Verdrängung und Widerstand rund um den Boxhagener Platz

Die Gegend um den Boxhagener Platz ist schon längst ein Eldorado für die junge, flexible Schicht von Managern aus Wirtschaft, Politik und Kunst, die vom Berliner politischen Establishment umworben wird. Mieter/innen mit geringen Einkommen können sich dort kaum noch die Wohnungen leisten. Darauf machten am Sonntagnachmittag AnwohnerInnen mit einem Kiezspaziergang aufmerksam. Es wurde nicht nur die Verdrängung angeprangert, sondern auch gezeigt, dass man sich wehren kann, wie ein Vertreter der Stadtteilinitiative „Keine Rendite mit der Miete/Friedrichshain“ betonte. Ein gutes Beispiel dafür ist die Grünberger Straße 84/Ecke Gärtner Straße 14. „Wir haben uns erfolgreich gewehrt gegen Gijora Padovicz. Wir haben schnell reagiert und noch am Tag der Ankündigung der Modernisierung eine Mieterversammlung einberufen“, begründeten sie ihren Erfolg. Weil das Haus bereits in den 1990er mit Krediten der Investitionsbank Berlin saniert wurde und der damalige Vertrag eine Klausel enthielt, dass einer künftigen Modernisierung 70 % der MieterInnen zustimmen müssen, konnten die neuen Modernisierungspläne ausbremst werden ( siehe MieterEcho Online vom 13.10.2016).  „Schließt Euch zusammen und solidarisiert Euch. Macht Euch schlau und holt Euch anwaltlichen Rat“, beendeten die Mieter/innen ihren Beitrag über ein ermutigendes Beispiel von Gegenwehr. Miriam Stein (Name geändert) konnte sich nicht auf eine solidarische Nachbarschaft stützen, als sie ebenfalls von der Padovicz-Immobilienfirma mit der Modernisierungsankündigung konfrontiert war. Fast ein Jahr lebte ich allein auf einer Baustelle in der Dirschauer Straße/Ecke Revaler Straße. Sie war in dieser Zeit mit Wasserschäden und Einbrüchen konfrontiert. Kürzlich hat sich auch Stein zum Umzug entschlossen. Jetzt wird das Haus, in dem Jahre lang Mieter/innen mit geringem Einkommen wohnten, nur noch für Menschen mit viel Geld erschwinglich sein. Rund um die Dirschauer Straße kann man zurzeit viele Baustellen sehen. In den wenigen noch unsanierten Häusern wächst der Leerstand. Die Aufwertung des Stadtteils hat mittlerweile auch die Nebenstraßen in Friedrichshain erreicht.

MieterInnen der Padovicz-Häuser schließen sich zusammen
In der Simon Dach Straße hingegen, die bereits seit mehr als ein Jahrzehnt als angesagte Eventmeile abgefeiert wird, haben es Mieter/innen mit geringen Einkommen immer schwerer, noch eine Wohnung zu finden. Aktuell sind Mieter/innen der Simon Dach Straße 34 mit Modernisierungsankündigungen der Padovicz-Gruppe konfrontiert. Vor dem Haus betonte ein Mieter, der bereits fast 30 Jahre in dem Haus wohnt, wie wichtig auch eine solidarische Nachbarschaft ist, um die Mieter/innen zu unterstützen und zu informieren. Dazu sollen Treffen von Mieter/innen aus verschiedenen Padovicz-Häusern aus Friedrichshain dienen, die bereits zweimal im Mieterladen in der Kreutziger Straße 23 stattfand. Dort sollen  Erfahrungen ausgetauscht werden, damit sich die Mieter/innen besser wehren können. Schließlich berichten MieterEcho und andere Zeitungen bereits seit 2 Jahrzehnten über die Entmietungsstrategien der Immobiliengesellschaft. Aber Padovicz ist nur ein Player, der rund um den Boxhagener Platz aktiv ist. So werden auf der Internetplattform „Wohnen am Boxi“ Wohnungen des kürzlich modernisierten Hauses Gabriel-Max-Straße 6 /Grünbergerstraße 71 angeboten. Die Gesamtmiete für eine 74,39 Quadratmeter-Wohnung beträgt  1.301, 46 Euro. Für 87,51 Quadratmeter fällen monatlich 1.367,63 Euro an.
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/kiezspaziergang-boxhagener-platz.html

MieterEcho online 08.11.2016

Peter Nowak

Letzter Weltladen in Friedrichshain

Nicht nur Mieter, auch unkommerzielle Projekte sind von Wucher bedroht

»Faire Welt am Boxhagener Platz – wie lange noch?« Diese Frage steht auf einen Schild am Eingang Weltladen La Tienda in der Krossener Straße. Der Besitzer Michael Fuhrberg will damit Kunden und Passanten darauf hinweisen, dass der Laden womöglich Ende September schließen muss. Dann läuft der bisherige Mietvertrag aus. Aus persönlichen Gründen beendet Fuhrberg seine Tätigkeit als Ladeninhaber. Doch es gibt Interessenten, die den Laden weiterführen und sogar mit einem angeschlossenen Reisebüro erweitern würden. Bisher ist aber kein neuer Vertrag zustande gekommen und die potenziellen Nachmieter werden langsam unruhig. »Nach dem Auslaufen des aktuellen Mietvertrages Ende September soll die Miete bei einem Neuvertrag um 100 Prozent steigen. Verhandlungen mit dem Vermieter und ein Appell an den Eigentümer Anfang Juli haben nur zu einem Übergangsangebot geführt«, so Fuhrberg gegenüber »nd«. Vor einigen Wochen hat er in einem Offenen Brief verfasst, in dem er seine Kunden sowie Passanten darüber informierte, dass es den Laden vielleicht bald nicht mehr geben wird. Fuhrberg begründet seinen Schritt in die Öffentlichkeit mit der Sorge, dass der Eigentümer auf Zeit spielt, um die Rendite zu steigern. Schließlich ist das Areal rund um den Boxhagener Platz eine angesagte Gegend und die Mietpreise steigen. »Nach 20 Jahren Engagement im Fairen Handel droht dem einzigen Weltladen in Friedrichshain und einem der wenigen größeren Läden dieser Art in Berlin das Ende, wegen zu hoher Mietforderungen seitens des Neu-Eigentümers«, so Fuhrberg. Er hat sich nach Abschluss seines Studiums der Volkswirtschaftslehre mit dem Fairen Handel befasst und lernte die Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit (GSE) kennen, die 1993 den ersten Weltladen eröffnete.

Sowohl die GSE als auch der Weltladen waren in die »Lokale Agenda 21«-Bewegung eingebunden, die Anfang der 90er Jahre vom sogenannten Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 angestoßen wurde. »Zusammen mit anderen Initiativen und Organisationen im Bezirk Friedrichshain, nicht zuletzt auch mit dem Bezirksamt, ging es um Öffentlichkeitsarbeit und konkrete Schritte für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung auf lokaler und globaler Ebene«, beschreibt Fuhrberg die Zielsetzung des Ladens.

Peter Jorga von der Lotz Consulting, der Eigentümerin des Hauses, erklärt gegenüber »nd«, dass bisher für den Laden kein Folgemietvertrag abgeschlossen wurde und alle Anfragen geprüft werden. Grundsätzlich sei man gerne bereit, an Mieter mit sozialen und ökologischen Engagement zu vermieten. Doch mittlerweile verhandle man auch mit anderen Interessenten über die Gewerbefläche. Kein Verständnis hat Jorga für die Öffentlichkeitsarbeit des Ladeninhabers. Herr Fuhrberg sorge »durch Aushänge im Schaufenster des Ladens und an der Fassade für Propaganda und Diffamierung gegen den Vermieter«. Lediglich aus Kulanz des Vermieters sei auf die mögliche strafrechtliche Verfolgung verzichtet worden.

Die Friedrichshainer Initiative »Keine Rendite mit der Miete«, sieht das drohende Ende des Weltladens als ein Beispiel dafür, dass es in dem Stadtteil nicht nur für Mieter sondern auch für nichtkommerzielle Projekte immer schwieriger wird, ihre Räume zu behalten. So wurde dem Kunst- und Kulturverein Vetomat die Räume in der Scharnweberstraße 25 gekündigt. Der Verein hat juristische Schritte angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/831568.letzter-weltladen-in-friedrichshain.html

Peter Nowak