Ortsnah Exil gefunden

SZENELADEN: Mietvertrag unterschrieben, bereit für den Umzug: Hans-Georg Lindenau bleibt mit dem M99-Laden in Kreuzberg

HG/M99.Exil“ steht auf einem selbstgemalten Schild in einem Fenster der Ladenräume in der Falckensteinstraße 46. Mitten im Kreuzberger Eventgebiet in unmittelbarer Nähe zur Oberbaumbrücke erhält der „Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf “ sein neues Domizil. Am Mittwoch wurde der Mietvertrag abgeschlossen. Mehr als 30 Jahre hat der nach einem Sturz auf einen Rollstuhl angewiesene Hans-Georg Lin-
denau seinen Szeneladen mit dem Sortiment aus Büchern, Aufklebern und politisch korrekten Kleidungsstücken in der Manteuffelstraße 99 betrieben. Lindenau, der seine KundInnen auch schon mal zur Assistenz beim Ladendienst aufforderte, ist in der linken Szene über Deutschland hinaus bekannt. Für AnarchistInnen und junge Antifas aus ganz Europa gehörte ein Besuch des M99 zum festen Bestandteil eines Berlin-Trips. Auch von Berliner AktivistInnen wurde der Laden geschätzt, weil er die Spaltungstendenzen in der radikalen Linken ignorierte. So hatte Lindenau lange die prononciert israelsolidarische Zeitschrift Bahamas genauso wie die radikal-ntizioniische Publikation Intifada im Sortiment. Lindenau vertraute auf die mündigen KundInnen,
die keine Bevormundung brauchen. So argumentierte er auch gegen den politischen Staatsschutz, der bei mehr als 50 Razzien im Laden immer wieder Schriften aus der autonomen Szene beschlagnahmte. Doch in den letzten Jahren war es zunehmend die Gentrifizierung, die Lindenau Probleme bereitete. Dass das Haus mit dem M99-Laden gleich sieben Mal den Besitzer wechselte, hat wohl auch mit den unkonventionellen Mitteln zu tun, mit denen Lindenau gegen eine drohende Vertreibung kämpfte. So trennte sich bereits in den 1990er Jahren ein Arzt wieder von der Kreuzberger Immobilie, nachdem Lindenau mit UnterstützerInnen vor dessen Praxis in einer Brandenburger Kleinstadt auftauchte. Hat Lindenau mit dem Um-
zug nun doch gegen die Gentrizifizierung verloren, fragen sich manche in der Berliner Szene. Für Lindenaus Anwälte Burkhardt Dräger, Benjamin Raabe und Christoph Müller hingegen hat mit dem Ortswechsel ein langjähriger MieterInnenkampf, der bereits mehrere Gerichte beschäftigte, ein positives Ende gefunden. Sie sehen es als
besonderen Erfolg, dass Lindenau in Kreuzberg bleiben kann. Möglich wurde das, weil die Stiftung Umverteilen mit Lindenau den Mietvertrag abschloss. Magnus Hengge von der Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez verweist auf den großen öffentlichen Druck, mit dem im August 2016 eine Zwangsräumung vom in seinem Laden lebenden Lindenau verhindert werden konnte. Dem auf Assistenz angewiesenen Lindenau sei es nun auch in seinem neuen Domizil möglich, „sein einzigartiges Lebenskonzept des durch Kunden betreuten Wohnladens“ fortzusetzen. Laut Hengge hat Bizim Kiez Lindenau nicht nur beim Kampf gegen die Räumung unterstützt. Die Initiative organisierte auch Nachbarschaftshilfe bei der rollstuhlgerechten Einrichtung der
neuen Ladenwohnung. Bis spätestens zum 30. Juni soll der Umzug abgeschlossen sein.

aus: DIE TAGESZEITUNG FREITAG, 26. MAI 2017

Peter Nowak

Kundgebung für revolutionären Gemischtladen

Betreiber kämpft, um Räumung zu verhindern / Stadtteilinitiative organisiert Lichterumzug gegen Verdrängung

Nicht nur in Köln meldeten sich am 11. 11. um 11.11 Uhr die Jecken zu Wort. Auch in der der Kreuzberger Manteuffelstraße 99 hatte der Betreiber des dortigen »Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf« zu einer Kundgebung mit närrischen Karnevalsreden eingeladen. Seit über einem Jahr kämpft Hans Georg Lindenau unterstützt von Stadtteilinitiativen gegen seine Räumung.

Thematisiert werden sollte am Freitagvormittag die nach Ansicht von Hans Georg Lindenau »verrückte Rechtssprechung«, mit der in der letzten Zeit Räumungen von Mietern legitimiert werden. So hätten die Richter des Berliner Landgerichts in ihrem Räumungsurteil bestritten, das Lindenau in seiner Ladenwohnung im Parterre des Hauses lebt. »Dabei bekomme ich seit Jahren regelmäßig die Post und auch die Wahlbenachrichtigungen an diese Adresse«, erklärt Lindenau.

Als weiteres Beispiel für eine »verrückte« Rechtssprechung führt der querschnittgelähmte Mann auf, dass das Gericht in dem Urteil bestritten hat, dass er auf einen Rollstuhl angewiesen sei. Bisher ist die Räumung seines Geschäfts ausgesetzt, zumindest bis mit einem psychiatrischen Gutachten die Folgen eines Verlustes seiner Ladenwohnung für seine psychische Gesundheit geklärt wurde. Lindenau machte auf der Kundgebung noch einmal deutlich, dass er bei einer Räumung sein Lebens- und Arbeitsumfeld verlieren würde.

Neben den Gerichtsbeschlüssen thematisierte Lindenau weitere »verrückte« Tatsachen. So habe der Hauseigentümer in der Manteuffelstraße mehrere Ferienwohnungen eingerichtet, obwohl doch eine Verordnung diese Umwandlung von Mietwohnungen verhindern soll.

Doch der Kreuzberger Aktivist kämpft nicht nur gegen seine drohende Vertreibung. In Beiträgen wurde an den Nachbarschaftsladen in der Neuköllner Friedelstraße 54 erinnert, der bis März 2017 einen Räumungsaufschub bekommen hat. Bei einer Performance, bei der Lindenau einen Polizeihelm trug und jeden Satz mit einem Helau beendete, war die Teilnehmerzahl allerdings wohl wegen des winterlichen Wetters begrenzt. Die Mobilisierung gegen Lindenaus drohende Zwangsräumung sollte am Freitagabend weiter besprochen werden. Nach Redaktionsschluss dieser Seite hatte die Kreuzberger Nachbarschaftsinitiative Bizim Kiez zum Lichterumzug gegen Baufilz aufgerufen. Neben dem Verdrängungsdruck sollte dort auch die Bebauungspläne der Curvrybrache am Spreeufer thematisiert werden. Mietwohnungen zu bezahlbaren Preisen sind dort nicht vorgesehen.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1031880.kundgebung-fuer-revolutionaeren-gemischtladen.html

Aufschub für Neuköllner Kiezladen

Gerichtsverhandlung endet mit Vergleich: Nun wollen Nutzer des Kiezladens F54 in der Friedelstraße diskutieren, wie sie mit der Entscheidung umgehen.

Bis Ende März muss der Kiezladen F54 in der Neuköllner Friedelstraße 54 keine Räumung befürchten. Das sieht ein Vergleich vor, den das Amtsgericht Neukölln am Donnerstag im Räumungsprozess gegen den Laden vorgeschlagen hat. Die AnwältInnen des luxemburgischen Eigentümers Pinehall s.a.r.l. und des Vereins der LadenbetreiberInnen Akazie haben ihm bereits zugestimmt.

Allerdings kann der Vergleich innerhalb von 14 Tagen widerrufen werden. „Dann verkündet das Gericht das Urteil, und das wäre bei einem Gewerbemietvertrag die sofortige Räumung“, sagte der Berliner Rechtsanwalt Benjamin Hersch, der den Verein vertritt, der taz. Dass die Pinehall s.a.r.l. nicht einmal einen Briefkasten besitze und auch noch nicht als Eigentümerin der Friedelstraße 54 im Grundbuch eingetragen sei, sei kein Hinderungsgrund für eine Räumung, betonte der Jurist. Die Firma habe sich die Räumungstitel gegen den Laden vom Vorbesitzer Citec übertragen lassen.

„Wir werden intensiv diskutieren, wie wir mit dem Vergleich umgehen“, erklärt Vereinsmitglied Martin Sander. Doch selbst wenn die mehr als 15 Initiativen und zahlreichen Einzelpersonen, die den Nachbarschaftsladen betreiben, dem Vergleich zustimmen, ist für Sander die Zwangsräumung nur aufgeschoben. „Über eine Räumung wird nicht in den Gerichtssälen, sondern in den Stadtteilen entschieden“, gibt er sich selbstbewusst.

Sander verweist darauf, dass in der Vergangenheit solidarische NachbarInnen Räumungen verhindert hatten. Etwa 60 UnterstützerInnen hatten sich auch am Donnerstagmorgen vor dem Amtsgericht für Kiezladen demonstriert. Darunter war auch Hans Georg Lindenau, dessen „Gemischtwaren mit Revolutionsbedarf M99“ in Kreuzberg ebenfalls räumungsbedroht ist. Lindenau verwies darauf, dass auch ihm weiter die kalte Vertreibung drohe, weil ihm von Eigentümer verbiete, eine Gastherme zum Heizen im Laden anzubringen.

„Die Unterstützung an einen regnerischen Herbstmorgen unter der Woche hat uns Mut gemacht“, sagte Sander. Auf einem UnterstützerInnentreffen am 25. Oktober soll über weitere Aktionen beraten. Im Mittelpunkt steht die für den 19. November geplante Kiezdemo. „Wir müssen wieder die Eigentumsfrage stellen. Es kann nicht sein, dass Firmen, die nicht einmal einen Briefkasten haben, entscheiden, wo wir leben“, so Sander.

https://www.taz.de/Raeumung-nicht-vor-Ende-Maerz/!5347535/

Peter Nowak

M99 vor Räumung

REVOLUTIONSBEDARF Linker Laden soll im September geräumt werden. Besitzer HG bleibt hartnäckig

Am 22. September soll die Ladenwohnung von Hans Georg Lindenau (HG) in der Manteuffelstraße 99 zwangsgeräumt werden.
Der alte Räumungstermin am 9. August war ausgesetzt worden, nachdem sich die Anwälte von HG und dem Hauseigentümer
auf einen freiwilligen Auszug bis zum 20. September geeinigt hatten. Doch HG will sich daran nur halten, wenn er den Verkauf seines Warensortiments in einem anderen Laden in Kreuzberg fortsetzen kann. Der aber wurde bislang nicht gefunden. In Teilen der linken Szene war die Vereinbarung als „schlechter Deal“ kritisiert worden, der den Widerstand demobilisiert habe.
David Schuster vom Berliner Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ schließt sich der Kritik nicht an. „Wenn die eigene Existenz
auf dem Spiel steht, würde wahrscheinlich jeder nach dem Strohhalm der Verlängerung greifen, sagte er der taz. Das Bündnis unterstützt die Kundgebungen, die jeden Donnerstag vor dem M99 stattfinden und mobilisiert für den 22. September zur Verhinderung der Räumung. Der neue Termin ist der Jahrestag des Todes von Klaus-Jürgen Rattay, der am 22. September 1981 bei der Räumung besetzter Häuser von einem Wasserwerfer überrollt wurde. Eine Hoffnung bleibt HG noch: Seine Anwälte wollen einen gerichtlichen Räumungsschutz auf Grundlage eines Attests des Klinikums Neukölln beantragen, das HG eine psychische Gefährdung durch die Räumung diagnostiziert. „Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen“, lautet das passende Motto eines von Kurt Jotter entworfenen neuen Plakats. Der Mitbegründer der Politkunstgruppe „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“, die die Westberliner Protestkultur der 1980er Jahre revolutionierte, unterstützt MieteInnenproteste mit künstlerischen Interventionen.

aus Taz 18.8.2016

Peter Nowak

Nicht freiwillig

Die Räumung des Szeneladens M99 in Kreuzberg ist verschoben

Der »M99 – Laden für Revolutionsbedarf« sollte diese Woche geräumt werden. Nach einer Vereinbarung mit dem Vermieter wurde der Räumungstitel nicht vollzogen. Es gibt eine Gnadenfrist bis Mitte September.

Für Dienstag war in Berlin-Kreuzberg die Zwangsräumung der Ladenwohnung des auf den Rollstuhl angewiesenen Hans-Georg »HG« Lindenau angekündigt, doch die Räumung fand nicht statt. Wochenlang hatten das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« und die Stadtteiliniaitive »Bizim Kiez« zu einer Blockade mobilisiert, um die Räumung des weit über Berlin hinaus bekannten Ladens »für Revolutionsbedarf« zu verhindern. Das M99 ist nicht nur Einkommensquelle, sondern auch Unterkunft seines Betreibers. Mittlerweile ist es selbst in Reiseführern aufgeführt. Der Laden und sein Betreiber stehen wie kaum etwas anderes für das rebellische Kreuzberg der achtziger Jahre. Unterstützung bekam Lindenau aber auch von jüngeren Nachbarn. In Kreuzberg ist die Furcht vor der Verdrängung von Menschen mit geringem Einkommen groß. »Wenn selbst ein so bekannter Laden wie das M99 nicht bleiben kann, droht uns allen die Verdrängung«, sagt eine Nachbarin der Jungle World. Umgekehrt zeige erfolgreicher Widerstand gegen eine geplante Räumung, dass diese Entwicklung verhindert werden kann.

Will bleiben: Hans-Georg »HG« Lindenau in seinem Laden, der ihm auch als Wohnung dient

Will bleiben: Hans-Georg »HG« Lindenau in seinem Laden, der ihm auch als Wohnung dient (Foto: Pa / dpa / Wolfram Kastl)

Nun wurde die für Dienstag anberaumte Räumung kurzfristig ausgesetzt, doch von einem Erfolg kann noch nicht die Rede sein. Nach dem Willen des Hauseigentümers, der den Räumungstitel aufrechterhält, soll Lindenau bis zum 20. September freiwillig ausziehen. »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben«, heißt es denn auch in einer Erklärung, die die Stadtteilinitiative »Bizim Kiez« in Zusammenarbeit mit Lindenau verfasst hat. In dem Text wird betont, wie schwer der Druck gewesen sei, der auf Lindenau durch die drohende Räumung lastete. »Er hat seinen Anwalt den Deal in kürzester Zeit aushandeln lassen, mit dem Motiv, die Zwangsräumung über den 9. August hinaus zu verschieben«, heißt es in der Erklärung. Jede weitere Verzögerung der Räumung eröffne neue Möglichkeiten, sie zu verhindern. »So sehen auch wir das, weil wir sechs Wochen mehr Zeit haben, um weiter zu mobilisieren« – für Aktionen und für weitere Verhandlungen.

Doch bei einem Teil von Lindenaus Unterstützern sorgten die Umstände der Einigung in letzter Minute für Irritationen und Kritik. Schon wenige Stunden nach der Bekanntgabe wurde ihm auf dem Internetportal Indymedia vorgeworfen, einen schlechten Deal mit dem Eigentümer gemacht zu haben. Manche erklärten, sie seien von Lindenau enttäuscht, und drohten, die Solidaritätsarbeit einzustellen.

Für Davis Schuster ist das unverständlich. »Wir finden, dass Betroffene immer selbst über ihre Räumungsangelegenheiten entscheiden sollten«, sagte das Mitglied des Berliner Bündnisses »Zwangsräumung verhindern« der Jungle World. Schuster betonte, dass weiter die Räumung drohe und Lindenau daher auch in Zukunft Solidarität brauche. Die Aussetzung der Räumung sei auch eine Folge des Drucks von stadtpolitischen Initiativen. Tatsächlich ist es in letzter Zeit nicht nur im Fall von M99 gelungen, in großen Mieterauseinandersetzungen wenigstens Teilerfolge zu erzielen. So war die Wiener Immobiliengesellschaft Citec bereit, mit den Mietern des Haues Friedelstraße 54 in Berlin-Neukölln über einen Verkauf des Gebäudes zu verhandeln, nachdem die Mieter ihren Protest sogar in die österreichische Hauptstadt getragen und das Kaufangebot persönlich überbracht hatten. Doch nach mehrwöchigen Verhandlungen wurden die Hausbewohner per E-Mail darüber informiert, dass nicht sie, sondern eine andere Immobilienfirma den Zuschlag bekommen hätten. Beim ehemals besetzten Haus Rigaer Straße 94 brachte eine Gerichtsentscheidung, die die mit einem großen Polizeiaufgebot durchgesetzte Teilräumung für rechtswidrig erklärte, zumindest kurzfristig Entspannung. Da aber neben den Mieterprotesten weitere starke soziale Bewegungen fehlen, sind bisher immer nur temporäre Erfolge erreicht worden.

Lindenau sieht für seinen Laden M99 zwei mögliche Szenarien, wie er der Jungle World sagte. »Entweder jemand ermöglicht mir, dass ich in einem anderen Laden den Verkauf fortsetzen kann. Dann würde ich das M99 verlassen.« Doch das sei unwahrscheinlich. Wenn er keinen gleichwertigen Ersatz in Kreuzberg finde, werde er den Laden »am 20. September nicht freiwillig verlassen«. Dann könnte der Räumungscountdown von Neuem beginnen.

http://jungle-world.com/artikel/2016/32/54634.html

Peter Nowak

Agenda des Protests

M99 Aktionen sollen Zwangsräumung verhindern

Am 9. August soll der Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf (M99) in der Manteuffelstraße geräumt werden. Damit würde der Ladenbetreiber Hans Georg Lindenau, der auf  einen Rollstuhl angewiesen ist, auch seine Wohnung verlieren. In den nächsten Tagen wollen seine UnterstützerInnen mit Aktionen und Kundgebungen gegen die Räumung mobilisieren. Am Mittwochabend trafen sich etwa 100 UnterstützerInnen auf Einladung des Bündnisses „Zwangsräumung verhindern“ im Berliner S0 36, um die Protestagenda zu koordinieren. Am 7. August soll eine Kiezdemonstration um 16 Uhr am Heinrichplatz beginnen, um den Betreiber Lindenau, der auch HG genannt wird, zu unterstützen. Im Stadtteil haben sich zahlreiche Läden und Projekte für seinen Verbleib eingesetzt. Auch die Stadtteilinitiativen Bizim Kiez und Kotti und Co. unterstützen ihn. Zur Demonstration haben sich auch UnterstützerInnen aus anderen Städten und aus dem Ausland angekündigt. Eine Arbeitsgruppe
möchte Schlafplätze für die auswärtigen UnterstützerInnen organisieren. Am 9. August sollen sich ab 8 Uhr die Menschen rund um das M99 versammeln. „Wir wollen so viele sein, dass für die Gerichtsvollzieherin, die die Räumung vollstrecken will, kein
Durchkommen mehr ist und sie unverrichteter Dinge wieder abziehen muss“, sagte ein Unterstützer von HG. Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit mehrere Zwangsräumungen zumindest aufgeschoben werden. Sollte die Räumung nicht verhindert werden können, will Hans Georg Lindenau in einen Hungerstreik treten und gemeinsam mit UnterstützerInnen
den Verkauf seiner Waren mittels eines Containers organisieren.

aus: TAZ, 29. JU LI 2016

Peter Nowak
■■Mehr Infos: http://berlin.zwangsraeumungverhindern.org/2016/07/21/m99-termine/

Noch gibt es Revolutionsbedarf

VERDRÄNGUNG Nun ist es amtlich: Der Laden M99 in der Manteuffelstraße in Kreuzberg soll geräumt werden. Sein Betreiber, HG, hofft auf breite Unterstützung aus dem Kiez

Am 9. August 2016 wird um 9 Uhr eine Gerichtsvollzieherin die Ladenräume des Kreuzberger Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf (M99) in der Manteuffelstraße 99 mit Polizeiunterstützung räumen. Das ist der Inhalt eines Schreibens, das dem Ladenbetreiber Hans-Georg Lindenau, auch als HG bekannt, am vergangenen Wochenende zugestellt wurde. Magnus Hengge von der Bizim-Initiative hatte in den letzten Monaten versucht, die Räumung durch einen Dialog mit Behörden und Eigentümern abzuwenden.
„Es gab einige positive Signale, daher ist die Festlegung des Termins doch überraschend“, sagt er. Im März war ein von der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann moderierter runder Tisch gescheitert, weil die Eigentümer den Räumungstitel nicht zurücknehmen wollten. Im Mai verfassten NachbarInnen dann einen Aufruf für den Verbleib des M99 im Kiez. Die Initiative Bizim Kiez, die sich im letzten Jahr gegen die Verdrängung von MieterInnen und Projekten aus dem Kiez gegründet hat, warnte davor, dass mit dem M99 ein weiteres Stück des rebellischen Kreuzberg verschwinden würde. Sie erinnerte auch daran, dass HG, der den Laden seit 1988 betreibt und nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesen ist, mit der Räumung auch seine Wohnung verlieren würde. HG denkt auch jetzt nicht ans Aufgeben. „Ich hoffe bis zur letzten Minute, dass die Räumung verhindert wird, und werde den Laden nicht freiwillig räumen“, erklärte er der taz. Unter dem Motto „Besuchen Sie den M99, solange es ihn noch gibt“ wird in mehreren Sprachen dafür mobilisiert, HG durch einen Einkauf, aber auch durch Solidaritätsaktionen zu unterstützen. Der Laden ist auch über die Landesgrenzen
hinaus bekannt und wird in alternativen Reisebüchern über Kreuzberg aufgeführt.


Mobilisierungen im Vorfeld

Im Internet wird unter dem Motto „HG und M99 bleiben“ seit Wochen für den Tag X, den Räumungstermin, mobilisiert. Was dann genau geplant ist, werde man jetzt diskutieren, erklärte Hengge. Auch das Bündnis Zwangsräumung verhindern bereitet sich auf die Räumung
vor. Die Planungen für Aktionen im Vorfeld sind da schon konkreter. Seit Ende Juni veranstaltet HG donnerstags zwischen 18 und 22 Uhr vor dem Laden eine Protestkundgebung, zu der von Vertreibung bedrohte MieterInnen und Projekte eingeladen sind. Bisher war die Resonanz aber gering. Um das Problem der Wohnungslosigkeit auch in eine Gegend zu bringen, in der die Dichte der Immobilienfirmen
besonders hoch ist, wird gemeinsam mit Obdachlosen  eine Schlafdemo am Kurfürstendamm  vorbereitet. Auch für die Zeit nach einer Räumung hat HG bereits Pläne. „Der Verkauf soll dann in einen Container verlegt werden „Dafür brauche ich ein Grundstück mit Dixi-Klo,
Wasser- und Stromanschluss in Kreuzberg“, erhofft sich HG Unterstützung durch alternative Projekte und Bezirkspolitik.

aus Taz vom 28.06.2016

http://www.taz.de/!5313428/

Peter Nowak

Akut von Räumung bedroht

PROTEST Vor dem Gemischtwarenladen M99 finden jetzt donnerstags Stadtteilversammlungen statt

Ab 2. Juni soll es bis Anfang Oktober jeden Donnerstag von 18 bis 22 Uhr vor dem Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf
in der Manteuffelstraße 99 eine Stadtteilversammlung geben. „Es geht darum, dass sich die Nachbarschaft kennenlernt, vernetzt und gemeinsam überlegt, wie sie sich gegen die Gentrifizierung wehrt“, erklärt M99-Betreiber Hans Georg Lindenau gegenüber der taz. Damit knüpfen er und seine UnterstützerInnen an die Bizim-Kiezbewegung an, die im letzten Jahr über mehrere Monate im Wrangelkiez wöchentlich eine große Zahl von Menschen gegen Gentrifizierung auf die Straße gebracht hat. Auslöser war damals die Kündigung eines Gemüseladens. Doch bald berichteten MieterInnen und Gewerbetreibende aus der Nachbarschaft über Mieterhöhungen und Kündigungen. In mehreren Fällen konnte eine Vertreibung erfolgreich verhindert werden. Lindenau hat durch die Bizim-Bewegung Unterstützung erfahren. Seine Ladenwohnung ist akut räumungsbedroht. Kürzlich hatte das Berliner Landgericht entschieden, dass auch ein von Lindenau genutzter Kellerraum, der bei der letzten Kündigung vergessen worden war, geräumt werden kann. Damit ist der Eigentümer im Besitz eines Räumungstitels für die komplette Ladenwohnung des auf einen Rollstuhl angewiesenen Mannes. Er befürchtet, dass die Vorbereitungen seiner Zwangsräumung schon laufen. „In der letzten Nacht leuchtete die Polizei längere Zeit die gesamte
Hausfassade ab“, berichtet er.

Erinnerung an Ohnesorg
Die wöchentlichen Protestkundgebungen bekämen nach einer Räumung eine neue Bedeutung. „Ich bleibe vor dem Haus und
signalisiere potenziellen NachmieterInnen, dass ich die Räume zurückwill.“ Den Termin für den Kiezwiderstand hat Lindenau bewusst
auf den 49. Jahrestag der Erschießung von Benno Ohnesorg gelegt. Sein Tod wurde damals zum Auslöser einer starken außerparlamentarischen Bewegung.
aus Taz 2.6.2015

Peter Nowak

Es gibt noch Revolutionsbedarf

PROTEST Die drohende Zwangsräumung des Geschäfts M99 könnte noch verhindert werden
Die drohende Zwangsräumung des in der linken Szene über Berlin hinaus bekannten Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf
M99 könnte doch noch verhindert werden. Der Ladenbetreiber Hans Georg Lindenau (HG) hat in einem neuen Angebot an die Eigentümer zugesichert, dass er die Räume in der ersten Etage aufgibt. Dafür fordert er für die Räume im Erdgeschoss und Keller der Manteuffelstraße
99 einen neuen Mietvertrag. Die EigentümerInnen wollten sich gegenüber der taz nicht zu dem Angebot äußern. Gegenüber Lindenaus Anwalt hatten sie erklärt, die Räumung nicht mithilfe der Polizei durchsetzen zu wollen. Strittig dürfte vor allem Lindenaus Forderung sein, dass die Vereinbarung keinen Termin für ein endgültiges Verlassen der Räume enthalten soll. Die EigentümerInnen hatten vorgeschlagen, dass Lindenau die Ladenräume noch bis zum 31. 12. 2016 nutzen kann und anschließend sämtliche Räume verlassen
soll. „Ich sehe keine Möglichkeiten, an einem anderen Ort den Laden fortzusetzen“, begründet Lindenau gegenüber der taz seine Weigerung, ein konkretes Datum für einen endgültigen Auszug zu akzeptieren. Zudem will er nicht auf die Forderung der EigentümerInnen eingehen, auf weitere politische Aktivitäten gegen seine drohende Räumung zu verzichten. Mitte April hatte er eine
Kundgebung vor dem Büro des Hauseigentümers angemeldet. Dabei wurde auch der Aufruf „99 für M99“ übergeben. Dort hatten sich 99 NachbarInnen für einen Erhalt des Ladens eingesetzt. Dabei wurde auch Kritik an der Gentrifizierung Kreuzbergs deutlich. „Wir haben oft
gehört, dass sich die Menschen im Stadtteil nicht mehr sicher fühlen, wenn selbst ein so bekannter Laden wie der M99, der schließlich in mehreren Kreuzberg-Reisebüchern aufgeführt ist, von der Räumung bedroht ist“, erklärte David Schuster vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“ gegenüber der taz. Das Bündnis gehört zu einem losen Bündnis verschiedener MieterInnen-und Nachbarschaftsinitativen,
die sich für den Erhaltdes Ladens einsetzen. Dass zwischen Lindenau und den HauseigentümerInnen weiter verhandelt wird, sieht Schuster als einen Erfolg der Mobilisierungen der letzten Wochen. Ende Februar war ein vom Bezirksamt Kreuzberg einberufener
Runder Tisch noch ohne Einigung auseinandergegangen. Nicht nur Schuster vom Zwangsräumungsbündnis sah damit alle Möglichkeiten einer Einigung beendet. Auch die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain Kreuzberg Monika Herrmann (Grüne), die den Runden
Tisch leitete, erklärte: „Beim zweiten Treffen wollte der Anwalt des Besitzers nur noch über den Auszugstermin und nicht über den Auszug reden. Da war nichts zu verhandeln.“ Dass Lindenau einen Ersatzladen in Kreuzberg findet, hält Herrmann angesichts der Mietenentwicklung für unmöglich. Lindenau selbst hat derzeit gar keine Zeit, an einen Auszug zu denken. Sein Laden läuft im Vorfeld des 1. Mai besonders gut.
aus Taz: 27.4.2016
Peter Nowak

Rettung gescheitert

M99 Anwalt besteht auf Räumung des Ladens mit Revolutionsbedarf
Der Runde Tisch zum Erhalt des Gemischtwarenladens mit Revolutionsbedarf M99 ist gescheitert. Der Eigentümer der Manteuffelstraße 99 war nicht erschienen, sein Anwalt beharrte auf der Räumung. „Dass er damit die Lebensgrundlage des rollstuhlabhängigen Ladenbetreibers Hans Georg Lindenau zerstört und ihn auch obdachlos macht, scheint ihn nicht zu interessieren“, kritisiert Sarah
Schuster vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“. Es unterstützt Lindenau gegen die drohende  Zwangsräumung. Der Runde Tisch sollte eine weitere Eskalation verhindern. Beim ersten Treffen am 16. Februar war der Eigentümer noch anwesend (taz berichtete). Nachdem das zweite Treffen keine Einigung gebracht hat und auch kein weiterer Termin mehr vereinbart wurde, sieht das Zwangsräumungsbündnis nun akute Räumungsgefahr. Lindenau hofft allerdings noch, sich mit dem Eigentümer zu einigen. „Die  Verhandlungen finden jetzt außerhalb des Runden Tisches statt“, sagte er der taz. Er wolle eine Bleibeperspektive bis mindestens Mitte
2017 vereinbaren. Damit würde er Zeit gewinnen, eine Alternative für seine Ladenwohnung zu suchen. Der Eigentümer und sein Anwalt waren für die taz für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
aus taz vom 11.03.2016
Peter Nowak

»Berufsausübungsverbot«

Seit knapp 30 Jahren gibt es den »M99 – Gemischtwarenhandel für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstaße 99 in Berlin-Kreuzberg, dem nun die Zwangsräumung droht. Der Betreiber Hans-Georg Lindenau wohnt auch dort. Der gebürtige Franke ist querschnittsgelähmt. Er hat mit der Jungle World gesprochen.

Ist die Ladenbezeichnung ein Werbegag für die linke Szene?

Schon Ende der achtziger Jahre habe ich mich von den als Zensur empfundenen Dogmen der linken Infoladenszene verabschiedet. Der Name spielt darauf an, dass ich am Jahrestag der Revolution von 1848 geboren bin, und ich auch heute noch Revolutionsbedarf habe, ohne einer im Detail festgelegten Linie zu folgen.

Kürzlich hat Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) die Räumung Ihres Ladens bis Ende Februar als Schlag gegen die autonome Szene bezeichnet. Fühlen Sie sich geehrt?

Mich erinnert diese Hetze im Wahlkampf an die Situation 1984. Damals wurde so die Räumung des »Kunst- und Kulturcentrums Kreuzberg« (Kuckuck) vorbereitet, in dem ich aktiv war. Im M99 habe ich diese Arbeit fortgesetzt. Wenn ich einen Räumungstermin bekomme, wünsche ich mir eine Demonstration zur Anhalter Straße 7, wo das Kuckuckshaus noch ohne Fassade und Vorplatz steht.

Bereiten Sie sich auf die drohende Zwangsräumung vor?

Ich will keine Zwangsräumung verhindern, sondern kämpfe dafür, in meinen Laden und in meiner Wohnung bleiben zu können. Daher fordere ich einen Runden Tisch mit Politik und Hauseigentümern, wie vom ehemaligen Kreuzberger Bürgermeister Franz Schulz zugesagt.

Gäbe es nach einer Räumung für Sie eine Alternative?

Ich hätte in meiner sozialen Umgebung Kreuzbergs keine Chance, meine seit 1990 rollstuhlabhängigkeitsgelebte Wohnen-und-Arbeiten-Symbiose mit seit Jahrzehnten auf mich persönlich abgestimmter, besuchsfrequentierter Anwesenheitsassistenz fortzusetzen. Beim Verlust meiner Ladenwohnung würde ich mich psychisch in die isolierte Rollstuhlklasse mit Berufsausübungsverbot zurückversetzt fühlen.

Bekommen Sie Solidarität?

Am 9. Januar gab es die erste Solidaritätsdemonstration durch Kreuzberg. Die Initiativen Bizim und »Zwangsräumung verhindern« haben mir ermöglicht, ein Solidaritätsplakat unter dem Motto »M99 Himmelfahrt« zu erarbeiten. Damit sollen Spenden eingenommen werden, weil ich schon heute durch die drohende Räumung hohe Kosten habe.

http://jungle-world.com/artikel/2016/04/53398.html

Small Talk von Peter Nowak

Kiezlegende droht der Rauswurf

In Kreuzberg regt sich Widerstand gegen die Kündigung des »Gemischtwarenladens für Revolutionsbedarf«

Seit 1985 verkauft Hans-Georg Lindenau in der Manteuffelstraße seine »Revolutionsartikel«. Doch am 31. Dezember soll Schluss sein. Dagegen organisiert sich Widerstand.

Schwarzrote Fahnen flattern neben einem Stapel Antifaaufkleber. In Regalen finden sich Plakate und Flugblätter zu verschiedenen Themen der außerparlamentarischen Linken. Im »Gemischtwarenhandel für Revolutionsbedarf« in der Manteuffelstraße 99 kann man den Geist des rebellischen Kreuzberg der späten 80er Jahre noch spüren.

Doch zum 31. Dezember soll damit Schluss sein. An diesen Tag soll Ladeninhaber Hans Georg Lindenau, den alle nur HG nennen, die Räume besenrein an die Idema Immobilien- und Verwaltungsgesellschaft übergeben, die das Haus vor einigen Jahren erworben hat. Es ist der achte Hauseigentümer, seit Lindenau vor 30 Jahren den Laden eröffnet hat. Damals waren in Kreuzberg zahlreiche Häuser besetzt. Der Stadtteil an der Mauer wurde bei Linken, Alternativen und Aussteigern beliebt. Sie waren die ersten Kunden und Nutzer des Ladens.

In den letzten Jahrzehnten hat sich Kreuzberg rasant verändert. Doch der M99 ist bis heute Anlaufpunkt für Menschen aus aller Welt, die noch etwas vom Flair des alten Kreuzberg mitbekommen wollen. In den nächsten Tagen ist die Gelegenheit dazu besonders günstig. Denn Lindenau und seine Unterstützer bereiten den Widerstand gegen die Zwangsräumung vor. »Ich gehe hier nicht freiwillig raus«, erklärt HG, der bei einer Räumung nicht nur den Laden, sondern auch seine Wohnung verlieren würde, die er nach einer Querschnittslähmung in den hinteren Räumen rollstuhlgerecht eingerichtet hat.

An der Kampagne gegen die Räumung beteiligen sich viele Kunden. Das ist im Sinne von Lindenau, der sich nie als Geschäftsmann gesehen hat. »Von Anfang an haben Menschen, die im M99 Aufkleber, Infomaterial und die angesagten linken T-Shirts und Kapuzenpollover erworben haben, geholfen, den Betrieb aufrechtzuerhalten«, benennt HG das Konzept.

Jetzt tragen die Unterstützer dazu bei, dass im ganzen Stadtteil Plakate mit dem Motto »Bizim M99« (Wir sind alle M99) zu sehen sind. Die Parole ist an die Kampagne »Bizim Bakkal« angelehnt, mit der sich vor einigen Monaten Nachbarn für den Erhalt eines gekündigten Gemüseladens in der Kreuzberger Wrangelstraße engagierten (»nd« berichtete). Die Kündigung wurde zurückgenommen.

Mittlerweile kämpft die Bizim-Initiative gegen die Verdrängung von Mietern und kleinen Läden in ganz Kreuzberg. Sie engagiert sich auch für den Erhalt des M99. »HG ist kein profitorientierter Geschäftsmann, sondern sieht sich und seine Arbeit als einen Teil der Kultur von unten. Deshalb gibt es auch eine Freebox – hier kann jeder geben und nehmen, was er kann und möchte«, begründete eine Aktivistin der Bizim-Bewegung das Engagement für den Erhalt des Ladens. Der sei ein Anlaufpunkt für die Nachbarschaft, die nicht zu der kaufkräftigen Zielgruppe der neuen Läden gehört, die sich auch in Kreuzberg ausbreiten, betont sie.

Unter dem Motto »HG/M99 bleibt« soll am 9. Januar für den Erhalt des Ladens demonstriert werden. Beginn ist um 14 Uhr am Heinrichplatz.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/996345.kiezlegende-droht-der-rauswurf.html

Von Peter Nowak

Mit einen Mietwal gegen Miethaie

Vor einigen Monaten sorgte die Bizim-Bakkal-Bewegung im Kreuzberger Wrangelkiez für großes mediales Interesse. Nachdem bekannt geworden war, dass ein Gemüseladen in der Wrangelstraße 77 gekündigt wurde, mobilisierten NachbarInnen über Internet den Protest und gingen jeden Mittwoch auf die Straße (MieterEcho Online berichtete).  In den letzten Wochen war es um die Bizim-Bakkal-Bewegung still geworden. Doch am 11.11. meldete sie sich mit einem Lichterumzug zurück.
Ca. 400 MieterInnen trafen sich vor dem Gemüseladen, dessen Zukunft noch immer ungewiss ist. Die Wrangelstr. 77 GmbH hat zwar die Kündigung zurückgenommen, doch ein neuer Mietvertrag ist bis heute nicht unterschrieben.  Daher ist auch völlig unklar, welche Mieterhöhungen auf die LadeninhaberInnen zukommen könnten. In einer kurzen Rede wurde nicht nur ein langfristiger Mietvertrag für den Gemüseladen sondern von der Politik auch ein besserer Schutz des Kleingewerbes im Stadtteil gefordert.
Nur wenige Meter entfernt befindet sich die Wrangelstraße 66. Die  MieterInnen hatten Ende Juli, als die Bizim-Bewegung auf den Höhepunkt war, die Mitteilung erhalten, dass ihre Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden sollen und es bereits einen Kaufinteressanten, die  mit Sitz in Luxemburg, gebe. Die  MieterInnen wurden aufgefordert,  innerhalb von zwei Monaten mitzuteilen, ob sie ihr gesetzliches Vorverkaufsrecht ausüben wollten. Doch sie organisierten sich und wurden Teil der Bizim-Bewegung. BezirkspolitikerInnen  haben sich eingeschaltet und  angekündigt, dass im Milieuschutzgebiet die Umwandlung in Eigentumswohnungen nicht infrage komme. Doch die MieterInnen fordern nun konkrete Taten.  Der Bezirk solle von seinem Vorverkaufsrecht Gebrauch machen und das Haus einer öffentlichen  Trägerschaft übertragen, lautet die Forderung einer Mieterin. Das wäre ein Signal über die Wrangelstraße 66 hinaus, dass die Investorenpläne auch von der Bezirkspolitik behindert werden können.

Protestlieder statt Rede
Weiter ging es dann in die Manteuffelstraße 99.  Dort betreibt Hans Georg Lindenau seit mehr als zwei  Jahrzehnten seinen  „Gemischtladen mit Revolutionsbedarf“, den sich  der auf einen Rollstuhl angewiesene Ladenbesitzer nach seinen Bedürfnissen eingerichtet hat. Seit Jahren haben verschiedene InvestorInnen  das als Haus Profitquelle entdeckt.  Doch sie haben es schnell wieder verkauft, als sie mitbekamen, dass Lindenau und viele MieterInnen des Hauses ihrer drohende Vertreibung  nicht einfach hinnehmen wollten. Jetzt aber soll Lindenau zum Jahresende den Laden verlassen. Die Hausverwaltung IDEMA GmbH hat viele der ursprünglichen MieterInnen des Hauses gekündigt. Manche sind schon ausgezogen. Lindenau gab statt einer Rede einige Protestlieder zum Besten und machte deutlich, dass er den Laden nicht freiwillig räumen wird. Der Lichterumzug endete mit einem Konzert vor der  Zeughofstraße 20, das von einem Münchner Rechtsanwalt erworben wurde. Anfangs gab er sich bewusst  mieterInnenfreundlich und kündigte eine soziale Modernsierung an.  Daher waren die BewohnerInnen besonders empört, als sie im Dezember 2014 mit einer Modernisierungsankündigung  konfrontiert wurden,  nach der sich die Mieten mehr als verdreifachen sollen.  Schikanen setzten ein und zwischenzeitlich sei die Heizung abgestellt worden,  berichteten Bewohner/innen auf der Kundgebung. Auf der Route berichteten weitere MieterInnen aus der Nachbarschaft  von geplanten Luxusmodernisierungen. Sie wären zunächst unschlüssig gewesen, ob sie den Widerstand aufnehmen sollen. Doch  die Existenz der Bizim-Bewegung habe ihnen Mut   gemacht, berichtete eine Bewohnerin der Muskauer Straße.  Tatsächlich hat der Lichterumzug deutlich gemacht, dass es der Bizim-Bewegung um mehr als den Erhalt eines Gemüseladens geht. Ein Maskottchen hat sie bereits. An der Spitze des Zuges wurde ein beleuchteter Wal getragen. Der hat keine Angst vor dem Miethai, dem nehmen wir jetzt immer mit zu unseren Aktionen, erklärten die TrägerInnen das Symbol.
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/laternenumzug-bizim.html
Peter Nowak

Ein Lichterfest gegen die Verdrängung

MIETEN: Mit einem Laternenumzug meldete sich in Kreuzberg die Bizim-Initiative zurück
Mit einen Laternenumzug gegen Verdrängung durch  den Kreuzberger Wrangelkiez protestierten am Abend des  11 November Hunderte  MieterInnen gegen Verdrängung.    Sie wollten an diesem Abend,so hießes,   mit  Laternen und Glühbirnen den InvestorInnen heimleuchten. Attraktion des Umzugs war  ein großer leuchtender Wal. „Dieser  Mietwal hat keine Angst  vor Miethaien“, sagt die Trägerin.
Mit der Aktion meldete  sich die Bizim-Initiative zurück, die  vor einigen Monaten von MieterInnen des Kreuzberger Wrangelkiezes initiiert wurde, nachdem ein Gemüseladen in der Wrangelstraße 77  die Vertreibung drohte. Mittlerweile wurde die Kündigung zurückgenommen, doch einen neuen Mietvertrag haben die LadenbesitzerInnen bis heute nicht.  Die KiezspaziergängerInnen  bekundeten gleich zu Beginn ihre Solidarität. „Es ist uns  immer um mehr als den Erhalt des  Gemüseladen gegangen. Die NachbarInnen haben Mut bekommen,  sich ebenfalls  gegen ihre drohende Vertreibung zu wehren“,   sagte eine BewohnerInnen der Wrangelstraße 66. Dort war von den EigentümerInnen die Umwandlung von günstigen Miet- und Eigentumswohnungen geplant. Die  Mieterinnen   erwarten von den BezirkspolitikerInnen , dass  sie  die Umwandlung der Wohnungen in dem Milieuschutzgebiet stoppen. Es habe bisher   Versprechungen geben.
Im Anschluss zogen die SpaziergängerInnen zur Manteuffelstraße 99.   Hans Georg Lindenau, des akut von Räumung bedrohten „Gemischtladen mit Revolutionsbedarf M99“ trug  Protestlieder  vor und erntete viel Applaus.  Der Lichterumzug endete mit einem Konzert vor der  Zeughofstraße 20, das derzeit eingrüstet ist. Ein langjähriger Mieter zeigte auf einer Leinwand Dias: es ging um  die Geschichte des Hauses. Die MieterInnen beklagen, mit Schikanen zum Auszug gedrängt zu worden.
aus Taz-Berlin:  13.11.2015

Peter Nowak

Gentrifzierungsbremse M99

Linker Infoladen in Kreuzberg soll ausziehen / Unterstützung

Gegen die angekündigte Räumung des M99 regt sich Protest. Eine erste Räumungsfrist verstrich am Freitag ereignislos.

Antifa-Fahnen, und Banner mit der Aufschrift »Flüchtlinge willkommen«. In dem »Gemischtladen mit Revolutionsbedarf« M99 in der Manteuffelstraße bekommt man ein Bild vom rebellischen Kreuzberg der späten 80er Jahre. Doch wie lange noch? Am Freitag sollte der Ladenbetreiber Hans Georg Lindenau die Räume besenrein an die Hausverwaltung übergeben. So stand es in einem Schreiben, dass dem Geschäftsführer  der Hausverwaltung  am Donnerstag übergeben hatte. Der Ladenbesitzer mobilisierte in wenigen Stunden Freunde und Aktivisten des Bündnisses »Zwangsräumung verhindern«. Um zwölf Uhr waren rund 25 Personen um den Laden versammelt, doch der Geschäftsführer  ließ sich nicht blicken. Nach rund 30 Minuten hielt Lindenau eine kurze Ansprache, in der er sich für die Unterstützung bedankte und betonte, dass er auch weiterhin dafür kämpfen will, dass er den Laden erhalten kann.

»Lindenau ist eine Gentrifizierungsbremse und das ist auch gut so«, begründete ein Nachbar, der zur Kundgebung kam, seine Unterstützung. Tatsächlich haben auch in der Manteuffelstraße viele Spielsalons und Restaurants aufgemacht. Auch das Haus Manteuffelstraße 99 hat in den letzten Jahren schon mehrmals den Besitzer gewechselt. Lindenau erklärte, er würde sich über einen erneuten Eigentümerwechsel freuen. Doch noch ist völlig unklar, wie die  aktuellen Verwaltung weiter vorgehen wird. Das »nd« erhielt auf Nachfrage keine Auskunft zum Haus in der Nummer 99.

Lindenaus Anwalt Burkhard Draeger hat sie aufgefordert, einen Prozessbevollmächtigen zu benennen, falls sie die Kündigung mit gerichtlicher Hilfe durchsetzen will. »Ich halte die Kündigung unter keinem rechtlichen Aspekt begründet«, erklärte der Jurist.

Am Freitagmittag verabschiedete sich Lindenau mit den Worten von seien Unterstützern: »Ich danke Euch für Eure Solidarität und ich hoffe, Ihr kommt, wenn ich wieder Hilfe brauche«. Dieser Fall kann schnell eintreten. Schließlich liegt Lindenau nicht nur mit den Vermietern sondern auch mit dem Ordnungsamt und anderen Behörden im Clinch. Stein des Anstoßes ist eine »Freebox«, die er an der Vorderseite des Ladens eingerichtet hat. Dort legen Anwohner Bücher, Kleidung oder auch Lebensmittel hin, die Interessierte kostenlos mitnehmen können. Obwohl dabei kein Geld fließt, bekam Lindenau einen Strafbefehl wegen Nutzung der Straße für gewerbliche Zwecke. Für den Ladenbetreiber und seine Unterstützer ist es ein Beweis mehr, dass solidarische Projekte aus Kreuzberg verdrängt werden sollen, um der Kommerzkultur Platz zu machen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/940473.gentrifzierungsbremse-m99.html

Peter Nowak