.

Simina Guga hält Kontakt zu ihnen und informiert sie über die juristische Entwicklung ihrer Klagen in Deutschland. Guga ist die für Rumänien zuständige Koordinatorin des Projekts »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship«, das sich der Stärkung der Rechte von Beschäftigten in der EU widmet. Wie notwendig das ist, zeigen die von dem Projekt gesammelten Erfahrungsberichte von Beschäftigten aus verschiedenen süd- und osteuropäischen Ländern, die in Deutschland unter miserablen Bedingungen gearbeitet haben. Sie sind auf dem Portal www.testing-eu-citizenship.de nachzulesen.

»Nach unseren Untersuchungen leiden Arbeitsmigranten in der Fleischverarbeitungsindustrie an physischen Verletzungen und kältebedingten Folgeschäden aufgrund mangelnder Arbeitssicherheit. Ermöglicht durch ausgeprägtes Subunternehmertum werden Arbeiter aus anderen EU-Ländern in diesen Branchen häufig unterbezahlt, durch Scheinselbständigkeit der Sozialleistungen beraubt und in einigen Fällen sogar physisch und psychisch bedroht«, berichtete die Berliner Projektkoordinatorin Hannah Heyenn bei der Vorstellung des Abschlussberichts im Juli in Berlin. Zu Beginn wurde der kurze Dokumentarfilm »Der Fleischalbtraum« von Magdalena Pięta-Stritzke und Michał Talarek gezeigt, der Ausbeutungsverhältnisse offenlegt, wie sie eigentlich für den Frühkapitalismus typisch waren. »Wir fühlten uns wie in einem Arbeitslager. Die Unterkunft war schmutzig. An den Wänden war Schimmel«, berichtet ein polnisches Ehepaar in dem Film über seine Erfahrungen in einer Fleischverarbeitungs­fabrik mit angeschlossener Unterkunft in der Nähe von Leipzig. Nach einer Zwölfstundenschicht sollten die Polen noch Überstunden leisten, Krankheiten sollten sie mit Alkohol auskurieren. Wer sich krankschreiben ließ, sei mit Lohnabzug bestraft worden, so die Beschäftigten in dem Film. Als ein Kollege die Arbeits- und Wohnbedingungen nicht mehr aushielt und kündigte, sei er von Beauftragten des Unternehmens geschlagen und schwer verletzt worden.

Kamila Schöll-Mazurek, die am Abschlussbericht von »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship« mitgearbeitet hat, hob die zentrale Rolle hervor, die das System der Scheinselbständigkeit und des Subunternehmertums für solche Arbeitsverhältnisse in Deutschland spielt. In der Praxis habe sich gezeigt, dass es damit Beschäftigten schwer gemacht wird, ihre Rechte durchzusetzen, selbst wenn sie Gerichtsprozesse gewinnen. Jochen Empen vom Projekt »Faire Mobilität«, das beim DGB angesiedelt ist, benannte konkrete Maßnahmen, die die Rechte der Beschäftigten stärken sollen. Dazu gehört die transnationale Strafverfolgung, die es ermöglichen soll, Unternehmen wegen Verstößen gegen das Arbeitsrecht über Ländergrenzen hinweg juristisch zur Verantwortung zu ziehen.

Als weitere aussichtsreiche Möglichkeit zur Eindämmung von Diskriminierung und Lohnbetrug gilt die Kettenhaftung von Unternehmen. Mit ihr könnte in der Bauwirtschaft verhindert werden, dass Beschäftigte auf ihren Lohn verzichten müssen, wenn Subunternehmen in Konkurs gehen. Dann müsste das Generalunternehmen, das die Subunternehmen beauftragt hat, für entgangene Löhne haften. Projekte wie »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship« fordern außerdem, Unternehmen dazu zu verpflichten, Rück­lagen zu bilden, damit die Löhne der Beschäftigten auch bei einer Insolvenz gesichert sind. In Österreich sind solche Gesetze bereits in Kraft. In Deutschland muss die Diskussion darüber mit Betroffenen, Gewerkschaften und NGOs erst noch beginnen.

http://jungle-world.com/artikel/2016/33/54675.html

Peter Nowak

Tropfen auf den heißen Stein

Stahlkonzern zahlt Entschädigung für Umweltschäden und Fischsterben

Das taiwanesische Stahlwerk Formosa Plastic Group (FPG) steht seit Jahren wegen der Schädigung der Umwelt in der internationalen Kritik. Die Proteste zeigen mittlerweile Wirkung. So hat sich der Konzernvorstand zur Zahlung von 500 Millionen US-Dollar Entschädigung wegen der massiven ökologischen Schäden und des Fischsterbens in Vietnam bereit erklärt.

»Offenkundig haben unsere internationalen Proteste in Kooperation mit Partnern in Vietnam, Taiwan und anderen Ländern Wirkung gezeigt«, erklärt die Geschäftsführerin der Stiftung Ethecon, Sarah Schneider, gegenüber »nd«. Die Nichtregierungsorganisation hatte 2009 der Formosa Plastic Group den Schmähpreis »Black Planet Award« verliehen. »Die Geschichte des Konzerns ist begleitet von einer andauernden Folge sozialer und ökologischer Verbrechen in aller Welt«, hieß es in der Begründung.

Die Ursprünge des Konzerns liegen im Kalten Krieg: 1954 wurde er in Taiwan gegründet und hat sich zu einem führenden Biotechnologie- und Chemieunternehmen entwickelt. Immer wieder geriet er mit Umweltskandalen in die Kritik. So wurde 1998 bekannt, dass FPG 3000 Tonnen giftigen Abfall vor Kambodschas Küste illegal entsorgte. Immer wieder gibt es auch Verletzte und Tote unter den Beschäftigten des Konzerns, der in Taiwan als einer der zehn größten Umweltverschmutzer gilt, die für ein Viertel der im Land produzierten Treibhausgase verantwortlich sind.

Obwohl FPG im auch gegen Nordvietnam gerichteten Kalten Krieg groß geworden ist, will die heute auf dem Pfad der Marktwirtschaft wandelnde vietnamesische Regierung es sich mit dem Unternehmen nicht verderben. »Umweltschützer werden nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen«, erklärt Schneider. Ein internationales Expertenteam, das die Verschmutzung untersuchen wollte, durfte keine eigenen Meerwasserproben entnehmen, sondern musste sich auf Daten der Regierung stützen. Gegen Blogger, die Videos über die Proteste gegen den Konzern veröffentlichen, gehen die vietnamesischen Behörden mit Repressionen vor.

Daher hat die Gruppe »Viet Zukunft« auch keine eigene Homepage. Sie besteht aus in Deutschland lebenden Vietnamesen, die in ihr Heimatland zurückkehren wollen. Sie beteiligten sich am 17. Juni parallel zur Jahreshauptversammlung von FPG in Taiwan an einer Unterschriftenkampagne in Köln.

In vielen Ländern wurde an diesem Tag eine angemessene Entschädigung für die Umweltverbrechen gefordert. »Die 500 Millionen US-Dollar sind viel zu gering«, betont Schneider. Ethecon fordert auch die Bestrafung der für die Umweltverbrechen Verantwortlichen im Konzern. Von der vietnamesischen Regierung wird eine vollständige Transparenz über das Ausmaß der Umweltverschmutzung abgemahnt. Das Thema wird auch auf der Ethecon-Jahreshauptversammlung am 19. November in Berlin eine Rolle spielen. Wer diesmal den Black Planet Award für besonders große unternehmerische Verantwortungslosigkeit verliehen bekommt, gibt Ethecon am 19. September bekannt.

Peter Nowak

Kampf im Knast

In der JVA Würzburg haben Gefangene nach elf Tagen ihren Hungerstreik abgebrochen

Im Juli haben sich 47 Gefangene in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Würzburg mit einem einen Hungerstreik für bessere Zustände im Gefängnis eingesetzt. Das Medieninteresse blieb allerdings erstaunlich gering. Dies hat dazu geführt, dass die Gefangenen ihre Aktion nach elf Tagen erfolglos abbrechen mussten. Wie die regionale Presse den Streik interpretierte, zeigt ein Bericht der Onlinezeitung infranken.de zum Streikabbruch. Der Anstaltsleiter Robert Hutter kam dort mit der Erklärung zu Wort, dass die Zahl der Hungerstreikenden »mit jeder Mahlzeit weniger geworden« seien, obwohl ihre Forderungen nicht erfüllt wurden.

Auf jene Forderungen der Hungerstreikenden, die in der Onlinezeitung als »drogenabhängige Strafttäter« diffamiert werden, wird genau so wenig eingegangen, wie auf die Repression der Gefängnisleitung, die auch zum Abbruch des Hungerstreiks beigetragen hat. Die Anstaltsleiter hatte »acht Rädelsführer« in andere Gefängnisse verlegen lassen, heißt es in der kurzen Meldung. Auch hier ist die diffamierende Diktion eindeutig erkennbar: Gefangene, die für ihre Rechte eintreten und auch Mitgefangene motivieren, werden mit als »Rädelsführer« bezeichnet. Dass Häftlinge Rechte haben, wird in dem Beitrag nicht einmal erwähnt.

Dass sich in den letzten Monaten mehr Gefangene für ihre Rechte einsetzen, hängt auch mit der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organisierung (GG/BO) zusammen, die im Mai 2014 in der JVA-Tegel gegründet wurde. (ak 612) »Einige der am Würzburger Hungerstreik beteiligten Häftlinge sind Mitglieder der GG/BO. Wir standen mit ihnen Kontakt und haben den Hungerstreik insgesamt unterstützt, indem wir in einer Pressemitteilung die Forderungen publiziert und zur Solidarität aufgerufen haben«, erklärt Konstantin von der GG/BO Jena gegenüber ak.

Dass die Würzburger Gefangenen nicht für die drei Kernforderungen der GG/BO – Mindestlohn, Sozial- und Rentenversicherung und Anerkennung der Gewerkschaft – in den Hungerstreik gegangen sind, hält Konstantin nicht für eine Beliebigkeit. »Die GG/BO vertritt wie auch alle anderen Gewerkschaften die Interessen und Bedürfnisse der inhaftierten Arbeiterinnen und Arbeiter, die sich in ihr organisieren – in all ihrer Vielfalt.« Das können mehr Telefonate, bessere Ernährung, bessere medizinische Versorgung, frühere Haftentlassung, ein Ende der rassistischen Diskriminierung oder die Abschaffung der Postzensur sein.

Besonders restriktive Haftanstalt

Die Würzburger Häftlinge forderten unter anderem ein Methadonprogramm und die Lockerung der Arrestbedingungen für Gefangene, die sich im Drogenentzug befinden. Betroffene berichteten, dass in der JVA Würzburg auch diese Gefangene trotz ihrer körperlichen Beeinträchtigungen weiterhin zur Pflichtarbeit gezwungen werden. Von den extrem niedrigen Löhnen dieser Zwangsarbeit profitiert unter anderem der VW-Konzern, wie ein Mitglied der GG/BO Leipzig in einem Interview mit dem Freiburger Sender Radio Dreyeckland erklärte.

Für die Rechtsanwältin Christina Glück, die einen der Würzburger Häftlinge vertritt, verletzt die JVA Würzburg durch den erzwungenen kalten Entzug die Menschenwürde. Die Häftlinge litten vor allem am Anfang unter starken Entzugserscheinungen, klagten über schweren Durchfall und Erbrechen. Die in der Würzburger Justizvollzugsanstalt zuständigen Ärzte hielten trotzdem an dieser Form des Entzugs fest. Die Menschenwürde der Gefangenen wird in der JVA Würzburg auch dadurch verletzt, dass sie nur in ganz wenigen Ausnahmefällen telefonieren dürfen. Dann bleibt als einziges Kommunikationsmittel nach Draußen das in allen Gefängnissen verbotene Mobiltelefon. Wenn ein Handy bei einem Gefangenen gefunden wird, folgt als Sanktion eine 14-tägige Isolationshaft, der sogenannte Bunker. Wie die Antwort der bayerischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des bayerischen Landtagsabgeordneten Florian Streibel (Freie Wähler) zeigt, hält die JVA Würzburg bei diesen Bunkerstrafen in Bayern den Rekord.

Eine weitere Verschärfung in der JVA Würzburg besteht darin, dass die Gefangenen ihre seltenen Telefonate nur mit dem Geld, das sie durch die Pflichtarbeit im Knast verdienen, begleichen dürfen. Telefonate durch Überweisungen von Außen hingegen sind nicht möglich.

Die Arbeitskraft zur Waffe machen

Wie verzweifelt die Situation der Gefangenen ist, zeigte sich daran, dass die zum Mittel des Hungerstreiks gegriffen haben. »Es gibt nicht viele Möglichkeiten, im Knast zu protestieren. Die Verweigerung von Nahrung – oft Hungerstreik oder Hungerfasten genannt, ist eine davon«, schreibt die Schweizer Journalistin Sabine Hunziker in der Einleitung ihres im März dieses Jahres erschienenen Buches »Protestrecht des Körpers«. Schon der Titel verdeutlicht, dass Menschen, die keine andere Möglichkeit zum Widerstand haben, ihren Körper als Waffe einsetzen. In dem Buch kommen auch Hungerstreikende aus verschiedenen Knastkämpfen zu Wort. Der politische Aktivist Fritz Teufel, der sich auch an mehreren Hungerstreiks beteiligte, suchte schon in den 1970er Jahren nach Alternativen zu einer Kampfform, in der es schnell um Leben und Tod geht.

Die Gefangenengewerkschaft könnte eine solche Alternative bieten. Nicht ihre Körper, sondern ihre Arbeitskraft, die sie hinter Gittern besonders billig verkaufen müssen, könnte dann zur Waffe werden. »Bis dahin braucht es aber sicher noch einiges an Organisierungsarbeit und gemeinsamen Erfahrungen«, erklärt Konstantin von der GG/BO Jena. Der Hungerstreik in der JVA Würzburg kann so auch nach ihren Abbruch zur Bewusstseinsbildung der Gefangenen beitragen. Selbst JVA-Leiter Hutter geht von weiteren Protesten in der JVA Würzburg aus. Es wäre zu wünschen, dass sich dann neben der GG/BO auch weitere Teiel der außerparlamentarischen Linken und zivilgesellschaftliche Gruppen für die Rechte der Gefangenen einsetzen würden. Von ihnen war in den elf Tagen des Hungerstreikes nicht zu hören.

Peter Nowak schrieb in ak 617 über die Zukunft der Freien Archive.

Zum Weiterlesen:

Sabine Hunziker: Protestrecht des Körpers. Einführung zum Hungerstreik in Haft. Unrast Verlag, Münster 2016. 108 Seiten, 9,80 EUR.

aus: ak 618 vom 16.8.2016

https://www.akweb.de/

Peter Nowak

Nach der Querfront gegen Erdogan endlich die Stunde der Vermittler?

Analysten hätten besseres zu tun, als einzig Thesen der Rechten zu übernehmen

In den letzten Tagen schien es die ganz große Querfront gegen Erdogan zu geben. Da musste man schon sehr genau zwischen den Zeilen lesen, um einen Unterschied zwischen den vielen Presseerklärungen von Politikern der Linkspartei, der Grünen oder der Union zu finden. Sie vermittelten alle den Eindruck,  als würden sich Erdogan und seine AKP anschicken, die Macht in Deutschland zu übernehmen.

Modell Österreich – oder wie sogenannte Mitte rechte Thesen übernimmt

Die Parteien rechts von der Union konnten sich angesichts der Anti-Erdogan-Front nicht profilieren. Besonders deutlich wurde das in diesen Tagen in Österreich, wo demnächst die Präsidentenwahl wiederholt werden muss. Um dem FPÖ-Kandidaten Hofer den Wind aus den Segeln zu nehmen, übernimmt die Front seiner Gegner die schrillen Töne gegen Erdogan und tut so, als stünden die Türken erneut vor Wien.

In der Presse wird offen das Ziel dieses Anti-Erdogan-Kurses angesprochen. Nicht um Menschenrechte geht es, sondern darum, der FPÖ möglichst wenig Betätigungsfelder zu lassen. Ob das Kalkül aufgeht, wird sich am Wahlabend zeigen. Immer aber siegt die rechte Politik. Entweder wählt die Mehrheit gleich das Original  und Hofer wird noch Präsident. Oder sein Gegenkandidat siegt erneut knapp und setzt dann die FPÖ-Politik light um.

Auch in Deutschland wird im Alltag schon längst ziemlich unwidersprochen die Türkei-Politik umgesetzt, die rechts von der Union immer gefordert wird.  Das wurde deutlich, als Tausende in Deutschland lebende Menschen mit türkischen Hintergrund eine Demonstration in Köln anmeldeten und es tatsächlich wagten, den gewählten Präsidenten, der gerade einen Putsch überstanden hatte, per Liveschaltung sprechen lassen zu wollen.

Da wurde ihnen von führenden Unionspolitikern unumwunden gesagt, dass sie doch gefällig in die Türkei zurückkehren sollen, wenn sie Erdogan hochleben lassen wollen. Die Rechtsaußenpartei Pro NRW und ihre Bündnispartner wurden für die Propagierung solcher Forderungen nicht gebraucht. Nach einer Kundgebung wurde ihnen die gerichtlich durchgesetzte Demonstration untersagt, weil einige Teilnehmer aggressiv und alkoholisiert gewesen sein sollen.

Aber für die Parole, wer Erdogan liebt, soll Deutschland verlassen, wurde der rechte Narrensaum nicht gebraucht. Das schien rund um die Demo in Köln der sogenannte demokratische Konsens zu sein. Gab es nicht einmal das Konzept der doppelten Staatsbürgerschaft, mit dem auch diskutiert wurde, dass Menschen durchaus zwei Staaten und ihren Regierungen gegenüber loyal sein können?

Wird hier nicht an zweifelhafte deutschnationale Traditionen angeknüpft, wenn Menschen aus anderen Ländern selbst nach einem überstandenen Putsch nicht einmal ihr gewähltes Staatsoberhaupt per Liveschaltung hören dürfen? Natürlich ist Erdogan kein lupenreiner Demokrat. Aber welcher andere Präsident ist das schon?

Man stelle sich vor, Expats aus den USA würde eine Liveschaltung zu den Präsidenten ihres Landes verweigert – vielleicht mit dem Argument, dass in den USA die Todesstrafe noch immer nicht abgeschafft ist und noch immer viele Menschen teilweise jahrelang in der Todeszelle sitzen?

Wie sieht es mit deutschen Politikern aus? Bei den Maidan-Protesten in der Ukraine begnügten sich der damalige Außenminister Westerwelle oder die grüne Bundestagsabgeordnete Rebecca Harms nicht mit Zuschaltungen per Bildschirm. Sie waren selber vor Ort, um die  Ukraine auf den Weg in Richtung Westen zu begleiten. Die innenpolitischen Folgen sind bekannt.

Welche Reaktionen es in Deutschland gegeben hätte, wenn die alte ukrainische Regierung Einreise- und Zuschaltverbote für diese deutschen Politiker durchgesetzt hätte, kann man sich vorstellen. Allerdings hätten die in deutschen Politstiftungen gebrieften Politiker wie Vitali Klitschko ein solches Szenario verhindert.

Wie wären die Reaktionen, wenn in Ländern mit einer sich als deutsch verstehenden Minderheit oder prodeutsch positionierenden Gruppierungen verboten wird, Politiker der Bundesregierung zu Kundgebungen zuzuschalten oder einzuladen? Gründe wurden sich genügend finden.

So könnten die Länder an der europäischen Peripherie, vor allem Griechenland, damit argumentieren, dass es wesentlich die Bundesregierung war, die 2015 das Austeritätsdiktat gegen den griechischen Wählerwillen durchzusetzte. Wie groß die Empörung war, als kurz nach den Wahlen im letzten Jahr die von der linkssozialdemokratischen Syriza dominierte Regierung Vertreter der Troika nur verbal für unerwünscht erklärte, dürfte manchen noch bekannt sein.

Es blieb nicht bei der Empörung, es wurden alle politischen und ökonomischen Instrumentarien angewandt, um Griechenland die Austeritätspolitik der EU aufzuzwingen.

Gülen – die gemäßigten Islamisten des Westens?

Nun also ist Erdogan ins Visier geraten. Es wird viel von westlichen Werten, von Demokratie und Menschenrechten geredet. Dass die meisten Politiker dabei aber betonen, bei ihrer Kritik an der türkischen Regierung soll das Flüchtlingsabkommen – das die Menschenrechte vieler Menschen stark einschränkt, – nicht in Frage gestellt werden, zeigt schon die instrumentelle Qualität des Menschenrechtsarguments gegen die Türkei.

Das Land ist für viele Außenpolitiker noch immer die Pforte, die das Tor nach Kerneuropa vor Migranten bewachen soll, aber es sich bloß nicht einbilden soll, es könne dort mitbestimmen. Weil die Türkei unter Erdogan sich aber mit seiner Rolle als Torwächter nicht zufrieden geben will, ist er vielen Politikern in Europa suspekt. Und die wären sicher auch gar nicht so traurig gewesen, wenn der Putsch  Erfolg gehabt hätte.

Dass aus den westlichen Staaten nach dem Scheitern des Coups eine Gratulation an den gewählten Präsidenten ausgeblieb, ist eine Formalie, die aber in der internationalen Diplomatie sehr ernst genommen wird. Putin ist gleich in die Bresche gesprungen und soll sehr früh die Unterstützung der gewählten Regierung bekundet haben.

Auch der Umgang mit der Gülen-Bewegung in den sogenannten westlichen Ländern nach dem Putsch ist bemerkenswert. Sicher wird ihre Rolle beim Putschversuch jetzt von der türkischen Regierung propagandistisch aufgewertet.

Es war wahrscheinlich ein loses Bündnis von Kemalisten und Gülen-Leuten, die sich nur in der Ablehnung Erdogans einig waren, dafür verantwortlich. Die Gülen-Leute haben aber bei der  Organisation des Putsches schon deshalb eine wichtige Rolle gespielt, weil sie in wichtigen türkischen Staatsapparaten Stellungen besetzten.

Schließlich haben sie jahrelang gemeinsam mit der Erdogan-AKP daran gearbeitet, kemalistische Kräfte dort auszuschalten und sie mit oft gefälschten Beschuldigungen ins Gefängnis gebracht. Die Gülen-Bewegung und die Erdogan-AKP teilen eine ähnliche islamistische Ideologie. Sie sind Feinde von Menschenrechten und eine Gefahr für politische Gegner und sexuelle und kulturelle Minderheiten.

Neben persönlichen Machtkonflikten dürfte der zentrale Grund für die Konfrontation zwischen beiden islamistischen Formationen ihre Haltung zum sogenannten Westen sein. Es ist sicher kein Zufall, dass Gülen schon lange unbehelligt in den USA lebt.

Die Gülen-Bewegung wird so zu einer Art „gemäßigter Islamisten“-Alternative zur Erdogan-AKP aufgebaut. Nur wenige Analysten erinnern in diesen Tagen an die islamistische Agenda der Gülen-Bewegung auch in Deutschland[1].

In der Regel wird diese Bewegung so dargestellt, als handele es sich um eine von der Erdogan-Bewegung verfolgte zivilgesellschaftliche Gruppe, der es um Menschenrechte geht. Nun ist es in der westlichen Politik nicht Besonderes, dass man schnell sogenannte gemäßigte Islamisten kreiert, die zumindest für säkulare Menschen gar nicht so gemäßigt sind.

Auch die AKP wurde lange Zeit als gemäßigte Islamisten und eine Art CDU der arabischen Welt gehandelt, als sie sich noch scheinbar im Einklang mit den Zielen des Westens befand.

Kretschmann hält die Hand über Gülen-Bewegung

Der grünkonservative Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich nun bei der Schönrednerei der Gülen-Islamisten besonders hervorgetan. Auf eine schriftliche Bitte des türkischen Generalkonsuls, die Gülen-Einrichtungen in Baden Württemberg zu überprüfen, blaffte er ganz undiplomatisch zurück[2]:

Selbstverständlich werde man genau das nicht machen. Hier sollen Leute auf irgendeinen Verdacht hin grundlos verfolgt oder diskriminiert werden.

Nun ging es dabei nicht um Forderungen nach Auslieferung und Bestrafung von Gülen-Mitgliedern, sondern um die Überprüfung der Einrichtungen. Warum Kretschmann ohne genaue Prüfung schon das Klagelied über die verfolgten Islamisten anstimmt, muss befremdlich stimmen Schließlich ist die islamistische Agenda dieser Bewegung bekannt.

Damit hat sie jahrelang mit der AKP übereingestimmt und die hat sich auch nach dem Zerwürfnis der Brothers in Crime nicht grundlegend geändert. Natürlich hat das türkische Konsulat Eigeninteressen, um die Gülen-Bewegung in schlechtem Licht darstellen zu können. Doch sie haben auch aus den Zeiten der Kooperation Spezialwissen. Es ist äußerst fahrlässig, wenn dies einfach ignoriert wird, weil man die Gülen-Bewegung als gemäßigte Islamisten hätscheln will.

Linke türkische Opposition wird weiterverfolgt

Während also die Gülen-Islamisten nun zur türkischen Zivilgesellschaft umfrisiert werden, kann die jahrelange linke türkische Opposition auch in Deutschland nicht mit so viel Milde rechnen. Die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen und dem türkischen Justizapparat läuft vor und nach dem Putsch hervorragend. Sie baut auf eine lange Tradition, die in eine Zeit zurückreicht, als die AKP noch gar nicht gegründet war.

In der letzten Woche wurde erneut ein angeblicher Funktionär der kurdischen Arbeiterpartei PKK zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt[3]. Der deutsch-türkische Boxer Ismail Özen, der wegen seines Engagement für die türkisch-kurdische Zivilgesellschaft schon von türkischen Nationalisten Morddrohungen erhalten hatte[4], solidarisierte sich mit den Verurteilten[5].

Von Kretschmann und all denen, die jetzt so vehement für die Gülen-Bewegung eintreten, hörte man hingegen nichts. Auch im Münchner Prozess gegen 10 angebliche Mitglieder der kleinen kommunistischen Organisation TKP/ML[6] geht die Kooperation zwischen deutschen und türkischen Ermittlungsbehörden weiter. Viele der Angeklagten[7] waren bereits unter unterschiedlichen türkischen Regierungen in der Türkei verhaftet und wurden teilweise gefoltert.

Sie sind, wie die Ärztin Dilay Banu Büyükavci[8] seit Jahren in Deutschland integriert und die politische Organisation, der sie angehören sollen, ist hier auch nicht verboten. Die kritische Debatte über die Menschenrechtslage in der Türkei hat nicht dazu geführt, dass das Verfahren von einer größeren politischen Öffentlichkeit hinterfragt wird.

Auch die linke anatolische Band Grup Yorum[9] war bei einem Auftritt auf dem Fest der Kulturen im osthessischen Fulda mit ungewöhnlichen Auflagen konfrontiert[10].  So durften weder T-Shirts noch DVDs der Band verkauft oder durch Spenden weitergegeben werden. Auch eine Gage durfte der Band nicht gezahlt werden.

Solche Methoden kennt die Band bereits von Auftritten in Deutschland[11] und in ihrer türkischen Heimat. Nun ist diese Verfolgung gegen unterschiedliche Bestandteile der türkischen Opposition allerdings kein Einknicken vor Erdogan und der Türkei, wie es auch in Pressemitteilungen der Linken immer wieder behauptet wird.

Das Interesse an der Verfolgung dieser Gruppen und Personen teilt der deutsche Staat und seine Apparate mit den türkischen Behörden, egal welche Regierung gerade an der Macht ist.

Wenn eine Linke den Visumszwang verteidigt

Wie auch Politiker der Linken bei der Erdogan-Kritik die Menschenrechte instrumentell benutzen, zeigt eine Pressemitteilung der Bundestagsabgeordneten Sevin Dagdelen mit der markigen Überschrift Keine Visafreiheit für die Erdogan-Diktatur[12]. Wenn man über die inflationäre Verwendung des Diktaturbegriffs hinweg sieht, wäre es eine noch nachvollziehbare Forderung gewesen, Erdogan und seinen engsten Mitarbeitern kein Visum zu geben

Doch Dagdelen will die gesamte türkische Bevölkerung, also auch die Opposition bestrafen, in dem sie fordert, dass die nicht ohne Visa in die EU einreisen dürfen. Wäre es nicht für eine Partei, die die Bewegungsfreiheit hochhält, die logische Forderung, eine generelle Visafreiheit zu fordern?  Das würde auch den Oppositionellen eine Ausreise erleichtern, die nicht erst seit dem Putsch von Verfolgungen in der Türkei betroffen sind.

Dagdelen wird hier zum linken Feigenblatt all jener, die nicht Erdogan, sondern die türkische Bevölkerung als Gefahr für das europäische Abendland sehen. Wenn die Türken schon mal vor Wien gestoppt werden, können sie jetzt nicht einfach ohne Visa in die EU einreisen, lautet diese Logik.

Die Stunde der Realisten

Erdogan sucht sich derweil neue Bündnispartner und findet sie in Russland. Noch vor einigen Monaten, nach dem Abschuss eines russischen Militärflugzeugs, schien eine militärische  Auseinandersetzung zwischen den beiden Ländern nicht unwahrscheinlich. Die Position im Syrienkonflikt birgt noch immer Springstoff für das neue temporäre Bündnis.  Und die vereinigte Querfront gegen Erdogan gerät ins Wanken.

Während der CDU-Politiker Lamers mit weiteren Warnungen an Erdogan[13] eher das neue Bündnis beflügeln dürfte, scheint auch schon die Stunde der Vermittler gekommen zu sein, die davor warnen, dass der Westen es mit seinem Anti-Erdogan-Kurs übertreiben und sich selber schaden könnte.

Der Sozialdemokrat Gernot Erler sieht keine Gefahr eines neues Bündnisses Putin-Erdogan gegen die EU[14], ohne dass er diese Einschätzungen begründet. Er warnt vor Dramatisierungen und plädiert für realistische Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei.

Auch Erlers Parteifreund Bundesaußenminister Steinmeier mahnt zu Gelassenheit und umwirbt Erdogan mit dem zweifelhaften Kompliment, die Türkei sei ein wichtiger Nato-Partner[15]. Prompt schickte er seinen Staatssekretär als Vermittler nach Ankara[16].

Er soll verhindern, dass aus dem Streit zwischen dem Westen und der Türkei Putin-Russland als lachender Dritter hervorgeht. Denn, der Besuch Erdogans in Russland macht dem Westen eins klar. Die unipolare Welt existiert nicht und Erdogan und Co. haben so die Möglichkeit, aus der subalternen Rolle als Pforte also Torwächter der EU herauszukommen. Den Analysten wird klar, dass Erdogan durchaus Trümpfe in der Hand hat.

In die EU setzt die Mehrheit der türkischen Bevölkerung kaum Hoffnungen, sie ist auch schon lange nicht mehr Erdogans Ziel. Aber der Flüchtlingsdeal und die Nato sind den westlichen Eliten schon ein wenig Entspannung Richtung Erdogan wert.

Aus menschenrechtlicher Perspektive wäre der Kampf gegen den deutsch-türkischen Flüchtlingsdeal und für die Visafreiheit für die türkische Bevölkerung und natürlich die Unterstützung der demokratischen Oppositionellen aus der Türkei ein lohnendes Ziel. In die interessengeleitete Querfront gegen Erdogan, bei der es um Menschenrechte bestimmt nicht geht, muss sie sich dabei nicht einmischen.

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49082/2.html

Peter Nowak

Anhang

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»Menschenrechte verletzt«

Jason Kirkpatrick im Gespräch über den Fall Mark Kennedy, der jahrelang die linke Szene ganz Europas ausspionierte.

Jason Kirkpatrick gehörte zum Freundeskreis eines linken Aktivisten namens Mark Stone. 2010 stellte sich heraus, dass Mark Stone in Wirklichkeit Mark Kennedy hieß und als Spitzel im Dienste der britischen Polizeibehörde Scotland Yard stand. Seitdem setzt sich Kirkpatrick mit anderen für die Aufarbeitung des Falls ein. Die Jungle World sprach mit ihm über den Stand des Verfahrens.

Warum planen Sie im Fall Mark Kennedy juristische Schritte, wie Sie kürzlich in einem Brief an das britische Innenministerium ankündigten?

Seit über einem Jahr untersucht in Großbritannien eine unabhängige Untersuchungskommission die Einsätze von Kennedy in der linken Szene. Allerdings soll die Kommission lediglich Kennedys Spitzeltätigkeit auf dem Gebiet von England und Wales untersuchen. Doch in meinem Fall fand der größte Teil der Ausforschungsarbeit des verdeckten Ermittlers in Schottland statt, während des dortigen G8-Gipfels 2005, sowie in Deutschland, bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2007. Ich habe die Ausweitung der Untersuchungen gefordert.

Bekommen Sie Unterstützung für diese Forderung?

Aus Deutschland setzen sich die Bundestagsgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) und Andrej Hunko (Linkspartei) für die Ausweitung der Untersuchung ein. Auch das Bundesinnenministerium hat sich mit dieser Forderung an das britische Innenministerium gewandt. In Schottland und Nordirland wird ebenfalls die Ausweitung der Untersuchung gefordert – die Regierungen dieser beiden Landesteile des Vereinigten Königreichs haben sich dafür eingesetzt.

Gibt es Informationen über die Kontakte deutscher Geheimdienste oder Polizeibehörden zu Kennedy?

Durch eine Kleine Anfrage von Hunko wurde bekannt, dass es Verträge zwischen Kennedy und dem Landeskirminalamt (LKA) Baden-Württemberg anlässlich des Nato-Gipfels in Straßburg 2009 und dem LKA Mecklenburg-Vorpommern anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm 2007 gegeben hat.

Ist das Ausmaß der Bespitzelung bekannt?

Demnächst wird eine Liste mit 460 Gruppen und Initiativen veröffentlicht, die im Fokus der Überwachung standen. Ich vermute, dass auch das deutsche Anti-G8-Netzwerk »Dissent!« darunter ist, wie auch Gruppen aus der Antiatom-, Antikriegs-, Antirassismus- und Klimaprotestbewegung in Deutschland.

Mehrere Frauen, mit denen Kennedy eine Beziehung eingegangen war, haben wegen sexueller Ausbeutung geklagt. Gibt es Ergebnisse?

Die Metropolitan Police erkannte an, dass er die Menschenrechte der Frauen verletzt hat, und entschuldigte sich. Außerdem bekamen die Klägerinnen Schmerzensgeld und Schadensersatzzahlungen, bis zu 500 000 Euro.

Gibt es Erkenntnisse über weitere britische Polizeispitzel?

Wir haben vor allem durch die Aussagen des Whistleblowers Peter Francis Informationen bekommen. Er war gemeinsam mit dem Spitzel Bob Lambert in den neunziger Jahren in der antifaschistischen Szene Bayerns unterwegs. Bekanntgeworden ist auch ein Polizeiagent mit dem Tarnnamen »Marco Jacobs«, der den Protest gegen das G8-Treffen in Heilgendamm infiltriert hat. Jacobs ist auch von mehreren Aktivistinnen verklagt worden.

Was werden Sie unternehmen, wenn Ihre Klage auf Ausweitung der Ermittlungen keinen Erfolg hat?

Eine Weigerung verstieße gegen mehrere Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daher würde ich dann versuchen, bei einer höheren Instanz oder auf europäischer Ebene mein Recht durchzusetzen. Es gibt mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments, die sehr an unserem Fall interessiert sind.

http://jungle-world.com/artikel/2016/31/54580.html

Small Talk von Peter Nowak

Trump – zu unkonventionell für das Partei-Establishment

Der größte Albtraum mancher Parteipolitiker der Republikaner: Ihr ungeliebter Kandidat könnte die Wahlen gewinnen

Eigentlich ist nach den Parteitagen der Republikaner und Demokraten in den USA die Ausgangslage für die Präsidentschaftswahlen in den USA klar. Clinton gegen Trump lautet das Personaltableau. Aber manche Trump-Gegner in der Republikanischen Partei scheinen sich noch immer nicht mit ihrer Niederlage auf dem Parteitag abgefunden zu haben. Es gibt Pressemeldungen über Notfallpläne.

So sollen bereits Ersatzkandidaten im Gespräch sein, falls Trump noch kurzfristig ausfällt. Nur auf welches Szenario wird in diesen Notfallplan rekurriert? Dass Trump selber nach seinen Sieg am Parteitag aufgibt, scheint ausgeschlossen. Dazu hätte er sicherlich im wechselvollen Vorwahlkampf genug Gelegenheit gehabt. Er sah dort ja keinesfalls immer als Sieger aus und viele Kommentatoren haben noch wenige Wochen vor dem Parteitag geschrieben, dass Trump nie Präsidentschaftskandidat wird.

Damals wurden auch noch realistische Szenarien diskutiert, einen Präsidentschaftskandidaten Trump zu verhindern. So sollte auf dem Parteitag eine offene Debatte über den Kandidaten beantragt und allen Delegierten die Wahl freigestellt werden. Dieses ungewöhnliche, aber satzungsgemäß mögliches Szenario, die Nominierung von Trump zu verhindern, wurde von ihm und seinen Anhängern als Programm zur Spaltung der Republikanischen Partei bezeichnet.

Die Parteiführung schreckte schließlich vor solchen Schritten zurück. Dass nun plötzlich satzungsgemäß nicht mehr gedeckte Pläne bekannt werden, zeigt abseits einer möglichen Realisierungschance, dass manche im Partei-Establishment in Trump eine so große Gefahr für ihre Interessen sehen, dass sie sogar offene Putschpläne zumindest nicht ausschließen. Denn,  selbst wenn im Wahlkampf noch ein ganz großer Skandal über Trump rauskommen sollte oder er durch ein Attentat schwer verletzt oder getötet würde, sehen die Regularien vor, dass der ebenfalls auf dem Parteitag gewählte Vizepräsident an seine Stelle tritt. Da der auch parteiintern als Konsenskandidat gilt, ist umso unverständlicher, dass nun solche Pläne zumindest diskutiert werden.

Dabei wird für diese Absatzbewegung die auf den ersten Blick einleuchtende Erklärung angeboten, die Parteistrategen befürchten mit Trump einen solch massiven Einbruch bei den Wählern, dass solche außergewöhnliche Szenarien überlegt werden. Davon abgesehen, dass solche Pläne gemeinhin die Wahlchancen nicht vergrößern, ist die Erklärung auch nicht schlüssig.

Wenn die Gegner Trumps überzeugt von seiner Wahlniederlage sind, müssten sie ihn ja nur passiv in seinen Untergang begleiten. Je größer seine Niederlage, desto besser für seine Kritiker innerhalb der Partei, die dann ja nur auf ihre frühen Bedenken hinweisen könnten. Die Absatzbewegung ist auch mit Umfragewerten nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Nach dem Parteitag der Republikaner lag Trump in Umfragen vor Clinton, danach hat sie wieder etwas aufgeholt. Da es letztlich aber nicht um die Umfragen, sondern darum geht, welcher Kandidat in den entscheidenden Swing-Staaten bei den Wahlen die Nase vorn hat, ist für beide Seiten noch alles offen.

Bettina Gaus und Michael Moore sehen Trump als Gewinner der Präsidentschaftswahlen

Entscheidender dürfte sein, dass zwei völlig unterschiedliche Beobachter der US-Gesellschaft, die sich nicht auf Wahlprognosen und die Kommentatoren großer Tageszeitungen verlassen, sondern in die US-Gesellschaft hineingehorcht haben, davon überzeugt sind, dass Trump die Präsidentschaftswahlen gewinnen kann .

So benennt der in der Bush-Ära weltweit bekannt gewordene Filmemacher und Satiriker Michael Moore fünf Gründe, warum Trump gewinnen wird[1].

Sein Wahlkampf werde sich auf die vier Bundesstaaten Ohio, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin stützen, wo er im mittlerweile abgehängten Industriegürtel bei den vom Kapitalismus für überflüssig erklärten Menschen auf Zustimmung stoßen könnte. Genau diese Bundesstaaten könnten als Swing-Staaten aber wahlentscheidend sein. Zudem werde Trump die Ressentiments des „wütenden weißen Mannes“ ausnützen und in diesen Kreisen neue Wählerschichten auftun.

Einen weiteren Grund für den Wahlsieg von Trump sieht Moore in der Person seiner Kontrahentin. Clinton stehe für alle vom Kapitalismus Abgehängten so sehr für das verhasste System, dass sie die schon Prinzip nicht wählen werden. Clinton könnte die Wahlverweigerer unter den Abgehängten dazu bringen, dieses Mal Trump zu wählen.

Dass eine vergleichbare Gegenreaktion aus dem Lager der Afroamerikaner und Latinos erfolgt, die Clinton wählen um Trump zu verhindern, glaubt auch die Taz-Publizistin Bettina Gaus nicht. Auch sie ist von einem Erfolg Trumps bei den Präsidentenwahlen überzeugt[2] und hat sich dafür auf eine Wette mit einem Kollegen eingelassen. Es sei eine Wette, die sie sehr gerne verlieren würde, erklärte Gaus auf einer Veranstaltung im Taz-Cafe, wo sie ihre neuesten Reportagen über ihre Reisen durch die USA vorstellte[3]. Dabei hat sich Gaus in den Städten und Dörfern umgesehen, in denen die Bevölkerung ihre politischen Überzeugungen nicht aus den Kommentaren der Trump-kritischen Medien bezieht.

Gaus hat einen wachsenden Überdruss großer Teile dieser Bevölkerung mit dem US-System festgestellt. Während Trump sich so gibt, als stehe er außerhalb dieses Systems, war Clinton seit Jahrzehnten Teil dieses Systems und tut im Wahlkampf alles, das noch mal zu betonen. Daher hat Gaus auch bedauert, dass Sanders gegen Clinton verloren hat, weil dieser auch nach allen Umfragen größere Chancen gehabt hätte, sich gegen Trump bei den Wahlen durchzusetzen.

Trump setzt sich über Ansichten vieler Rechter in den USA hinweg

Warum der immer als rechtspopulistisch etikettierte Trump auch bei der Wählerbasis des sozialdemokratischen Kandidaten Sanders Chancen hat, erstaunt nur auf den ersten Blick. Die aktuellen Diskussionen um Trump in den USA zeigen, dass er durchaus im Stande ist, manches Credo der Rechten in den USA infrage zu stellen.

Dazu gehört das Brimborium um sogenannte Heldeneltern, wie es Khizr und Ghazala Khan[4] sind. Im Irakkrieg wurde ihr Sohn getötet. Anders als die Tausende toten Iraker eines auf Lügen basierenden Krieges hat er einen Namen und Eltern, die sich dafür hergeben, den Tod ihres Sohnes mit nationalistischen Phrasen zu bemänteln. Auf dem Parteitag der Demokraten erzählte der Vater von den Opfern, die er mit dem Tod seines Sohnes auf sich genommen habe, und fragte, welche Opfer Trump gebracht hat.

Der so Angegriffene antwortete erst sehr rational, dass er Opfer mit seinem unternehmerischen Engagement gebracht hat. Das ist natürlich ebenso Ideologie wie sein Versuch, die Mutter des Toten als nicht emanzipierte Frau hinzustellen. Doch ist es noch größere Ideologie, wenn nun von einem Angriff Trumps auf die Heldeneltern schwadroniert wird. Was gibt es schließlich Obszöneres als Eltern, die den Tod eines Soldaten zum nationalen Heldenakt aufwerten und damit weitere Helden für die Nation produzieren wollen?

Vor allem ist die Gegenüberstellung der unternehmerischen Tätigkeit gegen das scheinbar selbstlose Opfer für die Nation ein Topos rechter Argumentation. Hier hat Trump in der Tat ein Credo nicht nur der Rechten und Nationalisten in den USA gebrochen. So etwas versuchen sonst antimilitaristische Streiter mit wesentlich weniger Erfolg.

Auch Trumps Einlassungen zum Krim-Konflikt sind ein Affront für die Rechte in den USA und die Falken, die sich hinter Clinton stellen, zeugen aber durchaus von einer realistischen Sichtweise auf das Weltgeschehen. Bezeichnend für die manipulative Berichterstattung über Trumps Positionen zur Krim ist ein Artikel[5] im Tagesspiegel, der schon mit der irreführenden Überschrift beginnt, dass Trump Verständnis für die russische Intervention auf der Krim zeigte.

Im Artikel heißt es dann richtig, dass Trump „im Falle eines Wahlerfolges die – vom Westen als illegal betrachtete – Annexion der Krim durch Russland anerkennen würde“. Das weist ihn nun keineswegs als Anhänger Putins aus, sondern als Vertreter einer Schule des außenpolitischen Rationalismus, der Fakten, die nicht rückgängig zu machen sind, zumindest solange anerkennt, solange sich das Kräfteverhältnis nicht geändert hat.

Nun kann niemand ernsthaft glauben, dass sich Russland in absehbarer Zeit von der Krim zurückzieht, zumal auch eine von der UN überwachte Abstimmung eine große Mehrheit einen Verbleib bei Russland ergeben würde. Auch hier hat Trump eine sehr realistische Sichtweise. Er ist bereit, diesen Fakt anzuerkennen, während seine Kontrahenten einen kalten Krieg gegen Russland entfachen wollen.

Realistisch ist zudem Trumps Position zur Ukraine, die auch in vielen Medien in Deutschland kritisiert wird. Wenn Trump feststellt, dass es keine regulären russischen Soldaten auf ukrainischem Territorium gebe, entspricht das dem aktuellen Informationsstand. Es gibt dafür zumindest keine belastbaren Beweise. Nachgewiesen ist aber, dass ehemalige russische Militärs auf ostukrainischem Gebiet gekämpft haben und dass es wohl auch zahlreiche Tote unter ihnen gegeben hat. Es ist auch sehr klar, dass ihre Anwesenheit nicht ohne Billigung staatlicher Behörden möglich wäre.

Doch ist es in der Außenpolitik ein eminenter Unterschied, ob man behauptet, dass russisches Militär auf ukrainischem Territorium kämpft, oder ob man feststellt, dass dort Einheiten sicher nicht ohne Zustimmung russischer Behörden aktiv sind. Schließlich waren auch in den 1980er Jahren in El Salvador und anderen mittelamerikanischen Staaten Militärberater der USA aktiv, aber es war kein regulärer Truppeneinsatz der US-Army. Das hätte eine ganz andere Eskalationsstufe bedeutet.

Trump: Kein kleineres Übel als Clinton

Auch hier erweist sich Trump als Anhänger der realistischen Schule in der US-Außenpolitik, der eher auf Entspannung als auf Konfrontation aus ist. Das zeigten auch seine despektierlichen Äußerungen zu den Clinton-Leaks, wo noch unbekannte Hacker Zugriff auf die Kommunikation der Demokratischen Partei hatten. Während dafür sofort ohne belastbare Beweise russische Hacker verantwortlich gemacht wurden, forderte Trump genau diese auf, doch weitere Daten der Kontrahenten zu hacken.

Auch hier hat Trump dem nationalen Credo nicht nur der US-Rechten zuwidergehandelt und sich, ob bewusst oder nicht, der transnationalen Logik einer Internetszene angenähert, die solche nationalen Narrative verachtet. Nun ist das alles aber nur die Performance eines flexiblen Geschäftsmanns, der keine politische Ideologie hat und als Präsident durchaus genauso militaristisch und reaktionär sein dürfte, wie seine Kontrahenten inner- und außerhalb seiner Partei.

Es ist also kein Grund, plötzlich gar an Trump irgendetwas zu finden, was ihn im emanzipatorischen Sinne akzeptabel macht, wie es Rainer Rupp behauptet („Im Vergleich zur korrupten Hillary ein ehrlicher Geschäftsmann“[6]), der den „ehrlichen Unternehmer Trump gegen die korrupte Clinton“ setzt und damit selber Ideologie verbreitet. Vor allem ignoriert er den manifesten Rassismus von Trump und wird so zum Vorreiter einer Querfront, die durchaus eine ernst zu nehmende Gefahr ist.

Die Entspannungssignale Trumps gegen Russland könnten mit der in rechten Kreisen anzutreffenden Putin-Bewunderung kompatibel sein. Daher ist die Befürchtung von Liberalen nicht unberechtigt, die in Trump eine Putin-Imitation sehen. Doch umgekehrt nun für Clinton und die militärischen Falken einzutreten, ist genauso fatal.

In einer Situation, in der zwei bürgerliche Kandidaten die Widersprüche des US-Kapitalismus  gut verdeutlichen, wäre es für emanzipatorische Kräfte die zentrale Aufgabe, eine Alternative zu etablieren, die sich nicht mehr der Logik des kleineren Übels beugt, das oft gar nicht so klein ist. Diese Alternative müsste in den Stadtteilen und an den Arbeitsplätzen entstehen und sich gegen die Zumutungen wappnen, die eine Präsidentin Clinton oder ein Präsident Trump noch der Mehrheit der Bevölkerung auferlegen wollen.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49041/1.html

Anhang

Links

[0]

https://www.flickr.com/photos/disneyabc/27854799503/in/album-72157668335568183/

[1]

http://michaelmoore.com/trumpwillwin/

[2]

http://www.taz.de/!5322422/

[3]

https://www.luebbe.de/bastei-entertainment/ebooks/politik-und-gesellschaft/auf-der-suche-nach-amerika/id_3135087

[4]

http://www.express.co.uk/news/world/695409/donald-trump-who-is-ghazala-khan-mother-dead-muslim-soldier-democratic-convention

[5]

http://www.tagesspiegel.de/politik/auf-einer-linie-mit-wladimir-putin-donald-trump-zeigt-verstaendnis-fuer-krim-annexion/13956732.html

[6]

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48653/

Hat der Kopftuchislam den Euro-Islam besiegt?

Bassam Tibis Einlassungen zum regressiven Islam

Der Islamologe[1] Bassam Tibi gehörte in der Islamdebatte zu den Stimmen, die auf Differenzierungen bestanden. Die Leserinnen und Leser seines Internetblogs[2] werden mit diesen klugen Sätzen zur Islamdebatte begrüßt:

Mich als ein in Deutschland lebender muslimischer Migrant, der einen Aufklärungsislam vertritt, irritiert der durch die Kombination aus Irrsinn und Unwissenheit gekennzeichnete Islamstreit in der deutschen Öffentlichkeit. Die Bundeskanzlerin und die AfD haben die Gemeinsamkeit, kein Sachwissen über den Islam zu haben. Stattdessen streiten sie ideologisch darüber, ob der Islam zu Deutschland gehöre oder nicht. Im Englischen fragt man in Fällen, bei denen die Debattierenden ohne Wissen streiten: „What are we talking about?“. Den Islam gibt es nicht, und so kann es keine nützliche Debatte über einen unterstellten „Eintopf-Islam“ geben.

Warum das Kopftuch-Klischee?

Und nun wird ein Aufsatz, den Tibi im Cicero veröffentlichte[3], mit für den Wissenschaftler ungewohnten Klischees zusammengefasst. So lautet die Titelzeile im islamkritischen Blog Achgut[4]: „Bassam Tibi: „Ich kapituliere. Der Kopftuch-Islam hat den Euro-Islam besiegt“.

Nun kann man den Artikel mittlerweile online vollständig lesen[5] und feststellen, dass die  Tibis Thesen, in der Überschrift tatsächlich treffend zusammengefasst worden sind.

Er beschreibt, wie er sich ein Vierteljahrhundert bemühte, „eine Brücke zwischen den europäischen Gesellschaften und den islamischen Migranten“ zu bauen. „Die Brücke nannte ich Euro-Islam, die einen Reform-Islam voraussetzt.“ Diesen Versuch erklärt Tibi für gescheitert. Dann kommen die plakativen und für einen Mann der differenzierten Sprache ungewöhnlichen Sätze.

Der „Kopftuch-Islam“ ist der Gegensatz zum Euro-Islam, der Kopftuch-Islam ist ein Scharia-Islam, der von Islamisten und orthodoxen salafistischen Muslimen gegen jeden fortschrittlichen Islam vertreten wird. Heute gebe ich mich geschlagen. Den Euro-Islam wird es nicht geben. Ich kapituliere.

Gleich im Anschluss kommt Tibi auf eine Frage zu sprechen, die sich nach diesem Einstieg geradezu aufdrängt. Warum verwendet der Wissenschaftler gerade das  Kopftuch als ein Unterscheidungsmerkmal zwischen einen seiner Ansicht nach fortschrittlichen versus reaktionären Islam? Gibt es nicht viele selbstbewusste Frauen, die ihre Rechte einfordern und Kopftuch tragen? Ein Beispiel ist die Ägypterin Marwa el-Sherbini, die sich in Dresden gegen rassistische Angriffe eines Neonazis juristisch wehrte[6] und dafür im Gerichtssaal erstochen wurde[7].  Müsste die Parole des Euro-Islams daher nicht eher lauten, „jede Frau muss das Recht haben mit oder ohne Kopftuch nach ihrer Fasson zu leben?

Tibi schreibt, dass es nicht in seiner Absicht liege, sich auf eine Debatte über das Kopftuch einzulassen. Nur, warum wählt er dann das Kopftuch als Unterscheidungsmerkmal zwischen zwei Islamversionen? Auffällig ist auch, dass Tibi in seinem Text umstandslos vom Tragen eines Kopftuchs zur Verschleierung wechselt und damit die Unterschiede verwischt. Während die Verschleierung in der Tat die Entpersonifizierung einer Frau bedeutet und Verbote wie in Frankreich daher durchaus sinnvoll sind, sollte das Tragen eines Kopftuchs der Entscheidung jeder einzelnen Person überlassen bleiben. Staatliche Stellen müssten nur eingreifen, wenn Druck ausgeübt wird, ein Kopftuch zu tragen oder nicht zu tragen.

Geht es Tibi vor allem um die Abwehr der Flüchtlinge?

Weiterhin verwundert Tibis Erklärung, wann er seine Vorstellung des Euro-Islams für gescheitert erklärt hat:

Das Jahr 2015 markiert das Ende meiner Hoffnung auf eine Europäisierung des Islam. 2015 sind mehr als anderthalb Millionen Flüchtlinge aus der Welt des Islam, überwiegend meiner Heimat Syrien, nach Europa gekommen, unter denen ich keine einzig europäisch gekleidete Frau gesehen habe. Ich sehe bärtige Islamisten und Frauen in islamistischer Uniform und resigniere.

Hier fällt zunächst auf, dass die Bilder, die Tibi bemüht, nicht mit denen übereinstimmen, die über die vielen Geflüchteten in den Medien verbreitet wurde. Die meisten der jungen Männer aus Syrien und anderen Ländern sahen eher sehr westlich-modern aus und genau darüber regten sich auch viele Flüchtlingsgegner bei Pegida und Co. auf. Nur eine Minderheit der Geflüchteten trugen Bärte und sahen aus, wie man sich einen Islamisten gemeinhin vorstellt.

Zudem sind ja viele dieser Menschen gerade vor islamistischen Tugendterror geflohen, was bei Tibi auch nicht vorkommt. Die Gründe, warum generell weit mehr Männer als Frauen migrieren, sind vielfältig. Sie haben sicher auch etwas  mit patriarchalen Gesellschaften zu tun, in denen die Männer für den Rest der Familie sorgen sollen. In vielen Fällen wollen die Männer später den Rest der Familie, Frauen und Kinder nachholen. Es ist unverständlich, warum Tibi all diese Gründe ausblendet und die Überzahl der Männer unter den Geflüchteten nur mit dem Islamismus in Verbindung bringt.

Gerade bei diesem Abschnitt stellt sich die Frage, ob Tibi nicht mit seiner mit starken Methapern unterlegten „Kapitulationserklärung“ nur noch einmal seine Gegnerschaft zur Aufnahme von Geflüchteten ausdrücken will. Zudem fällt auch bei ihm auf, dass er sich als Opfer einer angeblichen Doktrin geriert, wonach in Deutschland nichts Negatives über den Islam gesagt werden dürfe. Solche untauglichen Versuche mag es tatsächlich in einigen akademischen Blasen noch geben. Doch im Jahr 2016 kann niemand mehr behaupten, Islamkritiker seien in Deutschland eine verfolgte Minderheit.

Regression in der islamischen Welt gibt es tatsächlich

Dabei gibt es in Tibis Text einige schlaue Gedanken, die es wert wären weiter diskutiert zu werden. Dazu gehört die Feststellung, dass es in den letzten Jahren eine Regression in der islamischen Welt gegeben hat. Der Aufstieg des Dschihadismus ist hier ebenso zu nennen wie der islamistische Antisemitismus, den Tibi gar nicht erwähnt. Ich würde diese regressive Strömung als islamistische Version des Faschismus bezeichnen.

Tibi kritisiert auch treffend die deutsche Politik, wenn er schreibt:

Das obrigkeitsstaatliche Denken deutscher Politik erschöpft sich im Glauben, durch Gesetze und staatliche Politik die Muslime zu integrieren. Das kann niemandem gelingen. Integration bedeutet Inklusion in ein Gemeinwesen, nicht Unterbringung, Sprachkurse und Versorgung von Staats wegen, wie der Begriff heute in Deutschland verhunzt wird.

Treffend kritisiert Tibi auch die Kooperation der deutschen Staatsapparate mit islamischen Verbänden, die von sich fälschlich behaupten, alle in Deutschland lebenden Muslime zu vertreten. Oft werden dabei besonders konservative und reaktionäre Organisationen aufgewertet, denen  es um die Bewahrung ihrer Pfründe geht. Liberale Moslems und säkulare Menschen, die sich durch diese Verbände nicht vertreten fühlen, werden damit übergangen. Die deutsche Politik handelt hier aber  nicht naiv, sondern sie sieht in den konservativen Moslemverbänden Garanten der Durchsetzung einer konservativen auf Ruhe und Ordnung zählenden Politik.

So werden diese Moslemverbände als durch die dem deutschen Staatsinteresses nützlichen ideologischen Staatsapparate gefördert. Dazu zählt auch der Verband Ditib[8], der die islamisch-konservative Politik der türkischen Regierung in Deutschland verbreitet. Dagegen hatten viele deutsche Politiker lange Zeit nichts einzuwenden. Denn auch sie teilten Erdogans Ziel, dass die Verbände dafür sorgen sollten, dass die Einwanderer aus der Türkei brave Staatsbürger werden, die sich der Obrigkeit nicht wiedersetzen. Das sollte nach ihren Willen sowohl in Deutschland und in der Türkei gelten.

Erst in den letzten Monaten wird vermehrt von einem Loyalitätskonflikt der türkischen Einwanderer gesprochen, die sich entscheiden sollen, ob sie sich für die deutsche oder türkische Politik interessieren. Dass die türkische Community in Deutschland schon in den 1980er Jahren wesentlich konservativer war als die Menschen in der Türkei, sprach die türkische Künstlerin Gülsün Karamustafa[9] 2003 in dem Film Es Express[10] an (aktuell ist er in einer großen Retrospektive[11] zu sehen).

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49025/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[1]

http://www.bassamtibi.de/buecher/buecher_dt

[2]

http://www.bassamtibi.de/start/

[3]

http://www.cicero.de/salon/islamwissenschaftler-bassam-tibi-ich-kapituliere

[4]

http://www.achgut.com/artikel/fundstueck_bassam_tibi_ich_kapituliere._der_kopftuch_islam_hat_den_euro_isl

[5]

http://www.bassamtibi.de/ich-kapituliere-artikel-von-bassam-tibi-im-cicero

[6]

http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Deutschland-Welt/Weisse-Rosen-fuer-eine-Frau-die-zu-mutig-war

[7]

http://www.sueddeutsche.de/panorama/dresden-mord-in-gerichtssaal-trauerfeier-fuer-getoetete-aegypterin-1.80812

[8]

http://www.ditib.de

[9]

http://www.milliyet.com.tr/gulsun-karamustafa

[10]

http://pong-berlin.de/de/1/films/es-express

[11]

http://www.smb.museum/museen-und-einrichtungen/hamburger-bahnhof/ausstellungen/detail/guelsuen-karamustafa-chronographia.html

Ausgelöschte linke Erinnerung

Ein kürzlich publiziertes Buch des Historikers und Romanisten Alexandre Froidevaux beschäftigt sich mit der Erinnerungsgeschichte der spanischen Arbeiterbewegung vom Bürgerkrieg bis zur sogenannten „Transición“.

Der 19. Juli 1936 war für viele ZeitgenossInnen in aller Welt ein wichtiges Datum. In Spanien stoppte an diesem Tag ein Aufstand grosser Teile der Bevölkerung einen faschistischen Putsch. „No pasarán!“, sie werden nicht durchkommen, wurde zum geflügelten Wort. In aller Welt entstanden Solidaritätskomitees für die spanische Revolution, an denen sich auch viele KünstlerInnen beteilig ten. Freiwillige aus aller Welt kämpften mit der Waffe in der Hand in den Internationalen Brigaden in Spanien. Viele von ihnen kamen aus Ländern, in denen der Faschismus schon an der Macht war. Sie wollten in Spanien auch dessen mörderische Weltherrschaftspläne stoppen. 80 Jahre später ist das Datum, das weltweit soviele Hoffnungen auslöste, fast vergessen.

Die Gründe dafür werden von Alexandre Froidevaux in „Gegengeschichten oder Versöhnung?“ sehr gut herausgearbeitet. Sehr detailreich gibt der Autor Einblick in die spanische Erinnerungskultur. Dabei liefert er auch einen gut belegten Einblick in die Geschichte der spanischen ArbeiterInnenbewegung zwischen 1936 und 1982. Bevor die Tage der Hoffnung im Juli 1936 in die Zeit des schrankenlosen Terrors gegen alle VerteidigerInnen der Republik mündeten, nahmen die Auseinandersetzungen innerhalb der spanischen Linken immer schärfere Formen an.

Keine gemeinsame Erzählung

Diese führten dazu, dass die VerteidigerInnen der Republik nicht einmal eine gemeinsame Erzählung von der Niederlage pflegten. Froidevaux macht das an der Rezeption des sogenannten Casado-Putschs deutlich, bei dem am 5. März 1939 ein Bündnis aus rechten SozialistInnen und Teilen der AnarchosyndikalistInnen die wesentlich von der Kommunistischen Partei unterstützte Negrin-Regierung stürzte. Für die KommunistInnen war das der Grund, um ihre Tiraden gegen angebliche trotzkistische und anarchistische VerschwörerInnen, die den Francotruppen den Weg geebnet haben sollen, endlos zu wiederholen. Tatsächlich waren die GegnerInnen Negrins überzeugt, dass die Lage für die Republik aussichtslos war und es Verhandlungen mit Franco geben müsse. Die Negrin-Regierung und die Kommunistische Partei hingegen setzten auf das Durchhalten, bis sich die weltpolitische Lage ändern und sie Unterstützung von Staaten wie Grossbritannien und Frankreich bekommen würden. Diese hatten seit 1936 alles getan, um die Unterstützung der spanischen Republik und ihrer bürgerlich-demokratisch gewählten Linksregierung zu sabotieren. Die rechten PutschistInnen konnten hingegen von Anfang an auf die grosszügigste Unterstützung Hitler-Deutschlands und Mussolini-Italiens rechnen. Ohne deren Militärhilfe wäre der Putsch bereits in den ersten Tagen zusammengebrochen. Stille Sympathie hatten die PutschistInnen bei konservativen Kräften in vielen westlichen Staaten, die durchaus das Ziel des europäischen Faschismus teilten, der Sowjetunion und ihren UnterstützerInnen weltweit eine Niederlage zu bereiten. Doch hatte Stalin mittlerweile die Revolution erstickt, führende Köpfe des Roten Oktober waren hingerichtet oder inhaftiert worden. Daher war die spanische Revolution für viele Linken in aller Welt auch die Hoffnung auf eine Erneuerung der revolutionären Bewegung ausserhalb der SU. Die stalinschen Repressionsorgane verfolgten linke KritikerInnen auch auf spanischem Boden und die Kommunistische Partei Spaniens verteidigte diese Massnahmen.
Diese politische Gemengelage, in der sich die Interessen der sowjetischen Aussenpolitik unter Stalin mit dem revolutionären Impetus vieler KommunistInnen in und ausserhalb verschiedener Parteien vermengte, wird im Buch sehr gut beschrieben. So wird die Kluft deutlich, die sich nach der Niederlage unter den spanischen VerteidigerInnen der Republik auftat und zu einem regelrechten Hass zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen führte. Bis Anfang der 1960er Jahre lehnten viele SozialistInnen und AnarchistInnen die Kooperation mit der KP ab, die sie für die Repression gegen ihre GenossInnen verantwortlich machten. Doch auch innerhalb der Gruppierungen ging der Streit nach der Niederlage weiter. Froidevaux schreibt über die Spaltung der anarchosyndikalistischen CNT: „Die andauernden Auseinandersetzungen zwischen den beiden Fraktionen bleiben der Vergangenheit verhaftet, begründen sich, wie gezeigt, aus unterschiedlichen Lesarten der CNT-Politik im Bürgerkrieg und speisen sich aus persönlichen Animositäten“.

Konservative feiern Franco

Froidevaux macht aber auch das Ausmass des Terrors deutlich, mit dem der spanische Faschismus sein proklamiertes Ziel, Spanien von allen Linken, Gottlosen und Freimaurern zu säubern, vor allen in den ersten Jahren gnadenlos umsetzte. Froidevaux geht von mindestens 150.000 Ermordeten aus. Wesentlich höher war

die Zahl der Gefolterten und der ZwangsarbeiterInnen, die etwa die Monumentaldenkmäler des Regimes errichten mussten. Auch die Erinnerung an das republikanische Spanien wurde mit massivem Terror rigoros unterbunden. Froidevaux spricht von einem Memorizid. „Auf diese Weise ging linke Identität verloren, begleitet und verstärkt durch den Verlust kollektiver Erinnerung“. Der Memorizid führte dazu, dass auch nach der sogenannten „Transición“, bei der aus Franco-FaschistInnen wieder Konservative wurden, die Geschichte der spanischen Revolution nicht erzählt wurde. Es gab auch keine Gerechtigkeit für die Opfer der faschistischen Gewaltpolitik. Erst mit grosser Verspätung gab es in den 1990er Jahren die ersten Versuche, von den faschistischen Schergen Ermordete umzubetten und Gedenkorte einzurichten. „Das Vergessen setzt sich durch“, das gilt auch für die Nachfranco-Ära. Froidevaux kommt bei aller Kritik im Detail zu dem Fazit, dass es angesichts der Kräfteverhältnisse keine Alternative zur Politik der „Transición“ gegeben habe. Doch angesichts der portugiesischen Revolution und dem weltweiten revolutionären Aufbruch, der Mitte der 1970er Jahren noch im Gang war, sollte man dahinter ein grosses Fragezeichen setzen. Und man sollte nie vergessen, es waren deutsche ChristdemokratInnen und die konservative FAZ, die bis zum Schluss Franco als Bollwerk des christlichen Abendlands gegen den Kommunismus feierten. So schrieb ein Robert Held 1961 zum 25. Jahrestag des Putsches in der FAZ, die Obristen hätten das Schlimmste gerade noch verhindert – womit die spanische Revolution gemeint war.

Alexandre Froidevaux: „Gegengeschichten oder Versöhnung? Erinnerungskulturen und Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung vom Bürgerkrieg bis zur ‚Transición‘ (1936-1982)“ Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2015,   600 Seiten, ca. 30 Franken

Peter Nowak

vorwärts – die sozialistische zeitung, Nr. 27/28 vom 15. Juli 2016,

Dokumentiert auf Schattenblick:

http://www.schattenblick.de/infopool/medien/altern/vorw1207.html

Nr. 27/28 – 72. Jahrgang – 15. Juli 2016, S. 8

Ein kürzlich publiziertes Buch des Historikers und Romanisten Alexandre Froidevaux beschäftigt sich mit der Erinnerungsgeschichte der spanischen Arbeiterbewegung vom Bürgerkrieg bis zur sogenannten „Transición“.

Der 19. Juli 1936 war für viele ZeitgenossInnen in aller Welt ein wichtiges Datum. In Spanien stoppte an diesem Tag ein Aufstand grosser Teile der Bevölkerung einen faschistischen Putsch. „No pasarán!“, sie werden nicht durchkommen, wurde zum geflügelten Wort. In aller Welt entstanden Solidaritätskomitees für die spanische Revolution, an denen sich auch viele KünstlerInnen beteilig-

„Wir schaffen das“

Wie eine Merkel-Phrase Geschichte macht

ast scheint es so, wenn man die aktuellen Pressemeldungen nach der vorgezogenen Sommerpressekonferenz der Kanzlerin verfolgt. So beschreibt[1] ein Politikredakteur in der konservativen Tageszeitung „Die Welt“, wie die der Satz „Wir schaffen das“ zur Parole des Anti-Merkel-Lagers wurde, das seit einem Jahr die Kanzlerin von rechts kritisiert. Am 31.August 2015 hatte Merkel diesen Satz, der eher als eine inhaltslose Phrase bezeichnet werden kann, in einen Kontext eingefügt, der eigentlich Kritik von Links geradezu herausgefordert haben müsste.

Der Absatz, in dem die 3 Wörter, die jetzt Gegenstand von politischen Kontroversen enthalten sind, lautet[2]:

Ich sage ganz einfach: Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das! Wir schaffen das, und dort, wo uns etwas im Wege steht, muss es überwunden werden, muss daran gearbeitet werden.

Schlussstrich unter deutscher Geschichte

Wenn eine Kanzlerin ganz unbefangen über ein starkes Deutschland  schwadroniert, das so vieles geschafft hat, dann ist der Deckel über der jüngeren deutschen Geschichte nun endgültig geschlossen. Niemand im In- und Ausland hat daran erinnert, dass gerade in Zeiten in denen Deutschland sich besonders stark wähnte, zwei Weltkriege und die Shoah geschahen. Hätte Bundeskanzler Kohl nach dem Fall der Mauer eine ähnliche Diktion gewählt wie Merkel 2015, wären historischen Reminiszenzen sicher angesprochen worden.

Damals gab es im Ausland, aber auch im Inland heftige Diskussionen darüber, dass ein wiedervereinigtes Deutschland einen Schlussstrich unter die NS-Geschichte ziehen wolle. Der Merkel-Satz und seine Rezeption zeigen, dass dieses Vorhaben vollständig gelungen ist. Es ist möglich über ein starkes Deutschland zu reden, das schon so vieles geschafft hat, und die NS-Geschichte wird nicht einmal mehr beiläufig erwähnt.

Vielmehr scheint es nach der Merkel-Rede vor einem Jahr – der Satz stammt aus der Sommerpressekonferenz von 2015[3] – links von der Union keine Parteien mehr zu geben, sondern nur noch Merkel-Fans. Und gerade die drei Wörter „Wir schaffen das“ sollen auf einmal der Ausweis für ein buntes, liberales Land sein. Dagegen gäbe es nicht nur aus geschichtspolitischen Erwägungen massive Einwendungen.

Welches „Wir“ ist denn eigentlich gemeint, das was genau schaffen soll?  Und welche Hindernisse müssen überwunden werden, die dem gar nicht genauer definierten Ziel im Wege stehen?  Da dieser Absatz völlig beliebig ist, kann er für jede Situation herangezogen werden. Wenn Wirtschaftsverbände anmahnen, dass man die Mindestlohnregelungen angesichts der Zuwanderer flexibler gestalten soll, können sie sich ebenso darauf  berufen, wie Wohnungsbauunternehmen, die vielleicht einige ihnen lästigen Formalien bei der Ausweisung von Bauland überwinden wollen.

Was sich ein Jahr nach der Merkel-Rede zeigt und was auch niemanden überraschen dürfte: Eine Auslegung der Merkel-Phrase im Sinne der Aufhebung von Einwanderungsbeschränkungen, die einer schnellen Integration von Migranten im Wege stehen, war nicht gemeint. Im Gegenteil, in dem einen Jahr zwischen den beiden Merkel-Sommerpressekonferenzen wurde gleich mehrfach das Asylrecht verschärft und mehrere Länder, aus denen viele Migranten stammen, wurden in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgenommen.

Zudem hat Merkel mit den Hürden, die im Wege stehen, auch nicht die Schuldenbremse oder eine Wohnungs- und Sozialpolitik gemeint, die die gesellschaftliche Ungleichheit immer weiter verschärft. So forderten soziale Initiativen und Mieterverbände[4], dass die Zuwanderung Anlass sein sollte, einen neuen kommunalen Wohnungsbau[5] zu fördern, der bezahlbare Wohnungen für alle Menschen gewährleisten soll.

Damit wäre auch die Trennung in Geflüchtete und die einheimische Bevölkerung tendenziell aufgehoben, die immer wieder für rassistische Spaltungen sorgt. Solche Forderungen hatten aber in der weiterhin wirtschaftsliberalen Atmosphäre keine Durchsetzungschance.

Die Linke und die Merkel-Phrase

Statt hier die Kritik anzusetzen, liefert sich die parlamentarische Linke einen internen Streit um eine Pressemeldung ihrer Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht, in der sie nicht pflichtschuldig die drei Merkel-Worte zum unkritisierbaren Credo erklärte. Dabei verdienen die stark auf den Nationalstaat basierenden sozialdemokratischen Vorstellungen von Wagenknecht berechtigte Kritik. Aber wenn dann der Vorwurf kommt, hier werde Merkels „Wir-schaffen-das-Phrase“ von rechts kritisiert, wird deutlich, dass es hier um eine Auseinandersetzung innerhalb der Partei geht.

Manche sehen in Wagenknecht ein Hindernis für ein schnelles Bündnis mit Grünen und der SPD, wenn es sich irgendwie noch ergeben sollte. Dabei hat Wagenknecht aktuell einer solchen  Kooperation wenig entgegenzusetzen. Doch ihre Vergangenheit in der traditionslinken Kommunistischen Plattform[6] und manche marxistischen Elemente in ihrer Argumentation lassen sie noch immer als Gegnerin einer Koalition mit der SPD durchgehen.

Der aktuelle Streit soll ihr hier Grenzen zeigen. Das ist auch daran zu erkennen, dass die Presseerklärung von Wagenknecht selbst von Parteimitgliedern kritisiert wird, die sich auffällig zurückhalten, wenn im von Linken regierten Thüringen Roma und Sinti in ihre angeblich sicheren Herkunftsstaaten abgeschoben wurden[7], in denen sie oft keineswegs sicher sind.

Merkwürdigerweise haben die innerparteilichen Merkel-Kritiker auch geschwiegen, als die Bundestagsabgeordnete der Linken, Birgit Wöllert, offenen Rassismus verteidigte oder zumindest entschuldigte[8]. Dabei ging es um die Ende-Gelände-Aktion[9] von Klimaaktivisten zu Pfingsten bei Vattenfall in der Lausitz. Wöllert, die als parlamentarische Beobachterin vor Ort war, sagt über einige Reaktionen  aus der dortigen Bevölkerung:

„Als parlamentarische Beobachterin bin ich selbst im Tagebau Welzow-Süd an der Kohleverladestation gewesen, habe mit Vattenfall-Mitarbeitern und der Polizei gesprochen. Auch dort musste ich mir den Vorwurf anhören: „Frau Wöllert, schämen Sie sich, dass Sie hier sind und hinter denen stehen, die als Fremde hierher kommen und uns Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen.“

In dem Moment war das gar nicht fremdenfeindlich gemeint. Die Region war und ist einfach frustriert. Die deutsche Kraftwerks- und Kohlesparte von Vattenfall war frustriert über den Verkauf, über den sie keinesfalls glücklich war, auch wenn sie sich öffentlich total zufrieden zeigte. Und die Beschäftigten gehen nun auch einer unsicheren Zukunft entgegen.

Hier wird eine eindeutig rassistische Äußerung von Fremden, die Deutschen die Arbeitsplätze wegnehmen, entschuldigt, obwohl bekannt war, dass Neonazis aus der Region gegen die Klimaaktivisten hetzten und gewalttätig vorgingen[10].

Merkwürdig nur, dass Wöllerts Statement, das bereits vor fast drei Wochen in einer Umweltzeitschrift zu lesen war, parteiintern keine Kritik auslöste. Das zeigt, dass es bei den Debatten um das Wagenknecht-Statement eben in erster Linie um Parteipolitik geht.

Merkel-Kritik nur von rechts?

Während von linker Seite der Merkel-Satz für sakrosankt erklärt wird und der deutschnationale Kontext ausgeblendet wird, haben ihn Rechte und Populisten aller Couleur für sich entdeckt. Das fängt schon mit Videos des Focus-Magazins[11] an, auf denen ganz im Stile der rechten Rhetorik nach den Kosten gefragt wird, die dieser Satz angeblich beschert hat.

Dabei werden Kosten für die Integration und Mehrausgaben bei der Inneren Sicherheit addiert und so genau die Verbindung zwischen Migration und Terror hergestellt, die das Kennzeichen rechter Propaganda ist. Auch Merkels ewiger Konkurrent innerhalb der Union, Horst Seehofer, hat wieder an dem Kanzler-Satz etwas auszusetzen, wenn er ihn, sachlich völlig korrekt, als hohle Phrase klassifiziert[12].

Aber da der CSU-Politiker das Bündnis mit der CDU nicht gefährden will, bleibt es das übliche Geplänkel zwischen Merkel und Seehofer, das schon lange bekannt ist. Wobei Seehofer ja darauf verweisen kann, dass auch Merkel längst der Überzeugung ist, dass der Zugang von Migranten begrenzt werden muss. Genau dafür wurden im letzten Jahr weitere Gesetzesverschärfungen geschaffen. Auch hier wurden also Schranken überwunden im Sinne des Merkel-Credos. Auch hier hat ein starkes Deutschland einiges geschafft.

Warum keine Diskussion über 9 Opfer des rassistischen Anschlags von München?

Was aber bei der ganzen Debatte über Merkels Pressekonferenz kaum diskutiert wurde, ist das Schweigen über die rassistischen Motive des Münchner Amokläufers. Mittlerweile hat sich rausgestellt, dass die Tat am Jahrestag des Breivik-Massakers kein Zufall war, zudem war der Täter auch stolz darauf, am selben Tag wie Adolf Hitler Geburtstag zu haben, seine Opfer waren Muslime, oft mit nicht-deutschem Hintergrund (München: Massenmord aus Ausländerfeindlichkeit?[13]).

Nach der Aufdeckung der NSU-Morde war die Tat von München die größte rassistische Mordtat – dieser Befund gilt unabhängig vom  psychischen Zustand des Täters. Es ist aber auffallend, wie schnell man sich auf die Version eines unpolitischen Amokläufers verständigte, nachdem ein islamistisches Motiv für die Tat ausschied.

Eine Klassifizierung der Morde von München rassistisch war von Merkels-Sommerpressekonferenz nicht zu erwarten. Aber doch wohl von den Tausenden Menschen, die noch vor einem Monat in München gegen Rassismus auf die Straße gegangen waren[14]. „Es war rechter Terror und kein Amoklauf“ lautete die Einschätzung  von Migranten[15]. Wo blieben nach dem Massenmord des Münchner Breivik-Fans die antifaschistischen und antirassistischen Demonstrationen mit diesem Motto?

Hat es die Hegemonie des Merkel-Deutschland schon geschafft, dass die nicht mehr protestieren, wenn ein rassistischer Massenmord zu einem unpolitischen Amoklauf erklärt wird?

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48993/1.html

Peter Nowak

Anhang

Links

[0]

https://de.wikipedia.org/wiki/Angela_Merkel#/media/File:2015-12-14_Angela_Merkel_CDU_Parteitag_by_Olaf_Kosinsky_-12.jpg

[1]

http://www.welt.de/politik/deutschland/article157407429/Wie-Wir-schaffen-das-ein-Anti-Merkel-Slogan-wurde

[2]

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-31-pk-merkel.html

[3]

https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/08/2015-08-31-pk-merkel.html

[4]

http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2016/me-single/article/belastung-oder-chance.html

[5]

http://www.inkw-berlin.de/

[6]

https://www.die-linke.de/partei/zusammenschluesse/kommunistische_plattform_der_partei_die_linke/

[7]

http://www.alle-bleiben.info/uber-uns/

[8]

http://www.klimaretter.info/politik/hintergrund/21558-vattenfall-sagte-ende-gelaende

[9]

https://www.ende-gelaende.org/de

[10]

http://www.taz.de/!5305477

[11]

http://www.focus.de/politik/videos/haushalt-2017-fluechtlinge-so-viele-milliarden-kostet-der-merkel-satz-wir-schaffen-das_id_5777069.html

[12]

http://www.heute.de/merkels-wir-schaffen-das-seehofers-dilemma-44611166.html

[13]

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48961/

[14]

http://www.sueddeutsche.de/muenchen/innenstadt-tausende-demonstrieren-gegen-rassismus-1.3040831

[15]

http://www.migazin.de/2016/07/29/david-ali-s-muenchener-amoklauf


Die Niederlage emanzipatorischer Bewegungen

In einer Welt von faschistischen Einzeltätern werden die strafende Polizei und die heilende Psychiatrie wieder zu vermeintlichen Rettern

Im Interesse der Sicherung ihrer Pfründe unterlassen die christlichen Großkirchen nicht jede Kritik am Islam. Sie sind sogar beriet, ihm Terrain – geistliches, ideologisches, materielles zu überlassen. Dazu passt, dass der Ramadan, der islamische Fastenmonat, in Deutschland mittlerweile wie ein nationales Ereignis zelebriert wird, bei dem sich sogar der Bundespräsident medienwirksam in Szene setzt. Fast könnte man meinen, die „Unterwerfung“ (was „Islam“ auf deutsch heißt), die der französische Schriftsteller Michel Houellebecq in seinem gleichnamigen Roman fiktonal-dystopisch thematisiert, sei bereits im Gange.

Eine solche Islamkritik ist in Deutschland an vielen Stellen zu lesen. Erstaunlich ist eher die Quelle des Textes[1], aus dem dieser Abschnitt stammt. Verfasst hat ihn Ingolf Bossenz, Experte für Religion der Tageszeitung Neues Deutschland, die sich ganz klar gegen Rassismus und Rechtspopulismus positioniert.

Auch in der Wochenzeitung Jungle World, die sich gegen jegliche Form von Rassismus einsetzt, waren in einem Interview[2] mit dem Vorstandsmitglied der NGO Eziden weltweit[3], Mizgin Saka, eher ungewohnte Töne für die Zeitung zu lesen:

Die Lage in deutschen Flüchtlingsheimen beschäftigt uns sehr und ich höre oft von Übergriffen muslimischer Geflüchteter auf religiöse Minderheiten. Letztes Jahr gab es einen solchen Fall in Bielefeld, wo es Messerattacken gegen einen yezidischen Flüchtling gab, weil er während des Ramadan nicht fasten wollte. Das ist kein Einzelfall, sondern steht für die bedrohliche Lage religiöser Minderheiten in deutschen Flüchtlingsheimen.

Beinahe ohne Ausnahme gingen alle Übergriffe von radikalen Muslimen aus, die ihre Opfer als „Ungläubige“ betiteln und als Rechtfertigung für diese diskriminierende Gewalt ihren Glauben heranziehen.Wir bemerken einen drastischen Anstieg dieser Gewalttaten – und auch die momentane Flüchtlingssituation in Europa und im Nahen Osten deutet nicht darauf hin, dass mit einem Rückgang zu rechnen ist.

Wir fühlen uns im Stich gelassen – die Bundesregierung muss endlich konsequenter und umsichtiger vorgehen. Oftmals sind Sicherheitspersonal oder Dolmetscher Komplizen dieser Attacken – die Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollmechanismen müssen verbessert werden. Nicht nur Yeziden, sondern auch Juden und Christen sind durch islamistische Attacken bedroht sind.

Saka spitzt ihre Kritik sogar noch zu:

Mittlerweile schäme ich mich manchmal, deutsche Staatsbürgerin zu sein, weil wir tagtäglich erfahren, dass islamischen Kulturvereinen viel zu viel Raum gegeben wird und ihren diskriminierenden Weltanschauungen

Nun kann man auf viele Widersprüchlichkeiten der beiden Zitate eingehen. So versucht sich Bossenz von rechts abzugrenzen, in dem er eine „freie, offene, sachliche und schonungslose Debatte“ fordert, weil „der Islam zu Deutschland gehört“. Warum führt er dann aber in seiner Kritik an, dass das Fastenbrechen als nationales Ereignis zelebriert wird?

Und Mizgin Saka will aus den Yeziden eine Nation kreieren und argumentiert mit allen Ausgrenzungen, die dazu gehören, wenn man ethnonationalistisch argumentiert. Da muss natürlich die eigene Ethnie immer das Opfer  sein. Über die Unterdrückung von Frauen in der yezidischen Community[4] findet sich natürlich bei Saka kein Wort.

Auffällig sind ihre scharfen Angriffe in dem Interview auf die Kurden, die doch schließlich im letzten Jahr wesentlichen Anteil an der Rettung vieler Yeziden vor dem IS-Terror im letzten Jahr hatten, was natürlich für yezidische  Nationalisten ein Affront ist, weil sie ja den Mythos vom Verlass auf die eigenen Kräfte aufrecht erhalten wollen.

Ein gewisses Unbehagen in linksliberalen Milieu

Bemerkenswert ist, dass Bossenz und Saka in Medien veröffentlichen, die sich klar gegen Rassismus aussprechen und die Rechte von Geflüchteten  und Migranten verteidigen.  Auch die Besucher der Galerie Kurt Kurt[5] im Geburtshaus von Kurt Tucholsky im Berliner Stadtteil Moabit kann als Domäne der linksliberalen Menschen des Stadtteils gelten. Zumal dort in der aktuellen Ausstellung auch das nahe Landesamt für Gesundheit und Soziales[6], das als behördliche Erstaufnahmeeinrichtung für Migranten monatelang Schlagzeilen machte, mit in die aktuelle Ausstellung einbezogen wurde.

In einem Eck der Galerie befindet sich eine hölzerne Kammer mit einem Feldstecher, mit dem die Besucher direkt in die Büros des Lageso blicken und die Mitarbeiter am Schreibtisch, meistens aber nur Blumen beim Wachsen, beobachten kann.  Am 20.7. konnten die Galeristen mit Durs Grünbein und Via Lewandowsky zwei bekannte Künstler für einen Dialog über das Leben und das Reisen gewinnen. Schnell kamen beide auf das Thema Migration. Beide sind in Dresden geboren und haben sich  in ihrer politischen und künstlerischen Sozialisierung mit der DDR-Biographie gerieben.

Beide haben die  Migrationsbewegung am Ende der DDR sehr direkt miterlebt. Lewandowsky hatte  1989 selber die DDR verlassen.  Grünbein war Zeuge, wie der Zug mit den zunächst nach Ungarn Geflüchteten nach dem Willen der DDR-Oberen den Weg in die BRD über das Territorium der DDR nehmen musste. Was für die SED-Nomenklatura eine Bekräftigung ihrer Staatsautorität  darstellen sollte, trug nach Grünbeins Beobachtung dazu bei, dass sich die Opposition in der DDR  erst richtig entzündete.

Beide Künstler äußerten eine Grundsympathie mit den Geflüchteten und wandten sich auch gegen die Einteilung in politische und wirtschaftliche Flüchtlinge. Grünbein hob besonders hervor, dass es durch die Migrationswelle doch vielen kranken Menschen möglich wurde, sich in Deutschland medizinisch behandeln zu lassen. Unabhängig von der Frage, ob das so stimmt, weil es immer wieder Berichte gibt, dass nur medizinisch dringend notwendige Behandlungen übernommen werden,  sollte positiv hervorgehoben werden, dass Grünbein und Lewandowsky, aber auch das Publikum, es als einen Fortschritt bezeichneten, dass die Menschen ihr Recht auf Gesundheit wahrnehmen können.

Das hebt sich sehr angenehm von dem Lamento derer ab, die über die Einwanderung in deutsche Sozialsysteme lamentieren. Doch in der Gesprächsrunde äußerten beide Dialogpartner auch ein gewisses Unbehagen angesichts von Migranten, die sich in Deutschland unkontrolliert aufhalten. Das Bild von offenen Grenzen, die Menschen ohne Kontrolle passierten, macht offenbar Angst. Grünbein und Lewandowsky verwiesen demgegenüber auf die lückenlosen Kontrollen, mit denen DDR-Flüchtlinge im Aufnahmelager Marienfelde konfrontiert waren.

Dort waren neben vielen anderen Institutionen auch Polizei und BND vertreten. Das linksliberale Publikum teilte größtenteils die geäußerten Ansichten, was eben deutlich macht, dass offene Grenzen ohne Kontrollen auch Personen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen und die die Einteilung der Migranten in politische und solche, die nur ein besseres Leben wollen, ablehnen, zumindest Unbehagen bereiten.

Die Illusion über die Sicherheit durch Grenzen und die Renaissance der staatlichen Ordnung

Durch die Serie von Anschlägen der letzten Zeit wird sich dieses Gefühl noch verschärfen. Dass es dabei eher um einen Placebo-Effekt handelt, ist klar, aber es geht um das Gefühl von Sicherheit und nicht um mit Zahlen untermauerte Fakten. Wie Menschen in geschlossenen Räumen besser schlafen können, auch wenn sie nicht wirklich gesichert sind, so wirkt allein die Vorstellung, alle Menschen, die nach Deutschland kommen, sind durch irgendwelche Beamten kontrolliert worden, beruhigend. Dabei dürfte klar sein, dass Menschen, die, von wem auch immer organisiert, nach Deutschland eingeschleust werden, mit falschen Dokumenten die Grenzen überwinden können. Hängen bleiben die Migranten, die ihre Papiere verloren haben und nicht organisiert sind.

Die vielen Anschläge der letzten Wochen aber schaffen ein Gefühl der Unsicherheit und fördern Einstellungen, die dann Grenzen, massive Polizeipräsenz, aber auch den Einsatz der Bundeswehr im Innern plötzlich auch bei Menschen akzeptabel erscheinen lassen, die sich politisch lange dagegen wandten. In einer ruhigen Minute werden sie auch weiterhin zugeben, dass dies Placebos sind, aber sie beruhigen.

Die Stunden der Ungewissheit, als in München Menschen in Supermärkten per Smartphone ihr Testament machten, weil sie der Überzeugung waren, dass jetzt das islamistische Armageddon gekommen ist, sind in dieser Beziehung aufschlussreich. Hier handelte es sich auch um Reaktionen von Menschen, die bisher überzeugt waren, eher rational zu sein und nicht gleich in Panik zu verfallen. Da nun die gerade die sozialen Medien die Panik förderten, wird dann auf einmal die  bayerische Polizei – und in Reserve noch die Bundeswehr als Institution, die für Ruhe und Ordnung steht – gelobt.

Dass es immer wieder Beispiele gab, wo sich in Krisensituationen die Menschen selber organisieren und auch dafür sorgen, dass sie aus einer lebensbedrohlichen Situation entkommen, wird dabei ausgeblendet. Ein gutes Beispiel war die Situation nach der Naturkatastrophe Katrina[7] in den USA, als der Staat ganze Gebiete verlassen hatte und sich die Menschen selbst halfen[8]. Die Frage, wie sich Menschen im Alltag organisieren können, damit das auch bei Anschlägen, von wo immer sie kommen, möglich ist, wäre die wichtige Diskussion, die geführt werden muss. Die Erfahrung, nicht nur in den Stunden der Angst in München zeigen, dass da die sozialen Medien, Twitter etc. keinesfalls eine Unterstützung sind.

Amok, Terror, Anschlag – eine unergiebige Diskussion

Doch statt solche Diskussionen zu führen, wird in den Medien darüber gestritten, ob ein Amoklauf wie München Terror ist, ob es eine Beziehungstat oder ein islamistischer Anschlag ist, wenn ein Reutlingen ein Mann seine ehemalige Freundin mit einem Dönermesser umbringt. Dabei wird übersehen, dass die Grenzen fließend sind und dass in diesen Tagen, wo die Nachrichten immer mehr von Anschlägen der unterschiedlichen Art dominiert werden, Menschen ohne religiösen Hintergrund auf die Idee kommen, mit einen lauten Knall die Welt zu verlassen.

Das Beispiel München macht auch noch einmal deutlich, dass kein islamistischer Hintergrund nötig ist, um wahllos Menschen zu ermorden. Es braucht gar nicht den Breivik-Bezug um deutlich zu machen, was die Gemeinsamkeit bei allen Bluttaten der letzten Wochen ist. Es handelt sich um Faschismus in Aktion, dessen Kennzeichen ein Todeskult und der Vernichtungswunsch gegen alles Fremde bzw.  gegen Menschen sind, die zu individuellen Feinde erklärt werden.

Um ein weniger bekanntes Beispiel der globalen Serie faschistischer Einzeltäter herauszugreifen: Wenn in Japan ein Mann in eine Einrichtung für Behinderte eindringt, mindestens 20 Menschen ermordet und hinterher erklärt[9], er sei der Meinung, diese Menschen haben kein Lebensrecht, dann ist das Faschismus in Aktion. Ob der Täter durch den Koran oder Texte von Breivik oder Hitler dazu motiviert wurde, oder ob er  keine von ihnen kennt, mag die Justiz ermitteln.

Für eine politische Beurteilung ist diese Differenzierung nicht nötig. Genauso fatal ist der scheinbar rettende Ausweg, doch all die Einzeltäter für verrückt zu erklärten. Schon haben sie mit „uns“ und  „unserer Gesellschaft“ nichts mehr zu tun und neben der Renaissance der Polizei wird auch die heilende Psychiatrie wieder in ihr Recht gesetzt. Dagegen gilt es an den Grundsätzen  der Psychiatriekritik anzuknüpfen, dass nicht der Einzelne sondern die Gesellschaft verrückt ist  Die vielen so unterschiedlichen Einzeltäter reagieren mit faschistischen Methoden auf diese Verrücktheit der Welt.

Die meisten wollen damit nichts zu tun haben und rufen sichere Grenzen, die eigene Nation oder Religion als Schutzwall gegen die  Zumutungen der Welt auf. Die schwere Aufgabe wird es sein, eine emanzipatorische Antwort auf die verrückte Welt zu finden, die nicht die alten staatlichen Instanzen wieder in ihr Recht setzt. Die Psychiatriekritik war ein Teil des sozialen Aufbruchs der 1960er Jahre.

Die Terroraktionen der verschiedenen  faschistischen Einzeltäter aller Couleur sind eine Folge von gesellschaftlichem Niedergang, der globalen Niederlage emanzipatorischer Bewegungen und des scheinbar schrankenlos.

http://www.heise.de/tp/artikel/48/48949/1.html

Peter Nowak 26.07.2016

Anhang

Links

[1]

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1019613.die-botschaft-des-bajazzos.html

[2]

http://jungle-world.com/artikel/2016/29/54534.html

[3]

https://www.facebook.com/eww.ev/posts/1023816384379768?comment_id=1023919111036162&comment_tracking=%7B%22tn%22%3A%22R%22%7D

[4]

http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article13816274/Zwangsehe-und-sexuelle-Unterdrueckung-bei-Jesiden.html

[5]

http://www.kurt-kurt.de/html/Aktuell.html

[6]

https://www.berlin.de/lageso/

[7]

https://www.tagesschau.de/ausland/katrina-173.html

[8]

http://www.untergrund-blättle.ch/politik/ausland/usa_new_orleans_hurricane_katrina_3178.html

[9]

http://www.dw.com/de/n%C3%A4chtliches-massaker-an-behinderten-in-japan/a-19427145

Briten sollen Spitzelei von Mark Kennedy untersuchen

Berlin fordert, Ermittlungen gegen »Mark Stone« auf Tätigkeiten in Deutschland auszuweiten

kennedy

Mark Stone alias Mark Kennedy
Foto: http://euro-police.noblogs.org

Mark Stone war in ganz Europa als linker Aktivist bekannt und hatte Freunde in vielen europäischen Ländern. Für sie war es ein Schock, als 2010 bekannt wurde, dass der Mann eigentlich Mark Kennedy heißt und ein Undercoveragent des britischen Geheimdienstes war. Seit über einem Jahr untersucht in Großbritannien eine Kommission unter dem Vorsitz des Sonderermittlers Christopher Pitchford die Einsätze des verdeckter Ermittlers in der linken Szene.

Ein Schwerpunkt der Ermittlungen sind die sexuellen Beziehungen, die der Agent mit mehreren Frauen in der linken Szene eingegangen ist. Eine Berliner Freundin von Stone bezeichnete die Aufdeckung seiner Spitzeltätigkeit als »lange, qualvolle Folter«. Doch bisher sind die Auslandsbeziehungen des Spitzels nicht Gegenstand der Untersuchungen der britischen Kommission, sondern lediglich sein Einsatz in Wales und England.

Dagegen will der in Berlin lebende Jason Kirkpatrick, der mit dem vermeintlich linken Aktivisten Stone mehrere Jahre befreundet war, jetzt juristisch vorgehen. Seine Rechtsanwältin Anna Luczak hat ein Schreiben an das britische Home Secretary, wie das Innenministerium in Großbritannien heißt, gerichtet, in dem die Einbeziehung der geheimdienstlichen Tätigkeit Stones in Deutschland gefordert wird.

Eine Verweigerung verstoße gegen mehrere Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention, heißt es in dem Schreiben, das die erste Stufe einer Klage darstellt. »Das Home Secretary hat jetzt 14 Tage Zeit zu reagieren, dann werden wir weitere juristische Schritte vorbereiten«, erklärte Kirkpatrick gegenüber »nd«. »Ich warte seit einem Jahr, dass unsere Fälle Teil der Untersuchung werden, und bin mit meiner Geduld am Ende«, begründete er den juristischen Schritt.

Die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele (Grüne) und Andrej Hunko (LINKE) haben sich in einem Schreiben an das britische Justizministerium dafür eingesetzt, dass Kennedys Aktivitäten in Deutschland Teil der Untersuchung werden müssen. Konkret soll die britische Polizei darüber informieren, wie britische Undercoveragenten bei Protestaktionen in Baden-Württemberg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern agierten.

Auch das Bundesinnenministerium unterstützt mittlerweile das Anliegen von Kirkpatrick. In einem »nd« vorliegenden Schreiben erklärt der Referatsleiter Peter Steck, man habe das Home Secretary »um Ausdehnung des Untersuchungsauftrages der sogenannten Pitchford Kommission auf verdeckte Einsätze britischer Polizeibeamter in Deutschland gebeten«.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1019403.briten-sollen-spitzelei-von-mark-kennedy-untersuchen.html

Peter Nowak