Eine Initiative knüpft an Kampfmittel an, die in der Weimarer Republik mit Erfolg angewandt wurden

Kampf für einen bundesweiten Mieterlass nach der Corona-Krise

Während in Spanien am 1. April die Mietenboykottbewegung begann, echauffierten sich in Deutschland viele über die Ankündigung von Adidas und Co. in der Corina-Krise, die Mietzahlungen für ihre Geschäftsräume einzustellen. Doch diese Empörung hatte eindeutig regressiven Charakter. Da gerierten sich Politiker und Medien als brave Bürger, die immer ihre Miete zahlen und warfen Adidas und Co. vor, ein schlechtes Beispiel für Andere zu bieten. Dabei wäre schon damals die beste Antwort von Mietern auf der Ankündigung von Adidas gewesen: "Wir zahlen nicht".

In der Hochzeit des Corona-Shutdowns wurde viel darüber spekuliert, ob im Anschluss die Welt sozialer würde und die neoliberale Phase des Kapitalismus der Vergangenheit angehören. Dabei wurde aber der Eindruck erweckt, das wäre ein automatischer Prozess. Politische Kräfteverhältnisse wurden in der Regel völlig ausgeblendet. Bündnisse wie die Plattform Coview19 oder das Berliner Bündnisprojekt jetzterstrechtwurden in den Medien kaum erwähnt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass auch das Onlineportal „Wir zahlen nicht“, das in der letzten Woche freigeschaltet wurde, bisher ….

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Initiativen von Mietern wollen sich einbringen

Aktivisten mischen sich in Koalitionsgespräche ein

Nach öffentlicher Anhörung sollen Forderungen an den neuen rot-rot-grünen Senat übermittelt werden.

Die Koalitionsgespräche des geplanten rot-rot-grünen Senats in Berlin laufen hinter verschlossenen Türen ab. Doch Aktivisten der Berliner Mieterbewegung wollen sich einmischen und die Verhandlungspartner mit ihren Forderungen konfrontieren. Unter dem Motto »›Neues Regieren‹ braucht ein gutes Hearing!« wollen sie unterschiedliche Mieterinitiativen an einen Tisch bringen. Zu den Organisatoren des Vorhabens gehören Thilo Trinks vom Bündnis »Pankower Mieterprotest« und Kurt Jotter, der in den 1980er Jahren in Westberlin die außerparlamentarische Politikkulturgruppe »Büro für ungewöhnliche Maßnahmen« mitbegründete.

»Mit einem selbstorganisierten Hearing wollen wir Politikern und den Medien unsere Forderungen direkt vortragen«, sagt Jotter. Es gehe ihm dabei nicht nur um eine einmalige Veranstaltung, sondern um einen berlinweiten Zusammenschluss von Mietern. Damit sei es möglich, die Politik des neuen Senats besser zu kontrollieren. An der Initiative beteiligen sich bisher die Kreuzberger Stadtteilinitiativen »Kotti & Co« und »Bizim Kiez«. Das Bündnis »Zwangsräumungen verhindern« nimmt mit beobachtenden Status teil. »Wir setzen auf außerparlamentarischen Druck und halten Abstand zu allen Parteien, würden uns aber freuen, wenn unsere Forderungen vom Senat aufgegriffen werden«, sagt David Schuster vom Bündnis. Auch der Regisseur des Films »Mietrebellen« und stadtpolitische Aktivist Matthias Coers verweist darauf, dass das Hearing nur erfolgreich sein kann, wenn der außerparlamentarische Druck aufrechterhalten wird. In Barcelona sei seit zwei Jahren eine langjährige Aktivistin der Bewegung gegen Zwangsräumungen Bürgermeisterin: Ada Colau werde bei ihrer Arbeit von einem Großteil der dortigen Aktivisten weiter kritisch begleitet, so Coers.

»Es wäre ein Signal über Berlin hinaus, wenn die Forderung nach einem Zwangsräumungsmoratorium während der Wintermonate auf der Agenda einen zentralen Stellenwert bekommen würde«, sagt Coers. Wer mit offenen Augen durch Berlin gehe und auch bei sinkenden Temperaturen sehe, wie in allen Stadtteilen Menschen draußen übernachten müssen, kenne die Dringlichkeit eines Zwangsräumungsstopps. Auch darüber dürfte beim nächsten Treffen für das Hearing gesprochen werden.

neues deutschland, Berlin-Ausgabe,vom Samstag, dem 22.10.2016

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1029621.initiativen-von-mietern-wollen-sich-einbringen.html
Von Peter Nowak