Kein ehrenwertes Haus

PROTEST Bewohner eines 60er-Jahre-Baus in Treptow müssen ausziehen. Ein neues Gebäude wird gebaut – mit hohen Mieten, die sich Alteingesessene kaum leisten können

„Wohnungsbau Neukölln – Wiederaufbau 1960“ steht in großen Lettern an einer Wand der Häuserblöcke Heidelberger Straße 15-18. Dort, wo Neukölln an Treptow grenzt, befinden sich seit über fünf Jahrzehnten die Häuser der Genossenschaft Wohnungsbau Verein Neukölln (WBV). Die Zeit ist nicht spurlos an den Gebäuden vorübergegangen: Ein dreckiges Graubraun hat die ursprüngliche Farbe längst überdeckt.

Mit den Häusern sind auch manche der MieterInnen in die Jahre gekommen. Nun sollen sie weg: Vor einigen Wochen haben die MieterInnen erfahren, dass sie die Wohnungen wegen umfassender Baumaßnahmen räumen müssen. Die Genossenschaft bietet Ersatzwohnungen an. Sie hat den MieterInnen zudem mitgeteilt, dass sie sich nicht an die Kündigungsfristen halten müssen, wenn sie selbst eine Ersatzwohnung finden sollten. Die ersten sind schon ausgezogen.

Vor einigen Tagen haben die MieterInnen Post von der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel bekommen, in der scharfe Kritik an der WBV geübt wird. Nach Einschätzung der Initiative sollen die Häuser nicht saniert werden, sondern einem schicken Neubau weichen.

Die AktivistInnen verweisen auf das Titelblatt der Mitteilungen der Genossenschaft vom September 2014, auf dem ein Architektenentwurf der neuen Heidelberger Straße 15-18 zu sehen ist: Statt 50-jähriger Häuserblöcke sind dort moderne Lofts abgebildet. In einen solchen Neubau könnten die alten MieterInnen nicht mehr zurückkehren, weil die Mieten zu teuer wären, monieren die Vertreter der Initiative. „Unterschreiben Sie keine Einverständniserklärung zur Kündigung. Tauschen Sie sich bei anderen NachbarInnen aus. Handeln sie gemeinsam und wohlüberlegt“, rät die Karla Pappel den MieterInnen.

Anfang November hatte die Stadtteilinitiative den Film „Die Verdrängung hat viele Gesichter“ gezeigt, der sich mit der Aufwertung Treptows befasst. „Da haben wir von der Entwicklung in der Heidelberger Straße 15-18 erfahren“, erklärte eine Aktivistin. Ziel des Briefes sei es, die oft schon älteren MieterInnen zu unterstützen.

Auch in der Nachbarschaft verfolgen manche die Entwicklung mit Argwohn. Gabriele Winkler wohnt in einem WBV-Haus ganz in der Nähe und fordert eine öffentliche Diskussion. „Durch die Planungen in der Heidelberger Straße 15-18 wird der Mietspiegel im Stadtteil steigen. Das betrifft auch uns“, erklärt die Rentnerin der taz.

Ein Mitglied des WBV-Vorstands, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, weist die Vorwürfe zurück. „Wir sind eine Genossenschaft und keine Heuschrecke. Bei uns entscheiden die Mitglieder und nicht ein Vorstand“, betont er gegenüber der taz. Die Mitgliederversammlung werde auch darüber befinden, ob die Häuser in der Heidelberger Straße modernisiert oder abgerissen werden. „Bisher ist noch keine Entscheidung gefallen“, sagt er. Die Häuser seien nach mehr als 50 Jahren in einen baulichen Zustand, der die geplanten Maßnahmen erfordere, so der Genossenschaftsvorstand.

Er teilt die Einschätzung, dass sich nach einer Modernisierung viele der derzeitigen BewohnerInnen die Miete nicht mehr werden leisten können. „Die Genossenschaft unterstützt die Mieter aber bei der Suche nach Ersatzwohnungen großzügig“, sagt er.

Auch in der Genossenschaft werde zudem verstärkt über Maßnahmen diskutiert, die einkommensschwachen Menschen ein Verbleiben in den Genossenschaftswohnungen ermöglichen.

http://www.taz.de/Mieterprotest/!149603/

Peter Nowak

Begehung mit öffentlicher Anteilnahme

A100 Auch Kleingärtner in Treptow müssen der Autobahn weichen – und hoffen auf höhere Abfindungen

„Ich wohne seit 1987 hier und der Garten ist mein Leben. Jetzt soll ich hier vertrieben werden“, empört sich Erika Gutwirt. Die rüstige Rentnerin steht vor dem Eingang ihres grünen Domizils in der Kleingartenanlage in der Beermannstraße in Treptow. Die soll der geplanten Verlängerung der A100 weichen.

Am Mittwoch hatten sich um 11 Uhr MitarbeiterInnen der Senatsverwaltung angemeldet, um die Übergabe der Gärten vorzubereiten. „Das ist kein öffentlicher Termin“, rief ein aufgebrachter Behördenmitarbeiter, als er etwa 50 Menschen vor dem Eingang der Gartenanlage versammelt sah. Neben GartenbesitzerInnen hatten sich auch AktivistenInnen der Treptower Stadtteilinitiative Karla Pappel eingefunden.

„Die Begehung der Gärten durch die Behörden ist eine öffentliche Angelegenheit, und deswegen wollen wir sie beobachten“, begründete eine Aktivistin die Unterstützung.

Zuerst wussten einige GartenbesitzerInnen nicht, ob sie sich über so viel Öffentlichkeit freuen sollten. Manche befürchteten, die Begehung werde abgebrochen. Später aber bedankten sich mehrere GartenbesitzerInnen für die Unterstützung. Schließlich wurde bei der Begehung verkündet, dass möglicherweise noch einmal über die Höhe der Abfindungen diskutiert werde, die die Kleingärtner erhalten sollen. „Wir mussten uns selbst um einen neuen Garten und den Umzug kümmern. Von Entschädigung kann also keine Rede sein“, monierte man in der Familie Zentgraf, die seit über zehn Jahren eine Gartenparzelle mit acht alten Bäumen in der Beermannstraße hatte.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F11%2F13%2Fa0196&cHash=2074f510b0d0cf4a153a2caf0e2f15a0

Peter Nowak

Eingebaute Vorfahrt

Für den Bau einer Autobahntrasse sollen in Berlin Häuser abgerissen werden. Was aus den Mietern wird, die sich die Miete der Ersatzwohnungen nicht leisten können, scheint den Senat nicht zu interessieren.

Ein fast undurchdringliches Wurzelwerk, seltene Tierarten und alte Bäume. Nur das Rauschen der S-Bahn im Minutentakt erinnert daran, dass dieses grüne Idyll nicht irgendwo in der Provinz, sondern in Berlin-Treptow liegt. Nur wenige Meter entfernt von viel befahrenen Straßen, in denen sich rund um die Uhr Stoßstange an Stoßstange drängt, findet sich noch eine ausgedehnte Kleingartenanlage. Für Annika Badenhop und Andreas Germuth ist es ihr »grüner Himmel«. So nennen sie auch ihren Blog, auf dem sie seit Frühjahr 2010 ihre Beobachtungen, die sie als ständige Gartennutzer machen, protokollieren. Akribisch wird dort notiert, wann welcher Vogel in welchem Baum seinen Nistplatz aufgeschlagen hat, welche Pflanze gerade blüht und wo sich ein Waldkauz gezeigt hat. »Natur, Garten und Selbstversorgung« lautet der Untertitel des Blogs, der gut zur derzeitigen Konjunktur des Urban Gardening passt. Doch mit dem grünen Idyll in Treptow soll es in diesem Herbst vorbei sein. Wo derzeit noch hohe Bäume seltenen Tierarten ein Domizil bieten, soll bald eine Großbaustelle für den 16. Bauabschnitt einer Autobahn entstehen.

»Die Bundesautobahn A 100 ist für das Fern-, Regional- und Stadtstraßennetz der Hauptstadt Berlin von großer Bedeutung«, heißt es auf der Homepage der zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. »Die Erreichbarkeit des zukünftigen Flughafens Berlin-Brandenburg und des Wissenschaftsstandorts Adlershof sowie die weiträumigen Verbindungen nach Dresden, Cottbus und Frankfurt/Oder werden damit wesentlich verbessert.«

Von den Gartennutzern ist hier ebenso wenig die Rede wie von den zwölf Mietparteien, die noch in der Beermannstraße 22 wohnen. Das Haus befindet sich im Besitz des Bundes und soll noch in diesem Herbst abgerissen werden, damit die Vorarbeiten für die A 100-Trasse beginnen können. Man habe den Mietern Angebote für Ersatzwohnungen gemacht, sagt Birgit Richter von der Senatsverwaltung. Jonas Steinert*, einer der letzten verbliebenen Mieter in der Beermannstraße, berichtet im Gespräch mit der Jungle World, dass er als Freiberufler kein großes Einkommen habe. Daher seien für ihn Ersatzwohnungen, deren Miete zwischen 65 und 120 Prozent über der Miete seiner derzeitigen Wohnung liegen, aus finanziellen Gründen nicht akzeptabel. »Für mich ist eine Erhöhung von maximal zehn Prozent der Nettokaltmiete tragbar«, schrieb Steinert an die Senatsverwaltung.

Statt einer Antwort erhielten Steinert und andere Mieter der Beermannstraße Schreiben, in denen die Senatsverwaltung die Enteignung der Mieter ankündigt. »Ich teile Ihnen mit, dass ich zur Wahrung unserer Interessen in Kürze bei der zuständigen Behörde die vorzeitige Besitzeinweisung und die Enteignung des Mietrechts beantragen werde«, heißt es in den der Jungle World vorliegenden Briefen. Steinert musste sich von einem Rechtsanwalt erklären lassen, dass ihm damit mitgeteilt werde, dass nach Paragraph 116 des Baugesetzbuchs gegen ihn vorgegangen werden soll und er dadurch zahlreiche Rechte, die er als Mieter gegen eine Kündigung hat, verliert.

»Durch die Besitzeinweisung wird dem Besitzer der Besitz entzogen und der Eingewiesene Besitzer. Der Eingewiesene darf auf dem Grundstück das von ihm im Enteignungsantrag bezeichnete Bauvorhaben ausführen und die dafür erforderlichen Maßnahmen treffen«, heißt es in dem Gesetz. Eine vorzeitige Besitzeinweisung dürfe allerdings nur getroffen werden, wenn die »Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten« ist, heißt es dort weiter. »Wir sollen für den Bau einer Autobahn, die in Berlin äußerst umstritten ist, aus unseren Wohnungen fliegen«, moniert Karl Pfeiffer. Der Endfünfziger wohnt im Vorderhaus der Beermannstraße. Er sei immer an Verhandlungen interessiert gewesen und lehne auch einen Auszug nicht generell ab.

»Wir sind doch für die Senatsverwaltung nur lästige Verwaltungsakte, die schnell verschwinden sollen. Wenn solche Töne aus der Senatsverwaltung kommen, sagen wir, das lassen wir mit uns nicht machen«, sagt Pfeiffer. Die letzten verbliebenen Mieter sind besonders empört, dass in den Schreiben der Senatsverwaltung eine Räumungsaufforderung der Wohnungen bis zum 31. Oktober enthalten ist. Als Drohung ohne jegliche Grundlage bezeichnet Steinert diesen Passus, den er daher auch nach juristischer Beratung ignoriert hat. Ihn empört, dass der Senat eine solche Drohkulisse aufbaut und damit Angst bei den Mietern erzeugt. Zumal die Senatsverwaltung in dem Schreiben auch betonte, dass sie zur Bereitstellung von Ersatzwohnungen nicht verpflichtet sei. Das klang am 16. Januar 2014 noch ganz anders. Damals erklärte der zuständige Berliner Senator für Stadtentwicklung und Umwelt, Michael Müller (SPD), auf eine mündliche Anfrage des Abgeordneten Harald Moritz (Grüne) zu den sozialen Folgen der Verlängerung der A 100 im Berliner Abgeordnetenhaus: »Im Zusammenhang mit den zuständigen Verwaltungen der Grundstücke … werden insbesondere die Mieterinnen und Mieter unterstützt, bei denen sich die Wohnraumsuche aus privaten Gründen schwierig gestaltet.«

Die verbliebenen Mieter wollen Müller, der gerade kurz vor seinem nächsten Karriereschritt steht, nun an diese Versprechungen erinnern. Nach der parteiinternen Abstimmung hat die Mehrheit der Berliner SPD-Mitglieder Müller zum Nachfolger des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit bestimmt. »Das Thema A 100 spielte parteiintern bei der Abstimmung keine Rolle«, bedauert Mieter Steinert, der extra in die SPD eingetreten ist, um deutlich zu machen, dass das Thema A 100 noch nicht abgehakt sei. Doch er hatte nicht die Gelegenheit, einen dazu vorbereiteten Redebeitrag zu verlesen. Darin hätte er sicher auch daran erinnert, dass Müller neben Wowereit bereits zu einer Zeit, als das Bauvorhaben auch innerhalb der Berliner SPD noch umstritten war, zu einem der vehementesten Befürworter des Autobahnbaus gehörte. Eine Mehrheit für den Ausbau der A 100 kam damals nur zustande, weil Wowereit seine politische Zukunft daran knüpfte. Müller steht also für Kontinuität.

Berthold Kreutz*, ebenfalls ein Mieter der Beermannstraße, kann nur darüber lachen, dass Müller nach seiner parteiinternen Kür zum Nachfolger von Wowereit von der Berliner Boulevardpresse überschwänglich dafür gelobt wurde, dass er seinen Sieg ganz bescheiden mit einer Pizza feierte und sich, anders als sein Vorgänger, in den Imbissbuden der Hauptstadt auskenne. »Mich interessiert nicht, ob ein Regierender Bürgermeister Kaviar isst, sondern wie er mit Mietern mit wenig Geld umgeht«, kommentiert Kreutz diesen Populismus.

Die verbliebenen Mieter der Beermannstraße erhalten Unterstützung von der Treptower Stadtteilinitiative »Karla Pappel«, die in den vergangenen Jahren den Zuzug von Baugruppen in den Stadtteil und die Folgen für die einkommensschwache Bevölkerung thematisierte. Im Film »Die Verdrängung hat viele Gesichter«, der seit Oktober in zahlreichen Berliner Programmkinos läuft, wird diese Auseinandersetzung gut dokumentiert. Für die Mieter der Beermannstraße ist ihre drohende Verdrängung auch mit dem Gesicht des designierten Regierenden Bürgermeisters Michael Müller verbunden. Dessen Vorzimmer wurde bereits am 19. Oktober, einen Tag nach der Urabstimmung der Berliner SPD, bei der sich Müller gegen seine Konkurrenten um das Amt des Bürgermeisters, Jan Stöß und Raed Saleh, durchsetzte, von A 100-Gegnern für einige Stunden besetzt.

Namen von der Redaktion geändert

http://jungle-world.com/artikel/2014/45/50858.html

Peter Nowak

Geburtstagsgrenzchen

Am 26. Oktober 2004 nahm Frontex die Arbeit auf, eine Organisation, die an den Außengrenzen der Festung Europa Flüchtlinge abwehren soll. Knapp 200 Menschen erinnerten am vergangenen Samstag mit einer Kundgebung an dieses Datum. »10 Jahre Frontex – kein Grund zum Feiern«, lautete das Motto. Aufgerufen hatte das Bündnis »Freiheit statt Angst«, das sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich zum Thema Überwachung geäußert hat. Mehrere Redner machten auf der Kundgebung klar, dass Frontex für die lückenlose Überwachung von Geflüchteten steht. So gibt es Dateien, in denen die Fingerabdrücke von Menschen gespeichert sind, die die Grenzen passieren. In einer anderen Datei sind Informationen über alle Menschen gespeichert, denen vorgeworfen wird, sich ohne gültige Papiere im EU-Raum aufgehalten zu haben. Auch Menschen, die Gäste aus dem globalen Süden einladen, sind in einer eigenen Datei gespeichert. Wie die gesammelten Daten repressiv bis hin zur Abschiebung genutzt werden, wurde in den vergangenen Wochen in Berlin immer wieder deutlich. An der Kundgebung beteiligte sich auch eine Gruppe Geflüchteter, die ihre Unterkünfte in Berlin verlassen müssen und nicht wissen, wo sie unterkommen sollen. Sie hatten zuvor bereits auf der Strecke vom Oranienplatz, der lange Zeit das Zentrum des Flüchtlingswiderstands war, zur Schule in der Ohlauer Straße demonstriert, wo die dort lebenden Flüchtlinge erneut zur Räumung aufgefordert worden waren. Im Vergleich zum Sommer ist die Zahl der Unterstützer geschrumpft. Daher ist den Geflüchteten die Hilfe aus dem Kreis der Überwachungsgegner sehr willkommen. Sie wandten sich auch gemeinsam gegen die europaweite Kontrolle von Flüchtlingen unter dem Namen »Mos Mairoum«, mit der zwei Wochen lang bis zum 26. Oktober gezielt Jagd auf Menschen ohne gültige Papiere gemacht wurde. Auch an dieser Maßnahme war Frontex federführend beteiligt.

http://jungle-world.com/artikel/2014/44/50825.html

Peter Nowak

Verein Allmende darf weiter hoffen

Verein Allmende darf weiter hoffen

»Allmende bleibt« steht auf einem großen Transparent, das am Mittwochvormittag vor dem Berliner Landgericht gezeigt wird. Rund 40 Mitglieder und Unterstützer des »Vereins für alternative Migrationskultur« haben sich vor dem Gerichtsgebäude versammelt. Im Jahr 2006 hat der Verein seine Räume in Kreuzberg bezogen. Jetzt soll der Verein den Standort verlassen, weil der Hausbesitzer den Mietvertrag nicht verlängerte. Vor dem Berliner Landgericht ging es am Mittwoch nun um die Frage, ob die Kündigung Bestand hat. Der Rechtsanwalt von Allmende, Berndt Hintzelmann, sagt, dass er diese Frage verneine. Er beruft sich dabei auf einen Formfehler im Mietvertrag. In dem ist in der beigefügten Skizze der gemieteten Räume ein Zimmer eingezeichnet, das gar nicht existiert. Der Anwalt verweist auf Urteile in ähnlichen Fällen, wo wegen einer fehlerhaften Wohnraumskizze Mietverträge für nichtig erklärt wurden.

Für den Verein Allmende wäre eine solche Entscheidung nach dieser Rechtssprechung ein großer Erfolg. Denn der angefochtene Vertrag ist ein Gewerbemietvertrag mit vereinfachten Kündigungsfristen, die der Hausbesitzer in diesem Fall anwandte. Wäre der Vertrag ungültig, würden die längeren gesetzlichen Kündigungsfristen gelten. »Dann hätten wir eine längere Frist und könnten noch eine Zeit in den Räumen bleiben«, erklärt Türkay Bali vom Verein Allmende dem »nd«. Am 19. November will das Berliner Landgericht seine Entscheidung verkünden. Die Solidarität für den Verein wächst unterdessen. Zahlreiche Mieterinitiativen und das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumung haben ihre Unterstützung angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/950827.verein-allmende-darf-weiter-hoffen.html

Peter Nowak

„Viele wehren sich»

Grischa Dallmer über Aktionen gegenZwangsräumungen
Grischa Dallmer ist seit Jahren in der Berliner Mieterbewegung aktiv und hat am Film Mietrebellen« (oers/Schulte  Westenberg) mitgearbeitet. Den Film stellte Dallmer auch auf dem einwöchigen Internationalen Treffen gegen
Zwangsräumungen (ENTRAD) im spanischen Córdoba vor, das am Sonntag zu Ende ging. Mit ihm sprach Peter Nowak.


Wer nahm am Treffen teil?
Aktive von Initiativen gegen Zwangsräumungen aus ganz Europa. Es gab Workshops zur Antirepressionsarbeit, Verhinderung von Burn-outs und Entscheidungsfindungsprozessen. Zudem wurde über den Widerstand gegen
Zwangsräumungen in Europa gesprochen. Austausch und Koordination der Initiativen standen dabei im Mittelpunkt. Neben spanischen waren polnische, griechische, britische, rumänische, portugiesische und deutsche Gruppen dabei. Es war das erste größere transnationale Treffen von Anti-Zwangsräumungs-Initiativen.

Wer hat es vorbereitet?
Ein internationaler Vorbereitungskreis. Das Treffen wurde in Netzwerken und Verteilern beworben.

Warum fand es in Spanien statt?
Weil in Spanien Zwangsräumungen, aber auch der Widerstand dagegen in den vergangenen Jahren zum Massenphänomen geworden sind. Viele Menschen kauften vor der Krise Wohnungen und verschuldetem sich bei den
Banken. Wenn sie die Hypotheken nicht mehr bezahlen können, lassen die Banken sie räumen. Viele Betroffen wehren sich inzwischen.


Und wenn die Räumung nicht verhindert werden kann?

Viele Menschen organisieren sich weiter in den Initiativen und besetzen Wohnungen in den vielen Neubauten, die wegen der Immobilienblase leerstehen. Diese Wiederaneignung von Wohnraum nennen sie Obra social (Die soziale Tat) – sie hat sich in vielen Städten ausgebreitet.

Welche Rolle spielte der Mieterwiderstand in Deutschland?

Viele Teilnehmer aus Spanien waren erstaunt, dass auch in Deutschland trotz vermeintlich boomender Wirtschaft einkommensschwache Menschen oft keine Wohnung finden und dass es Zwangsräumungen gibt.

Gibt es weitere Aktionen für transnationalen Mietwiderstand?
2013 organisierte ein Kreis um die Berliner MieterGemeinschaft die Veranstaltungsreihe »Wohnen in der Krise«, bei der Aktivisten aus Europa über ihre Lage berichteten. Alle Beiträge findet man auf youtube.com/WohneninderKrise.  Zuletzt organisierte die »Europäische Aktionskoalition für das Recht auf Wohnen und die Stadt« internationale
Aktionstage. Das breite Interesse am länderübergreifenden Austausch zeigt sich auch daran, dass der Film »Mietrebellen« über den Berliner Widerstand in Großbritannien, Spanien, Italien, USA oder Mexiko gezeigt wurde und
da Debatten anregt.

Interview: Peter Nowak

Quelle: http://www.neues-deutschland.de/artikel/950783.viele-wehren-sich.html

Senat setzt Mieter unter Druck

STADTAUTOBAHN Die letzten Mieter der Beermannstraße 22 wurden vom Senat aufgefordert, ihre Wohnungen bis morgen zu verlassen. Das Haus soll dem Bau der A 100 weichen

Jonas Steinert (Name geändert) ist nervös. Der Unternehmer hat eine Mail von einer Mitarbeiterin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt bekommen. Darin wurde ihm am 17. Oktober mitgeteilt, dass er seine Wohnung in der Beermannstraße 22 in Berlin-Treptow verlassen soll – bis zum 31. Oktober.

Das geräumige Gebäude mit Vorder- und Hinterhaus soll der Stadtautobahn A 100 weichen, es ist im Besitz des Bundes und wird von der Senatsbehörde verwaltet. Jahrelang haben sich die MieterInnen gegen den Abriss gewehrt und stießen dabei durchaus auf Sympathie in der Öffentlichkeit. Selbst in der SPD war der Autobahnbau äußerst umstritten. Nachdem sich auf Druck von Klaus Wowereit eine Mehrheit für die A 100 aussprach und das Projekt alle juristischen Hürden genommen hatten, fügten sich viele der HausbewohnerInnen in das scheinbar Unvermeidliche und zogen aus.

Doch zehn Mietparteien denken nicht ans Packen. Steinert gehört zu ihnen. Ihm wurde bereits vor einem Jahr gekündigt. „Aber ich habe Widerspruch eingelegt“, empört sich Steinert. Doch gab es darauf keine Reaktion von den Eigentümern und auch keinen Gerichtstermin. Stattdessen kam nun die Aufforderung, die Wohnung bis Monatsende zu räumen, ohne dass dafür ein Rechtstitel genannt wurde. Steinert hält das Schreiben für einen Versuch, die letzten MieterInnen in der Beermannstraße 22 unter Druck zu setzen.

„Wir sind doch für die Senatsverwaltung nur eine lästige Verwaltungsakte“, moniert auch Steinerts Nachbar Klaus Pfeiffer (Name geändert). Der Endfünfziger wohnt im Vorderhaus und schließt einen Umzug generell nicht aus. „Wir sind an Lösungen interessiert, aber wenn solche Töne aus der Senatsverwaltung kommen, lassen wir das nicht mit uns machen“, sagt Pfeiffer.

Grund für seinen Zorn ist ein weiteres Schreiben aus der Behörde des künftigen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller an die letzten MieterInnen des Hauses. „Ich teile Ihnen mit, dass ich zur Wahrung unserer Interessen in Kürze bei der zuständigen Behörde die vorzeitigen Besitzeinweisung und die Enteignung des Mietrechts beantragen werde“, heißt es dort. Laut Paragraf 116 Baugesetzbuch können Mietern einer Wohnung, ihre Rechte genommen werden, wenn „die sofortige Ausführung der beabsichtigten Maßnahme aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit dringend geboten“ ist. Damit der Beschluss gilt, ist eine mündliche Verhandlung aber zwingend vorgeschrieben.

Die letzten MieterInnen bekommen nun Unterstützung von Umwelt- und Stadtteilinitiativen. Ende September organisierten sie gemeinsam mit Robin Wood und der Treptower Stadtteilinitiative Carla Pappel ein Hoffest.

Stadtentwicklungssenator Michael Müller hatte am 14. Oktober im Berliner Abgeordnetenhaus den MieterInnen der Beermannstraße 22 Unterstützung zugesagt, „bei denen die Wohnungssuche aus privaten Gründen schwierig wird“. Mieter Steinert sagt, dass ihm bereits Wohnungen angeboten wurden. Allerdings seine diese 70 bis 120 Prozent teurer gewesen. Das könne er sich nicht leisten.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F30%2Fa0198&cHash=912d07986bcbca40ba819476c6815de1

Peter Nowak

»Mit Protesten und Militanz konfrontiert«

Die Künstlerin Esther Rosenbaum gehört zum Filmkollektiv »Schwarzer Hahn«. Die Gruppe hat in mehrjähriger Arbeit den 90minütigen Dokumentarfilm »Verdrängung hat viele Gesichter« produziert, der zurzeit in verschiedenen Programmkinos läuft.

In Ihrem Film wird die Verdrängung durch Baugruppen und der Widerstand dagegen im Berliner Stadtteil Treptow dokumentiert. Was sagen Sie zu dem Vorwurf des innenpolitischen Sprechers der Berliner SPD, Tom Schreiber, linke Gentrifizierungskritiker wollten Menschen mit Terror aus dem Stadtteil vertreiben?

Diese Debatte ist ideologisch aufgeladen und zeugt von dem Willen, den Mieterwiderstand zu spalten, zu neutralisieren und letztlich zu zerstören. Dass die SPD die Kampagne losgetreten hat, ist nicht verwunderlich. Schließlich versucht sie, sich als sozial darzustellen, und sorgt mit ihrer Politik dennoch für die Verdrängung von einkommensschwachen Menschen. Wenn sich SPD-Politiker jetzt beklagen, dass die Nutznießer dieser Verdrängung in den Stadtteilen mit Protesten und Militanz konfrontiert sind, zeugt das nicht nur von Verlogenheit, sondern auch von Hass auf einen Widerstand, der sich nicht kanalisieren lässt.

Hören Sie solche Vorwürfe denn zum ersten Mal?

Nein. Während wir unseren Film gedreht haben, gab es eine ähnliche Kampagne gegen Mieteraktivisten in Treptow. Auch da war die SPD die treibende Kraft, sogar in Personalunion des SPD-Politikers Tom Schreiber.

Welches inhaltliche Ziel hatte die Kampagne?

Die Kampagne richtete sich gegen die politische Positionierung der Aktivisten. Sie wurden angegriffen, weil sie Eigentumswohnungen als zentrales Moment der Verdrängung betrachteten. Damals wurde die erste große und außerparlamentarische Mietendemonstration vorbereitet und die SPD bekam es kurz vor den Abgeordnetenhauswahlen mit der Angst zu tun.

Wie haben die Treptower Aktivisten auf die Kampagne reagiert?

Die ärmeren Menschen im Stadtteil wurden von der Kampagne nicht beeinflusst. Sie schätzten im Gegenteil die Qualität einer Initiative, die die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt stellt und die Politik als verlogen gegenüber den Armen herausstellt. In unserem Film stehen das Leben und der Kampf dieser Menschen im Mittelpunkt.

http://berlingentrification.wordpress.com

Small Talk von Peter Nowak

http://jungle-world.com/artikel/2014/43/50783.html

Hausbesuch bei Müller

A100 Der angehende Regierende Bürgermeister bekam Besuch umwelt- und stadtpolitischer Gruppen

Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist nach seiner Wahl zum Wowereit-Nachfolger ein gefragter Mann. Doch die kleine Gruppe, die ihm in seinem Amtssitz am Fehrbelliner Platz am Montag einen unangekündigten Besuch abstattete, wollten ihm keine Glückwünsche überbringen. Zwölf Mitglieder aus umwelt- und stadtpolitischen Gruppen übergaben einen Forderungskatalog zu der heftig umstrittenen A100.

Müllers persönliche Referentin Katharina Jentsch und der Senatsmitarbeiter Robert Drawnicki nahmen anstelle des verhinderten Senators den Brief entgegen. Zu den Forderungen gehörte die Rücknahme der Strafanträgen gegen fünf Baumbesetzer des „Aktionsbündnisses A100 stoppen“. Sie hatten im Winter 2014 mehrere Bäume besetzt, die der Autobahntrasse zum Opfer fallen sollten. Nach der Räumung am 3. Februar erstattete die für das Bauvorhaben zuständige Behörde Anzeige gegen sie wegen Hausfriedensbruch. Die Aktivisten erhielten Strafbefehle in Höhe von bis zu 900 Euro, gegen die sie Widerspruch einlegten.

„Mit der Rücknahme der Anzeige können Sie deutlich machen, dass AutobahngegnerInnen keine Kriminellen sind“, erklärte Sven Lindner den Senatsmitarbeitern. Die blieben im Ton freundlich, in der Sache aber unverbindlich – man werde die Forderung weiterleiten.

Auch was weitere Anliegen angeht, blieb es beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten. Die Treptower Stadtaktivistin Karin Schuster warf der Senatsbehörde vor, Treptower Mieter und Kleingärtner enteignen zu wollen, um den Bau der umstrittenen Autobahn voranzutreiben.

Zehn Mieter in den Häusern Beermannstraße 20-22 hatten Briefe erhalten, in denen eine vorzeitige Besitzeinweisung ankündigt wurden. Mit dieser im Baurecht bei Projekten „des besonderen öffentlichen Interesses“ zulässigen Maßnahme verlieren die Mieter zahlreiche Rechte. Bisher sei eine vorzeitige Besitzeinweisung im Zusammenhang mit dem Bau der A100 gegen mehrere Gewerbetreibende erlassen worden. Nun seien erstmals Mieter davon betroffen.

Bevor die Aktivisten die Behörde verließen, kündigten sie an, dass der angehende Regierende Bürgermeister Müller – der sich SPD-intern stets für den Bau der A100 starkgemacht hatte – auch künftig mit Protesten vor Ort rechnen müsse. „Wenn er dachte, der Bau der A100 wäre kein Protestthema mehr“, erklärte Schuster zum Abschied, „hat er sich getäuscht.“

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F21%2Fa0118&cHash=665ec2b37b0fb

Peter Nowak

Aktionstage gegen Verdrängung

„Ali Babas Blumen bleiben“ heißt das Motto,  mit dem das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumungen am Freitag um 8.30 Uhr nach Spandau mobilisiert. Dort soll die Räumung eines kleinen Blumenladens verhindert werden.  Die Edeka-Reichelt-Gruppe, der das Grundstück gehört, will teurer vermieten.
Die Protestaktion ist Teil der vom Berliner Ratschlag organsierten stadtpolitischen Aktionstage. Bis zum 29.10. sind  diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geplant.

Der Berliner Ratschlag hat sich im April 2014  mit einem Kongress  an der Technischen Universität Berlin konstituiert. „Wir wollen die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung bündeln und besser sichtbar  machen“, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber MieterEcho Online.  Sie stellte klar, dass es nicht um   eine  Konkurrenz sondern um eine Ergänzung zu den  vielen  Aktionen, geht  die  in der letzten Zeit  von MieterInnen und Geflüchteten  in Berlin auf die Beine gestellt wurden. .
Zum Auftakt der Aktionstage hatten am vergangenen Sonntag ca. 50  Menschen auf einem Parkplatz am Mehringhof gegen die Privatisierung des dortigen Dragoner Areals durch die   Bundesanstalt für Immobilienausgaben (Bima) protestiert.
Am 18. Oktober ist unter dem Motto „Zu viel Ärger zu wenig Wut“ eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz  in Neukölln beginnt.  Schon zwei Stunden zuvor ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 angesetzt.    Der Verein ist vom Eigentümer gekündigt worden, weigert sich aber die Räume zu verlassen (MieterEcho Online berichtete). Dorthin lädt Allmende am 18.10  ab 19 zur Strategiedebatte ein.  „Wir wollen darüber  diskutieren  ob  Besetzungen, Blockaden und Mietstreiks  angemessene Aktionsformen sind“, erklärt ein Allmende-Mitarbeiter. Am 28. 10. Geht es um 19 Uhr   in der Weddinger  Prinzenallee 58 erneut um die Häuser, die sich im Besitz der Bima befinden. Die dortigen MieterInnen wollen mit UnterstützerInnen beraten, wie sie Druck auf die Behörde verstärken können, damit dort statt teurer Lofts Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen entstehen. Am 29.10. organisiert die AG Recht auf Wohnen für Psychiatriebetroffene um 19 Uhr im Mehringhof eine Veranstaltung, die sich der Situation der Menschen befasst, die durch die Berliner  Wohnungspolitik besonders ausgegrenzt und auch bei den Protesten zu wenig berücksichtigt werden.

Sara Walther formulierte gegenüber MieterEcho Online   das bescheidene Ziel der Aktionswoche:
„Die Situation für die MieterInnen ist in Berlin so schlecht, dass es überall und ständig neue Proteste gibt. Wir hoffen, dass wir nach den Aktionstagen eine bessere Koordinierung erreichen“.

MieterEcho online 16.10.2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/aktionstage-gegen-verdraengung.html
Peter Nowak

Lärmdemo für bezahlbares Wohnen

Berliner Ratschlag veranstaltet Aktionswochen gegen Verdrängung

»Privatisierung des Dragoner-Areals verhindern« stand auf dem Transparent, dass am auf einem Parkplatz an der Ecke Mehringdamm, Ecke Obentrautstraße in Berlin-Kreuzberg aufgespannt war. Dort hatten sich am Wochenende ca. 50 Menschen eingefunden, die verhindern wollten, dass die Bundesanstalt für Immobilienausgaben (BImA) das ehemalige Dragonergelände zum Höchstpreisverfahren verkauft. »Wir brauchen hier nicht noch mehr teure Lofts sondern Mietwohnungen für Menschen mit geringen Einkommen«, meint Ulrich von der Initiative »Wem gehört Kreuzberg«. Die Aktion war auch der Beginn der stadtpolitischen Aktionstage, die vom Berliner Ratschlag organisiert werden. Bis zum 29.10. wird es in diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geben. Die Termine finden sich auf der Homepage berliner-ratschlag.org/.

»Ziel ist es, die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung zu bündeln und besser sichtbar zu machen«, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber »nd«. Die Aktivitäten seien keine Konkurrenz sondern eine Ergänzung der vielen Aktionen, die in der letzten Zeit von Mietern und Geflüchteten auf die Beine gestellt wurden, betont Walter. Am 18. Oktober ist unter dem Motto »Zu viel Ärger zu wenig Wut« eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz in Neukölln beginnt. Schon zwei Stunden zuvor um 12 Uhr, ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 geplant.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/949318.laermdemo-fuer-bezahlbares-wohnen.html

Peter Nowak

Dachgeschossausbau statt Wohnungsneubau?

Die Bündnisgrünen haben kürzlich im Berliner Abgeordnetenhaus eine Studie vorgestellt, in der sie die Wohnungspolitik des Berliner Senats kritisieren und  eigene Vorschläge machen.  Peter Nowak sprach  mit  bau- und wohnungsbaupolitischer Sprecher der Fraktion der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus Andreas Otto (A.O.).

Was kritisieren Sie an der Wohnungsbaupolitik des aktuellen Berliner Senats?

A.O.: Er setzt zu eindimensional auf den Neubau von Wohnungen auf der grünen Wiese. Wir hatten in der Studie hingegen am Beispiel von Neukölln Alternativen aufgezeigt.

Welche sind das?

A.O.:  Es gibt in Berlin ein  Potenzial für fast 80.000 Wohnungen durch den Ausbau von Dachgeschossen, das  Aufstocken oder die Umnutzung von   nicht mehr genutzten  Gebäuden  wie Park-  und Gewerbehäusern und die Nutzung verriegelter Flächen wie  Parkplätzen. Diese 3 Werkzeuge wären eine Alternative zu der Politik des Senats, immer mehr Häuser auf Freiflächen und z.B. Kleingärten zu bauen.
Kann  man mit den Daten  einer  Studie, die die Situation in einen Stadtteil untersuchte, Forderungen für die gesamtberliner Wohnungssituation begründen?

A.O.:  Es ist eine Frage der Kapazitäten. Wir waren nicht in der Lage eine gesamtberliner Untersuchung durchzuführen. Aber die Ergebnisse sind im Prinzip auf ganz Berlin übertragbar. Die Situation in Stadtteilen wie Treptow, Pankow, Reinickendorf ist durchaus mit der in Neukölln vergleichbar.

Wie wollen Sie Eigentümer  zum Dachgeschossausbau und den Umnutzungen  motivierten?

A.O.: Es handelte sich um eine Planungsstudie, die  zunächst aufzeigt, was in der Berliner Wohnungspolitik möglich ist.    Es ginge natürlich darum, die Eigentümer zu überzeugen und diese Maßnahmen auch finanziell zu fördern. Die steigende Nachfrage würde Eigentümer über Aufstocken oder Umbau nachdenken lassen. Zudem  könnten  mit Zuschüssen aus dem Wohnungsbauprogramm oder niedrigeren Zinsen Anreize dazu geschaffen werden.

Nun fehlen in Berlin vor allem Wohnungen für einkommensschwache MieterInnen. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Dachgeschossausbau wieder vor allem hochpreisigen Wohnraum schafft?
A.O.:  Es ist richtig, dass ausgebaute  Dachgeschosswohnungen oft im höheren Mietpreissegment angesiedelt sind. Doch ein solcher Ausbau widerspricht nicht den Vorhaben einer Wohnungspolitik für alle und kann auch dazu beitragen, dass Bestandswohnungen für Menschen  mit geringen Einkommen zur Verfügung stehen.  Wenn jemand, der mehr Geld in der Tasche hat, in eine ausgebaute Dachgeschosswohnung zieht,  verdrängt er nicht die Mieter aus dem preiswerten Bestand. Wir fordern vom Senat deshalb, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen endlich zu beschränken.

In der letzten Zeit hat sich eine Initiative für den Neubau eines kommunalen Wohnungsbaus gegründet. Was halten Sie von diesem Ansatz?

A.O.:  In dem wohnungspolitischen Vorschlagen der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus  hat der Erhalt und die Förderung des  Kommunalen   Wohnungsbaus eine  hohe Priorität.

MieterEcho online 14.10,2014

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/wohnungsbau-der-gruenen.html

Interview: Peter Nowak

Karla Pappel im Kino

Die Dokumentation »Verdrängung hat viele Gesichter« dreht sich um Gentrifizierung

Die Initiative »Karla Pappel« wehrte sich 2009 gegen Baumfällungen zugunsten von Neubauten. Ein Film beleuchtet nun die Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Baugruppen.

Mehr Freiräume für die Bürger und weniger Platz für Reiche» wünscht sich Morton Finger für die Zukunft in Treptow. Der hagere Mann mit dem markanten Bart lehnt am Donnerstagabend zufrieden am Tresen im Berliner Kino Moviemento. Dort hatte der Dokumentarfilm «Die Verdrängung hat viele Gesichter» Premiere, der die Folgen der Gentrifizierung am Beispiel des Stadtteil Treptow darlegt.

Morton Finger ist einer der Menschen, die aus Treptow verdrängt wurden. Er hat mehrere Jahre auf dem Treptower Inselmarkt seinen Fahrradladen mit angeschlossenen Reparaturservice betrieben. Doch nachdem der Markt im Frühjahr 2011 schließen musste, fand Finger keinen neuen Platz für sein Gewerbe mehr. Auf dem Grundstück des Markts stehen mittlerweile die noblen Eigentumswohnungen einer Baugruppe. Innerhalb weniger Jahre haben sich im Stadtteil ein halbes Dutzend Baugruppen angesiedelt. Die Nähe zum Szenebezirk Kreuzberg und die ruhige Lage machte Treptow für eine gut verdienende Mittelschicht zur attraktiven Wohngegend. Doch nicht nur die Mieter, auch kleine Ladenbesitzer und Gewerbetreibende sind von der Aufwertung betroffen.

Mathias Mehner bereiten die Veränderungen in Treptow Probleme. Er betreibt einen kleinen Buchladen in der Plesser Straße, den er sechs Tage in der Woche offen halten muss. Für Urlaub und Erholung hat er keine Zeit. Nach Abzug von Miete und Steuern bleiben ihm trotzdem gerade mal 5 Euro am Tag. Viele ältere Menschen, die bei Mehner Bücher kauften, sterben oder ziehen weg.

Manfred Görg gehört zu seinen festen Kundenstamm. Der Rentner will in Alt-Treptow bleiben. Daran ließ er auch im Gespräch nach der Filmpremiere keinen Zweifel. Vom Fenster seiner Wohnung hatte Görg vor fünf Jahren beobachtet, wie sich regelmäßig eine kleine Gruppe auf einem Platz traf, um gegen das Abholzen von alten Pappeln zu protestieren, die einer Baugruppe im Wege standen. Die Gegner dieser Entwicklung nannten sich Karla Pappel. «Ich habe die Protestgruppe einige Wochen beobachtet, dann habe ich mich selber dazu gestellt, weil ich das Anliegen richtig finde, erklärt Görg. Das Abholzen der Pappeln konnte die Gruppe nicht verhindern. Doch nach einer längeren Pause hat sich die Gruppe entschlossen, wieder aktiv zu werden. Der persönliche Kontakt war nie abgerissen, sagt Yves, einer der Jüngeren in der Gruppe. Die Baugruppen-Bewohner rund um die Kungerstraße dürfte die Nachricht, dass Karla Pappel wieder aktiv wird, nicht freuen.

In der Dokumentation wird deutlich, dass mehrere Baugruppenmitglieder sich durch die Proteste gestört und belästigt fühlen. Manche erklärten, dass sie die allgemeinen Ziele der Gruppe durchaus teilen, die Kritik an den Baugruppen aber nicht nachvollziehen könnten.

Für Hanna Löwe ist eine solche Position ein Ausdruck von Doppelmoral. Sie ist Filmemacherin und arbeitete im Kollektiv Schwarzer Hahn mit, das den Film produzierte. Von den Baugruppen war bei der Premiere niemand anwesend. Am 5. November soll es eine Vorführung des Films im Circus Cabuwazi in Treptow geben, wozu sie ausdrücklich eingeladen sind.

Bis zum 21. Oktober läuft der Film täglich um 18.30 Uhr im Kino Moviemento. Im Anschluss sind Diskussionen mit Mieterinitiativen und stadtpolitischen Gruppen geplant. Die Termine finden sich unter:berlingentrification.wordpress.com/auffuehrungen/

Peter Nowak

„Kein Schubladendenken“

GENTRIFIZIERUNG Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ nimmt vor allem Baugruppen in den Blick. Die wollte man aber nicht denunzieren, sagt Filmemacherin Hanna Löwe

INTERVIEW PETER NOWAK

taz: Frau Löwe, Thema des Films „Verdrängung hat viele Gesichter“ ist die Gentrifizierung. Warum beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Baugruppen?

Hanna Löwe: In Treptow begann der MieterInnenwiderstand, nachdem eine Stadtteilinitiative gegen die Bebauung eines Grundstücks durch Baugruppen Sturm lief und die Beteiligung ehemaliger Linker daran thematisierte. Danach begannen im Stadtteil Diskussionen, inwieweit der Bau von Eigentumswohnungen einen Kiez aufwertet und der Mieterhöhung preisgibt.

Gab es bereits die Kritik, dass im Film die Baugruppenmitglieder ihre Position ausführlich darlegen können?

Ja, aber darauf sind wir stolz. Wir wollten keinen Film machen, der das Schubladendenken bedient. Es wäre einfach gewesen, die Kämpfe der Bewegung als die Position der „Guten“ darzustellen und alles andere zu denunzieren. Wir müssen aber niemand herabwürdigen, um die Probleme beim Namen zu nennen.

Gleich zu Beginn des Film verweigert eine Baugruppe die Kommunikation. War das öfter der Fall?

Baugruppenmitglieder sehen sich vordergründig als Menschen, die niemand verdrängen wollen. Ein Teil weiß aber genau, dass ihr Verhalten andere verdrängt, und nimmt es billigend in Kauf. Sie verweigern Interviews, weil sie die Kritik trifft. Eine Baugruppe in Treptow hat sich selber ein Gentrifizierungsfrei-Zertifikat ausgestellt, obwohl ein Mitglied seine Wohnung jetzt für 1.900 Euro kalt vermietet und in München wohnt.

Wieso kommt es im Film bei Begegnungen mit Baugruppen oft zu Diskussionen über die persönliche Verantwortung?

Viele Mitglieder von Baugruppen wollen nur die Lösung für ihre Probleme und fallen aus allen Wolken, wenn sie mit Kritik konfrontiert wurden. Sie haben oft großen Rechtfertigungsbedarf.

Wieso sind Baugruppen sogar bei aktiven Linken zum Teil beliebt?

Wo Geld ist, weil eine Erbschaft auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin wartet, da wird schnell mal die linke Idee dem eigenen Lebenskonzept angepasst. Das gilt ja nicht nur für den Bau von Eigentumswohnungen, sondern auch bei der Jobvergabe. Man geht in bestimmte Gruppen, weil dabei der Job bei einer NGO, einer Stiftung oder einer Partei abfällt.

Mehrmals werden im Film die Füße von sprechenden Personen gezeigt, die dann fast wie Hände gestikulieren. War das ein künstlerisches Stilmittel?

Das war nicht geplant, sondern hat sich so ergeben. Manchmal mussten wir die Kamera nach unten drehen, weil Gesichtsaufnahmen unerwünscht waren. Bei einem Politiker waren wir so fasziniert, wie der mit seinen Füßen redet. Das musste als humoristische Einlage drin bleiben. Im Abspann zeigen wir die vielen Füße einer Demonstration, das war gewollt. Die Füße symbolisieren Dynamik, Bewegung, alles ist im Fluss.

Sind zur Filmpremiere auch die BaugruppenbewohnerInnen eingeladen?

Am 5. November ist im Zirkus Cabuwazi eine spezielle Kiezpremiere in Treptow geplant, zu der wir auch die Baugruppenmitglieder einladen. Wir hoffen auf kontroverse Diskussionen.

Hanna Löwe

38, ist Künstlerin und in stadtpolitischen Gruppen aktiv. Als Teil des Filmkollektivs Schwarzer Hahn hat sie „Verdrängung hat viele Gesichter“ produziert.

Der Film

Der Film „Verdrängung hat viele Gesichter“ setzt sich mit der Gentrifizierung am Beispiel von Alt-Treptow auseinander. Premiere heute um 18.30 Uhr im Moviemento, Kottbusser Damm 22. Weitere Termine: berlingentrification.wordpress.com

http://www.taz.de/Film-ueber-Gentrifizierung-in-Berlin/!147327/

Peter Nowak